Читать книгу Mäuse-Mina und der Drachenzauberer - M.C. Hermann - Страница 7

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„Glatt durch”, sagte Mäuse-Mina, nachdem sie Millers Wunde untersucht und mit einem Stückchen Tuch verbunden hatte. Die Schnappfalle hatte ein Stück von seinem Schwanz abgetrennt. „Ist nicht lebensgefährlich. Und das meiste ist ja noch dran.”

Miller schniefte.

„Hab dich nicht so”, sagte Halbschwanz nach einem kritischen Blick auf Millers verstümmelten Schwanz. „Ist höchstens ein Viertel ab.”

„Aber es tut weh!”, jammerte Miller.

„Da siehst du, wohin dich deine Unbeherrschtheit führt”, sagte der Mäusevater streng. „Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre statt der Schwanzspitze dein Kopf ab gewesen.”

„Sag so was nicht!”, stöhnte die Mäusemutter. „Diese Fallen sind Teufelswerk.”

„Was machen wir jetzt?”, fragte Müriel.

„Irgendwann müssen wir zurück zur Treppe”, sagte der Mäusevater düster. „In diesen verfluchten Gängen können wir nicht bleiben. Sie scheinen nirgendwohin zu führen. Hier finden wir nichts zu essen.”

„Ein paar müssen doch nach draußen führen”, meinte Mintz.

„Ja, aber welche?”, sagte Mäuse-Mina. „Willst du sie alle ausprobieren? Das kann Tage dauern, und vielleicht verlaufen wir uns auch. Wir müssen erst mal dahin zurück, wo wir uns auskennen. Dann können wir weitersehen.”

„Ich geh zurück und erkunde die Lage”, erbot sich Halbschwanz.

Diesmal wies ihn niemand in die Schranken. Sie hatten keine andere Wahl, als sein Angebot anzunehmen, und insgeheim war Mäuse-Mina froh, dass sie es nicht selbst machen musste. Sie nahm an, den anderen ging es genauso.

Halbschwanz wirkte etwas ernüchtert, als kein Widerspruch auf seinen Vorschlag erfolgte. Er zögerte kurz.

„Also, ich geh dann”, sagte er.

„Sieh dich vor”, sagte der Mäusevater. „Wenn Agaskar immer noch bei der Treppe herumlungert, dann zieh dich sofort zurück.”

„Klar”, sagte Halbschwanz. „Bin doch nicht blöd.”

„Und pass auf die Fallen auf”, sagte Mäuse-Mina. „Vielleicht funktionieren noch ein paar.”

„Klar”, sagte Halbschwanz. „Bin doch nicht blöd.”

Weitere Ratschläge erfolgten nicht; offenbar mochte sich niemand vorwerfen lassen, er wolle Halbschwanz Blödheit unterstellen. Jedenfalls im Moment nicht.

Der Überlebende des legendären Kampfes mit einer Katze brach schließlich auf. Ohne Eile. Die Familie konnte seine gemächlichen Trippelschritte noch minutenlang hören.

„Nun geh endlich!”, rief Mintz ungeduldig.

„Ja ja!”, brummte Halbschwanz aus einigen Metern Entfernung. „So was will mit Vorsicht angegangen sein. Bin doch nicht blöd!”

Mäuse-Mina zupfte Mintz warnend am Schwanz, und diese verkniff sich daraufhin eine Antwort.

Sie warteten lange auf Halbschwanz´ Rückkehr. Sehr lange.

„Hoffentlich ist ihm nichts passiert”, sagte die Mäusemutter besorgt.

Mintz schnaubte. „Bei dem Tempo, das er angeschlagen hat, ist er wahrscheinlich noch nicht mal bei der Treppe angekommen.”

„Immer mit der frechen Schnauze voran, was, Schwesterchen?”, sagte eine Stimme aus dem Gang.

Alle fuhren erschrocken zusammen, aber es war nur Halbschwanz, der sich aus dem Dunkeln näherte.

„Und? Wie sieht´s aus?”, fragte Mäuse-Mina gespannt. Neben der Sorge um den Bruder war es vor allem die Frage, was nun aus ihnen werden sollte, die sie beschäftigte. Gab es zumindest einen Weg in den eigentlichen Keller oder waren sie hier in der Tiefe der Gänge gefangen und mussten jämmerlich zugrunde gehen? Die Ungewissheit war kaum zu ertragen.

