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Prolog

Um es gleich vorwegzusagen, es gibt drei Arten von Stürmen: die Kleinen, die Großen und die Anderen.

Die ersten beiden entstehen zwar auch nicht ohne Magie, doch sie sind etwas, das die Menschen verstehen können. Oder zumindest meinen zu verstehen, indem sie es physikalisch erklären: Luftmassen unterschiedlicher Temperatur, die aufeinanderprallen, elektrostatische Entladungen zwischen Wolken, gerichtete Luftbewegungen, kondensierter Wasserdampf, der auf die Erde tropft …

Kleine Stürme sind dabei am harmlosesten. Alltägliche Unwetter eben: hier ein Gewitter, dort ein Regenguss. Manchmal haben sie einen entwurzelten Baum oder einen überschwemmten Garten zur Folge. Nichts wirklich Dramatisches. Sie lärmen und leuchten und durchnässen einen bis auf die Haut, sodass man einen Schnupfen bekommt, und das war’s.

Um einen kleinen Sturm zusammenzubrauen, braucht man lediglich einen Kessel und ein paar Wolken. Die lässt man eine Weile bei geringer Hitze köcheln, dann ruft man ein wenig Wind dazu, um alles gut zu verrühren, und voilà! Wir Hexen lieben die kleinen Stürme. Sie sind sozusagen unser Hauptgeschäft.

Die großen Stürme hingegen können schon gefährlicher sein. Sie hinterlassen nicht selten eine Spur der Verwüstung. Schiffe geraten ihretwegen in Seenot. Ernten werden vernichtet, Dächer abgedeckt. Flüsse treten über die Ufer, Tsunamis überrollen Küsten. Solche Stürme erschaffen wir nur in Ausnahmefällen. Die Dinger geraten nämlich viel zu leicht außer Kontrolle. Man will vielleicht nur rasch einen ausgedörrten Landstrich bewässern, doch ehe man sich’s versieht, hat man ein regelrechtes Monster losgelassen. Total außer Rand und Band, manchmal nur noch mit einem Blutopfer zu beruhigen. Aber selbst solche Stürme haben trotz ihrer verheerenden Auswirkungen natürlich keinen eigenen Willen, führen nichts im Schilde oder so. Sie sind bloß ziemlich unangenehm.

Tja, und dann gibt es noch eine dritte Art von Stürmen: die Anderen, wie wir Hexen sie nennen. Stürme, die weit über Regentage oder Naturkatastrophen hinausgehen. Laut unseren Büchern existieren sie zum Glück ausschließlich auf hoher See. Weit weg von den Menschen inmitten einer Wüste aus Wellenkämmen. Es sind Stürme, denen tatsächlich etwas Böses innewohnt. Stürme, die wir auf Leben und Tod bekämpfen müssen und denen selbst die besten unter den Meereshexen unterliegen. Seit Jahrtausenden, seit der Gott des Schicksals, der sie einst auf die Erde losließ, spurlos verschwand, wie es in den Chroniken heißt, so lange schon versuchen wir, die Menschen zu beschützen. Vor den Anderen und dem, was in ihnen haust, und eigentlich ist uns das bisher auch sehr gut gelungen.

Wie gesagt, wir dachten sogar, es gäbe sie nur dort draußen. Weit, weit entfernt von allem.

Und ich persönlich nahm natürlich ohnehin an, nie wieder einem von ihnen zu begegnen.

Aber das war ein Irrtum.

Die Worte des Windes

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