Читать книгу Prophezeiung - Melanie Baumann - Страница 3
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>> Also Tami wohin diesmal, wieder ins Apple? <<
Gott bin ich genervt.
Meine beste Freundin, Tamara Bryte, will, wie jeden Samstagabend ausgehen, tanzen und Jungs abchecken.
Es ist ja nicht so, dass ich keine Lust hätte etwas mit ihr zu unternehmen, aber jeden Samstag ins Apple? Wo immer die gleichen Leute abhängen und immer dieselbe Musik läuft?
>> Können wir nicht einfach zuhause bleiben? <<
Sie ist schon ewig mit ihrem Freund Michael zusammen und wird wieder versuchen mich mit irgendeinem, dieser schrägen Typen zu verkuppeln, die ich nicht mal bei Tageslicht Daten würde.
Es ist nicht so, dass ich nur nach dem Äußeren gehen würde, aber wenn dich jemand antanzt als hätte ihm jemand Juckpulver unter sein enganliegendes, verschwitztes Muskelshirt gestreut und dir dann noch einen der absolut trendigen und angesagten Sprüche „Tat es weh, als du vom Himmel gefallen bist?“ mit viel Enthusiasmus ins Ohr brüllt, fällt die Anziehungskraft unter den Gefrierpunkt.
Tamara ist ein Naturtalent im Ignorieren meines Gesichtsausdrucks. Sie übergeht meinen genervten Tonfall mit einem hysterischen Schrei, als sie mein neues Top sieht.
>> Oh, mein, Gott, ist das süß! Wo hast du das her? Willst du das nicht anziehen? Oder kann ich es mir leihen? Ich passe da bestimmt irgendwie rein. <<
Na klar, ihre Klamotten sind ja nur eine Nummer größer als meine. Wenn sie mein Top anzieht, ist es bei ihr Bauchfrei, aber es wäre ja nicht das erste Mal. Sie ist mit ihren 1,75m nicht nur einen Kopf größer als ich, sie zieht mit ihrem braunen Rapunzel Haar und dem einnehmenden sympathischen Lächeln alle Blicke auf sich.
Mit ihrem Charme wickelt sie nicht nur mich und Michael um ihren Finger. Bis jetzt gab es noch nicht einen Türsteher, der ihr Wiederstehen konnte.
>> Kannst du für uns nicht ein Auge zudrücken? << ein gekonnter Augenaufschlag reicht und sie sind Wachs in ihren Händen.
Das größte Problem am Party machen sind nicht die laute, mäßige Musik, der lange Weg bis zur Dorfdisco oder die schrägen Kerle, sondern unser Alter. Wir sind beide erst Siebzehn Jahre. Ich habe es gerade erst vor einer Woche geschafft. Ein Frischling laut meiner Freundin und ich sehe aus wie 15.
Mit ordentlich Make-up und „ich kann alles“ Tami’s Hilfe, schaffe ich es meistens als 17, oder mit viel Glück 18-Jährige durchzugehen.
Aber allein?
Niemals.
>> Das habe ich vom letzten Familienurlaub, du weißt schon, als Wiedergutmachung für das Kulturprogramm.<<
Tamara hat schon wieder alles vergessen, ist ja auch schon vierzehn Tage her.
>> Wo war das nochmal? Du bist mehr unterwegs als der deutsche Botschafter. <<
>> In London und du weißt genau, dass ich solange ich keine 18 bin, überall mit hinmuss. Meine Eltern lassen keine Proteste zu. Ich glaube, sie würden mich auch mitschleifen, würde ich ein Bein verlieren. <<
Bei dem Gedanken muss ich sofort mit den Augenrollen. Während Tami sich in mein Top quetscht, suche ich mein bequemstes Partyoutfit, bestehend aus Bluejeans, Top und Highheels. Die Proteste von meinem Modeberater hinter mir, welche mein Outfit betreffen, lasse ich von mir abprallen und unterziehe mich ihrer Styling Prozedur.
Sie stellt Dinge mit meinen langen blonden Haaren an, die nach kaum erträglichen Schmerzen, zu einer standfesten Orkanstärke 10 bestehenden Frisur gestylt werden. Das hätte ich mit meinem dicken Haar auch nach 10 YouTube Tutorials und 5 Stunden nicht hinbekommen.