„Bitte sehr, keine Ursache”, sagte Halbschwanz.

„Was soll das heißen?”, fragte Mintz.

„Oh”, sagte Halbschwanz geziert. „Ich dachte, ihr wolltet mir dafür danken, dass ich mich in Gefahr begeben habe, damit ihr alle im sicheren Versteck bleiben konntet.”

„Ja ja, schon gut”, sagte Mintz etwas beschämt. „Du bist eine tapfere Maus, Halbschwanz.”

„Das musste mal gesagt werden”, erklärte Halbschwanz feierlich.

„Nun, da es gesagt worden ist”, drängte Müriel, „erzähl uns endlich, wie es bei der Treppe aussieht.”

„Agaskar ist nicht mehr da”, sagte Halbschwanz. „Jedenfalls nicht im Keller. Hab mich vergewissert. Neue Fallen hat er auch nicht aufgestellt. Entweder muss er sich erst neue beschaffen oder er denkt, er habe uns alle erwischt.”

„Das wäre das Beste”, meinte Mintz. „Dann hätten wir erst mal Ruhe.”

Der Mäusevater räusperte sich. „Lasst uns zurückgehen und feststellen, ob wir dort noch leben können.”

Mit gemischten Gefühlen machten sie sich auf.

Der Gang bei der Treppe glich einem Schlachtfeld. Die Wände waren rußgeschwärzt und überall standen verkohlte Fallen, die das Feuer unbrauchbar gemacht hatte. Mäuse-Mina kickte sie alle zur Seite. Der Geruch nach verbranntem Holz und dem, was in den Fallen verbrutzelt war, hing schwer in der Luft.

„Das stinkt!”, sagte Müriel. „Es ist ungesund, in solcher Luft zu schlafen. Unsere Atemwege werden Schaden nehmen.“

„Wenn wir hier schlafen”, sagte der Mäusevater düster, „werden nicht nur unsere Atemwege Schaden nehmen. Wir sollten ernsthaft überlegen, ob wir das Haus verlassen und woanders hinziehen.”

„Aber wohin?”, fragte Mintz. „Das hier ist unsere Heimat. Es wird schwer sein, ein Haus wie dieses zu finden, wo Mäuse in Ruhe leben können.”

„Das gilt noch mehr für mich”, sagte Mäuse-Mina. „Ich kann mich nicht so leicht verstecken wie ihr. Wenn man mich entdeckt, wird man mich in ein Heim bringen.”

„Es muss auch woanders leer stehende Häuser geben”, meinte Halbschwanz.

Mäuse-Mina schüttelte den Kopf. „Nicht solche wie dieses. Es ist nicht einfach nur leer. Es ist aus den Gedanken der Menschen herausgerutscht. Sonst hätten sie es schon längst abgerissen oder neu vermietet.” Sie hatte in den letzten Wochen oft darüber nachgedacht, wegzugehen. Aber wohin? Sie hatte nie eine Antwort darauf gefunden. Vielleicht war dieses Haus der einzige Ort, an dem sie leben konnte wie sie es wollte. Der Gedanke war niederschmetternd. Die Dinge änderten sich auf eine Weise, die ihr Angst machte.

„Agaskar wird uns keine Ruhe lassen”, sagte der Mäusevater.

Alle nickten düster.

„Er ist böse”, sagte Mäuse-Mina.

„Jedenfalls hasst er Mäuse”, sagte Mintz.

„Das ist böse!”, rief Miller, der mit Leidensmiene und hängenden Ohren dasaß und seinen verbundenen Schwanz in den Pfoten hielt wie ein Beweisstück.

„Es gibt nur eins, das wir tun können”, sagte Mäuse-Mina grimmig. „Wir müssen Agaskar vertreiben.“

Die Familie schwieg eine Weile, als hätte der Vorschlag sie sprachlos gemacht.

„Wie stellst du dir das vor?”, fragte Müriel schließlich. „Was sollen wir gegen ihn ausrichten können?”

„Er ist viel größer als wir”, sagte der Mäusevater.

„Und böse!”, sagte Miller.

„Und er kann Feuer spucken”, sagte Mintz.

„Aber vielleicht”, warf Zwick ein, der wie immer die meiste Zeit geschwiegen hatte, „hat er Angst vor uns.”

Die anderen starrten ihn an.

