Читать книгу 50 Dinge, die ein Oberösterreicher getan haben muss - Melanie Wagenhofer - Страница 9
Die Donau und ihr Fischer
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Der Letzte seiner Zunft in Linz
Fischen im Industriegebiet von Linz
Um sechs Uhr früh macht er sich auf den Weg in den stillgelegten Tankhafen. Dort liegt seine Zille vor Anker. Dann geht es hinaus auf die Donau, die Netze einholen. Franz Wiesmayr ist der letzte Donaufischer von Linz.
Mitten im Linzer Industriegebiet hat sich seine Familie ihr grünes Paradies erhalten. Zwischen Firmengebäuden steht der kleine Bauernhof aus dem 15. Jahrhundert, über dessen Eingang ein Fisch mit einer Lampe im Maul leuchtet. Rund um den Hollabererhof wachsen Obst und Gemüse, die der hochgewachsene Franz am Südbahnhofmarkt anbietet. Und falls von seinem Fang etwas übrig sein sollte, gibt es auf seinem Stand auch Fisch, denn die Flossentiere sind sehr begehrt und meist schon vor der Fahrt zum Markt ausverkauft.
Seit ihrer Kindheit sind Wiesmayr und sein Bruder schon mit den Eltern auf der Zille hinausgefahren. Die Mutter hat sich einen Strick um den Bauch gebunden und den kleinen Franz angehängt, damit er nicht ins Wasser springen konnte, während sie die Netze einholte und der Vater am Steuer saß. Die Lahmer-Wiesmayrs sind seit Generationen Landwirte und Fischer und haben ein Auge auf „ihren“ zehn Kilometer langen Abschnitt vom großen Strom. Das Revier, das jetzt der Franz als Fischereimeister betreut, beginnt beim Brucknerhaus und endet knapp vor dem Ausee in Asten.
Der Fischbestand ist in den letzten Jahrzehnten ziemlich geschrumpft: „Mit einem dreimal drei Meter großen Netz hat man in den 1960ern einen ganzen Schwarm Fische herausholen können. Und das ein paar Tage hintereinander“, erzählt der Franz. Noch in den 1980er Jahren konnte sein Vater 2,8 Tonnen Fische fangen. Und es gab auch noch einige andere Berufsfischer.
Franz bringt es heute auf 500 bis 600 Kilo im Jahr. Im Winter ruht die Fischerei. Dann arbeitet er als Koch, das hat er auch gelernt. Der Franz fischt nicht so viel heraus wie möglich, sondern so viel, dass er die nächsten zehn, 20 Jahre noch immer Fisch hat. Den Tieren gönnt er eine längere Schonzeit als vorgeschrieben. Der Franz will auch ein Vorbild sein und alles so erhalten, wie es ist.
Heute ist ein Feiertag und weil der Alex und der Andi, Kumpel vom Franz, frei haben, sind sie mit an Bord. Am Vorabend hat der Franz die Netze ausgelegt. Zwei Leute sind beim Einholen notwendig, einer muss die Zille steuern – das ist der Franz –, der andere zieht die Netze mit dem Fang langsam aus dem Wasser. Die Fische werden gleich an Bord abgeschlagen, ausgenommen und auf Eis gelegt. Was und wie viel an die Oberfläche kommt, ist ganz unterschiedlich: hauptsächlich Weißfische wie Brachse, Barsch, Rotauge, hie und da ein Karpfen. Über siebzig Fischarten gibt es in der Donau. Der größte und teuerste Fisch, den der Franz gefangen hat, war ein zwanzig Kilo schwerer Huchen. Dass er dieser Tage nicht genau sagen kann, wo die besten Plätze zum Fischen sind, liegt am letzten Hochwasser, das ganz schön viel Bewegung ins Flussbett gebracht hat: „Da sind auch jede Menge Fische weggeschwemmt worden, die durch die Kraftwerke nicht mehr zurück konnten.“
Vor ein paar Jahren haben sich in Wiesmayrs Revier Flusskrebse angesiedelt. Zuerst waren sie in der Traun, die amerikanischen Signalkrebse mit den roten Scheren. Mit Hochwässern sind sie auch in die Donau gekommen. Als die Fischer an diesem Tag die selbst gebauten Reusen an die Oberfläche ziehen, wimmelt es nur so hinterm Gitter des Fangkorbes. Die kleinen Scherenträger können mit ihren Zangen ganz schön zwicken, was die Fischer immer wieder schmerzhaft erfahren müssen. Ein paar Grundeln sind dabei, auch solche Fremdlinge, die aus dem Meer hierher geschwemmt wurden, und die der Franz gern knusprig brät, damit man sie im Ganzen verspeisen kann. Die Flusskrebse werden lebend verkauft.
Franz Wiesmayr
Weiter geht es zum nächsten Netz. Für kurze Zeit hektisch wird es nur, wenn der Fang an Bord geholt und bearbeitet wird. Da und dort sitzt ein Angler am Ufer, die Fischerkarte muss er sich vom Franz holen. Ab und zu kreuzen Schwäne den Weg der Zille, regelmäßig sausen private Boote vorbei. Ungemütlich wird es, wenn ein großer Brummer Vollkraftdonauaufwärts unterwegs ist: „Da kann es schon eineinhalb Meter hohe Wellen geben.“
Der Franz liebt seinen Beruf und die Lebensader Donau: „Ich empfinde es als Luxus, dass ich das machen darf, was ich mache, und bin dankbar dafür. Wenn ich fort bin, plagt mich Heimweh und ich glaube dann an bestimmten Tagen sogar, gegrillten Fisch riechen zu können.“ Damit meint er jene Tage, an denen er im Sommer regelmäßig vor seiner Fischerhütte im Garten seines Elternhauses Fisch für Gäste grillt. Wer einen Platz bekommen will, muss rechtzeitig reservieren. Andere Kunden holen sich den Fang frisch in der Estermannstraße ab, manche schon seit Jahrzehnten.
Nach dem letzten Netz, das die Vielfalt in der Kiste vergrößert hat – Hecht, Zander, Schied und Barbe sind dazu gekommen –, geht es zurück in den Tankhafen. Zu Hause müssen die Netze gereinigt, bei Bedarf geflickt und wieder in die Kiste geschlichtet werden. Der Franz, der manchmal auch Tourist ist und mit seinem Boot spazieren fährt, freut sich: „Mir taugt es am meisten, verschiedene Arten zu erwischen.“
INFO: Franz Wiesmayr
Estermannstr. 11, 4020 Linz
+43 (0) 676/93 11 539
Hafenrundfahrten:
Donauschifffahrt Wurm & Köck, dreimal täglich Anfang Mai – Oktober
+43 (0) 732/78 36 07
MS Helene
+43 (0) 680/33 36 432