Читать книгу Die Anbetung der Könige - Maximilian Mondel - Страница 18

WARTEN AUF EINE ­LÖSEGELD­FORDERUNG

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Ich hoffe, dass sich die Medien mit den Fakten, die wir ihnen fürs Erste geliefert haben, zufriedengeben«, raunte Lezzerini seinem Kollegen Dal Fiesco zu, nachdem es sich die beiden nach der Pressekonferenz auf der Rückbank eines Polizeiwagens bequem gemacht hatten.

»Ich denke schon«, antwortete Dal Fiesco und schlug die Autotür zu.

Sowohl der Minister als auch der Polizeipräsident hatten ihre Sache aus Sicht der beiden Polizeibeamten gut gemacht.

»Aber ewig Zeit wird uns die Öffentlichkeit für die Suche auch nicht lassen: Außerdem gehe ich davon aus, dass einige Medien gezielt Redakteure auf den Fall ansetzen, wobei man da nur hoffen kann, dass sie dafür gute Leute abstellen und nicht solche, denen die Fantasie davongaloppiert.«

Dal Fiesco lächelte sauer.

»Das hoffe ich auch, und zwar für uns alle. Aber was ist eigentlich Ihre Einschätzung? Wie viel ist das Gemälde auf dem Markt wert? Und wen wird der Dieb aus Ihrer Sicht ansprechen? Ist die ›Anbetung der Könige‹ denn überhaupt verkäuflich?«

Lezzerini lehnte sich zurück und zog die Augenbrauen hoch.

»Tja, mein verehrter Capitano Dal Fiesco, das sind die großen Fragen in unserem Betätigungsfeld. Beginnen wir mal mit der Markttauglichkeit. Grundsätzlich gibt es für nahezu alles einen Markt. Werke von Leonardo da Vinci sind auf dem Kunstmarkt allerdings eigentlich nicht verfügbar, da sich sein gesamtes Œuvre seit Jahrhunderten in Museen und anderen institutionellen Sammlungen befindet. Natürlich tauchen ab und an Skizzen auf, die angeblich oder aber auch tatsächlich von Leonardo stammen. Und wenn diese Skizzen von anerkannten Experten renommierter Museen als echte Leonardos eingestuft werden, dann klettert deren Marktwert in schwindelerregende Höhen. Da wechseln dann – wie im Fall einer rund A5-großen Skizze von Leonardo da Vinci – schnell einmal 15 Millionen Euro den Besitzer.«

Wenige Häuserblöcke vom Museum des Opificio delle Pietre Dure entfernt, auf der Rückseite der Uffizien, blieb der Wagen im Innenhof der Carabinieri Comando Stazione Firenze Uffizi stehen, Dal Fiesco und Lezzerini stiegen aus, dankten dem Fahrer und begaben sich in Dal Fiescos Büro.

»Wenn für eine kleine Skizze 15 Millionen Euro bezahlt werden, dann müssten für ein weltberühmtes Gemälde wie die ›Anbetung der Könige‹ wohl hunderte Millionen Euro hingeblättert werden«, mutmaßte Dal Fiesco, während die beiden Polizeibeamten die Treppe in die erste Etage hinaufstiegen.

»Ist wohl anzunehmen«, erwiderte Lezzerini. »Vor einiger Zeit wechselte das Bild ›Salvator Mundi‹, von dem man nicht einmal zu 100 Prozent sagen kann, dass es von Leonardo da Vinci gemalt wurde, um sagenhafte 450 Millionen Euro den Besitzer. Im Grunde geht es immer um Angebot und Nachfrage. Die entscheidende Frage in diesem ganz speziellen Fall ist allerdings, was ein Kunstverrückter für ein weltberühmtes Gemälde zu zahlen bereit ist, wenn er es eigentlich weder ausstellen noch als in seinem Besitz befindlich präsentieren kann. Aber aus leidvoller Erfahrung wissen wir, dass die Welt der Kunst mitunter irrational ist und dass Verrückte Dinge tun, die man so nicht erwartet hätte. Wussten Sie eigentlich, dass der Kunsthandel weltweit jährlich 50 Milliarden US-Dollar umsetzt? 50 Milliarden US-Dollar! Es kommt nicht selten vor, dass Originale, die über dunkle Kanäle erworben wurden, in Privatsammlungen aufgehängt werden, ausschließlich zur persönlichen Erbauung des – unrechtmäßigen – Besitzers, der sie gegenüber Dritten eiskalt als Kopien ausgibt.«

