Читать книгу Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel - M.E. Lee Jonas - Страница 10
Kapitel 6 Plötzlich Prinzessin!
ОглавлениеEin monotones, quietschendes Schleifgeräusch weckt J.J. unsanft auf. Sie schreckt hoch und sieht sich verwirrt um.
»Das Apartment ist noch da! Ich habe immer noch Halsschmerzen und Kopfweh und meine Großmutter ist wirklich eine dunkle Hexe. Aber das weiß niemand von meinen Freunden!«
Sie schlägt die Decke beiseite und entdeckt dabei am Fußende ihres Bettes eine rote Satindecke, die gestern Abend noch nicht da lag. Vorsichtig schleicht sie um ihr Bett, vor dem nun ein königliches, blaues Hundekörbchen steht, das von zahlreichen Beschäftigungsartikeln für Vierbeiner umzingelt wird. Als der lästige Quietschton ihr erneut die Haare zu Berge stehenlässt, starrt sie auf die Zimmertür, die sich jetzt nach innen aufschiebt. Lincoln kommt rückwärts hineingekrochen und zerrt einen riesigen Knochen hinter sich.
»Guten Morgen, Lincoln. Wie ich sehe, verschwendest du keine Zeit. Ein wunderschönes Körbchen hast du da. Wo hast du eigentlich die letzten Jahre gewohnt?«
Sie setzt sich im Schneidersitz neben das Hundekörbchen und wartet auf eine Antwort. Der Halbtagshund schleckt sich vor Aufregung die Nase.
»Ich habe mir mit Diggler ein Zimmer geteilt. Weißt du, er ist mein bester Freund. Aber mit seinem Mondgeheul und Transformationsgeschichten macht er mich einfach wahnsinnig! Als du damals plötzlich weg warst und das Haus dein Zimmer versperrte, war Diggler jedoch der Einzige, der mich aufgenommen und ohne zu zögern die Hälfte seines Zimmers angeboten hat. Ich war ja plötzlich obdachlos! Hör mal J.J., Broaf hat das Frühstück fertig. Wollen wir hinuntergehen? Ich habe großen Hunger.«
J.J. krault den kleinen Mops noch einen Moment und dann gehen beide vergnügt hinab in die Küche. Die Eckbank, die sie heute Nacht noch für sich alleine hatte, ist nun vollständig besetzt. Sie gibt ihrer Großmutter ein Küsschen auf die Wange und haucht Broaf einen Luftkuss zu. Anschließend setzt sie sich neben die Schneefrau Yeta an den üppig gedeckten Tisch.
»Ich werde hier mindestens zwanzig Pfund zunehmen«, denkt sie laut und schnappt sich im selben Augenblick einen köstlichen Pfannkuchen.
»Oh, übrigens wusste ich nicht, ob es für das Frühstück einen Dresscode gibt. Ich meine, wenn es jemanden stören sollte, dass ich im Pyjama herumlaufe, gehe ich natürlich sofort nach oben und ziehe mich an. Ich wusste nur nicht, ob ich mich vielleicht noch einmal hinlege. Ich habe nämlich furchtbare Halsschmerzen!«
Oma Vettel läuft beunruhigt zu ihrer Enkelin und fordert sie auf, den Mund zu öffnen. J.J. streckt die Zunge heraus und krächzt ein lautes »Aaaah«.
»Oh je, das sieht gar nicht gut aus! Deine Mandeln sind ganz rot. Wahrscheinlich von dem Flug. Du warst früher schon so empfindlich. Wie konnte ich das nur vergessen? Nach dem Frühstück bleibst du gleich hier, damit ich dir einen Kräutertee aufbrühen kann!«, sagt sie besorgt und fasst ihr an die Stirn.
»Fieber hast du nicht. Das ist schon mal gut. Du frühstückst jetzt und anschließend verarzten wir dich richtig!«
J.J. zieht eine Schnute und verdreht die Augen.
»Kräutertee? Kannst du die Schmerzen nicht einfach weghexen?«, fragt sie beleidigt und sieht ihre Großmutter mit großen Augen an.
Vettel, die gerade einen Schluck Tee trinkt, hält inne und sieht sie brüskiert an.
»Meine liebe Jezabel. Es gibt wahrscheinlich für alles einen Zauber. Höchstwahrscheinlich sogar einen, der dir die Fingernägel sauber macht! Allerdings wäre das Leben auch für uns Hexen sehr langweilig, wenn wir alles nur mit Magie erledigen würden! Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass du die Hexerei eigentlich ablehnst! Ich denke also, dass dir nichts anderes übrig bleiben wird, als meinen berühmt berüchtigten Kräutertee zu trinken!«
Die übrigen Bewohner am Tisch nicken Oma Vettel zustimmend zu, während J.J. mit einem leicht verbitterten Gesichtsausdruck in ihren Pfannkuchen beißt. Am Tisch sitzen viele ihrer nächtlichen Retter und noch ein paar andere Wesen, die sie noch nicht kennt. Alle reden durcheinander und besprechen den Plan für den heutigen Tag. So wie J.J. es versteht, hat jeder eine feste Aufgabe und die Außergewöhnlichen teilen sie beim Frühstück untereinander auf. Lincoln hatte recht. Heute Abend gibt Oma Vettel ein großes Dinner, zu dem auch Gäste von außerhalb geladen sind. Deshalb möchte sie, dass alles perfekt ist, und hat sich für ein karibisches Flair entschieden.
