Читать книгу 50 Dinge, die ein Oberösterreicher getan haben muss - Melanie Wagenhofer - Страница 14
Freistadt und sein Bier
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Bierbrauer für einen Tag
Braumeister Johannes Leitner (rechts)
Im Jahr 1770 taten sich die Freistädter Bürger zusammen, um außerhalb der Stadtmauern eine Brauerei zu bauen. Heute gibt es viele Freistädter Bier-Fans von Jung bis Alt, die nicht mehr auf den hopfig-anderen Gerstensaft aus Freistadt verzichten möchten. In der im Mai 2014 neu errichteten Seminarbrauerei im Braukeller kann sich jeder seinen ganz individuellen Gerstensaft zusammenbrauen.
Die Gruppe – maximal zehn Personen – trifft um neun Uhr zusammen und kürt zuerst einen Braumeister für einen Tag aus ihrer Mitte, denn einer muss ja schließlich das Kommando übernehmen. Noch wichtiger ist aber die Entscheidung, die dann folgt: Welches Bier wollen wir brauen? Soll es ein Weizenbock sein, ein Rauchbier, ein belgisches Fruchtbier oder doch lieber ein Imperial Stout? Elf verschiedene Bierstile – ein Querschnitt der gesamten Bierlandschaft – werden in Freistadt beim Selberbrauen angeboten: „Wir brauen dann aber kein Leichtbier, sondern eines, das Charakter hat und einen Tick stärker daherkommt“, sagt der echte Freistädter Braumeister Johannes Leitner.
Das Brauhaus in Freistadt
Beim Bierbrauen muss alles seine Richtigkeit haben. Das dokumentiert ein Schreiber aus der Gruppe, der Protokoll führt. Im Hintergrund überwacht ein erfahrener Brauer die Tätigkeiten, bei denen alles von Hand gemacht wird – so wie es eben früher beim Bierbrauen üblich war. Zunächst wird nach Rezeptur das Malz abgewogen und händisch in der Schrotmühle geschrotet. Dabei wechseln sich die Teilnehmer ab, denn das Kurbeln erweist sich als ganz schön schweißtreibend. „Das Bierbrauen soll ein Erlebnis sein, bei dem jeder Schritt von den Brauern selbst getan wird“, erklärt Leitner.
Auf das Schroten folgt das Maischen im Sudkessel. Hochwertiges Mühlviertler Urgesteinswasser wird mit dem Malzschrot vermischt und das Ganze mit einem riesigen Kochlöffel in Bewegung gehalten: „Rechtsdrehend, damit es eine gute Energie hat“, erklärt der Braumeister. Dabei durchläuft die Maische verschiedene Temperaturstufen: von 50 über 64 bis 78 Grad. Die Bierbrauer müssen genau und vor allem sauber arbeiten; die richtige Kochtemperatur muss immer wieder kontrolliert werden. Mit dem Schöpfer wird die Maische in den Läuterbottich geschöpft, wo mittels eines Siebbodens die flüssigen und festen Bestandteile getrennt werden. Flüssiges fängt die Sudpfanne auf. Die Flüssigkeit, auch Würze genannt, wird anschließend auf Kochtemperatur gebracht, dann ist sie bereit für den Hopfen, den die Freistädter von 36 Mühlviertler Hopfenbauern beziehen. „Das ist unser Gewürz“, sagt Leitner. „Jenes, mit dem wir uns von anderen Bieren abheben.“ Je nachdem, welches Bier gebraut wird, erfolgen zwei bis drei Hopfengaben. Nach dem Kochen muss wieder kurz gerührt werden, damit sich der Heißtrub am Boden absetzt. Zwischendurch holt ein „Lehrling“ aus der Gruppe ein kühles, frisches Bier.
Im Anschluss wird die Würze auf einem Kühlschiff auf zehn bis 20 °C heruntergekühlt. Mit der Zugabe der Hefe, dem sogenannten Anstellen, wird im Gärbottich die alkoholische Gärung eingeleitet. Damit ist die Arbeit der Bierbrauer für einen Tag vollendet. Nach einer Woche wird das Bier „geschlaucht“, also ins Fass abgefüllt. Danach beginnen die Nachgärung, Lagerung und Reifephase. Sechs Wochen später ist es so weit: 40 Liter Bier warten darauf, von den „Brauern“ abgeholt und endlich auch verkostet zu werden.
Als im 13. Jahrhundert nach einem geeigneten Ort zum Pferdewechseln gesucht wurde, wählte man den Platz, an dem sich jetzt Freistadt befindet: Um 1220 wurde die Stadt eine Tagesreise von Linz entfernt gegründet. 1363 wurde den Bürgern das Recht verliehen, Bier im eigenen Haus zu brauen und es dort auszuschenken. 1770 begann man, außerhalb der Stadtmauern ein Brauhaus zu bauen. Die brauberechtigten Bürger schlossen sich zur Braucommune zusammen. Die Einlagen bestanden aus Eimern (Eimer altes Biermaß, ca. 56 Liter), wobei das Gesamtvermögen von 6.390 Eimern auf 149 Brauinteressenten verteilt wurde. So sind auf jedem dieser Häuser mindestens 15 Eimer grundbücherlich sichergestellt, maximal darf man 140 Eimer besitzen. Die „Commune“ als Rechtsform einer Firma ist als solche im Firmenbuch eingetragen und gilt mittlerweile als letzte ihrer Art in ganz Europa.
Braumeister Leitner ist seit seiner Lehrzeit zum Brauer und Mälzer im Betrieb und ist bis heute überzeugt: „Ich habe den schönsten Beruf.“ Bei aller modernen Technik ist es dem Braumeister wichtig, „mit Herzblut, Hirn und Gefühl“ zu brauen. Beim Selberbrauen kann man ein paar Stunden in seine Welt eintauchen. Bierpausen zwischendurch, Mittagessen, Informatives über die verschiedenen Biere und Bierstile sowie eine Führung durch die Brauerei machen den Brautag zu einem runden Erlebnis.
Die Freistädter Brauerei hat ein fixes Sortiment mit Klassikern wie dem Ratsherren-Premium, zudem gibt es immer wieder Neues: etwa auch ein Jahrgangsbier. Fazit: Bier hat viele Facetten.
INFO: Braucommune
Brauhausstraße 2, 4240 Freistadt
+43 (0) 7942/75 777, Brauhaus: +43 (0) 7942/72 772
Öffnungszeiten:
Einmal im Monat wird in Freistadt Bierbrauen angeboten. Man kann sich in der Bierakademie der Brauerei auch zum Biersommelier ausbilden lassen. Der Brauerei ist ein Gasthaus, das Brauhaus angeschlossen.