Читать книгу Back to Italy! Und der Wahnsinn geht weiter! - Melanie Huber - Страница 8

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Kapitel 2

Immer fleißig weiterüben

Zu der unchristlichsten Zeit, die man sich für einen Morgenmuffel wie mich nur vorstellen konnte, wurde ich geweckt. Nach ein paar Anläufen fiel es mir wieder ein, wo und weshalb ich mich im Krankenhaus befand. Ich glaubte es kaum, als ich mit halb geöffneten Augen auf mein Handy starrte und die Zahlen fünf – Punkt – drei und eine Null las. Ich rieb mir nochmals die Augen, als bereits eine kleine, wohlgeformte Dame mit einem Tablett hereinspazierte.

„Buongiorno signorina! Prima colazione!“

Frühstück?

Was jetzt schon?

Ich war sicher, dass mein Magen noch keine Lust auf Frühstück hatte und zog mir grimmig die Decke über den Kopf. Vor sich hinsummend und mit geübten Griffen, baute sie an meinem Nachtkästchen herum. Sie stellte das Tablett ab. Kaffeegeruch drang mir in die Nase und mein flauer Magen knurrte. Zögernd richtete ich mich auf, diese blöde Halskrause nervte, und checkte meine Glieder. Meine Infusion war ich vorher bereits losgeworden, die mussten mir die Nadel entfernt haben, als ich noch im Schlummerland weilte. Stumpf starrte ich auf mein Tablett. Vielleicht sollte ich es wenigstens versuchen …

Ich aß alles auf, bis auf den letzten Krümel, trank sogar den dünnen Kaffee aus und sank zufrieden in mein Bett. Die nette Dame räumte wieder alles weg und brachte mir noch eine Kanne ungesüßten Tee, bis sie von der Putzfrau abgelöst wurde. Das war ein Start in den Tag. Bevor ich selig wegnicken konnte, besuchte mich noch eine blondhaarige Krankenschwester. Sie maß mir den Blutdruck, kontrollierte, ob ich Fieber hatte, dokumentierte die Werte in einer Akte und befreite mich endlich von meiner Halskrause. Mein Nacken sank kurz in sich zusammen, denn er spürte unvermittelt das Gewicht meines Kopfes. Aber ab sofort musste er wieder ohne Unterstützung klarkommen. Was aber dann auch schon wieder ging. Nachdem die blonde, zierliche Dame noch mein Bett machte, verließ sie wieder mein Zimmer. Ganz normaler Krankenhausalltag dachte ich und wunderte mich umso mehr, dass es Menschen gab, wie beispielsweise meine Mom, die das Tag für Tag machten und das auch noch gerne taten. Ich starrte wieder einmal an die Decke, studierte jeden einzelnen Riss und die Stellen, wo die Farbe abbröckelte. Kein Fernseher. Kein Radio. Keine Zeitschriften, die ich ohnehin nicht hätte lesen können. Oh Mann! Ein sehr, sehr langer Tag stand mir bevor. Zwar war ich hundemüde, konnte aber dennoch nicht schlafen, da gegenüber dem Krankenhaus gerade Bauarbeiten im Gange waren. Mir war so langweilig, dass ich seufzend meine SMS-Nachrichten durch-switchte. Da waren ein paar alte Nachrichten von Ben und Niklas und einige von Tom, die ich mir vielleicht ein paar Mal zu oft durchlas. Teilnahmslos mistete ich meine Kontakte aus. Leute, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern konnte, wurden gleich gelöscht und die, an die ich mich nicht mehr erinnern wollte, ebenfalls. Ich war gerade dabei, meine Klingeltöne durchzustöbern, als mir plötzlich ein kleines Briefsymbol auf meinem Display entgegenleuchtete und mir eine neue Nachricht versprach. Bitte lass das jetzt nicht die SMS von meinem Telefonanbieter sein, der mich pünktlich wie jeden Monat darauf aufmerksam machte, meine Online-Rechnung herunterzuladen. Ich blinzelte – italienische Vorwahl …

Heute, 8.30

Tom: Ciao, bella – na schon wach?