»Wie wäre es mit einem Picknick auf Sandbänken?«, fragt Henry McMuffel konzentriert.
Der Geisterfrosch sitzt vor seinem Block und macht sich unentwegt Notizen.
»Nein, Henry. Das hatten wir schon einmal. Ich musste die ganze Zeit auf Sandkörnern herumkauen und hatte danach keinen Belag mehr auf der Zunge. Ich möchte mein Essen genießen und bequem sitzen können. Ich bin leider keine dreißig Jahre mehr!«
J.J. verfolgt aufmerksam das Geschehen und möchte sich gern mit einbringen.
»Darf ich bei der Dekoration helfen? Ich bin wirklich gut, denke ich. Außerdem will ich nicht nur herumsitzen und nichts tun.«
Mit einem Schlag herrscht Stille, während die Anwesenden sie merkwürdig anstarren.
Oma Vettel ist die Erste, die reagiert.
»Natürlich nicht! Es ist ein Abendessen zu Ehren deiner Heimkehr. Da kommen auch etliche Bewohner aus dem Zauberreich, die dich unbedingt kennenlernen möchten. Du solltest auch erst einmal gesund werden. Außerdem wollten wir uns noch das Haus ansehen und ein wenig über das Vergangene sprechen. Henry macht das hervorragend und ich bin mir sicher, dass er das alleine schaffen wird!«
Die alte Dame stupst den halbdurchsichtigen Frosch auf die Nase, der vor Verlegenheit ganz durchsichtig wird.
J.J. beobachtet das Treiben und legt ihren Löffel enttäuscht beiseite. Sie versucht sich zu beruhigen, aber es nicht ihre Art, Ärger einfach hinunterzuschlucken. Deshalb räuspert sie sich laut und sieht forsch durch die Runde.
»Ich habe bis vor drei Tagen nicht einmal gewusst, dass ich noch eine Großmutter habe, die in Havelock auf einem verwunschenen Anwesen lebt und dazu noch eine dunkle, böse Hexe ist. Auch wenn ihr euch alle an mich erinnert, ist es für mich noch sehr seltsam. Ich wollte mich nur ein wenig nützlich machen! Ich freue mich darüber, dass so viele Menschen und Wesen des Zauberreiches und weiß ich was noch alles, sich darüber freuen, dass ich wieder da bin. Aber für mich ist das alles noch suspekt! Vielleicht wäre ich gern gefragt worden, ob ich ein solches Dinner, wo übrigens auch wieder nur Hexen und Zauberwesen eingeladen sind, überhaupt haben möchte! Ich meine, Entschuldigung, aber vor acht Jahren hast du einen riesigen »Vergiss-uns-für-immer-Zauber« bei mir angewendet. Das übrigens auch wieder, ohne mich zu fragen. Und jetzt, nach acht Jahren, bin ich wieder hier und sitze mit einer Meerjungfrau in einer riesigen Blase, einer Schneefrau aus Eis, einem halben Hund und einem Geisterfrosch in der Küche und esse Pfannkuchen und Cornflakes. Ich soll also so tun, als ob es das Normalste auf der Welt sei? Ich möchte erst einmal ein paar wichtige Fragen beantwortet haben oder ich reise sofort wieder ab!«
J.J. schmeißt wütend ihre Serviette auf den Tisch und rennt beleidigt aus der Küche. In ihrem Zimmer schmeißt sie die Tür hinter sich zu, damit auch jeder mitbekommt, dass sie wirklich stinksauer ist. Mit einem Mal, beginnt sich in ihrem Kopf alles zu drehen. Erinnerungsfetzen ohne erkennbaren Zusammenhang blitzen auf und machen J.J. völlig konfus.
»Es geht alles viel zu schnell!«
Sie singt zu Boden und schlägt sich die Hände vor die Augen, in der Hoffnung den Brechreiz unterdrücken zu können. Nach wenigen Minuten ist es wieder vorbei. Als sie aufsteht, entdeckt sie ihre Koffer und die Kiste mit dem Gedankenstein. Sie geht hinüber und wirft das Gepäck aufs Bett.
»Vielleicht sollte ich abreisen! Oh Gott, ich würde so gern mit Pippa telefonieren. Aber ich habe keinen Empfang hier. Das ist doch alles Wahnsinn! Das Haustelefon benutze ich lieber nicht. Vielleicht hört jemand mit. Hier muss man mit allem rechnen!«
Sie holt ein paar Kleidungsstücke heraus und zieht ihre alte Lieblingsjeans und ein selbst geschneidertes braunes T-Shirt an. Dann setzt sie sich an den Schreibtisch und verharrt ein paar Minuten in wütenden Gedanken. Schließlich steht sie wieder auf und öffnet die Kiste mit ihrem Gedankenstein.