Danach entsteht Schicht für Schicht mein Party Make-up. Ich lasse alles über mich ergehen, jammern hat bei ihr keinen Sinn. Stattdessen betrachte ich mich mit meinen blaugrünen Augen im Spiegel. Herzförmiges Gesicht, Stupsnase, normale Lippen, alles Standard also, nix besonderes. In meinem schwarzen Top finde ich sogar meine Figur ganz in Ordnung.
Ich bin mit meinen 1,65m und Konfektionsgröße 36 kein Model, aber es könnte schlimmer sein. Mit Smokey Eyes und dem perfekten Conturing, würde ich sogar behaupten, dass ich ganz hübsch bin. Ich wünschte ich könnte immer so aussehen, doch wenn ich selber versuche mich so zu schminken, sieht es aus als wäre der Farbpinsel explodiert. Aber was soll’s, auch nur ein Punkt auf meiner „kannst du streichen “ Liste.
Mein Make-up Artist prüft mit ihrem gekonnten Blick noch einmal meinen Style und lächelt mir im Spiegel entgegen.
>> Ich sag ja, du bist einfach eine Schönheit. Hätte ich später immer solche Kundinnen wie dich, wäre ich schnell arbeitslos. Bei dir ist einfach nicht viel zu machen. Gott sei Dank gibt es auch weniger gutaussehende Menschen. Du solltest dich auf deinem Insta - Account zeigen, du hast schnell an jedem Finger einen Kerl. <<
Ja. Na klar, dass kann sie vergessen. Auf dieses Thema gehe ich nicht weiter ein, das endet immer nur mit schlechter Laune auf beiden Seiten.
>> Du weißt genau, dass es sich bei meinem Account nicht um mich dreht. Es geht um meine Leidenschaft und die will ich weitergeben. <<
Meine Leidenschaft? Bücher! Bücher widersprechen nicht, sie sind still und können zuhören. Bücher bilden und entführen dich aus deinem tristen Alltag in unglaubliche Welten. Das Einzige, was du benötigst, ist ein wenig Fantasie, das ist alles.
Ich habe den Eindruck das immer weniger Leute zu einem guten Buch greifen. Die meisten streamen bei Netflix oder schauen sich Tutorials über YouTube an.
In meinem Freundeskreis gibt es keinen, der sich freiwillig hinsetzt und ein Buch liest. Mein Gott, in meiner Klasse gibt es mindestens fünf Leute, die nicht flüssig lesen können. Ist das nicht schrecklich? Es geht einfach so viel verloren.
Ich bin das ganze Gegenteil, wenn ich lese, verliere ich mich im Buch. Ich tauche in die Geschichte ein und blende alles aus. Wenn mich keiner stört, kann ich morgens mit einem Buch beginnen und abends habe ich es durch. Meistens wird mir nur nicht so viel Ruhe gegönnt, schließlich habe ich auch noch ein paar soziale Kontakte.
>> Mein Account ist für meine Bücher bestimmt, dass weißt du genau. Ich habe da nichts zu suchen. <<
>> Jeder Buchautor stellt sich in seinem Buch vor, dass solltest du auch tun, es würde deine Seite gleich menschlicher erscheinen lassen. Es wäre besser, als dass es nur aus Buchtiteln und Rezessionen besteht. <<
>> Nein! <<
Das Thema ist für mich beendet und ich lenke sie ab.
>> Meinst du Ella ist fertig? <<
>> Ich denke schon. Lass uns runtergehen und nachschauen. Hast du den Erlaubniszettel falls wir nicht durchkommen? <<
>> Ja, den oberpeinlichen Mutti Zettel habe ich. Also ehrlich, gibt es etwas Peinlicheres? Welcher Sadist hat sich so etwas ausgedacht? So erniedrige ich mich vor einer relativ großen, bekannten Menschenansammlung in meinem Alter. Was ist aus dem guten alten „Du kommst hier nicht rein“, geworden? <<
>> Ich glaube nicht, dass wir den Zettel brauchen, aber sicher ist sicher und wenn wir einmal drin sind, gibt es immer jemanden den wir kennen. Reg dich nicht so auf.<<
Während wir unser Gespräch fortsetzen, gehen wir gemeinsam die Treppe nach unten und sehen uns nach ihrer Schwester um.
>> Ja klar, aber echt mal, „Du kommst nicht rein“ war doch nicht so demütigend wie, „Bitte hier, meine Mama hat es erlaubt“, oder? <<
Als wir um die Ecke treten, kommt uns Ella entgegen. Ihre kleine Schwester lächelt und lässt ihren Charme spielen.
