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SPRITZTOUR RICHTUNG MITTELMEER

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Marcello, haben die Kollegen von der Spurensicherung ihren Bericht schon geschickt«, erkundigte sich Capitano Dal Fiesco bei Brigadiere Donati, während der gesamte Tross von Collocinis Büro wieder in Richtung Restaurationswerkstätte marschierte.

»Nein, noch nicht«, erklärte Donati. Wie sollten sie denn auch – Carbone und sein Team hatten den Ort des Geschehens doch erst vor 30 Minuten verlassen. Ungeduld bringt uns jetzt auch nicht weiter, dachte Donati bei sich, unterließ es aber, seinen sichtlich angespannten Chef mit dieser Lebensweisheit zu konfrontieren. Just in dem Moment läutete sein Mobiltelefon erneut. Die Kollegen von der Autobahnpolizei wollten wissen, was sie denn in dem Lieferwagen von Mondo Animali, der auf der Autobahn auf der Höhe von Pistoia wenige Autolängen vor ihnen in Richtung Lucca unterwegs sei, erwarte.

Brigadiere Donati beschränkte sich in der Schilderung der Umstände auf das Notwendigste: »Kurz gesagt geht es um einen Kunstraub. Wir vermuten in dem Lieferwagen ein wertvolles Renaissancegemälde, das bei einem etwaigen Einsatz keinesfalls Schaden nehmen darf. Versuchen Sie, den Wagen anzuhalten, ohne dass es zu einem wie auch immer gearteten Unfall kommt. Zwei Kollegen vom Comando Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale machen sich in dieser Minute auf den Weg. Und halten Sie uns bitte auf dem Laufenden.«

Luca Lezzerini von der Carabinieri-Dienststelle zum Schutz des italienischen Kulturerbes verließ das Opificio delle Pietre Dure im Laufschritt und deutete dem noch immer telefonierenden Donati per Fingerzeig, dass man per Mobiltelefon in Kontakt bleiben solle. Fünfundzwanzig Minuten – so schätzte Lezzerini – werde er trotz Blaulicht und Sirene bis Pistoia im Nordwesten von Florenz schon benötigen. Wäre doch zu schön, wenn man das Gemälde sofort seinem Besitzer zurückbringen könnte. So ganz wollte Lezzerini aber nicht daran glauben: Zu professionell waren der oder die Täter bisher vorgegangen. Sie würden doch nicht so einfallslos sein und stundenlang mit dem Fluchtauto durch die Gegend fahren? Vielleicht war das zweite Fluchtauto nicht am verabredeten Ort gewesen. Vielleicht hatte es mit dem zweiten Wagen eine Autopanne gegeben. Auch Kriminelle waren schließlich nicht davor gefeit, dass eine Zündkerze den Geist aufgab oder die Batterie ihr Leben aushauchte. Beim Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio am Eingang zum Opificio delle Pietre Dure angekommen, schwang sich Lezzerini auf den Beifahrersitz. Neben ihm hatte wenige Sekunden davor Brigadiere Vincenzo Corridori Platz genommen, das Blaulicht am Dach des 150 PS starken Boliden platziert und die Sirene eingeschaltet. Der Alfa brauste los, und da Corridori ein guter und sicherer Fahrer war, rasten die beiden schon nach wenigen Minuten auf der A11 dahin. Noch hatten die Kollegen von der Autobahnpolizei keinen Zugriff vermeldet, schließlich galt es nicht nur, den Lieferwagen und dessen Inhalt zu schützen, sondern auch Unfälle auf der Autobahn zu vermeiden.

»Eine Zivilstreife hat sich unmittelbar vor dem Lieferwagen eingereiht. Der Fahrer des Vans, der übrigens keine Mondo-Animali-Uniform trägt, schöpft diesbezüglich also sicher keinen Verdacht«, erklärte Vice Brigadiere Bertini via Funk: »Und wir sind ungefähr fünf Autos hinter dem Fahrzeug und warten auf einen günstigen Zeitpunkt. Mag sein, dass uns der Fahrer gesehen hat, muss aber nicht sein. Nach der Ausfahrt nach Pistoia werden wir aller Voraussicht nach zuschlagen, also in rund drei bis fünf Minuten.«

»Sehr gut«, lobte Lezzerini: »Wenn Sie das Fahrzeug gestoppt haben und der Fahrer in Gewahrsam ist, stellen Sie sicher, dass niemand im Laderaum ist. Aber betreten Sie den Van unter keinen Umständen und fassen Sie um Gottes willen nichts an. Es handelt sich um ein Kunstwerk von sehr hohem Wert. Und halten Sie uns bitte über alle Entwicklungen auf dem Laufenden.«

Das Comando Carabinieri Tutela Patrimonio Culturale, eine Sektion im italienischen Kulturministerium zum Schutz des nationalen Kulturerbes, hatte sich seit seiner Gründung im Jahr 1969 nicht nur national, sondern auch international einen Namen gemacht, etwa bei der Ausbildung von Polizei- und Zollbeamten in Ländern, die eine ähnliche Institution aufbauen wollten. Erst kürzlich hatte Lezzerini einen Vortrag über die Arbeit des TPC vor albanischen Kollegen gehalten. Vordringlichste Aufgabe des TPC war es, illegal exportierte oder in ausländischen privaten Sammlungen und Museen befindliche italienische Kulturgüter nach Italien zurückzuführen sowie die illegale Ausfuhr von italienischen Kulturgütern aus Italien zu verhindern.