Demoliertes Wrack: Ansichtssache …

Tom: Hast du wenigsten gut geschlafen?

Demoliertes Wrack: Wie ein Murmeltier.

Die haben echt gute Tabletten hier &)

Tom: Soll ich dir etwas mitnehmen?

Demoliertes, gelangweiltes Wrack: Die Decke hat 15 Risse, davon die meisten leichte Haarrisse. An mindesten fünf Stellen bröckelt die Wandfarbe ab und ich bin mir fast sicher, dass es in dem Zimmer über mir einen Wasserschaden gab …

Wenn du willst, dass ich an Langeweile verrecke, dann nimm bloß nichts mit.

Tom: =) Mal sehen, was sich machen lässt. Bis später. x Tom

Lächelnd legte ich mein Handy beiseite. Es bestand Hoffnung, wenigstens ein paar Stunden von diesem angebrochenen Tag schneller hinter sich zu bringen.

Mein Verstand: Warum grinst du noch?

Ja, na und. Ich freute mich auf ihn.

Meine Blase drückte und ich überlegte, ob ich den Weg alleine ins Bad schaffen würde. Meiner Schätzung nach waren es knappe drei Meter. Durch meinen Körper strömte grad eine Energiewelle. So viel war klar, ich wollte diese Sache alleine durchziehen. Papperlapapp auf das, was die Ärzte sagten – ich war erwachsen und kein Kleinkind mehr!

Vorsichtig stellte ich meine Füße auf den Boden und zog mich aus dem Bett. Hola! War ich schwindelig! Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Ich ließ mir Zeit, atmete tief durch. Alles nur mit der Ruhe sagte ich mir selbst, ich hatte ja schließlich den ganzen Vormittag Zeit, die paar Meter zu schaffen. Meine Blase sah das allerdings ein wenig anders. Nach ein paar Minuten beruhigte sich mein Kreislauf wieder und ich wagte meinen ersten Schritt, dann den zweiten. Langsam tastete ich mich vor zur Badezimmertür. Nur noch ein halber Meter zur Türschnalle, und ich würde mich im grünen Bereich befinden. Triumphierend erreichte ich mein Ziel, stolz drückte ich die Türklinke nach unten und sah als Erstes mein Gesicht im Spiegel.

Ach du dickes Ei!

Da hatte ich Mühe, mich zu halten.

Geschockt konnte ich meine Augen nicht abwenden. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich das war.

Meine linke Wange war stark angeschwollen, als hätte ich Mumps, die rechte zierte eine Schramme wie bei einem Piraten, und Regenbogenfarben schmückten meine Augen. Aber am schlimmsten sahen meine Lippen aus. Sie waren zu Monsterlippen mutiert, mit denen ich wahrhaftig Angelina Jolie Konkurrenz hätte machen können. Ich brauchte keinen Schmollmund mehr zu ziehen, jetzt hatte ich einen dauerhaften. Tom durfte auf gar keinen Fall hierher kommen, um mich dann so zu sehen.

Ich erledigte meine Bedürfnisse, und während ich mir die Zähne putzte, vermied ich es akribisch, ein weiteres Mal in den Spiegel zu gucken. Noch im völligen Schockgefrierzustand trat ich den Rücktritt an.

Heute, 8.57

Monsterlippe: Bitte komm nicht vorbei.

Tom: Zu spät Süße, ich bin schon da.

Schrieb er nach einer halben Stunde zurück, und knappe zehn Minuten später klopfte es auch schon an meiner Tür.

„Ja“, sagte ich zögerlich und verschwand gleich mal komplett unter meiner Bettdecke.

„Ciao, bella!“ Ich hatte es geahnt.

„Morgen“, brummte ich.

Tom stellte eine Reisetasche und eine Tüte neben meinem Nachttisch ab, holte sich einen Stuhl und setzte sich.