>> Wie sieht's aus? Können wir los? Wir sind gerade fertig geworden. Du siehst echt fantastisch aus. Nehmen wir noch jemanden mit? Triffst du nachher noch Alexander? <<
Es sprudelt geradezu aus ihr hervor und ich überlege, ob es gar nicht an Tamara’s Charme liegt, sondern eher daran, dass man gar nicht in der Lage ist, zu Wort zu kommen. Als wir schon im Auto sitzen und auf dem Weg sind, bekomme ich vor lauter Gedanken nichts von dem Gespräch zwischen den beiden mit. Erst als ich einen Ellenbogen in die Seite gerammt bekomme, schrecke ich auf.
>> Was? Sorry ich war gerade in Gedanken. <<
>> Ich habe dich gerade gefragt, ob du heute Abend vorhast, einen süßen Typen klar zu machen? << wiederholt Tami’s Schwester.
Was ist nur mit den beiden? Immer die gleichen Fragen, das liegt bestimmt in der Familie.
>> WaWas? Ähm nein, eher nicht. Ich hatte eigentlich nur vor mit euch zu trinken und zu tanzen. <<
>> Ach Sophie, du könntest Ella ruhig ein wenig Schützenhilfe leisten. Du weißt doch, dass es zu zweit einfacher ist, ein paar nette Kerle kennenzulernen. Rudel verhalten und so weiter. <<
Tami sieht mich eindringlich an. Ich glaube, ich habe gerade irgendetwas nicht mitbekommen. Was meint sie mit Schützenhilfe?
>> Was ist denn mit Alex? <<
Tami verdreht genervt die Augen und sieht gleichzeitig so aus, als würde sie mich erwürgen wollen. Glücklicherweise entschließt sich die jüngere der beiden, mir endlich ein wenig aus dem Fettnäpfchen zu helfen, in dem ich mindestens bis zur Hüfte steckte.
>> A… wird nicht mehr erwähnt, denn die beiden haben gestern Abend ihren Beziehungsstatus auf Facebook entfreundet und sie will mit dir auf Ablenkungsjagd gehen.<<
Ich werfe einen Seitenblick auf Ella und überlege, dass die Chance, das der, dessen Name nicht genannt werden darf, zu 99 Prozent auch da ist. Die Möglichkeit sich mit jemand anderem abzulenken, ist mehr als gering. Besonders wenn man bedenkt, dass sich fast alle kennen. Leute wir gehen alle auf dieselbe Schule oder haben die gleichen Hobbys. Aber hey, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich greife zur üblichen Floskel in dem Fall und lächle Ella entschuldigend an.
>> Männer, wer braucht die schon. Klar, wenn wir jemanden sehen der dir gefällt, bin ich dabei und helfe dir. Und wenn Al… ähm dieser Idiot, der dich nicht verdient hat da ist, zeigst du ihm, was er verpasst. <<
Sie schluchzt zweimal auf und drückt ein >> Genau! << heraus. Endlich biegen wir auf die Hauptstraße Richtung Apple ab. Ich habe das Bedürfnis, mich einfach tiefer in den Sitz zu mummeln und ein kleines Schläfchen einzulegen, als der Wagen hält. Nach meinem weniger grandiosen Auftritt gerade, beiße ich die Zähne zusammen, steige aus, hake mich bei den Schwestern ein und wir schreiten zum Einlass.
Das Apple ist die einzige Möglichkeit im Umkreis von 50 Kilometern tanzen zu gehen. Der Laden besteht schon seit ich denken kann und ist ein wenig in die Jahre gekommen. Er bietet trotzdem alles, was ein „Dorfkind“ sich wünschen kann.
Jedes Wochenende legt einer der zwei DJ’s in der Stage One auf und gibt sein Bestes. Selbst wenn im 14 Tagesrhythmus fast immer dasselbe gespielt wird. Der Unterschied besteht eigentlich nur in der Lieblingsmusik der DJs, die zwei sind nicht gerade up to Date. Vorausgesetzt du stehst nicht auf die Venga Boys oder KrissKross.
Außerdem gibt es eine Empore mit Sektbar, bei der eher weniger los ist, ein Ü-dreißig Deck, zwei Dance Cages in dem sich super dürre Tänzerinnen zum Takt rekeln. Extra große Boxen, auf denen meist angetrunkene Normalos tanzen und zwei Theken, wo du dir deine Getränke besorgen kannst, sind natürlich auch vorhanden.
An diesem Abend sieht es aus, als hätte sich die ganze Gegend dafür entschieden, einen drauf zu machen. Vor uns ist ein Pärchen, welches versucht sich knutschend warmzuhalten.