Eineinhalb Kilometer nach der Autobahnausfahrt nach Pistoia erfolgte schließlich der Zugriff der Autobahnpolizei: Die Zivilstreife drosselte auf der vierspurigen Autobahn unmittelbar vor dem Mondo-Animali-Van die Geschwindigkeit. Das Einsatzfahrzeug der Autobahnpolizei hatte sich rechts neben dem Van eingereiht, um dem Lieferwagen den Weg zu versperren. Blaulicht und Sirene waren mittlerweile eingeschaltet. Die drei Fahrzeuge wurden immer langsamer und kamen schließlich komplett zum Stillstand. Plötzlich öffnete sich die Fahrertür, ein Mann im Jogginganzug sprang aus dem Wagen. Fast zeitgleich wurde die Beifahrertür aufgerissen, und ein bärtiger Mann in Shorts und T-Shirt setzte zur Flucht an. Der Mann im Jogginganzug rannte in Fahrtrichtung davon und wurde wenige Meter nach seinem Ausstieg von einem Beamten der Zivilstreife zu Boden gerissen. Der Bärtige lief gegen die Fahrtrichtung und kletterte flink über die Mittelleitschienen. Lautes Hupen und quietschende Reifen begleiteten den Flüchtenden, während er sich Fahrspur um Fahrspur auf die andere Seite der Autobahn vorkämpfte. Vice Brigadiere Giuliano Bertini von der Autobahnpolizei hatte die Verfolgung aufgenommen, musste aber aufpassen, nicht überfahren zu werden, während er den Flüchtenden im Auge behielt. In der nächsten Sekunde stieg auf dem Pannenstreifen der A11 Richtung Florenz ein beherzter Autofahrer aus einem Toyota Van aus und stellte sich dem Flüchtenden entgegen. Er vermochte ihn zwar nicht zu stoppen, aber doch so weit abzulenken, dass Bertini sich auf den Mann stürzen konnte.

Wenige Minuten später saßen die beiden Verdächtigen bereits in Handschellen im Polizeiauto, und vier Polizeibeamte – zwei in Zivil, zwei in Uniform – postierten sich mit gezückten Dienstwaffen vor der Tür zum Lieferraum des Vans. Vorsichtig öffnete einer der Polizisten die Tür. Der Van war, abgesehen von ein paar Befestigungsgurten und zwei Wolldecken, leer. Nach einer kurzen Schrecksekunde funkte Bertini die Kollegen vom TPC an.

»Die gute Nachricht ist, dass wir den Van gestoppt und die zwei Insassen verhaftet haben. Die schlechte Nachricht ist, dass sich in dem Van kein Gemälde befindet. Bis sie hier sind, knöpfen wir uns mal die zwei Burschen aus dem Van vor. Wir haben den Van übrigens nur geöffnet und hineingeschaut, aber sonst nichts angefasst. Das überlassen wir den Kunstprofis.«

Lezzerini atmete tief durch.

»Trotzdem, gute Arbeit. Ich glaube, wir sehen schon den Rückstau, den ihr verursacht. Wir fahren am Pannenstreifen zu euch vor.«

Beim Fahrer und beim Beifahrer des Mondo-Animali-Vans handelte es sich, wie sich schnell herausstellte, um zwei Autostopper, die auf Höhe der Autobahnraststation Firenze Nord einen Mondo-Animali-Mitarbeiter dabei beobachtet hatten, wie er den Lieferwagen abgestellt, ein großes Paket entnommen, dieses in einen weißen Van umgeladen und den Autoschlüssel schließlich in einen Mülleimer versenkt hatte. Mit dem Gemäldediebstahl hatten sie, wie es aussah, nichts zu tun. Sie hatten wohl bloß die Gunst der Stunde genutzt, die Schlüssel aus dem Mülleimer geholt, und wollten eine Spritztour in Richtung Mittelmeer unternehmen. Wie der weiße und fensterlose Van, mit dem der Mondo-Animali-Mann weitergefahren war, genau ausgesehen hatte, konnten die beiden nicht sagen. Weder die Marke noch das Modell und schon gar nicht das Kennzeichen hatten sie sich gemerkt.

»Und was konnten die zwei über den Mann sagen?«, wollte Lezzerini wissen.

»Nichts, was wir nicht auch schon wissen: Recht groß, Mondo-Animali-Kluft, Schnauzbart, Wuschelkopf«, antwortete Bertini.

»Große Hilfe sind uns die zwei also nicht. Außerdem haben sie eventuelle Spuren in der Fahrerkabine verwischt«, knurrte Lezzerini. »Wir lassen jetzt mal den Mondo-Animali-Van abschleppen und von der Spurensicherung untersuchen. Die zwei Typen gehören Ihnen. Wenn wir sie noch einmal vernehmen müssen, wende ich mich an Sie. Halten Sie die beiden also ein paar Tage fest. Jetzt sollten wir hier aber keine Zeit mehr verschwenden. Schließlich hat der Kunsträuber ohnehin schon einen Vorsprung von mehreren Stunden.«

Die Anbetung der Könige

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