„Was ist los mit dir? … Schlechte Laune?“

„Nichts ist los mit mir!! Ich hatte nur einen beschissenen Reitunfall, der mir mitten ins Gesicht geschrieben wurde!“

Er zupfte leicht an meiner Decke, die ich so festhielt, als würde mein Leben davon abhängen.

„Ist das dein Ernst, du schämst dich? … Ich glaube du siehst genau so hübsch aus wie immer.“

„Italienischer Schleimer! … Ich sehe aus wie die kleine Schwester von Twoface!“

Lässig lehnte er sich zurück, verschränkte seine Hände im Nacken und betrachtete verstohlen den weißen Klumpen vor sich im Krankenbett.

„Na so was, dann passen wir ja wenigstens optisch schon mal ganz gut zusammen.“

„Du bist echt ein verrückter Idiot!“

„Das streite ich nicht mal ab“, konterte er leise, kam näher und zog mir behutsam die Decke vom Kopf. Er hielt kurz inne, strich eine verirrte Haarsträhne aus meinem Gesicht, musterte mich eindringlich.

„Sag ich doch, genau so hübsch wie gestern“, und lehnte sich wieder entspannt zurück.

„Ich sehe schrecklich aus!“ Genervt verdrehte ich meine Augen und ließ mich in mein Kissen sinken. Seufzend griff er zur Papiertüte.

„Das wird schon wieder. Malou hat dir ein paar bequeme Sachen aus deinem Schrank rausgesucht und alles in die Reisetasche gepackt. Ich denke, sie hat Klamotten für vierzehn Tage eingepackt.“ Ich riss meine Augen auf. „Keine Sorge, ich habe nicht gestöbert.“ Okay … „Dann habe ich da noch ein paar Bücher für dich. Obst, Schokolade, Vitaminsaft und leckere Sandwiches von meinem Bruder … Übrigens, ich soll dich von allen grüßen und gute Besserung wünschen. Ach ja, bevor ich es vergesse, Lorenzo hat dir ein Bild gemalt“, er streckte es mir entgegen, „ich finde, er hat dich ganz gut getroffen.“ Dann verglich Tom das Bild mit mir. „Irgendwie siehst du … mmh … ich weiß nicht … hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du Gabriella Cilmi ähnlich siehst? … Jetzt mal abgesehen von deinen Schrammen.“

„Ha, ha, zeig mal her!“ Grimmig betrachtete ich Lorenzos Bild und musste lachen.

„Und die halbe Portion da hinten, wer soll das sein?“

„Hallo?! Das soll ich sein! … Charmant wie eh und je, anscheinend geht´s dir schon wieder besser!“

Er legte mir ein Buch auf meine Oberschenkel und die Plastikbox mit den Sandwiches auf den Nachtschrank.

„Und ich habe dir noch meinen MP3-Player mitgenommen. Vielleicht ist ja was drauf, was dir gefällt. Ich habe gestern noch ein paar Songs heruntergeladen, Lesslie Clio und Guns N’ Roses. Von Elvis ist natürlich auch was drauf“, meinte er grinsend.

„Oh … danke, das ist sehr nett von dir.“

„Und gegen deine miese Laune habe ich dir einen Muffin mit Schokostückchen besorgt … hoffe der hilft auch …“

Das war wirklich lieb von ihm, und bevor ich etwas sagen konnte, klopfte es, und die Morgenvisite betrat den Raum.

„Buongiorno signorina! … Na, wie geht es Ihnen denn heute?“, fragte mich derselbe Arzt, der auch gestern schon die Visite gemacht hatte.

„Schon ganz gut. Die Kopfschmerzen sind fast weg.“

„Was machen die Erinnerungen?“

„Bis auf den Unfall kann ich mich wieder an alles erinnern.“ Doktor Buerto grinste zu Tom.