Nicht gerade das passende Bild für Ella. Sie sieht aus, als würde sie die beiden gleich mit einem Karatekick auseinanderbringen.
>> Uhh, Ali hat heute Dienst. <<
Tamara reckt sich und hüpft freudig auf der Stelle, als wir es beinahe geschafft haben. Das Knutschpärchen zückt gerade die Ausweise, da werden wir unsanft zur Seite geschubst.
>> Ey hallo, geht’s noch? <<
Tamara funkelt den Typen böse an, und ich entschuldige mich bei dem Mädchen hinter mir, dass mich zwangsläufig aufgefangen hat.
>> Sorry hab’s eilig. << ist alles, was der Kerl mit dunkler Stimme sagt, während er sich an dem Paar vorbeidrückt und Ali auf die Schulter klopft.
Bei solch einer Rücksichtslosigkeit bin ich sprachlos. Generell fallen mir die besten Sprüche und Erwiderungen erst ein, wenn mein Gegenüber verschwunden ist. Tami springt auf Ali zu, um ihn zu umarmen. Sie kennt fast alle von der Security mit Namen und hat sich schnell angewöhnt, kleine persönliche Gespräche mit ihnen zu führen. Gruselig ist es, wenn sie vor Memeth steht und fragt, wie es seinen Kindern geht.
>> Alliii, wie sieht's aus bei dir? Ist Pico schon stubenrein oder trainiert ihr noch? <<
Hä? Pico? Stubenrein? Wie macht sie das? Stalkt sie die Türsteher auf Insta oder telefoniert sie mit denen einmal die Woche? Ich muss sie unbedingt fragen, woher sie die Infos hat, die sie in ihrem leichtbeschwingten Plauderton raushaut.
Wie ein Schaf, glotze ich die beiden verwirrt an bis Ella meinen Arm ergreift und mich dezent an ihnen vorbeizieht. Ich kann noch hören, dass Tamara gerade anbietet ihm mal die Augenbrauen zu zupfen, als die Musik mit voller Wucht auf meine lädierten Nerven trifft.
Der Club scheint überfüllt zu sein. Wir kommen kaum zwei Meter nach vorn, als nach hinten der Gang von Menschen bereits verschlossen ist.
>> Was ist mit Tami? Sollten wir nicht auf sie warten? <<
>> Nein, wir holen schon mal etwas zu trinken. Wir treffen sie bestimmt auf der Tanzfläche. <<
Na gut.
Langsam quetschen wir uns zur Theke durch, Ella muss nicht lange warten bis einer der Barkeeper fragt, was sie bestellen möchte.
Klar, typisch Bryte. Sie ist einfach nur die Ältere, der beiden Schönheiten. Ihr Haar ist etwas dunkler und sie hat ein wenig mehr Kurven, bei ihr sieht es ziemlich gut aus. Sie weiß genau, wie sie sich in Szene setzen muss, um zu bekommen was sie will.
>> Nimm mal. <<
Schreit sie mir ins Ohr und zwängt mir einen halben Liter Erdbeere- Daiquiri mit Glitzerpalme und Strohhalm zwischen die Finger. Völlig verdattert halte ich das Glas in den Händen und schaue sie an.
>> Was soll ich damit? <<
>> Trinken, was sonst? Komm, lass uns einen Platz suchen, wo wir die Lage auskundschaften können. Ich habe schon ein paar Sahneschnitten entdeckt. <<
>> Ich... Ella ich trinke doch nichts. Du weißt das ich nix vertrage. <<
>> Stell dich nicht so an, ist ja nur zum locker werden und ich habe aufgepasst. Es ist nicht viel Wodka drin. <<
Meinem Schicksal ergebend, nippe ich am Strohhalm. Ok, das Zeug ist lecker, hat aber doch ein paar mehr Umdrehungen, als sie mir weiß machen will. Ich muss langsam machen und vorsichtig sein, wenn ich nicht in einer halben Stunde schlafend in der Ecke liegen oder betrunken auf der Box stehen will.
>> Hast du zufällig den Typen von vorhin gesehen? Der war echt heiß. <<
>> Welcher Typ? <<
>> Na der vom Eingang, der an uns vorbei ist. Der wäre doch was. <<
>> Du meinst doch nicht den, der uns geschubst hat, oder? <<
Wie kann sie so einen ungehobelten Klotz toll finden?