»Florence hat gesagt, ich kann mir jeden Ort der Welt als meinen Hort aussuchen. Von dem ganzen Zauber hier habe ich im Moment die Nase voll. Ich muss aber herausfinden, was passiert ist!«
Sie schließt die Augen und stellt sich Pippas Wohnzimmer vor. Als sie jedes Detail in ihren Gedanken wahrnehmen kann, nimmt sie den Gedankenstein in die Hand.
Wie zuvor, ist sie im nächsten Augenblick in ihrem Hort. Nur dass sich dieser nun in Pippas Wohnzimmer befindet. Sie schaut sich kurz um und atmet erleichtert aus. Alles ist so, wie sie es kennt, nur dass weder Pippa noch andere Bekannte aus Marton da sind. J.J. sucht nach der Marmorsäule und entdeckt sie neben dem großen alten Sekretär. Vorsichtig legt sie den Gedankenstein ab und wartet auf das sanfte Licht. Sie setzt sich auf die Couch und holt tief Luft, während sie sich wehmütig im Zimmer umsieht. Schließlich konzentriert sie sich auf ihre Fragen.
»Zeig mir den letzten Tag im Haus meiner Großmutter. Den Tag, als ich ins Internat kam. Ich nehme dafür den Fernsehapparat.«
Sie hat es noch nicht ausgesprochen, da schaltet sich das Fernsehgerät an. Nach einer kurzen Einleitung, die ihr bestätigt, dass sie nun die Erinnerungen an ihren sechsten Geburtstag abruft, beginnt ein Film. Da sie nichts hören kann, sucht sie kopfschüttelnd die Fernbedienung und stellt den Ton an.
»Manchmal ist Zauberei albern.«
In Gedanken sieht sie sich selbst als sechsjähriges Mädchen, wie sie auf Flick durch das üppig geschmückte Haus ihrer Großmutter hüpft.
Als J.J. diese Bilder betrachtet, durchströmt sie ein Gefühl höchster Freude. Das steigert sich noch, als sie sieht, wie sie mit Xinthalius ihre Geburtstagstorte anschneidet und in fröhlicher Runde mit den Bewohnern des Hauses beisammensitzt.
Abrupt wird das Bild düsterer. Die Kamera schwenkt ab und sie sieht sich nun mit Oma Vettel und Broaf im Esssalon. Sie starrt auf die Holzkiste, während ihre Großmutter das Lythargium erklärt. Als Nächstes sieht sie mit Entsetzen, wie sie sich mit dem Stein dreht, bis sie in einem schwarzen Wirbel verschwindet. Ihre Großmutter beginnt plötzlich wild zu gestikulieren, während Broaf versucht, sie zu beruhigen. Dann fällt der Stein zu Boden und sie, also ihre sechsjährige Vergangenheit, schreit Vettel an. Sie hört sich sagen, dass sie niemals eine Hexe werden wolle, worauf sie wütend in den Garten rennt.
J.J. setzt sich auf und sieht sich die letzten Minuten, bevor ihre Großmutter den Vergessenszauber ausspricht, genau an. Mit weit geöffneten Augen beobachtet sie nun als knapp vierzehnjähriges Mädchen, wie ihre Großmutter sich in eine mächtige, dunkle Hexe verwandelt und mit unheimlichen Kreaturen aus der Unterwelt spricht. Sie sieht, wie sich das kleine Mädchen die Ohren zuhält, und kann plötzlich wieder diese tiefe Verzweiflung fühlen. Danach beobachtet sie, wie ihre Großmutter auf sie zurennt und ein Schutzschild errichtet. Der Garten, den sie so liebt, ist plötzlich nicht mehr wunderschön, sondern düster und karg. Die Bäume sind kohlrabenschwarz und die Blätter fallen welk zu Boden. Sie liegt auf der Schaukel und scheint zu schlafen. Broaf kommt mit einem Zettel hinausgestürmt, worauf Vettel aus dem Bild eilt. Der Diener kniet sich nun vor die Schaukel und fängt fürchterlich an zu weinen. Dann nimmt er ihre rechte Hand und dreht ihre Handfläche nach außen. Nachdem er sich verstohlen umgesehen hat, malt er mit seinem Finger ein Zeichen auf ihre Handfläche. Dabei murmelt er einen Vers, der gespenstisch klingt. Als er bemerkt, dass Oma Vettel zurückkommt, schreckt er hoch und wischt sich verlegen die Tränen aus dem Gesicht.
In diesen Moment ist der Film zu Ende.
J.J. bleibt einen Augenblick sitzen und denkt über das Gesehene nach.
»Sie hat mich weggeschickt, damit ich ein normales Leben führen kann. Aber warum bin ich so wichtig, dass dieser schwarze Phad mich unbedingt haben will? Und warum lässt sie mich plötzlich wieder in ihr Haus? Diese Skulks müssen mich doch längst geortet haben. Was hat Broaf mir in die Hand geschrieben? Ich dachte, er wäre ein normaler Mensch! Ich habe keine Ahnung, was hier läuft, aber ich muss es wissen! Diese Dinge, die mir in den letzten Monaten passiert sind, kommen aus meinem Inneren. Ich muss wissen, was mich so wertvoll macht!«
Als sie diesen Gedanken laut ausspricht, springt der Fernsehapparat überraschend wieder an. Es folgt eine kurze Einleitung, die sie nicht versteht, und daraufhin beginnt ein Film, der alles verändern wird.