„Wie kommst du darauf?”, fragte Halbschwanz. Er reckte sich und ließ die Muskeln spielen. „Das ist eine interessante Theorie.”

Zwicks Ohren zuckten nervös. „Na, überlegt doch mal! Die vielen Fallen. Das ist doch nicht normal. Keiner stellt sich so an wegen ein paar Mäusen im Keller. Wir haben uns doch gar nicht mehr im Haus sehen lassen seit Agaskar da ist. Trotzdem will er uns ausrotten. Es muss was dahinterstecken.”

Mäuse-Mina überlegte. „Vielleicht hat er irgendwas vor. Hier im Haus. Und Mäuse stören ihn dabei.”

Zwick lachte wegwerfend. „Wie könnten wir ihn stören? Er sieht uns ja nicht mal. Mäuse gibt es überall. Solange die Menschen uns nicht sehen, pfeifen sie drauf. Nee, nee, ich glaube, der fürchtet sich. Vielleicht ekelt er sich so vor Mäusen, dass er den Gedanken an sie nicht ertragen kann.”

„Das wäre eine Unverschämtheit!”, rief Mintz gekränkt. Alle wussten, dass sie sich für eine sehr attraktive Maus hielt.

„Ja”, sagte Zwick. „Aber vor allem könnten wir das gegen ihn verwenden, um ihn zu vertreiben.”

„Du hast Recht, Zwick!”, rief Mäuse-Mina aufgeregt. „Wenn wir ihm klar machen könnten, dass er uns nicht los wird, haut er vielleicht ab.” Sie lachte humorlos. „Wir haben die falsche Taktik angewandt. Statt uns zu verstecken, sollten wir uns so oft wie möglich zeigen.” Sie räusperte sich zerstreut. „Ich meine natürlich, ihr solltet euch zeigen.”

„Das ist aber gefährlich”, sagte der Mäusevater zögerlich. „Wir alle möchten, dass Agaskar verschwindet, aber wir sind nur wenige Mäuse, und er hat gezeigt, dass er skrupellos ist.”

„Genau”, sagte Miller. „Ich zeig mich nicht.”

„Also, ich mach mit!”, rief Halbschwanz.

„Ja ja”, brummte Mintz. „Du bist immer vornean, wenn´s gefährlich wird. Aber ist es dann soweit, erweist du dich als ziemlich vorsichtig.”

„Na und? Ich bin ja nicht blöd!”

Mintz wollte zu einer Antwort ansetzen, aber in diesem Augenblick klopfte es an die Kellertür.

Alle sahen erschrocken die Treppe hinauf. Die Türklinke wurde vorsichtig heruntergedrückt, ein heller Spalt tat sich auf, und dahinter lauerte ein schwarzer Schatten.

Mäuse-Mina sprang auf. Sie wedelte mit den Händen, um die anderen dazu zu bringen, sich in die Gänge zu verziehen, aber bevor die Mäuse losrennen konnten, sagte der Schatten oben an der Tür: „Mäuse-Mina? Bist du da?”

Sie blieb verblüfft stehen.

„Hannes?”, fragte sie.

Die Tür öffnete sich ein Stückchen weiter, und der Junge steckte seinen Kopf durch den Spalt.

„Hallo.”

„Was willst du denn hier?”, fragte Mäuse-Mina. Noch nie war eins der Schulkinder zum Haus gekommen. Sie fand es unerhört. Und sie genierte sich auch ein bisschen.

„Ich ... ich muss mit dir reden.”

„Wer ist denn das?”, fragte der Mäusevater.

„Ein katzenhaariger Blödmann”, sagte Mintz.

„Sind da Mäuse bei dir?”, fragte Hannes. „Es piepst so.”

„Ja”, sagte Mäuse-Mina. „Meine ganze Familie ist hier.”

„Oh.”

Hannes kam langsam die Treppe herunter.

„Sollen wir abhauen?”, fragte Müriel.

Mäuse-Mina winkte ab. „Mit dem werd ich schon fertig. Keine Ahnung, was er hier will.”

Hannes sah sie befremdet an. „Redest du wieder mit den Mäusen?”

„Wieso?”, fragte sie spitz. „Das geht doch gar nicht. Total plemplem. Haha.”

Hannes rieb sich verlegen an der Kellerwand. „Na ja. Ist ja auch komisch. Aber wenn du sagst, du kannst es, wird es wohl so sein.”

