Читать книгу Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel - M.E. Lee Jonas - Страница 4

Prolog

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Es gibt Orte in dieser Welt, von denen man sagt, sie seien mystisch und voll unerklärlicher Magie. Man glaubt, es gäbe dort Pforten, hinter denen sich fantastische Reiche von Zauberern, Elfen und Feen befinden. Wir bezeichnen sie als Mythos. Legenden, die wir Menschen uns erzählen, damit wir einen Ort haben, zu dem wir unsere geheimsten Wünsche und Träume schicken können. Und genauso lang, wie wir uns diese Legenden erzählen, suchen wir diese Reiche und verzweifeln, weil wir angeblich immer scheitern. Wir vergessen mit der Zeit, dass wir sie längst betreten haben, denn als Kinder lebten wir noch mitten in dieser Welt voller Wunder und Magie. Aber irgendwann sind wir plötzlich erwachsen und blind für den Zauber, der uns täglich umgibt.

Wir vergessen ihn und die Erinnerung an unsere Träume verblasst.

Doch es gibt diese Orte hier in unserer Welt. Sie liegen auch nicht im Verborgenen oder am anderen Ende der Welt.

Das Magische ist nicht immer in weiter, unerreichbarer Ferne. Für irgendjemanden ist in diesem Augenblick das Ende der Welt genau dort, wo du gerade bist. Dieses Reich voller Zauber und Magie liegt direkt vor dir. Du musst dich nur daran erinnern! Dann öffnen sich die Tore und du kannst es wieder betreten.

Einer dieser wundervollen Orte in unserer Welt ist Havelock, ein kleines Hafendorf im Norden der Südinsel Neuseelands, die am Ende des Pelorus Sounds liegt. Die Magie dieses Ortes ist so offensichtlich, dass es keine großen Worte braucht, um sie zu beschreiben. Sie ist dort allgegenwärtig.

Man kann sie fühlen, schmecken und riechen.

Havelock liegt am versunkenen Tal in den Marlborough Sounds, das Neuseeland in zwei große Inseln teilt. Die Einwohner dieses kleinen Hafendorfes sind schnell gezählt, da Havelock vom Festland aus nur mühsam zu erreichen ist. Das Leben dieser Menschen ist einfach und setzt eine geruhsame Gesinnung voraus, mit der sich die Wenigsten in unserer schnelllebigen Welt arrangieren möchten. Große Industriegebiete sucht man hier vergeblich. Die Einwohner leben von der Forstwirtschaft und ihren ausgedehnten Muschelfarmen, die in dem tiefblauen Wasser des Meeres liegen.

Es ist ein zauberhafter, unberührter Ort und das macht ihn so außerordentlich kostbar.

Alles ist rein, pur und ätherisch. Der Sand unter deinen Füßen trägt dich sanft über endlose Strände, die von gewaltigen Felsen beschützt werden. In den Wäldern erklingen Chöre von seltener, uralter Schönheit. Der Gesang dieser Natur leitet dich sicher durch die großen Reiche der uralten Kauribäume, von denen man sagt, dass sie seit Anbeginn unserer Zeitrechnung dort stehen. Deshalb sind sie für die Bewohner Neuseelands auch heilig.

Der große Ozean, der Neuseeland umschließt, breitet seine Arme weit aus und fließt in mächtigen Strömen durch die Landschaft, um sie zu nähren. Es scheint, als hätte die Natur diesen Ort erwählt, um sich auszuruhen. Alles lebt in einer perfekten Symbiose.

Havelock ist voller unentdeckter Geheimnisse und wer dessen Boden betritt, kann sicher sein, das Tor in eine andere Welt gefunden zu haben.

In diesem Dorf lebt etwas außerhalb der Siedlungen eine alte Dame, die von den knapp fünfhundert Einwohnern nur Oma Vettel genannt wird. Sie lebt hier schon eine sehr lange Zeit und gehört an diesen Ort wie das Wasser ins Meer. An ihre seltsame Art haben sich die Menschen längst gewöhnt. Das Anwesen, auf dem die alte Dame seit knapp vierzig Jahren lebt, liegt etwas abgeschieden, am Fuße des Nydia-Walkways, eingebettet im Schoße riesiger Kauribäume. Bis heute hat noch kein anderer Einwohner ihr Haus betreten, weshalb sich auch viele kuriose Geschichten darum ranken. So wollen einige Kinder als Mutprobe versucht haben, das geheimnisumwitterte Haus zu erreichen, sind aber angeblich immer schon an der geheimnisvollen Einfahrt gescheitert. Sie erzählen, dass hinter dem großen Tor eine endlose Allee läge, die von unbekannten, wunderlichen Blumen und uralten Kauribäumen gesäumt sein soll. Die Kronen dieser mächtigen Bäume bilden, so ihre Geschichte, ein filigranes Dach, das die Sonnenstrahlen nur in eigenwilligen Formationen durchlässt. So als würde man durch einen sonnendurchfluteten Tunnel in eine andere Welt reisen.

Mark Findus, ein mittlerweile dreißigjähriger Mann behauptet, dass er zwei Stunden mit dem Fahrrad diese Einfahrt hinaufgefahren sei, und immer, wenn er sich an deren Ende wähnte und endlich an eine Abbiegung kam, diese Allee sich einfach wiederholt habe. Angeblich stand er plötzlich wieder vor dem Eingangstor und dieselbe Strecke, mit denselben Pflanzen tat sich erneut vor ihm auf. Da er nicht aufgeben wollte, probierte er es immer und immer wieder. Irgendwann war er jedoch so erschöpft, dass er umdrehte und nach Hause fuhr, da er befürchtete, sich sonst in der Dunkelheit zu verirren. Das Haus der alten Dame hat er niemals zu Gesicht bekommen. Doch noch heute erzählt er, wie frei und glücklich er sich auf dem wunderlichen Anwesen fühlte und das er es deshalb ein paar Wochen später erneut versuchte. Aber da ging das Eingangstor erst gar nicht mehr auf.