Der Titel lautet:
Die Geburt der schwarzen Prinzessin!
J.J. schluckt und reißt ihre Augen weit auf.
Sie sieht ihre Eltern. Ihre Mutter ist hochschwanger und verzieht alle paar Sekunden schmerzerfüllt das Gesicht. Ihr Vater Timothey stützt sie und bringt sie zu einem Auto. Danach schwenkt die Kamera und zeigt ein Krankenhaus. Ihre Mutter liegt auf einem Bett und scheint starke Schmerzen zu haben. Während sie von einer Krankenschwester versorgt wird, wird J.J.s Vater immer nur kurz eingeblendet. Er sitzt im Flur und hat sein Gesicht in den Händen vergraben. Jetzt kommt eine lächelnde Krankenschwester zu ihm und sagt, dass Cassy eine wunderschöne Tochter geboren habe und es den beiden sehr gut gehe. Das Bild schwenkt in einen düsteren Raum. Lediglich auf ein paar Leuchtern brennen flackernde Kerzen. Am Ende steht ein mannshoher Spiegel, dessen Rahmen aus massivem Gold besteht. J.J. zuckt zusammen, als der Rahmen sich plötzlich zu bewegen beginnt und widerliche Fratzen mit schmerzverzerrten Mienen sich darin winden. Je näher die Kamera an den Spiegel fährt, desto mehr bläht sich das Glas nach außen. Kurz vor dem Spiegel stoppt der Film plötzlich. Auf dem Bildschirm des Fernsehgerätes bleibt ein Standbild, das ihr die Inschrift zeigt.
J.J. kann klar und deutlich ihren Namen lesen. Aber das ist nicht das Furchtbare.
Darüber steht:
Sie ist angekommen! Die schwarze Prinzessin wurde soeben geboren! Ihr Name ist Jezabel!
J.J. geht ganz nah an den Fernsehapparat und starrt entsetzt auf die Worte.
»Was hat das zu bedeuten? Was in aller Welt ist eine »schwarze Prinzessin«?«
Sie setzt sich zurück auf die Couch, weil ihr plötzlich speiübel ist. Sie klemmt ihre Hände unter den Po und versucht sich zu sammeln.
»Das ist mir alles zu viel! Meine Augen tun mir weh und mein Kopf brummt. Ich gehe jetzt zurück und lasse mir das sofort von Großmutter erklären. Ich glaube, es ist besser, wenn ich zurück nach Marton fahre, und zwar gleich morgen früh! Ein Einkaufszentrum als Ankleidezimmer ist ja lustig, aber dieser Voodoo-Mist ist einfach abartig. Da bin ich lieber eine Vollwaise und lasse mich weiter von Britany Hoilding nerven!«
Sie steht auf und geht entschlossen zur Marmorsäule. Bevor sie den Stein herunternimmt, dreht sie sich noch einmal um und betrachtet traurig den Raum.
»Ich vermisse dich, Pippa«, haucht sie wehmütig und schließt die Augen.
Für einen kurzen Moment kann sie das Parfüm ihrer Ziehmutter wahrnehmen. Sie saugt den vertrauten Geruch tief ein und nimmt schnell den Gedankenstein von der Säule. Als sie wieder in ihrem Zimmer ist, warten dort schon Oma Vettel, Broaf, Lincoln und Diggler auf sie. Sie legt den Gedankenstein in die Kiste und starrt die Gemeinschaft trotzig an.
»Gehört Anklopfen in Havelock noch nicht zum guten Ton?«, fragt sie zickig und sieht die Anwesenden böse an.
Ihre Großmutter kommt unsicher auf sie zu.
»Wir haben angeklopft, aber du hast nicht reagiert! Wir haben uns Sorgen gemacht. Nur deshalb sind wir einfach hereingekommen. Wir wollten dich nicht stören, Jezabel, aber du lebst in einem Haus voller Magie und das ist nicht immer ungefährlich. Entschuldige bitte unsere übereilte Besorgnis. Hast du deine Antworten gefunden auf dieser Reise?«, fragt sie ihre Enkelin leicht verärgert.
Jezabel tritt ein Stück zurück und sieht sie fragend an.
Aber sie kann im Moment ihre Gefühle nicht richtig einordnen.