„Was willst du?”

„Agaskar”, sagte Hannes.

„Was ist mit ihm?”, fragte Mäuse-Mina vorsichtig.

„Das mit dem Feuerspucken und so.”

„Ist mir egal, ob du´s glaubst. Ich hab´s inzwischen selbst gesehen.”

„Ich glaube es.”

„Wieso auf einmal?”

„Pass mal auf”, sagte Hannes. Er machte den Mund auf, sog die Luft ein und rülpste dann lautstark.

Die Mäuse kicherten. Mäuse-Mina sah den Jungen pikiert an. Aber dann entdeckte sie eine kleine Rauchwolke, die aus seinem Mund kam. Es war eher wie ein Faden, der sich zwischen seinen Lippen herausschlängelte.

„Rauchst du?”, fragte sie. Sie hatte gelegentlich ältere Kinder in den Ecken des Schulhofs heimlich Zigaretten rauchen sehen. Aber warum führte Hannes ihr das vor? Wollte er angeben?

Sie schnaubte verächtlich. „Find ich blöd. Hier stinkt´s sowieso schon genug nach Rauch.”

„Das kommt nicht von Zigaretten”, sagte Hannes unglücklich. „Das kommt von selbst!”

„Was?” Mäuse-Mina sah ihn verwirrt an.

„Seit ein paar Tagen. Immer wenn ich aufstoßen muss, kommt Rauch aus mir raus. Nur ein bisschen, so wie eben. Aber das kann doch gar nicht sein. Da ist doch kein Feuer in mir drin!” Er schaute Mäuse-Mina verzweifelt an. „Oder?”

„Du meinst”, fragte sie vorsichtig, „das hat mit Agaskar zu tun?”

Hannes zuckte die Achseln. „Seit wir geredet haben, hab ich keine Lakritze mehr von ihm genommen. Sicherheitshalber. Kam mir doch irgendwie unheimlich vor. Aber die anderen haben jeden Tag davon gegessen. Und sie wurden auf einmal so ... komisch.”

„Was heißt das?”

„Sie redeten kaum noch. Bekamen im Unterricht den Mund nicht auf, die Lehrer waren schon ziemlich sauer. In den Pausen stellten sie sich nur an den Zaun und warteten auf Agaskar. Stopften seine Lakritze in sich rein. Dann standen sie nur rum und kuckten finster. Oder grinsten sich gegenseitig an, auf ´ne fiese Art. Einmal hab ich Jörg gefragt, was los ist. Du weißt schon, der Blödmann, der uns neulich entdeckt hat. Erst hat er nichts gesagt. Nur gekuckt. Hab richtig Angst gekriegt. Dann hat er auf einmal den Mund aufgemacht und ...”

„Und was?”

Hannes Stimme zitterte. „Er hat Feuer gespuckt. Er hat mir Feuer ins Gesicht gespuckt. Meine Nasenspitze ist immer noch ganz rot verbrannt.”

Mäuse-Mina sah sich seine Nase an. Sie war tatsächlich rot. Weiße Hautfetzen pellten sich ab.

„Dann ist dieser Jörg wie Agaskar”, sagte sie. „Ich hab ihn vorhin erst Feuer spucken sehen.”

Hannes nickte. „Er hat nichts gesagt. Nur gegrinst. Sie grinsen alle so. Ich glaub, sie sind jetzt alle wie Agaskar. Ich hab Angst vor ihnen.”

Mäuse-Mina schwieg höchst beunruhigt. Sie hatte geahnt, dass Agaskar etwas vorhatte, aber sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Warum spuckten die Kinder jetzt auch Feuer?

„Die Lakritze”, sagte Hannes.

„Was?”

„Ich glaub, es ist die Lakritze. Wer sie isst, fängt an, Feuer zu spucken.”

Mäuse-Mina nickte. „Könnte sein. War mir gleich nicht geheuer, das Zeug. Aber wozu soll es gut sein, dass die Kinder Feuer spucken können? Was hat Agaskar davon?”

„Keine Ahnung”, sagte Hannes. Er sah sie ängstlich an. „Glaubst du, ich werde auch anfangen Feuer zu spucken?”

Mäuse-Mina zuckte mit den Achseln. „Vielleicht hast du Glück gehabt, weil du nicht so viel davon gegessen hast wie die anderen.”

