Читать книгу Fahrgemeinschaft - Meddi Müller - Страница 5

Der Neue

Оглавление

Als Grotewohl und Köhler in ihr Büro kamen, saß Brauer bereits voller Eifer an seinem Schreibtisch und tippte mit flinken Fingern in die Tastatur seines PCs.

»Sieh an!«, rief Grotewohl statt einer Begrüßung. »Hat der Junge es doch tatsächlich geschafft.«

Brauer sah von seiner Arbeit auf und grinste bis zu den Ohren. In einer fließenden Bewegung schob er seinen Stuhl von sich und stand stramm. »Jawohl, Frau Hauptkommissarin!«, stieß er zackig aus.

»Den Scheiß kannst du dir schenken, Junge«, fuhr Grotewohl ihn an. »Ich bin Sabine und das da ist Christian.« Sie deutete auf Köhler. »Und wenn du in ein oder zwei Jahren in den inneren Kreis aufgestiegen bist, darfst du uns Grotte und Shaft nennen.«

Brauer schien verunsichert. »In Ordnung«, brachte er mühsam über die Lippen. Er sah sich nach seinem Stuhl um und zog ihn zu sich heran. Linkisch nahm er darauf Platz und arbeitete weiter.

Grotewohl trat neben ihn. »Was machst’n da?« Sie beugte sich vor und sah auf den Bildschirm.

Brauer stockte kurz. So viel Nähe war ihm unangenehm. Seinen Blick weiterhin nach vorn gerichtet, tippte er, was das Zeug hielt. »Statistik«, antwortete er knapp.

»Aha«, machte Grotewohl und sah ihm eine Weile zu. »Und was genau bringt uns das in unserem aktuellen Fall?« Wie sie ihre Worte betonte, ließ Brauer an seinem Konzept zweifeln.

»Ich … wenn … also …« Mehr brachte er nicht über die Lippen. Wortlos deutete er auf den Bildschirm.

»Ich höre«, setzte Grotewohl nach.

Brauer holte tief Luft. »Wenn wir alle aktenkundigen Obdachlosen auswerten und die Frauen isolieren, dann noch die Altersgruppen, die Herkunft sowie die Verweildauer in der Stadt und schließlich die Unbekannte variieren, lässt sich die Tote vielleicht schneller identifizieren.« Er machte eine Pause. »Dachte ich …«

Grotewohl und Köhler wechselten einen Blick.

»Müller, du Pfeife!«, rief Köhler durch den Raum. »Nimm dir mal ein Beispiel an unserem Frischling!«

»Waff?«, fragte Müller, der in diesem Moment aus dem benachbarten Büro kam, in der einen Hand eine dampfende Tasse Kaffee und in der anderen einen angebissenen Muffin.

»Der Neue hat mehr drauf als du«, ergänzte Grotewohl.

Brauer errötete und Müller hörte auf zu kauen.

»Also, ich … habe nur meinen Job gemacht«, versuchte Brauer seine Verlegenheit zu überspielen. Es war ihm sichtlich unangenehm, zwischen die Fronten geraten zu sein.

»Nee, nee, Junge.« Köhler schlug ihm anerkennend auf die Schultern. »Das hast du echt klasse gemacht. Frischer Wind tut uns ganz gut. Der bläst nämlich schön durch.«

»Wo er recht hat, hat er recht«, bekräftigte Grotewohl. »Auch wenn ich es weniger anzüglich formuliert hätte.«

»So war das natürlich nicht gemeint!« Bewusst übertrieb Köhler die Empörung.

Brauer war inzwischen tiefrot im Gesicht.

Grotewohl lachte dreckig, während Müller in seinen Muffin biss, verständnislos den Kopf schüttelte und sich auf die Ecke von Brauers Schreibtisch setzte.

»Jetzt mal zurück zum Alltag, meine Herren«, beendete Grotewohl die Show. »Was haben wir?«

Brauer schien erleichtert. »Also, wenn wir den besagten Algorithmus anwenden«, sprudelte es aus ihm heraus, »kommen wir auf …« Er unterbrach sich für einen kurzen Moment und sah angestrengt auf seinen Bildschirm. »… zwölf mögliche Kandidatinnen.«

Erneut wechselten Grotewohl und Köhler einen anerkennenden Blick.

»Damit kann man arbeiten«, sagte Grotewohl.

Köhler warf Müller einen Blick zu und zeigte auf den Neuen, als wollte er damit ausdrücken, dass er sich ruhig eine Scheibe von dessen Arbeitseifer abschneiden könne. Müller zog eine Schnute und nippte an seinem Kaffee.

»Gut, Junge, dann nimm die zwölf Auserwählten mal unter die Lupe.« Köhler nickte dem Neuen im Team zu. »Und wenn du alle Informationen zusammenhast, präsentierst du uns das Ergebnis und wir überlegen gemeinsam, was wir damit anstellen.«

Brauer nickte. »Ich vergleiche auch die Vermisstenkartei mit den infrage kommenden Frauen.«

»Ich liebe diesen Kerl jetzt schon«, sagte Köhler und zeigte Grotewohl seine Zigarettenschachtel – eine Geste, die sich zwischen ihnen als Aufforderung zum Rauchen etabliert hatte.

Grotewohl grinste breit und schnappte sich ihre Jacke. »Vertragt euch, ihr zwei Hübschen. Die Erwachsenen gehen mal eine rauchen.«

»Nicht schlecht, der Neue, oder?« Grotewohl blies den Rauch in die Luft. Sie stand mit Köhler in der Raucherecke des Stockwerks und erschauderte. Es war frisch geworden. Der Sommer schien gegen die ersten Zuckungen des Herbstes zu verlieren.

»Am Anfang geben sie doch alle Gas.« Köhler zeigte sich skeptisch. »Gib ihm noch ein paar Monate, dann kloppt er sich mit Müller um den letzten Muffin und hängt uns ein freches Maul an.«

Grotewohl lachte. Dabei schluckte sie Rauch und verfiel ins Husten.

Köhler wartete geduldig, bis der Anfall vorüber war. »Gehts wieder?« Er war nicht wirklich besorgt.

»Ja, Mann«, keuchte Grotewohl. »Scheiß Kippen!« Sie warf den Stummel in den überfüllten Aschenbecher und schüttelte sich. »Ekelhaft«, schob sie hinterher.

»Dann hör doch damit auf.«

»Na klar«, schnaubte sie. »Und der Papst wird morgen evangelisch.«

Köhler grinste. »Lass uns nachsehen, wie weit der Frischling mit der Identifizierung ist.«

Fahrgemeinschaft

Подняться наверх