»Ist es Wut, weil ich mich vorgeführt fühle? Ist es Traurigkeit, weil sie mir so viele Jahre gestohlen haben? Oder ist es angst, weil ich nicht weiß, was sie eigentlich mit ihr vorhaben?« Mit bebender Stimme beginnt sie zu sprechen:
»Ich habe Antworten gefunden, während sich gleichzeitig Neue aufgetan haben. Ich weiß nicht, was hier läuft, deshalb denke ich, dass ich über ein paar grundsätzliche Dinge aufgeklärt werden sollte! Auch wenn ich nun weiß, dass du mich tatsächlich nur verhext hast, um mich zu schützen, frage ich mich doch, warum dir das genau JETZT nicht mehr so wichtig ist! Du hast mir diesen Stein ohne irgendeine Anleitung in die Schule geschickt. Auch wenn er im Grunde nicht viel anrichten kann, weiß ich inzwischen, dass ich mich in meinen Erinnerungen verirren kann. Meine beste Freundin musste zusehen, wie ich mich wie eine Verrückte im Kreis drehe, und ich konnte ihr bis heute nicht erklären, warum das so war. Alle Erinnerungen, die bis jetzt zurückkamen, sind relativ harmlos. ABER! Nun musste ich Dinge erfahren, die ich gern verstehen möchte. Sollte sich herausstellen, dass sie nur halb so abscheulich sind, wie ich vermute, werde ich sofort abreisen! Also bitte! Ich setze mich dorthin und ihr werdet mir erklären, wer ich bin, was ich bin und vor allem was ihr gerade JETZT von mir wollt!«
Aufgebracht stapft sie zu ihrem Schreibtisch und verschränkt provokativ die Arme. Broaf ist sehr nervös und zupft unentwegt am Frack herum, während Lincoln starr im Körbchen sitzt und unruhig hechelt. Diggler quetscht sich neben seinen Freund und grinst verlegen, da er hofft, dass er so die Stimmung harmonisieren könne.
Nur Oma Vettel schreitet langsam auf J.J. zu.
»Du wurdest am 9. Januar 1998 geboren. Deine Eltern waren Timothey und Cassy Smith, die fünfzehn Monate nach deiner Geburt bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben kamen. Du hast diese Katastrophe nur überlebt, weil ich dich in letzter Minute retten konnte. Deine Eltern waren auf dem Weg zum Tor des weisen Phads, weil sie dich wegbringen wollten. Weg vom dunklen Phad und weg von mir! Dein Vater war kein Zauberer und hat alles Magische verabscheut. Um es mir richtig zu verdeutlichen, hat er bei seiner Hochzeit den Namen deiner Mutter angenommen. Smith! Somit hat er schon in diesem Moment mit unserer über sechshundert Jahre alten Familientradition gebrochen. Deshalb heißt du auch nicht von Winterhardt. Nach ihrem Tod wollte ich es dabei belassen, da es das Einzige ist, was sie dir hinterlassen haben. Niemand wusste, ob das Kind deiner Eltern schwarzes Blut haben wird. Als du geboren wurdest, erschien allerdings dein Name im Spiegel der Tore. Dein Name im Zauberreich ist Hexe Jezabel. Als dein Vater davon erfuhr, wurde er rasend vor Wut. Er sagte, dass er niemals zulassen würde, dass du eine Hexe wirst, und warf Darania und ihren Hexenrat beim traditionellen Neugeborenenempfang aus dem Haus. Ich wusste nicht, wie ich diesen Konflikt lösen sollte. Wir sind nun einmal eine Familie des dunklen Phads und noch nie zuvor hat ein Familienmitglied so offensichtlich gegen das Zauberreich rebelliert. Ich ließ nach der Tragödie etwas Zeit vergehen und freute mich einfach, dass es dich noch gibt. Du warst so wundervoll und sehr begabt. Aber das Schicksal geht seinen eigenen Weg. Eines Abends kam ein Halfie zu mir ins Haus und erbat sich Asyl.«
Oma Vettel schaut kurz zu Lincoln, der sich vor lauter Aufregung ununterbrochen seine kleine Nase leckt.
»Es war Lincoln. Er erzählte mir, das Darania plant, dich in den nächsten Wochen in ihr Reich zu entführen. Es war bei dir etwas komplizierter, denn dein Name erschien am Tage deiner Geburt zwar im Spiegel der Tore, aber weder Marla noch Darania gaben ihn bekannt, sondern der Spiegel selbst! Dein Name erschien in beiden Phaden gleichzeitig! Das heißt, du konntest schon vom Tage deiner Geburt an wählen, auf welcher Seite du deine Fähigkeiten nutzen möchtest. Darania wollte dir diese Entscheidung abnehmen und plante, dich also schon als Kleinkind in den dunklen Phad zu holen. Dein Vater hörte unser Gespräch mit und wurde mehr als zornig. Ich ging in den Keller zum Spiegel der Tore und erbat eine Audienz bei Marla, der Kindskönigin des weisen Phads. Ich erläuterte ihr mein Anliegen und bat sie um Rat. Sie bot deinen Eltern an, in ihr Reich zu kommen und mit Darania zu verhandeln. Den Rest kennst du ja.«
Oma Vettel entfährt ein tiefer Seufzer. Sie sieht ihre Enkelin bittend an, doch diese winkt nur verachtend ab.