„Bei einer Amnesie kann es möglich sein, dass Sie sich überhaupt nie mehr an das erinnern können, was passiert ist. Das ist nicht ungewöhnlich. Ihr Körper braucht in erster Linie Ruhe und ein bisschen Geduld“, der Doc räusperte sich. „Wie klappt es denn mit dem Aufstehen?“

„Ich bin heute schon mal aufgestanden. Ging ganz gut.“ Dass ich alleine aufgestanden war, verschwieg ich lieber. Immer wieder huschte sein Blick in die dicke Mappe, die die blonde Krankenschwester von vorhin festhielt. Über den Rand seiner Brille warf er mir einen optimistischen Blick zu.

„Na, das hört sich doch schon sehr gut an. Complicazioni äh … Komplikationen in der Nacht gab es auch keine … ich denke, wir können sie morgen mit gutem Gewissen nach Hause schicken.“

„Oh, das wäre schön.“ Ich war mehr als nur zufrieden.

„Sie brauchen aber mindestens noch eine Woche Ruhe, Ihr Partner soll auf Sie achtgeben.“ Mahnende Blicke vom Doc zu Tom.

„Das werde ich“, versprach er, und in mir keimte ein leiser Verdacht, wie das aussehen könnte.

Kaum war die Visite abgezogen, betrat die nächste Krankenschwester mein Zimmer. Ein Betriebswechsel war das! Sie war klein, fast nicht zu erkennen, da sie einen riesigen Blumenstrauß in einer Vase vor sich herschleppte. Sie stellte ihn auf den Tisch, der etwas abseits im Raum stand, blickte dann völlig überrascht zu Tom.

„Ciao Tom, das ist ja eine Überraschung! … Wie geht´s euch denn so?“

„Danke gut … alle gesund … was machst du hier auf der Unfallstation?“

„Freut mich das zu hören. Ja, ich wollte mal etwas anderes machen und ließ mich versetzen. Die Dramen sind zwar die gleichen, aber was soll´s, so ist es halt, wenn man in einem Krankenhaus arbeitet … Ich muss wieder los, schöne Grüße an deine Familie und Ihnen wünsche ich einen schönen Aufenthalt, signorina Becker.“

Sie verließ lächelnd das Zimmer. Abwartend blickte er noch ein Weilchen auf die geschlossene Zimmertür. Mit prüfendem Blick setzte ich mich auf.

„Gehört die auch zu deinen Verflossenen?“

„Blödsinn.“

„Ihr kennt euch?“

„Sì von früher. Vor einigen Jahren arbeitete sie noch auf der Krebsstation. Muss ein großer Verlust für das Team sein.“

„Tut mir leid … ich wusste nicht …“ Da war er wieder, sein trauriger Blick, die schützende Mauer, die er um sich aufzog, durch die niemand durchdringen konnte.

„Ist schon gut, diese Zeit ist vorbei … du hast schöne Blumen bekommen“, lenkte er auch schon wieder ab. Das war deutlich genug und ich akzeptierte es.

„Mmh …“ Ehrlich gesagt, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie solche Blumen bekommen, meine Mom jedoch schon.

„Ist der von dir?“, fragte ich ihn.

„No. Also wenn ich fiori schenke, dann nur persönlich. Aber ich kann es mir denken von wem die sind.“

„Ist eine Karte dabei?“

Tom erhob sich von seinem Sessel und überprüfte den pompösen Blumenstrauß, bis er tatsächlich eine kleine Karte fand und sie mir reichte.

„Scusa. Wünsche dir eine gute Besserung – A.C. … Die Blumen sind von Alessandro.“

„Wusste ich es doch. Es war ja sein Hund, der diesen blöden Unfall verursacht hatte.“

„Naja, was soll´s … für einen Anwalt ziemlich karge Worte“, bemerkte ich.

„Typisch für ihn“, brummte er.

„Rutsch ein Stück rüber!“ Erstaunt schaute ich ihn an.