>> Doch, genau den meine ich. <<
>> Bei dem Verhalten solltest du dir lieber jemand anderen aussuchen. Ich glaube nicht, dass der besonders nett ist. <<
>> Was? Wieso? Der passt schon, der muss nicht nett sein. Ich will ja keine Beziehung, nur ein bisschen Ablenkung. Man, sind hier viele Leute. <<
Jetzt, wo sie es sagt, fällt mir auf wie viele Fremde hier sind. Ich glaube, so voll habe ich den Laden noch nie gesehen. Ich dachte ja erst, hier sind nur Leute, die wir kennen, aber soweit ich mich umsehe, kenne ich nur vereinzelt mal jemanden.
>> Da drüben ist eine fast freie Ecke. Los komm. << Ich trotte hinter ihr her, wobei ich mich frage, was „fast“ bedeuten soll. In der besagten Ecke stehen, oh was für ein Zufall, zwei Jungs, die ich noch nie gesehen habe.
Ella setzt sofort ihre umgarnenden Reize ein und flirtet uns einen Platz an deren Tisch frei. Ich muss zugeben, dass die beiden bei weitem nicht so aussehen, wie das übliche Publikum hier. Sie sehen sich ziemlich ähnlich und sind um die 1,80m groß.
Einer hat dunkle Haare, die ihm bis zu den Ohren reichen und warme braune Augen, die mich an Hundewelpen erinnern. Der andere sieht trainiert aus. Seine Harre sind allerdings Raspel kurz und schwarz, wobei seine Augen durch die blaugraue Farbe ein wenig kälter wirken.
Anscheinend ist nicht nur Ella auf der Suche nach Spaß. Der Erste ist direkt in ein Gespräch mit ihr vertieft und ich wende mich genervt ab. Mein Blick wandert zu seinem Kumpel, oder vielleicht doch Bruder?
Dieser sucht mit wachem Blick die Menge nach jemandem ab, ohne den beiden großes Interesse zukommen zulassen.
Wenn das so ist, sollte es kein Problem sein, wenn ich mich nach Tami umsehe.
Wo bleibt sie nur? Bei dieser Masse an Leuten habe ich keine Chance, dafür bin ich eindeutig zu klein.
Ungewollt schnappe ich auf, dass Ella’s neue Errungenschaft von einer Austauschklasse erzählt, die komplett aus Kerlen besteht. Nächste Woche besuchen sie eine der hiesigen Schulen. Heute Abend, haben sie jedoch frei und wollen Spaß haben.
Na dann, auf geht’s Freundchen. Du hast ein williges Opfer gefunden. Ella ist in Hochstimmung und schmachtet ihn bereits an, als wäre er die Kirsche auf dem Eisbecher.
Herrlich! Vielleicht sollte ich auf die Suche nach meiner Freundin gehen, sie kann uns bestimmt nicht finden. Die Wirkung des Alkohols macht sich bei mir allmählich bemerkbar. Ohne darauf zu achten, habe ich öfter von diesem leckeren Getränk geschlürft, als ich wollte. Wieder gleiten meine Augen zu Elle, die gerade alle Register zieht. Bei dem Tempo wird er ihr nicht mehr lange widerstehen können.
Sein Freund hat bisher kaum ein Wort gesprochen. Er steht noch immer, wie ein suchender Wackeldackel neben ihnen und sieht auf die tanzende Menge hinab. Bevor ich den Rest meines Getränks herunterstürzen kann, entscheide ich mich auch auf die Tanzfläche zu verschwinden.
Zwischen den vielen Menschen schließe ich die Augen und bewege mich zur Musik. So ist es egal, ob jemand bei mir ist den ich kenne, oder wie jetzt viele Fremde um mich herumtanzen. Mit dem leichten Gefühl des Alkohols in meinem Kopf, zieht mich der Takt in seinen Bann und die Bewegungen kommen wie von selbst.
Gott, ich brauche dringend etwas Normales zu trinken, mein Körper fühlt sich viel zu heiß an und ich muss mich abkühlen.
Nach einem kurzen Blick auf unsere Ecke, entscheide ich mich dazu, mich zur nächsten Theke durchzukämpfen und mir ein Wasser zu holen. Vielleicht finde ich meine verlorene Freundin irgendwo auf dem Weg.
Die Chancen auf ein Wasser schwinden rapide, als ich an der Theke ankomme. Mir fehlen eindeutig die Fähigkeiten, der Bryte Schwestern.