»Das erklärt die eigentliche Situation aber nur oberflächlich! So hört sich das alles ja noch plausibel an. Aber ich habe auch in den Spiegel der Tore geblickt, und zwar im Moment meiner Geburt! Ich möchte endlich wissen, warum so ein Theater um mich gemacht wird. Und bitte keine Schönrederei mehr! Ich bin zwar erst knapp vierzehn Jahre alt, aber ich kann Gefahren relativ gut einschätzen. Ich habe Angst und ich weiß nicht, wovor. Aber ich weiß, dass ihr mir das erklären könnt!«
Oma Vettel tritt erschrocken einen Schritt zurück und wird kreidebleich. Ihre Haare beginnen wild zu blinken und ihre Hände zittern stark. Hilfe suchend sieht sie zu Broaf, aber der Diener sieht selbst aus, als habe er gerade einen Geist gesehen.
Ungläubig schüttelt die alte Dame den Kopf und sieht ihre Enkelin verstört an.
»Das ist unmöglich! Niemand kann außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung schauen!«, stammelt sie ungläubig und sieht ratlos zum Diener, der verkrampft nach Worten der Erklärung sucht.
J.J. steht auf und geht zum Fenster.
»Der Garten da unten ist mein Werk! Ich habe ihn erschaffen, als ich noch ein kleines Mädchen war. Deshalb konnte ich meinen Hort so schnell errichten. Als ich fortmusste, ist er verdorrt und verkümmert. Diesen Teil des Geschehens hast du leider unterschlagen. Wie so viele Dinge. Meine Erinnerungen kommen nur langsam zurück. Es wäre also nur fair, wenn du mir die ganze Wahrheit sagen würdest. Ich musste erneut Dinge erfahren, die ungeheuerlich sind. Wenn ich eins und eins zusammenzähle, bin ich nicht nur irgendeine Hexe, sondern eine ganz besondere!«
Sie starrt in den Garten, der wieder in voller Blüte steht. Im Raum bleibt es für eine kurze Weile still. Dann stellt J.J. die allumfassende Frage.
»Was bedeutet: Sie ist angekommen! Die schwarze Prinzessin wurde geboren!?«
Sie dreht sich um, da sie nur einen leisen Hickser vernehmen kann, und sieht in die entsetzten Gesichter von Oma Vettel und Broaf. Die beiden starren sie mit offenen Mündern an und bekommen kein Wort heraus. Lincoln sitzt ebenfalls total geschockt in seinem Korb und sieht entsetzt zu Vettel. Nur Diggler hat Angst einen Fehler zu machen und bleibt deshalb einfach grinsend sitzen. Oma Vettel dreht sich zu den Halfies und bittet sie zu gehen. Als sich die Tür hinter ihnen schließt, geht sie auf J.J. zu.
»Das bedeutet, dass du die schwarze Prinzessin bist, die dem Zauberreich vor mehr als eintausend Jahren angekündigt wurde. Aber das ist nur eine Legende, Jezabel! Weißt du, wir waren einmal ein Reich, in dem alle magischen Wesen friedlich zusammenlebten. Es gab immer mal wieder Konflikte, so wie in der realen Welt auch, aber nichts Bedeutendes.
Aber die Gier nach absoluter Macht hat einige der Hexen vergiftet. Sie begannen, sich an geheimen Orten zu treffen, und schmiedeten Pläne, um den König zu stürzen. Es war damals strengstens verboten, jeglichen Geschöpfen, egal ob sie aus dem Zauberreich oder der realen Welt stammten, durch einen Zauber Schaden zuzufügen. Aber Crysaldis von Festos, eine der schwärzesten Seelen, die es jemals im Zauberreich gab, setzte sich über das Gesetz hinweg und begann gegen den König zu rebellieren. Sie scharte eine Bande heimtückischer Hexen um sich und unterwarf die anderen Wesen, indem sie deren Familien mit unwiderruflichen Flüchen drohte.
Eines Nachts stürmten sie die Burg des Königs, die sich in der Mitte des Zauberreiches befand, und überwältigten ihn im Schlaf. Er und sein Gefolge hatten keine Chance. Crysaldis hatte sich mit den dunkelsten Geschöpfen, den großen Unterirdischen, verbündet und was der Preis ihrer Dienste ist, kannst Du dir sicherlich denken. Sie stürmte also die Burg mit einer Armee hungriger Dämonen und rief die dunkelsten Schatten an ihre Seite. Es muss grausam gewesen sein. Aber Vaun, der weiseste Zauberer aller Zeiten, den konnten sie nicht überwältigen. Als er bemerkte, was sich im Hintergrund tat, floh er in sein Turmzimmer und belegte den Eingang mit einem mächtigen Schutzbann aus reinem Licht. Als Crysaldis nun vor seiner Tür verharrte und alle Zauberformeln ausprobierte, um den Bann zu brechen, holte Vaun seine Kugel der Ewigkeit. Sie war das große Orakel des Zauberreiches. Sie glühte blutrot und wand sich in seinen Händen, sodass seine Haut versengte. Vaun begriff, dass seine Zeit gekommen war, und hielt Crysaldis das Orakel vor die Augen. Dann sprach er mit hallender Stimme, sodass es jedes Wesen im Zauberreich hören konnte:
»Von nun an wird sich das Zauberreich in zwei Phade teilen. Der weise Phad wird die Tradition und Gesetze unserer Ahnen bewahren und in Balance mit der Natur leben. Im Gegensatz dazu wird es den dunklen Phad geben, der sich der dunklen Seite zuwendet, und all jenen Geschöpfen gewidmet ist, die sich dir anschließen und gegen das Gesetz der Balance auflehnen. Dort soll ewige Dämmerung herrschen, die dem Licht erst weichen kann, wenn die schwarze Prinzessin geboren wird. Nur die Macht dieses vollkommenen Geschöpfes kann das Reich wieder vereinen und erst dann ist deine Schuld beglichen!«
Vaun hob die Kugel in die Höhe und sprach einen mächtigen Zauber, den niemand jemals vor ihm genutzt hatte, und Crysaldis konnte nichts dagegen tun. Vaun wusste, dass das Zauberreich in seiner ursprünglichen Form verloren war, und rief in seiner letzten Minute die Dämonen des mächtigsten Elementes, des Wassers, an. Augenblicklich erhoben sich riesige Wellen und ließen sowohl die Burg als auch die Armee der schwarzen Schatten von Crysaldis in den Fluten versinken. Die Rebellen kamen dabei um. Nur die dunklen Schatten und ein paar lausige Dämonen verblieben in dem Wasser. So entstanden der Traubenperlensee und die beiden Phade. Eine Legende wurde erschaffen.