Im ersten Stock angekommen, wurden die beiden bereits von Brigadiere Donati erwartet.

»Gibt es etwas Neues, Marcello?«

»Nein. Der Riesenschlangenexperte aus Rom macht es spannend und will uns gegen 17 Uhr im OPD treffen. Er meint, dass er keine voreiligen Schlüsse ziehen will und sich das Videomaterial noch einmal vergegenwärtigen möchte, bevor er uns seine Gedanken präsentiert«, erklärte Donati.

»Na gut, soll er seine ›15 minutes of fame‹ genießen. Hoffentlich hat er auch wirklich interessante Nachrichten.« Und mit einem Blick auf seine Armbahnduhr ergänzte Dal Fiesco: »Ich würde sagen, dass wir uns in einer Stunde auf den Weg zurück ins OPD machen.«

Lezzerini und Donati nickten. Der Arbeitstag der beiden war bis dahin schon ziemlich lang und aufregend gewesen. Und es war nicht davon auszugehen, dass er bald zu Ende sein würde. Schließlich wurden auch die Spurensicherer für 17 Uhr im OPD erwartet. Aber Hauptsache, es ging in dem Fall etwas weiter.

Lezzerini, Dal Fiesco und Donati machten es sich mit drei Espressi an dem kleinen Konferenztisch in Dal Fiescos Büro bequem.

»Wenn ich ehrlich bin, erwarte ich mir weder von dem Schlangenbeschwörer noch von der Spurensicherung bahnbrechende Erkenntnisse«, nahm Lezzerini den Gesprächsfaden wieder auf. »Erstens gehe ich davon aus, dass der Dieb sehr sauber gearbeitet und kaum Spuren hinterlassen hat. Zweitens – und das sagt mir meine Erfahrung – wird demnächst eine Lösegeldforderung eingehen. Ich weiß nicht, ob Sie sich an den Raub von 17 Renaissance- und Barockgemälden aus dem Castelvecchio in Verona erinnern? Die Diebe ließen damals aus dem spärlich gesicherten Museum unter anderem Gemälde von Caroto, Rubens und Tintoretto mitgehen. Diebe wie jene, die das Castelvecchio ausgeräumt haben, machen sich gar nicht erst die Arbeit, die heiße Ware auf dem Markt zu platzieren. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir davon Wind bekommen würden. Weder ein Tintoretto noch ein Rubens und schon gar kein Leonardo da Vinci werden auf dem Markt angepriesen, ohne dass man davon erfährt. Da ist die Forderung von Lösegeld für die millionenschweren Gemälde die viel effizientere Methode, um an einen Haufen Kohle ranzukommen.«

Brigadiere Donati blickte kurz zu Dal Fiesco hinüber, als ob er sich eine Sprecherlaubnis einholen wollte. »Und was dann? Dann kommt das TPC mit prall gefüllten Geldkoffern, und die Diebe geben Ihnen das Gemälde wieder zurück?«

»Na ja, ganz so einfach ist das nicht. Wir verhandeln da schon«, versicherte Lezzerini. »Aber im Prinzip läuft das so ab. Es kommt natürlich auch vor, dass wir den oder die Diebe bei der Lösegeldübergabe erwischen. Dabei handelt es sich aber im Normalfall um die kleinen Fische. Wen wir nicht erwischen, das sind die Hintermänner. Kunst ist längst ein genauso schmutziges Geschäft wie andere Wirtschaftszweige. Denn überall dort, wo viel Geld im Spiel ist, gibt es dunkle Kräfte, die ein großes Stück vom Kuchen haben wollen, und zwar ein möglichst großes.«

Donati schenkte Lezzerini und Dal Fiesco aus einer Karaffe Wasser in die bereitgestellten Gläser ein.