„Aber der Rauch!”, rief Hannes. „Da kommt Rauch aus mir raus. Ich hab Angst, dass da ein Feuer in mir ist und mich verbrennt.” Seine Stimme klang erstickt. Er wandte sich ab.

Mäuse-Mina schwieg verlegen.

„Den anderen scheint es nichts auszumachen”, sagte sie schließlich.

„Vielleicht ist das kein normales Feuer.” Sie dachte an die verbrannten Fallen. Die Wirkung war jedenfalls wie bei jedem anderen Feuer.

„Außerdem”, fuhr sie fort, „scheinen sie es sogar gut zu finden und haben keine Angst. Also bist du nicht so wie sie.”

Hannes schaute sie hoffnungsvoll an. Sie sah in seinen Augen, wie sehr die Angst ihn quälte. Sie waren groß und ganz weit hinten schien etwas zu brennen. Schlimmer als jedes Feuer.

„Agaskar ist böse”, sagte Hannes.

Mäuse-Mina nickte. „Ich weiß.”

„Was sollen wir tun? Ich glaube, es wird etwas passieren, wenn wir nichts gegen ihn tun.”

Mäuse-Mina zögerte. „Wir haben gerade darüber gesprochen. Die Mäuse und ich. Wir wollen versuchen, ihn zu vertreiben.”

„Wie wollt ihr das machen?”

„Er scheint Mäuse zu hassen. Vielleicht hat er aber auch Angst vor ihnen. Wenn wir ihm zusetzen, haut er vielleicht ab.”

„Aber die anderen Kinder”, sagte Hannes. „Wenn das so weitergeht, gibt es bald viele Agaskars.”

Mäuse-Mina lief es kalt über den Rücken. Hannes hatte Recht. Es war alles noch schwieriger geworden. Es würde nicht mehr genügen, Agaskar zu vertreiben. Etwas hatte begonnen, und sie wusste nicht, wie sie es aufhalten sollte.

„Was ist eigentlich los?”, fragte Mintz mürrisch. „Was redet ihr da die ganze Zeit?”

Mäuse-Mina erzählte ihrer Familie die Neuigkeiten.

„Was?”, rief der Mäusevater. „Noch mehr Menschen, die Feuer spucken?” Er schüttelte den Kopf. „Wir können hier einfach nicht mehr bleiben. Das wird zu gefährlich. Agaskar war schon schlimm genug. Wir müssen von hier weggehen, so traurig das auch ist.”

Die anderen schwiegen betroffen.

„Vielleicht können wir ja doch was tun”, sagte Mäuse-Mina verzagt. Es erschien ihr nicht richtig, einfach wegzugehen. „Was ist, wenn immer mehr Menschen von Agaskar in Feuerspucker verwandelt werden?”

„Was geht uns das an?”, fragte der Mäusevater grimmig. „Sie kümmern sich ja auch nicht um uns, diese Fallenaufsteller. Sollen sie sehen, wie sie mit dem Kerl fertig werden.”

„Aber wenn immer mehr Menschen wie Agaskar werden und Mäuse hassen”, sagte Mintz, „wird es für uns auch nicht gerade leichter. Sie werden uns mit Fallen und Feuer verfolgen, bis wir alle vernichtet sind. Ich bin auch dafür, etwas gegen ihn zu unternehmen.”

„Ich auch!”, rief Halbschwanz.

„Ich nicht”, sagte Miller.

„Ach ja?”, sagte Mintz hitzig. „Und wenn wir kein Haus ohne feuerspuckende, Mäuse hassende Menschen finden und nirgendwo mehr hingehen können?”

„Es ist nicht gesagt, dass es so weit kommt”, sagte der Mäusevater.

„Aber nach dem, was der Junge gesagt hat, müssen wir mit allem rechnen.” Mintz schaute bedeutungsvoll in die Runde. „Vielleicht ist jetzt noch Zeit, etwas zu tun. Wenn wir nicht handeln, ist es vielleicht irgendwann zu spät.”

„Und was, bitte schön”, sagte Müriel, „schlägst du vor, das wir tun sollen?”

Mintz schwieg.

„Was hat das ganze Gepiepse zu bedeuten?”, fragte Hannes in die Stille hinein.

„Sie streiten sich darüber, ob sie weggehen oder gegen Agaskar kämpfen sollen”, sagte Mäuse-Mina.