Jeder Phad hat sein eigenes Buch und eine eigene Deutung über die Aufgabe der schwarzen Prinzessin. Jeder Phad erschuf seinen eigenen Mythos. Aber niemand weiß wirklich, was die schwarze Prinzessin letztendlich tut. Bis zu deiner Geburt wusste auch niemand, ob sich das düstere Orakel von Vaun tatsächlich erfüllen würde. Der Legende nach soll die schwarze Prinzessin die Mächtigste aller Hexen sein, da sie das gesamte Wissen des Zauberreiches in sich tragen würde. Das kann hilfreich sein, aber auch sehr zerstörerisch! Seit der Ankündigung deiner Geburt gibt es für Darania nur ein Ziel. Sie will dieses Wissen, da es uneingeschränkte Macht bedeutet. Du bist Daranias größter Feind und ihre größte Sehnsucht zugleich, Jezabel. Seit deiner Geburt stehst du zudem unter dem Schutz des Elonyk. Er ist der Urschatten, der in der dunkelsten Höhle von Xestha haust und sich den Körper einer Hexe bedient, um seinen Platz im Hexenrat einnehmen zu können. Er ist der Vater aller dunklen Schatten, ohne die wir unsere großen Zauber nicht vollenden könnten. Momentan ist es Quwill, die ihm ihren Körper leiht. Da du unter seinem Schutz stehst, kann Darania dich auch nicht einfach vernichten. Aber sie ist heimtückisch und wird nicht aufhören, einen Weg zu finden, um dich auszuschalten.
Ich habe dich damals mit einem mächtigen Schutzschild umschlossen. Aber es hieß: Keine schlechte Energie kann hinein und keine Gute hinaus. Da du auch das Blut des dunklen Phads in dir trägst und dieses nun einmal schwarz und böse ist, konnte sich diese Energie lösen und das Schild durchdringen. So konnten die Skulks dich orten. Du bist mächtiger als ich oder sonst irgendeine Hexe, aber du kannst deine Kräfte noch nicht kontrollieren. Das kann anderen Wesen großen Schaden zufügen, Jezabel. Erinnere dich an die Vorkommnisse mit Britany! Das hätte auch böse enden können! Du hast recht. Die Geschichte ist wesentlich verzwickter, als ich zugeben möchte. Aber es ist wichtig, dass du uns vertraust!«
J.J. starrt fassungslos in die Runde.
»Was für eine abgedrehte Geschichte! Es ist schon schlimm genug, dass ich erfahren musste, die Nachfahrin einer bösen Hexe zu sein. Aber DAS ist Stoff für einen Kinofilm! Einen total abgefahrenen Kinofilm!«
Sie holt tief Luft und versucht sich zu beruhigen.
»Ich will das nicht! Bis heute war das ganz lustig, aber diese Geschichte gefällt mir nicht! Ich bin ein Teenager mit Träumen, wie einen Popstar daten oder ein Musikvideo drehen. Vielleicht werde ich ein gefragtes Model oder eine berühmte Künstlerin. Aber auf diesen okkulten Mist habe ich keine Lust! Und wenn das stimmt, was du mir da erzählst, wird mich eine Horde verrückter Hexen jagen, weil ein alter Zauberer vor eintausend Jahren eine dämliche Legende erschuf. Wie willst du das verhindern? Ich will mein normales Leben wiederhaben!«, brüllt sie verzweifelt und schnaubt.
Oma Vettel schreitet auf J.J. zu, die abwehrend ihre Hände vor den Körper hält und sie verachtend fixiert.
Da mischt sich Broaf in das Gespräch.