»Was, wenn keine Lösegeldforderung eingeht?«

Capitano Lezzerini lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Kunstdiebe sind im Normalfall Kriminelle, die zuvor in anderen Bereichen Karriere gemacht haben: Sie haben Autos geknackt, mit Drogen gedealt, Handtaschen geraubt, Handys gestohlen, gefälschte Luxusartikel unters Volk gebracht und sind in Wohnungen und Häuser eingebrochen. Dort kennen sie sich aus. Dort leben sie ihre kriminelle Ader aus. Das ist ihr Metier. Und dann lesen sie in der Zeitung, dass in diesem oder jenem Museum Gemälde hängen, die Millionen Euro wert sind. Diese Leute sind durchaus talentiert im Klauen von Dingen. Und sind wir mal ehrlich: Die Sicherheitsmaßnahmen in den Museen in unserem Land könnten besser sein. Da wird viel zu wenig investiert: sowohl in die Technik als auch ins Personal. Aber ich schweife ab. Worauf ich hinaus will: Der durchschnittliche Kunstdieb plant seinen Raubzug hochprofessionell. Was er selten plant, ist das Marketing und den Vertrieb. Er überlegt sich nicht im Detail, wie er die entwendeten Kunstobjekte zu Geld macht. Gestohlene Handys, Autos, Kameras, Laptops, Fernseher oder Schmuckstücke sind schnell verkauft und spülen innerhalb kürzester Zeit Bargeld in die Kassa. Auch weil die Käufer teilweise gar nicht genau wissen wollen, wo die Ware herkommt, da sie vom vergleichsweise guten Preis profitieren. Mit einem in der Kunstwelt weithin bekannten Gemälde sieht das etwas anders aus. Das verkauft man nicht einfach schnell am Schwarzmarkt. Im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein angeblicher Interessent ein Ermittler, ein Versicherungsdetektiv oder ein Informant der Behörden ist, ist einfach sehr groß. Mit einem Wort: Geschickte Kunstdiebe sind nicht unbedingt ausgefuchste Geschäftsleute.«

Gerade als sich Donati erkundigen wollte, ob Lezzerini und Dal Fiesco auf einen kleinen Imbiss Wert legen würden, läutete Lezzerinis Mobiltelefon. Brigadiere Vincenzo Corridori, Lezzerinis engster Mitarbeiter, war am anderen Ende der Leitung und teilte dem Capitano mit, dass das Gemälde Recherchen des TPC-Teams zufolge noch nicht auf dem Schwarzmarkt platziert worden sei.

Nach dieser Information verzehrten Dal Fiesco, Donati und Lezzerini je ein Tramezzino und versicherten einander, dass ihre Behörden bei den Ermittlungen eng kooperieren würden. Man ging von einer demnächst eintreffenden Lösegeld­forderung aus, wollte aber dennoch in alle möglichen Richtungen ermitteln. Und vor allem wollte man die Kompetenzen und das Wissen von Chiara Frattini anzapfen.

»Die gute Chiara«, wie es Dal Fiesco formulierte, »sollte man nicht aus den Augen lassen. Sie hat eine clevere Herangehensweise. Aber natürlich verfolgt sie die Interessen ihres Auftraggebers. Manchmal sind ihre Methoden unkonventionell, aber sie hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie damit Erfolg hat. Und deshalb sollten wir sie stets in den aktuellen Ermittlungsstand einweihen, am besten schon um 17 Uhr, wenn wir alle wieder im OPD zusammentreffen.«

Die Anbetung der Könige

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