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cc) Abgestimmte Verhaltensweise

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Als Auffangtatbestand werden vom Kartellverbot auch „aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“ erfasst. Hierbei handelt es sich um Formen der Verhaltenskoordinierung, die ohne irgendeine Bindungswirkung oder Willensübereinstimmung zu einem gewollten Zusammenwirken von Unternehmen zum Zwecke der Ausschaltung wettbewerblicher Risiken führen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bezeichnet der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt.[32] Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzung für die Feststellung einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise sind, verlangen nicht die Ausarbeitung eines konkreten Plans, sondern sind vielmehr i.S.d. vom EuGH aufgestellten Selbstständigkeitspostulats zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbstständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt betreiben will.[33] Dies nimmt den Unternehmen zwar nicht das Recht, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen. Es schließt jedoch jede unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Wettbewerbern aus, die bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen.[34] Die danach erforderliche Fühlungnahme zwischen zwei oder mehr Unternehmen kann in jeder Form von Verständigungshandlungen oder gegenseitigem Kontakt liegen.

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Das wichtigste Mittel der Verhaltensabstimmung ist in der Praxis der gegenseitige Austausch von unternehmensrelevanten Informationen zwischen Wettbewerbern, weil hierdurch die für unternehmerisches Verhalten unter Wettbewerbsbedingungen kennzeichnende Unsicherheit über die Reaktionen der Konkurrenten beseitigt wird.[35] Eine solche Koordinierung kann auch über Dritte oder unter Beteiligung Dritter erfolgen, insbesondere auf gemeinsamen Sitzungen von Unternehmensvertretern mit ihren Abnehmern oder Lieferanten oder auch unter Einschaltung von Verbänden oder Beratern, denen die Sammlung und der Austausch der Informationen übertragen wird. Eine abgestimmte Verhaltensweise erfordert über die Abstimmung hinaus auch ein dieser entsprechendes Marktverhalten sowie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden.[36] Allerdings besteht nach der Rechtsprechung des EuGH eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens auch berücksichtigen werden.[37] Dementsprechend obliegt es den an der abgestimmten Verhaltensweise beteiligten Unternehmen nachzuweisen, dass ihre Abstimmung keine negativen Auswirkungen auf den Markt hatte.

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Den Gegensatz zu einer Verhaltensabstimmung bilden einseitige Maßnahmen, die von Unternehmen aufgrund eines autonomen Willensentschlusses und ohne Einflussnahme Dritter umgesetzt werden. Keine abgestimmte Verhaltensweise liegt daher in einem bewussten Parallelverhalten, d.h. dem Nachahmen des Verhaltens anderer Unternehmen aufgrund eigener Marktbeobachtungen und einer selbstständigen Entscheidung.[38] Ungeklärt ist bislang, unter welchen Voraussetzungen einseitige Maßnahmen wie öffentliche Ankündigungen von Preiserhöhungen dem Kartellverbot unterfallen, die in der erkennbaren Erwartung getätigt werden, dass sich die Konkurrenten der Preiserhöhung anschließen werden (sog. Koordinierung über den Markt).[39]

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