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2. Das EU-Kartellrecht
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a) Im europäischen Wirtschaftsrecht erfüllt das EU-Kartellrecht, das seit 1958 unmittelbar geltendes Recht ist, die Aufgabe, durch unmittelbar anwendbare Rechtsvorschriften den zwischenstaatlichen Handel innerhalb des Binnenmarktes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu schützen. Die Art. 101 f AEUV, die das primäre EU-Kartellrecht enthalten, laufen schon infolge ihrer Stellung innerhalb einer umfassenden wirtschaftsrechtlichen Gesamtregelung viel weniger Gefahr, herausgehoben oder isoliert gesehen zu werden, als etwa das deutsche GWB. Sie stehen insbesondere in engem Zusammenhang mit den Grundfreiheiten, die das Kartellrecht ihrerseits erheblich entlasten. Zudem richten sie sich nicht nur gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen, sondern – nach Art. 101 Abs. 1 AEUV i. V. m. Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 2 und 3 EUV bzw. dem Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb – auch gegen staatliche Maßnahmen, die wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen von Unternehmen i. S. d. Art. 101 und 102 AEUV erleichtern, fördern oder vorschreiben.[1]
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Große Teile des EU-Kartellrechts finden sich allerdings nicht im AEUV, sondern im sekundären EU-Recht, das auf der Grundlage von Art. 103 AEUV erlassen worden ist. Das gilt insbesondere für die VO Nr. 1/2003,[2] die das Kartellverfahrensrecht enthält, und für die Gruppenfreistellungsverordnungen gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV, die bestimmte Gruppen von Vereinbarungen vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freistellen. Überdies ordnet das EU-Kartellrecht auf Grund von Verordnungen gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV, unterstützt durch die Richtlinien-Gesetzgebung, einige Zweige des Besonderen Wirtschaftsrechts und verdrängt oder verändert dadurch die nationalen Branchenregelungen. Dies kommt dem Binnenmarkt zugute und beseitigt wettbewerbshemmende Regelungen. Schließlich verfügt das EU-Kartellrecht seit 1989 über eine Verordnung über die Zusammenschlusskontrolle.[3] Sie unterwirft bedeutende Konzentrationsvorgänge innerhalb des Binnenmarktes einer Kontrolle durch die Kommission und verdrängt insoweit das nationale Recht.
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b) Die Kartellrechte der Mitgliedstaaten haben neben dem EU-Kartellrecht ihren Platz, wo Wettbewerbsbeschränkungen den zwischenstaatlichen Handel nicht spürbar beeinträchtigen. Hinzu kommt der Bereich, in dem sich die nationalen Kartellrechte vom europäischen Kartellrecht nach Art. 3 VO 1/2003 unterscheiden dürfen. Daher gibt es noch immer erhebliche Unterschiede im Normbestand und in der Anwendungspraxis, obwohl sich die nationalen Kartellrechte dem europäischen Kartellrecht immer mehr angenähert haben.[4]
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Bei spürbarer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels wird das EU-Recht von der Anwendungskonkurrenz zwischen Kommission und nationalen Stellen beherrscht (vgl. Art. 4 ff VO Nr. 1/2003). Allerdings kann die Kommission Verfahren zur Durchsetzung von Art. 101 f AEUV jederzeit an sich ziehen (Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 1/2003). In der Zusammenschlusskontrolle werden zudem – abgesehen von wenigen Ausnahmen – die großen Fälle von der Kommission nach EU-Recht und nur noch die übrigen von den nationalen Kartellbehörden nach nationalem Recht beurteilt (Art. 4, 9, 21 FKVO).