Nach ein paar vergeblichen Versuchen, die Aufmerksamkeit der Barkeeper auf mich zu ziehen und einigen Bodychecks der Mädels rechts und links, die ihre Konkurrenz auf dem Weg zur Flüssigkeit aus dem Weg schaffen wollen, mache ich kehrt und entscheide mich dafür, in den meist ruhigeren Ü-dreißig Bereich zugehen. Am besten, ich kürze über die Empore ab.
Plötzlich habe ich das Gefühl beobachtet zu werden und lasse meine Augen über die Menschen gleiten, kann jedoch niemanden erkennen.
Ist das nicht Tamara? Wer ist das dort bei ihr?
Es scheint ein interessantes Gespräch zu sein, denn ich habe mich bereits auf einen halben Meter genähert und sie hat noch keinerlei Notiz von mir genommen.
Der blondhaarige Fremde, ist in etwa so groß wie meine Freundin. Vielleicht fünf Zentimeter größer und sieht genauso trainiert aus, wie die Typen, bei denen Ella geblieben ist. Entweder der Kerl, gehört ebenfalls zu dieser Austauschklasse oder hier ist irgendwo ein Nest. Die Kerle sehen aus, als hätten sie von Hüftspeck noch nie etwas gehört. Auf der Stelle macht sich mein Teufelchen Rechts bemerkbar.
>> Das brauchst du nicht. Leg dich lieber in deinen Schaukelstuhl und lies noch ein Buch, während du eine Schüssel Eis und eine Tafel Schokolade verdrückst. <<
Der Engel links widerspricht. >> Sie dir an, wie auch du aussehen könntest. Vital, trainiert, sportlich. Leg dich ins Zeug, morgen gehst du eine Stunde laufen und danach machst du Krafttraining. <<
Ich schupse beide von meinen Schultern und klopfe der untreuen Seele von hinten auf den Rücken. Erschrocken und irgendwie ertappt, sieht sie mich an.
>> Sophiiiee, was machst du denn hier? Ich dachte, Ella ist bei dir und ihr sucht euch ein paar…<<
Sie sieht zu dem Jungen ihr gegenüber und verstummt schlagartig als hätte sie die Worte vergessen.
>> Ich habe dich gesucht. Wo warst du? Und wer ist das? Willst du mich nicht vorstellen? <<
Neugierig, aber dennoch unauffällig, beäuge ich den Fremden mir gegenüber. Es ist eigentlich nicht ihre Art, mir neue Leute nicht vorzustellen.
>> Ähm ja, ähm doch, na klar. Sophie das ist Max, ähm Maxwell. Er ist hier mit seiner Klasse. Ähm einer Austauschklasse aus England. <<
Natürlich gehört er dazu.
Sie wirkt irgendwie unsicher und ich verstehe nicht ganz, wieso sie sich so merkwürdig verhält.
>> Schön dich kennenzulernen Max, ich bin Sophie. <<
Anscheinend hat sie ihren Anstand vergessen. Warum stellt sie mich nicht vor?
>> Tami? Alles klar? <<
Sie wirkt von Sekunde zu Sekunde nervöser, also sehe ich sie mir jetzt genauer an. Leicht gerötete Wangen, große sehnsuchtsvolle Augen, leicht geschwollener Mund. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie hat bis vor wenigen Augenblicken geknutscht.
Das ist nicht möglich.
Langsam mustere ich den Mann an ihrer Seite und erkenne ebensolche Merkmale.
>> Was geht hier vor? <<
Sie schweigt. Wieso antwortet sie nicht? Maxwell lächelt leicht verlegen, während Sie beschämt versucht mich nicht anzusehen.
>> Tamara! Was soll das hier? Seit wann kennt ihr euch und das Wichtigste, was ist mit Michael? <<
>> Sophie komm mal runter. Das geht dich Erstens gar nichts an und Zweitens mach hier bitte nicht so eine Welle. Es muss ja nicht gleich jeder alles mitbekommen. Wir reden später darüber. In Ordnung? <<
Ähm Nein, nicht in Ordnung.
Ohne eine Antwort, drehe ich mich auf dem Absatz um und verschwinde. Wie kann sie nur zu so etwas im Stande sein?
Ausgerechnet sie, die immer auf Ehrlichkeit und Treue pocht, macht mit so einem Schönling rum? Ich glaube es einfach nicht. Was wird Michael dazu sagen?