„Warum?“

„Na, weil ich die ganze Nacht fast nichts geschlafen habe und müde bin.“

„Musst du nicht los und dich um Lorenzo kümmern?“

„Der ist gut aufgehoben.“

„So? Wo ist er denn?“

„Bei Giulia. Ich hab ihr erzählt was passiert ist, und dass du jemanden brauchst, der auf dich aufpasst. Sie nimmt sich eine Auszeit, bis es dir wieder besser geht, obwohl sie mitten in den Aufnahmen für eine CD stecken. Also rutsch rüber!“ Schlimmer als ein Waschweib!

„Bis Morgen ist das immer noch mein Bett und für zwei definitiv zu klein.“

„Ach komm, das sehen wir dann schon.“ Ohne meine Einwände nur annähernd ernst zu nehmen, schubste er mich leicht zur Seite und quetschte sich neben mich hin.

„So, und jetzt lass mich mal sehen, was du da überhaupt liest.“

Er nahm mein Buch zur Hand, legte seinen Arm zur Seite. Mit einem Blick ließ er mich wissen, dass ich es mir darauf gemütlich machen sollte – ich zögerte.

„Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand … von Jonas Jonasson“, sein Blick wanderte vom Buchtitel direkt zu mir. „Mensch Mia, ich beiße nicht!“, forderte er mich erneut auf. Herumdrucksend gab ich mir dann doch einen Schubs und legte mich auf seinen starken Arm. Neben ihm zu liegen fühlte sich gut an.

„Du bist erst auf Seite zwanzig. Was dagegen, wenn wir von vorne anfangen?“

„Ist okay.“ Tom begann zu lesen und ich lauschte still seinen Worten. Seine tiefe Brummbärstimme ließ mich innerlich ganz ruhig werden und entspannen. Soweit es meine körperlichen Einschränkungen erlaubten, machte ich es mir gemütlich auf seiner Brust und kuschelte mich fest an ihn. Ich spürte, wie sich sein Oberkörper fortwährend leicht hob und senkte, seine tiefe Stimme, die in seiner Brust widerklang und wie sein Herz kräftig schlug. Mit meinen Fingern spielte ich am Saum seines Shirts herum. Genau so könnten Sonntage aussehen, schweiften meine Gedanken ab. Tom und ich, aneinander gekuschelt in einer Hängematte, vor uns der blaue Gardasee. Er liest mir vor und ich höre ihm zu. Was für ein beruhigender Gedanke.

Jedes Mal wenn er zur nächsten Seite blätterte, hielt er kurz inne, vergrub seine Nase in meine Haare und fing nach einer kurzen Pause wieder weiter zu lesen an. Ich genoss seine Nähe, seine Aufmerksamkeit in vollen Zügen – weit weg von Giulia und dem Rummel, der sonst um uns herrschte. So gesehen hatte dieser Reitunfall auch seine guten Seiten.

Irgendwann wurden aber seine Worte leiser, der Zusammenhang ergab weniger Sinn und wir nickten wohl beide ein. Engumschlungen …

Ein lauter Knall riss uns unsanft aus dem Traumland. Der Hundertjährige war vom Bett gefallen und auf den Boden geknallt. Betreten lösten wir uns voneinander. Tom setzte sich auf, hob das Buch auf und rieb sich gähnend die Augen.

„Haben wir … beide … geschlafen?“, stammelte ich verlegen.

„Wie es aussieht ja, und wir haben sogar dein Mittagessen verpennt.“ Ein neues Tablett stand auf dem ausgezogenen Nachttisch. Den Teller mit einer Aluhaube abgedeckt. Tom öffnete vorsichtig. Der Geruch von pikanten Käse-Makkaroni machte sich breit.

„Sorry Babe, dein Essen ist kalt“, bemerkte er. „Ich frag mal nach, ob sie es nochmal warm machen können.“ Ohne zu zögern, als wäre es das Normalste auf dieser Welt, schnappte er sich das Tablett und spazierte aus der Tür. Es schien, als würde er sich hier ganz gut auskennen und mir gefiel es, wie er sich um mich kümmerte.

