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1. Verkaufskooperationen

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Kooperationen beim Verkauf bzw. Vertrieb oder der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen gehören zu den kartellrechtlich riskantesten Kooperationsformen zwischen Wettbewerbern. Derartige Verkaufsvereinbarungen kommen in unterschiedlichen Formen in Betracht. Denkbar sind nicht nur ein arbeitsteiliges Vorgehen im Rahmen eines gemeinsamen Teams, eines Gemeinschaftsunternehmens (Joint Venture) oder durch Verteilung der Aufgaben zwischen den kooperierenden Unternehmen, sondern auch die Übernahme des Vertriebs oder der Vermarktung durch eines der beteiligten Unternehmen oder die gemeinsame Bestimmung eines Vertriebspartners.[80]

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Verkaufsvereinbarungen betreffen unmittelbar den Absatz an Kunden und somit einen zentralen Wettbewerbsaspekt. Sie können zu besonders schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen (sog. Kernbeschränkungen), wie z.B. einer Abstimmung der Verkaufspreise, einer Koordinierung von Produktions- oder Absatzmengen oder einer Markt-/Kundenaufteilung führen, und werfen daher grundlegende kartellrechtliche Bedenken auf.[81]

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Die mit Verkaufsvereinbarungen verbundenen kartellrechtlichen Risiken lassen sich auch nicht dadurch ausschließen, dass eine ausdrückliche Abstimmung über Preise, Mengen, Märkte, Kunden oder andere wettbewerbsrelevante Gesichtspunkte vermieden wird. Verkaufskooperationen begünstigen in besonderer Weise den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen zwischen den kooperierenden Unternehmen, was im Ergebnis ebenso zu Wettbewerbsbeschränkungen führen kann wie eine ausdrückliche Abstimmung.[82] Vor allem bei vertriebs- oder marketingintensiven Produkten kann zudem schon der bloße Umstand, dass beim Vertrieb bzw. der Vermarktung kooperiert wird, zu einer Angleichung der Kosten der kooperierenden Unternehmen führen. Im Ergebnis kann das auf eine Koordinierung der Verkaufspreise hinauslaufen, weil sich mit den Kosten häufig auch die Verkaufspreise angleichen werden.[83] Wettbewerbsbeschränkungen können sich bei Verkaufskooperationen außerdem aus einer Andienungspflicht ergeben, bei der sich die beteiligten Unternehmen verpflichten, ausschließlich die gemeinsame Vertriebsorganisation zu nutzen und auf einen eigenen unabhängigen Vertrieb ganz zu verzichten.[84]

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Aufgrund der besonderen Nähe zum Kunden werden sich Verkaufskooperationen nur in Ausnahmefällen wettbewerbsneutral gestalten lassen.[85] Denkbar ist dies insbesondere in Fällen, in denen einer der Kooperationspartner auf die Verkaufskooperation objektiv angewiesen ist, um in den Markt eintreten oder sich auf diesem behaupten zu können.[86] Wie bei Arbeitsgemeinschaften ist die Kooperation als solche schon nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn und soweit sie die Aufnahme von Wettbewerb auf dem relevanten Markt erst ermöglicht, z.B. weil ein Markteintritt unter wirtschaftlichen oder technologischen Gesichtspunkten allein nicht möglich wäre.[87]

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Als im Grundsatz nicht wettbewerbsbeschränkend wird auch die bloße gemeinsame Werbung angesehen,[88] sofern die beteiligen Unternehmen weiterhin frei sind, individuelle Werbung zu schalten, und die gemeinsame Werbung auch nicht z.B. durch gemeinsame Preisempfehlungen oder über eine Angleichung der Kosten (bei marketingintensiven Produkten) zu anderweitigen Wettbewerbsbeschränkungen führt.[89] Grundsätzlich unbedenklich ist insbesondere die kollektive Werbung zur Bedarfsweckung für bestimmte Branchen, Regionen oder gemeinsame Marken.[90]

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Sind mit der Verkaufskooperation Wettbewerbsbeschränkungen verbunden, wird auch eine Freistellung vom Kartellverbot nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Europäische Kommission sieht es im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis immerhin als wahrscheinlich an, dass Verkaufskooperationen die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV (§ 2 Abs. 1 GWB) erfüllen, wenn der gemeinsame Marktanteil der Kooperationspartner nicht über 15 % liegt.[91] Das ändert aber nichts daran, dass der Nachweis der Freistellungsvoraussetzungen von den beteiligten Unternehmen zu erbringen und schwierig zu führen ist.

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Einen verlässlichen Rechtsrahmen für eine Freistellung von Verkaufskooperationen bieten somit i.d.R. nur die Gruppenfreistellungsverordnungen der Europäischen Kommission, die über § 2 Abs. 2 GWB auch in das deutsche Recht einfließen. Diese ermöglichen den gemeinsamen Vertrieb bzw. die gemeinsame Vermarktung unter engen Voraussetzungen, insbesondere verhältnismäßig geringen gemeinsamen Marktanteilen, z.B. im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungskooperationen,[92] bei der Spezialisierung von Unternehmen und der gemeinsamen Produktion[93] sowie im Bereich der Seeschifffahrt (sog. Linienkonferenzen)[94]. Im deutschen Kartellrecht kommt eine Freistellung zudem unter dem Gesichtspunkt des „Mittelstandskartells“ nach § 3 GWB in Betracht, wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt durch die Verkaufskooperation nicht wesentlich beeinträchtigt wird und sie gerade dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern.[95]

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