Hoffentlich erfährt er es nicht von Fremden. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen, aber aus dieser Sache werde ich mich definitiv heraushalten. Sie hat mir gerade klar und deutlich gesagt, dass sie meine Meinung zu diesem Thema nicht interessiert. Mich, ihre beste Freundin, kanzelt sie mit „mach nicht so eine Welle“ ab.
Ihre Schwester und der Fremde vernaschen sich gerade gegenseitig, als ich an unserem Tisch vorbeikomme.
Ganz toll, ehrlich. Ganz toll.
Was mache ich jetzt? Soll ich bleiben oder gehen? Erst hole ich mir etwas zu trinken, dann entscheide ich wie es weiter geht. Schon wieder habe ich das Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Ganz langsam und wie ich hoffe völlig normal, drehe ich mich im Lauf hinter eine Säule, aus der ich mir die Umgebung genauer ansehen kann. Für mich sieht alles ganz normal aus. Tanzende und plaudernde Grüppchen oder Pärchen, die nur Augen für sich zu haben scheinen. Sehr merkwürdig.
Die Musik im Rentner Bereich, den ich anschließend betrete, ist um einiges leiser, wobei von ruhig nicht die Rede sein kann. Außerdem wummert der Bass von der Stage One hier hinein und ich bekomme langsam ein dumpfes Klopfen in meinen Schädel.
Welch Freude.
Um die Theke stehen vereinzelten ein paar Leute verteilt, die sich an ihrem Bier festhalten, oder auf ihre Getränke warten.
Sobald ich das meine in den Händen halte und es meine Kehle herunterspüle, beschließe ich nicht auf die Schwestern zu warten.
Da, in der Ecke rechts neben mir, wow, was für Augen. Ich schaue direkt in das schönste paar grauer Augen, welches ich je gesehen habe. Wo ist der Typ denn auf einmal hergekommen? Ich blinzle einmal um meinen Blick scharf zustellen, als ich mich auf die Ecke fokussiere, ist dort keiner. Niemand.
Jetzt bekomme ich schon Halluzinationen. Es wird Zeit zu gehen, ich hätte gar nicht mitkommen sollen.
Vollkommen fertig, steuere ich Richtung Ausgang, wobei ich mich durch die Massen drängen muss. Wie hätte es auch anders sein sollen, stellt sich mir ein Kerl, der Sorte „Never ever“ in den Weg.
>> Na Schönhait, wowolln wir denn hin? <<.
Meiner Erfahrung nach sollte man solche Leute erst einmal nicht beachten, solange die nur reden, sind sie harmlos. Ich versuche mich an die Wand gedrückt, weiter nach vorn zu schieben, doch der Typ lässt nicht so schnell locker. Er lehnt sich mir entgegen und versperrt mir jegliche Fluchtmöglichkeiten.
>> Ich hab gefracht, wo du hin willst? Was ‘n los mit dir? Dachte wir beide könnten ´n bissjen danzen. <<
>> Verschwinde! <<
Hoffentlich werde ich den wieder los. Ich versuche mich unter seinem Arm durchzuschieben, doch der Alkie ist zäher als erwartet. Er dreht sich fix, sodass er wieder vor mir steht und packt meine Schulter, während er mir immer näherkommt.
>> Bischt wohl zu gud für misch? Kannscht mir Nisch mal andworden was? Aber ich mag Mädchen dü sich ´n bischen währen. <<
Mir wird übel bei seinen Ausdünstungen. Warum ausgerechnet ich? Womit, habe ich das verdient?
>> Ich sagte, du sollst verschwinden. Ich habe kein Interesse. <<
>> aber isch hab. <<
Er lächelt schmierig und drückt meine Schulter fast schmerzhaft zusammen.
>> Ich muss hier mal durch. <<
Von links schiebt sich jemand zwischen uns und plötzlich habe ich einen breiten Rücken vor mir, der mich vor dem Betrunkenen abschirmt.
>> Was bischt d´n du für ainar? Verswinde! <<
>> Sorry, ich will euch nicht stören. Wäre nett, wenn du deinen Arm runternimmst, dann bin ich sofort weg. <<
Perplex glotze ich dem Fremden vor mir, ein Loch ins Shirt.
>> Ähm << schaffe ich zu sagen, was glücklicherweise in der Antwort meines unerwünschten Verehrers unter geht.
>> Was ‘n durch? Klar störscht du Maan. Hast grad voll unsre Base kaputt jemacht <<
Der Typ nimmt endlich seine schwitzende Hand von meiner Schulter und ballt sie zur Faust.