Mit dampfendem Teller kam er wieder. Ich hätte gern mit ihm geteilt, doch er lehnte nur dankend ab. Danach tranken wir noch Kaffee aus Pappbechern und vertilgten zusammen den Schokomuffin. Wir redeten über belangloses Zeugs und auch über das Hotel. Außerdem erzählte er mir, weshalb sein Bruder ihn gestern besucht hatte. Sie hatten sich ausgesprochen und Tom würde jetzt doch an diesem Projekt mitwirken. Ende Februar würde es losgehen, und würden sie den Auftrag tatsächlich bekommen, müsste er seinen Barjob für ein paar Monate an den Nagel hängen. Ich wusste das ja alles schon, trotzdem freute es mich, dass er mir selbst davon erzählte, und ich fand es toll für ihn. Es war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

„Ich hoffe, du vergisst dein Versprechen nicht“, erinnerte er mich, schweigend lächelte ich ihn geheimnisvoll an.

Es war bereits später Nachmittag, als Tom sein Handy aus seiner Hosentasche zog, um seine Nachrichten zu checken. Nun hatte er es plötzlich sehr eilig zu verschwinden, drückte mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und mit den Worten, er hätte noch etwas Dringendes zu erledigen, war er auch schon weg. Aber er versprach mir hoch und heilig, mich morgen abzuholen. Ich war traurig, wieder alleine zu sein. Dennoch war ich froh über die gemeinsame Zeit, die er mit mir in diesen vier Wänden verbracht hatte.

Mit aufgewühlten Gefühlen ließ ich mich zurück ins Bett fallen. An meinem Kissen hing sein Geruch, den ich tief einatmete. Ich versuchte, erneut das Buch zu lesen, was allerdings überhaupt nicht klappte. Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen und ich fand lesen viel zu anstrengend. Meine Gedanken kreisten nur um Tom, seine Stimme klang mir noch deutlich in den Ohren. Ein Piepsen, das eindeutig von meinem Handy kam, ließ mich stocken. Eine SMS von Malou, kommentiert nur mit einem augenzwinkernden Smiley. Sie war hier gewesen und hatte Tom und mich fotografiert, als wir zusammengekauert nebeneinander schliefen. Schaute wirklich süß aus. Mit meinem Finger streichelte ich über das Display und bekam auf einmal heftige Bauchschmerzen.

„Linke oder rechte Hand?“

„Links“, sagte ich. Tom streckte mir die linke Hand entgegen und öffnete sie langsam.

„Oh, ein Kaugummi, möchtest du mir etwas damit sagen …“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.

„Nein, ich hatte gehofft, du würdest die andere nehmen.“

„Und was ist jetzt in der rechten Hand?“, zappelte ich vor mich hin. Seit den frühen Morgenstunden saß ich schon frisch geduscht und fertig angezogen in meinem Bett. Ich hatte es kaum erwarten können, bis er endlich zur Tür reinkam und mich abholte. Die ganze Nacht hatte ich nicht viel geschlafen, hörte nur die Musik von seinem Player und sah die ganze Zeit sein Gesicht vor mir.

„Mach die Augen zu!“, befahl er mir mit einem süßen Blick.

„Musst du es so spannend machen?“

Dann legte er mir etwas in die Hände, das sich kalt und nach Metall anfühlte, mir aber gleichzeitig sehr vertraut war. Freudig riss ich meine Augen auf.

„Mein Autoschlüssel?“

„Peppe hat mir gestern eine SMS geschickt und mir mitgeteilt, dass dein Auto fertig sei. Ich dachte, ich fahre dieses Mal lieber alleine hin … naja, du weißt schon warum, und überrasche dich einfach.“ Die Freude kam über mich und ich umarmte ihn herzlich und murmelte ein ‚Danke‘ nach dem anderen. Jetzt war er der Überraschte.

Mit einem betrübten Gesichtsausdruck löste er sich von mir und meinte dann: „Tja, jetzt sitzt du in diesem beschissenen Land nicht mehr fest!“

Bestürzt schaute ich ihn an, mein Satz tat mir unendlich leid. Beschämt senkte ich meinen Blick.