»Wir haben immer versucht, dich zu beschützen! Es war auch für uns nicht leicht, eine Lösung für dein Wohl zu finden! Es wurde alles immer komplizierter und du wolltest keine Hexe werden. Also suchten wie nach einem Ausweg. Schließlich hatten wir bereits deine Eltern bei diesem sinnlosen Kampf verloren! Jezabel, niemand kann dich zwingen, eine dunkle Hexe zu werden, aber die Magie wird immer in dir sein. Deshalb holten wir dich zurück. Du musstest erfahren, was du bist, da unkontrollierte Magie großen Schaden anrichten kann. Auf den Weg des weisen Phads kann Vettel dich nicht begleiten, da ihre Familie Xestha unterstellt ist. Es ist ein Segen für uns, dass du wieder hier bist, kleine Prinzessin, da man diesen Vergessenszauber eigentlich nicht wieder rückgängig machen kann. Es ist wirklich erstaunlich, wie stark du bist! Bitte vertrau deiner Großmutter und mir auch!«
J.J. entfährt ein langer, ausgedehnter Seufzer. Sie schüttelt den Kopf und fasst sich an den Hals, der immer noch höllisch wehtut.
Oma Vettel sieht sie besorgt an.
»Komm, lass uns in die Küche gehen. Ich mache dir einen Tee und dann unterhalten wir uns in Ruhe über alles.«
J.J. sieht genervt zu ihrer Großmutter und schlendert schließlich resignierend an den beiden vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Sie rennt in die Küche und lässt sich auf die Eckbank fallen. Ein paar Erinnerungen blitzen auf und trotzdem kann sie diese Angst, die sie heute Nacht wegen des Feuerdämons hatte, immer noch nicht einordnen.
»War es überhaupt Angst oder nur eine verdrängte Erinnerung? Vielleicht sogar eine alte Sehnsucht? Nach allem, was ich gerade erfahren habe, könnte es alles sein.«
Sie schüttelt den Gedanken sofort wieder ab und dreht sich zu ihrer Großmutter.
»Heißt das etwa, dass ich ein schlechter Mensch bin?«, fragt sie leise.
Ihre Stimme klingt heiser und sie bemerkt, dass sie Temperatur bekommt.
Oma Vettel nimmt ihre Hände und umschlingt sie fest.
»Das hast du vollkommen falsch verstanden, Jezabel. Das heißt nur, dass du die Macht hast, zu entscheiden, wer du sein möchtest und was du tust. Niemand, kein Hexenrat, keine Marla oder ich, kann dich für diese Entscheidung bestrafen. Sieh dich an! Du bist wunderschön. Du hast die Haare einer Elfe und die Augen einer Fee. Du bist bestimmt kein schlechter Mensch, mein Schatz. Es ist nur sehr kompliziert. Darania ist unser gemeinsames Schicksal. Genauso wie wir das ihre sind.«
Oma Vettel nimmt ihre Enkelin fest in den Arm. »Und ich bin auch kein schlechtes Wesen! Ich hoffe, du wirst mir irgendwann vertrauen. Und das mit Darania bekommen wir auch hin!«
J.J. löst sich aus der Umarmung und lehnt sich zurück. Nichts scheint ihr plausibel. Immer wenn sie denkt, dass sie eine Erklärung gefunden hat, tut sich eine neue Frage auf.
»Aber sagtest du nicht, dass sie mich völlig legal in den dunklen Phad einberufen kann?«
Oma Vettel seufzt und knetet nervös ihre Hände.
»Ja. Das kann sie, weil dein Gedankenstein im dunklen Phad gehoben wurde. Du musst dich jedoch freiwillig entscheiden, als Hexe zu leben. Ich habe damals deine Verzweiflung gesehen und dich acht Jahre vor ihr versteckt. Aber ich denke, wir sollten es auf einem anderen Weg versuchen. Du warst damals noch ein kleines Kind, nun bist du ein Teenager. Ich musste erst Sichergehen, das du deine Meinung inzwischen nicht geändert hast und nun doch als Hexe leben möchtest. Selbst wenn Darania dich in den dunklen Phad holt, bist du ihr erst verpflichtet, wenn du deine absolute Entscheidung für die dunkle Magie getroffen hast. Dafür musst du einen Eid ablegen oder einen mächtigen Zauber aus Eigennutz aussprechen. Marla wird dich selbst entscheiden lassen. Sie übt niemals Zwang aus. Das hat sie nicht nötig. Vielleicht war es ein Fehler, dich diesem Vergessenszauber auszusetzen. Aber ich sah damals keinen anderen Weg. Wir werden die beste Lösung für dich finden.«
J.J. nickt und fasst sich an den Hals. Die Schmerzen werden schlimmer, sodass sie sich kaum noch konzentrieren kann. Ihre Großmutter steht auf und zupft verschiedene Kräuter aus den Bündeln über dem Ofen.
»Noch ein wenig Spitzwegerich und Sambusterkraut und, ach ja, fünf Fliegenbeine!«
J.J. entfährt ein angewidertes »Bäh!«, worauf die alte Hexe laut loslacht.
»Das war doch nur ein Scherz, meine Liebe! In einen Tee gegen Halsweh kommen keine Fliegenbeine! Nicht in diesen!«, erklärt sie und steckt J.J. mit ihrem Gelächter an, die sich inzwischen wieder entspannt hat. Die Schmerzen vertreiben die Lust, sich weiterhin den Kopf zu zermartern, und so ergibt sie sich erst einmal den Gegebenheiten.