„Kämpfen? Die Mäuse?”

„Wieso nicht? Sie sind tapferer und schlauer als die Menschen glauben.”

Hannes schaute zweifelnd in die Runde der schwarzen Knopfaugen.

„Was kuckt der so?”, fragte Mintz ärgerlich. „Was will er überhaupt von dir? Sich ausweinen? Hätte er mal früher auf uns gehört!”

„Schon gut”, sagte Mäuse-Mina. „Ich glaube, er hat wirklich Angst. Vielleicht kann er uns helfen.”

„Du willst also wirklich, dass wir bleiben?”, fragte der Mäusevater. „Hast du denn auch eine Idee, was wir gegen Agaskar tun können?”

„Man müsste ihm seine Lakritze wegnehmen”, sagte Miller nachdenklich. „Ich könnte sie aufessen. Mir würd´s nichts ausmachen, Feuer zu spucken. Dann könnte ich es Agaskar heimzahlen, indem ich ihm den Hintern verbrenne.”

Die Familie stöhnte.

„Quatsch!”, sagte Mintz. „So viel Lakritze könntest nicht mal du auffuttern.”

„Wir müssten seine Wohnung auskundschaften”, meldete sich Zwick endlich wieder zu Wort. „Alles durchsuchen. Vielleicht kriegen wir so raus, was er vorhat. Dann könnten wir gezielt versuchen, seine Pläne zu vereiteln, indem wir uns im entscheidenden Moment zeigen und ihm Angst einjagen.”

Mäuse-Mina nickte. „Gute Idee. Aber das muss ich dann machen. Ihr kriegt ja keine Schubladen und Schränke auf.”

„Vielleicht hilft der Junge dir dabei”, sagte Zwick.

Mintz schnaubte. „Der hat doch Schiss. Ich kannte mal eine Katze, ein richtiges Mistvieh. Die hatte genau solche ...”

„Jetzt hör aber auf, Mintz”, sagte Mäuse-Mina. „Wir könnten seine Hilfe gebrauchen.”

„Frag ihn!”, sagte Zwick.

Mäuse-Mina wand sich verlegen. Seit sie im Haus lebte, hatte sie keinen näheren Kontakt mehr mit Menschen gehabt. Ihr fehlte die Übung. Sie wusste nicht recht, ob sie Hannes freundlich fragen oder forsch herausfordern sollte.

„Warum kucken mich die Mäuse so an?”, fragte er unbehaglich.

„Wir haben beschlossen, Agaskars Wohnung zu durchsuchen, um rauszufinden, was er vorhat.” Sie hatte sich für Forschheit entschieden, aber im letzten Moment verließ sie der Mut. Sie starrte auf ihre Schuhe.

„Machst du mit?”, fragte sie verzagt.

„Ist seine Wohnung denn nicht abgeschlossen?”

Mäuse-Mina zuckte mit den Schultern. „Vielleicht kriegen wir die Tür irgendwie auf. Man müsste es versuchen.”

Hannes überlegte. „Na gut. Aber nur, wenn wir sicher sein können, dass er nicht da ist. Wer weiß, was der macht, wenn er uns erwischt.”

„Klar”, sagte Mäuse-Mina. „Die Mäuse werden aufpassen. Sie können uns warnen, falls er zu früh zurückkommt.”

„Wann wollen wir es machen?”

„Am besten morgen. Agaskar geht jeden Vormittag aus. Du kannst in einer der Pausen rüberkommen.”

Hannes verzog das Gesicht. „Ich hau nach der ersten Stunde ab. Die anderen sind so merkwürdig. Unheimlich. Am liebsten würd ich gar nicht mehr hingehen.”

„In Ordnung. Aber komm erst zum Haus, wenn ich dir ein Zeichen gebe. Damit Agaskar dich nicht zufällig sieht.”

Hannes nickte. „Ist gar nicht so leicht, das Haus zu finden, obwohl ich weiß, dass es da ist. Als ob es in einem Nebel stecken würde.”

Er verabschiedete sich, wobei er auch die Mäuse grüßte. Man merkte, dass er sich dabei komisch vorkam, aber die Familie nickte ernst und würdevoll mit den Köpfen.

„Es scheint, der Blödmann macht Fortschritte”, sagte Mintz. „Wenn nur nicht diese Haare wären ...”


Mäuse-Mina und der Drachenzauberer

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