Die Erwachsenen warnen ihre Kinder vor dem kuriosen Landsitz und begründen dies meist mit den merkwürdigsten Geschichten über dessen Bewohner. Allerdings weiß niemand wirklich, was auf Oma Vettels Anwesen vor sich geht.

Trotzdem ist die alte Dame bei den Einwohnern, besonders bei den Kindern, sehr beliebt. Warum das so ist, kann ebenfalls niemand so recht erklären. Manche sagen, es läge an ihrer kauzigen, aber stets fröhlichen Art. Andere wiederum behaupten, es läge an den aufregenden Geschichten, die sie den Kindern gern erzählt. Diese handeln stets von Zauberwesen und Einhörnern, die sich nur den guten Seelen zeigen.

Auf den ersten Blick ist Oma Vettel eine völlig normale, knapp sechzigjährige Dame mit leicht untersetzter Figur und einer Vorliebe für große verrückte Hüte. Ihre außergewöhnliche Art sich zu kleiden, setzt allerdings sehr viel Toleranz voraus, denn es ist selten, dass sie etwas trägt, das auch nur annähernd zusammenpasst. Oma Vettel hat eben eine Vorliebe für schräge und extravagante Hosenanzüge in knallbunten Farben. Am meisten liebt sie die mit den riesigen Punkten darauf. Ihre ausgeflippten Hüte mit den breiten Krempen runden das absurde Modespektakel perfekt ab.

Sarah Freud und ihre Freundinnen behaupten felsenfest, dass sie diese Hüte nur zur Ablenkung trage. Sie erzählen, sie hätten sie einmal ohne Kopfbedeckung im Auto gesehen und da hätten ihre weißen, schulterlangen Haare geblinkt und dabei die Farbe gewechselt! So wie diese bunten Discoleuchten. Da es jedoch unzählige dieser spektakulären Geschichten über Oma Vettel gibt, nehmen die Einwohner solche Berichte mittlerweile hin, ohne nach Beweisen zu suchen. So ranken sich mindestens einhundert verrückte und kuriose Märchen um Ophelia Vettel Penelopé Utherina Gräfin von Winterhardt, wie Oma Vettel mit richtigem Namen heißt. Die meisten Geschichten sind jedoch reine Fantasie, da die Wahrheit niemand kennt.

Oma Vettel wohnt tatsächlich an einem verwunschenen Ort, denn sie ist eine mächtige Hexe. Dass sie damals diesen Ort als ihr Zuhause wählte, ist alles andere als Zufall, denn in Havelock befindet sich das Tor nach Xestha, dem dunklen Phad der mächtigen Schatten. Das ist der Teil des Zauberreiches, in dem die bösen Hexen leben und der für uns Menschen nicht sichtbar ist.

Ja, ihr habt richtig gelesen!

Diese nette alte Dame ist eine böse Hexe und ihr Name im Zauberreich ist Vettel. Keine andere Hexe heißt so, da jedes Wesen eines Zauberphads bei seiner Geburt einen eigenen, magischen Namen bekommt. In dem Moment, wenn ein Zauberwesen das Licht der Welt erblickt, erscheint sein Name im Spiegel der Tore und wird im Register des jeweiligen Phads eingetragen. Der weltliche Name, also der, den die Eltern für ihr Kind aussuchen, wird im Zauberreich nicht benutzt. Natürlich haben die Familien der beiden Phade auch Nachnamen, im Zauberreich sprechen sich jedoch alle nur mit dem Namen an, den der magische Spiegel ihnen zugeteilt hat.

Da die Hexe nun in der realen Welt lebt und ihr Familienname nebst Titel viel zu lang ist, stellt sie sich bei ihren Freunden, wie sie gern alle Menschen bezeichnet, einfach als Oma Vettel vor. Warum das so ist und woher dieser eigensinnige Name stammt, bleibt ein Geheimnis. Über ihre Herkunft weiß niemand wirklich etwas, aber das ist den Einwohnern auch nicht mehr so wichtig. Als sie vor vielen, vielen Jahren dieses alte Haus kaufte, war sie gerade um die zwanzig Jahre alt und hatte nichts außer einem alten Reisigbesen und Timothey, ihren kleinen Sohn dabei. Begleitet wurden sie von Broaf, ihrem Diener. Die Einwohner erfuhren nur, dass sie eine Gräfin sei, deren Ehemann tödlich verunglückte und die nach dieser Tragödie in der Abgeschiedenheit von Havelock zur Ruhe kommen möchte. Das Anwesen, das sie kaufte, gehörte vorher einem reichen Unternehmer, der sich den Dorfbewohnern nie zeigte und es nur als Feriendomizil nutzte.

Die junge Frau lebte sich schnell in die Gemeinde ein, blieb privat jedoch gern für sich. Ihr Sohn Timothey wuchs ganz normal mit den anderen Kindern von Havelock auf und verbrachte hier eine vollkommen unbeschwerte Kindheit. Er sprach mit niemandem darüber, dass seine Mutter anders ist. Timothey selbst hatte keine magischen Fähigkeiten und lehnte die Zauberei stets ab. Als er und seine Frau Cassy, die von der anderen Seite Neuseelands stammte, vor knapp fünf Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückten, trauerte die gesamte Ortschaft mit Oma Vettel mit. Doch die Zeit ließ die Wunden verheilen und der Alltag hat die Gemeinde längst wieder eingeholt.

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 01: Oma Vettel

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