„Tut mir leid, ich hab das nicht so gemeint … eigentlich habe ich es gar nicht so eilig, … nach Hause zu kommen …“, stammelte ich verlegen, und unsere Blicke trafen sich für einen sehr langen Moment. Mein Satz schwebte schwer in diesem kleinen Raum herum. So gern hätte ich gewusst, was er gerade dachte oder ehrlich fühlte. Unser Schweigen war fast erdrückend, bis die Morgen-Visite zu einem Abschlussgespräch hereinplatzte.

„Buongiorno signorina! … Wie ich sehe, geht es Ihnen ganz gut heute. Ich möchte Ihnen noch die Testergebnisse von Ihrem Bauch-Ultraschall mitteilen“, erklärte mir der Arzt. Verwirrt blickte mich Tom an. Gestern dachte ich noch, so eine Gesundenuntersuchung konnte ja nicht schaden, und heute fand ich diese Idee einfach nur mehr mega blöd.

„Es ist so, wir haben nichts Auffälliges gefunden. Solche Bauchkrämpfe können auch mit Stress auftreten, haben Sie denn Stress zurzeit?“

„Naja … vielleicht ein bisschen …“

„Auf jeden Fall ist eine Schwangerschaft ausgeschlossen.“ Lächelnd wandte er sich zu Tom. „Sie werden also nicht padre.“ Tom fiel nichts Besseres als ein: „Oh“, ein. Geschockt rutschte ich in meinem Bett eine Etage nach unten und vergrub mein Gesicht in die Decke. Was wiederum der Doc missverstand.

„Naja, vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal. Immer fleißig weiterüben, dann wird das schon …“, grinste Doktor Buerto vor sich hin. Mittlerweile war auch Tom in seinem Stuhl versunken und rieb sich verlegen den Nacken.

„Ihrer Entlassung steht also nichts mehr im Weg, aber ich möchte Sie trotzdem nochmals darauf aufmerksam machen, dass Sie sehr viel Ruhe benötigen. Gibt es noch etwas, was Sie gerne wissen möchten?“

„Nein, danke … ich glaube nicht.“

„Na, dann wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Glück für die Familienplanung!“

„Grazie dottore … Ähm, und auch für den Tipp!“, rief ihm Tom noch hinterher. Sichtlich amüsiert verschwand der Trupp wieder.

Die Tür fiel ins Schloss.

„Daran hast nur du Schuld!“ Mit hochrotem Kopf starrte ich ihn wütend an, wobei er nur lachte.

„Aber du musst zugeben, das war schon witzig …“ Böse funkelte ich ihn an. „Muss ich mir Sorgen um deine Bauchkrämpfe machen?“

„Das hast du ja gerade selbst gehört!“

„Also nicht?“

„N-E-I-N!“

„Na dann komm, lass uns endlich hier abhauen“, lächelte er mir verschmitzt zu.

Unten in der Parkgarage angelangt, stolzierte ich um meinen Mini herum. Mit Adleraugen begutachtete ich ihn genau und lächelte zufrieden. Alles war wieder dort, wohin es gehörte. Kein verdreckter Gartensessel mehr, die Kabel wieder ordnungsgemäß verstaut und die Delle war auch weg.

„Damit das klar ist, ich fahre! Dein Fahrstil ist schon im gesunden Zustand zu riskant!“

„Vertraust du mir nicht?“, fragte ich ihn grinsend.

„Sagen wir mal so, ich ziehe es vor, noch länger unter den Lebenden zu weilen.“ Eigentlich wollte ich ihn grimmig anfunkeln, doch ich schaffte es nicht und stieg brav auf der Beifahrerseite ein. Insgeheim wünschte ich mir, er würde mich mitnehmen auf eine Reise, irgendwo ins Nirgendwo.

Back to Italy! Und der Wahnsinn geht weiter!

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