Das geht mit Sicherheit gleich in eine Prügelei über, super. Mein selbsternannter Retter beugt sich zu dem Betrunkenen hinunter und flüstert ihm etwas ins Ohr, dass ich nicht verstehen kann. Der Kerl dreht sich daraufhin kommentarlos um und wankt davon. Was hat das T-Shirt ihm denn gesagt? Unerwartet dreht sich der Junge vor mir leicht zur Seite und ich glaube ein >> Gerne geschehen. << gehört zu haben. Allerdings bin ich mir nicht sicher und die Musik ist so laut, dass ich davon ausgehe mich verhört zu haben.
Ich kann noch nicht einmal sein Profil ausmachen, geschweige denn sehen, ob sich seine Lippen bewegen.
>> Wer denkst du, wer du bist? Ich kann mich ganz gut alleine verteidigen. Ich bin nicht auf jemanden, wie dich angewiesen. << murre ich.
Es sieht kurz so aus, als würde er in der Bewegung erstarren und sich in meine Richtung drehen, doch er verschwindet, ohne zu reagieren.
Jetzt fühle ich mich noch miserabler als vorher und kämpfe mich endlich auf den Ausgang zu. Kaum das ich in der kalten, klaren Nachtluft stehe, atme ich ein paarmal tief ein und aus.
Am besten werde ich einfach laufen.
Es wird zwar ein langer Weg, aber es wäre nicht das erste Mal. Zu Fuß kann ich einige Abkürzungen nehmen und durch die sternenklare Nacht, brauche ich nicht mal mein Handy, um den Weg zu beleuchten.
Meine Füße spüre ich seit 30 Minuten eh nicht mehr, da reißt es der Heimweg nicht mehr raus. Im Gegenteil, die klare Luft lindert die Kopfschmerzen und ich kann langsam diesen Abend verdauen.
Im Gehen betrachte ich die Sterne und genieße die Ruhe. Schon längst bin ich von der Hauptstraße abgebogen und laufe quer Feld ein. Es ist angenehm warm und als ich das nächste, leere Feld vor mir sehe, beschließe ich meine Schuhe auszuziehen und meine Highheels zu schonen. Die Hälfte des Weges habe ich bereits geschafft, es ist also an der Zeit, meine Gedanken zu Tamara und ihrem Verhalten wandern zu lassen.
So hat sie noch nie reagiert und sie hat mir auch noch nie etwas so Wichtiges verschwiegen. Lief es bei ihr und Michael schon länger nicht mehr? Wollten sie sich vielleicht schon trennen?
Nein, das kann nicht sein. Hatte sie nicht gesagt, sie kennt diesen Maxwell erst einen Tag? Wie kann so was passieren?
Klar Anziehung und so weiter, aber sie war bisher doch immer glücklich und ihre Reaktion mir gegenüber, war völlig überzogen. Vielleicht hat sie zu viel getrunken, oder hat er sie unter Drogen gesetzt?
Aber nein, das kann nicht sein. Sie hat völlig klar gewirkt und war erschrocken, weil ich sie erwischt habe. Wieso hat sie mir nichts erzählt? Sagt man so etwas nicht der besten Freundin? Oder hat sie es mir gesagt und habe es nicht mitbekommen?
Nein, bei so wichtigen Dingen ist mir das noch nie passiert. Bei dem Punkt komme ich also nicht weiter. Das Einzige, wobei ich mir sicher bin ist, dass ich Tamara erst einmal schmoren lasse.
Und was war das eigentlich mit Ella? Ist es tatsächlich so, dass man erstmal eine Ablenkung braucht, wenn man sich frisch getrennt hat? Ich dachte immer, dass normale Verhalten hat mit Tränen und Eiscreme zu tun, aber anscheinend steht in Büchern nicht immer die Wahrheit. Ist ja nicht so, dass ich aus Erfahrung sprechen könnte. Bisher hatte ich noch keine feste Beziehung. Küsse ja schon, aber eine richtige Beziehung? Nein. Für mich muss mein Partner jemand sein, mit dem ich über alles reden kann. Die meisten aus meiner Klasse bekommen den Mund gar nicht erst auf und es ist auch keiner dabei, der mich überhaupt anspricht.
Alle älteren Jungs, die ich kenne, haben kein Interesse an Gesprächen. Bei denen ist das größte Ziel, die Klamotten schnellstmöglich runter zubekommen und alle anderen die eventuell in der engeren Auswahl gewesen wären, sind bereits vergeben. Meine Gedanken sind mittlerweile völlig konfus und kommen einfach nicht zur Ruhe.