Читать книгу Mit Anlauf nach Berghimmel - Melanie Weber-Tilse - Страница 5
Kapitel 1
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er Bass dröhnte hart in meinem Kopf. Langsam tastete ich mich an der Wand entlang. Wo war dieses verdammte scheiß Klo nur? Das schummrige Licht, der Alkoholpegel in meinem Blut und meine angefressene Stimmung halfen nicht dabei, mich besser orientieren zu können. Endlich spürte ich einen Türgriff zwischen meinen Fingern und ich drückte ihn nach unten. Helles Licht empfing mich. Ich hatte endlich die Toilette gefunden.
Ich schob mich hinein und torkelte in die erstbeste Kabine. Mit zittrigen Fingern zog ich mir meine Leggins samt Slip nach unten und ließ mich aufseufzend auf die Klobrille hinabsinken. Ah, was tat das gut. Gerade noch rechtzeitig hatte ich das Klo erreicht, sonst hätte ich mir eiskalt in die Hose geschissen. Happy Hour war wirklich nichts für mich. Der fünfte Tequila-Orange musste schlecht gewesen sein, denn er haute mir gerade den kompletten Darminhalt heraus. Uhhh, der Geruch trieb mir die Tränen in die Augen. Verdammter Alkohol. Das kam jetzt wirklich einem Giftgasanschlag nahe und ich hatte mich gerade freiwillig zu einem Selbstmordkommando gemeldet.
Jan war an allem Schuld. Hätte er mich die letzte Zeit nicht so vernachlässigt, würde ich jetzt nicht mit Magenkrämpfen auf dem Klo sitzen. Schon gar nicht in einer öffentlichen Disko. Ich schiss mir gerade die Seele aus dem Leib. Mein Magen kehrte sich einmal nach außen und ich musste immer wieder die Klospülung betätigen, sonst würde ich hier elendig an dem Geruch zu Grunde gehen.
Die Tür wurde geöffnet, die Musik drang kurzzeitig lauter an mein Ohr.
„Boah ne, was war das denn für eine Sau. Scheiße stinkt das hier. Ihh, ich kotz gleich.“
Danach war wieder die Musik lauter zu hören und schimpfend verschwand die angefressene Tussi. Gut, ich konnte sie ja verstehen. Es stank wirklich barbarisch, wobei sie noch nicht mal in die Nähe meiner Kabine gekommen war.
Gerade noch rechtzeitig fiel die Tür wieder ins Schloss, als sich mein Darm lauthals dröhnend entleerte. Ohhhh, so stellte ich mir das Kinderkriegen vor. Eine Schmerzwelle nach der anderen jagte durch meinen Körper. Ich hoffte nur, dass es beim Kinderbekommen nicht so laut zuging und schon gar nicht so eine Geruchsbelästigung herrschen würde. Das arme Kind würde doch sofort den Albtraum seines Lebens erfahren.
Nachdem ich sicher schon zehnmal die Spülung betätigt hatte, schien mein Darm leer zu sein. Es tat richtig gut, dass der Schmerz nun nachgelassen hatte. Der Gestank stand zwar noch um mich herum, aber der würde sich wohl irgendwann in der Disko abschütteln lassen. Ich griff nach rechts zum Toilettenpapier, nur um dann festzustellen, dass keins vorhanden war. Mein Kopf schnellte, so schnell es im besoffenen Zustand eben ging, nach rechts und ich schaute mit weit aufgerissenen Augen die leere Rolle an.
Mein Blick huschte in der Kabine umher, ich schaute hinter mich, aber kein Toilettenpapier war zu sehen. Das durfte jetzt echt nicht wahr sein. Nach meiner Darmreinigung saß ich nun auf diesem verschissenen Klo fest und hatte kein Papier, um mich sauber zu putzen. Was war ich doch naiv gewesen zu denken, dass der ganze Tag nicht noch schlimmer hätte werden können.
Ich nahm die leere Klopapierrolle und riss die Pappe in feine Streifen. Damit wischte ich die erste Fuhre weg. Dann zog ich die Leggins und die Unterhose aus und benutzt den String – leider hatte ich keine Frenchie an – und wischte mir, so gut es ging, den Rest noch weg. Sollte ich jetzt den Tanga ins Klo fallen lassen? Bei meinem heutigen Glück, würde jetzt auch noch das Klo verstopfen. Ich entschied mich daher dagegen und warf die Unterhose mit spitzen Fingern in den Mülleimer. Ich zog mir die Leggins wieder an und ging auf wackeligen Beinen aus der Kabine. Hier vorne roch es gar nicht mehr so schlimm. Ich wusste gar nicht, was die blöde Schnepfe vorhin hatte.
Ich wusch meine Hände, spritzte mir Wasser ins Gesicht und schaute mich dann im Spiegel an. Meine Güte, was sah ich beschissen aus. Nicht, dass ich Kack-Spritzer im Gesicht gehabt hätte, nein, das nicht. Ich war blass, hatte dunkle Ringe unter den Augen – was wahrscheinlich an der verlaufenen Wimperntusche lag – und der Lippenstift bröckelte auch langsam ab. Toll, hier neben dem Waschbecken gab es einen Papierbehälter. Wäre ich doch einfach mal aufgestanden und rausgegangen. Ich wischte mir den Rest Lippenstift ab und versuchte, so gut es ging, die wasserfeste Wimperntusche unter den Augen wegzubekommen. Schon klar, wasserfest. Das Zeug hatte sich während meiner Kacksession ohne Murren verabschiedet, jetzt dagegen, klebte es wie Scheiße an mir.
Nachdem ich mich einigermaßen wieder hergerichtet hatte, ging ich mit weichen Beinen nach draußen. Mir kam gerade eine andere Frau entgegen, die sicher mal auf Toilette musste.
„Ich würde da nicht reingehen“, hörte ich mich sagen. „Irgendeine Drecksau hat das ganze Klo vollgeschissen. Normalerweise müsste der Abc-Alarm ausgerufen werden. Ich hätte fast ins Waschbecken gekotzt.“
Dann ging ich weiter und klopfte mir mental auf die Schulter. Das hast du prima gemacht Nina, dachte ich stolz, immer schön von dir als Übeltäter ablenken.
Irgendwie schaffte ich es vor die Disko und winkte einem Taxi zu. Ich ließ mich zu Jan fahren. Ich korrigierte mich, zu uns fahren. Ich wohnte nun seit einem halben Jahr bei Jan. Er war der große Zeitungsboss und ich eigentlich die kleine Angestellte am Empfang gewesen. Bis wir durch Zufall einmal zusammen im Aufzug stecken geblieben waren. Solche Dinge passierten nun mal immer mir. Mich hatte es daher nicht verwundert und ich war richtig ruhig geblieben. Jan dagegen, war wie ein gefangener Puma auf- und abmarschiert, bis ich ihn angeschnauzt hatte. Woher sollte ich auch wissen, wer er war? Ich arbeitete noch nicht lange in der Firma und wusste nicht, wie er aussah. War schon blöde, wenn ich am Empfang arbeitete und nicht wusste, wie der Boss aussieht. Nun ja, trotz alledem war mehr aus unserem Abstecher, äh Abhänger, im Fahrstuhl geworden.
Seit also einem halben Jahr wohnte ich bei ihm. In dem tollen Penthouse, wo man fast ganz München überblicken konnte. Ich arbeitete sogar immer noch am Empfang, auch wenn Jan dies nicht verlangte. Aber ich wollte mich auch nicht aushalten lassen.
Im Eingangsbereich wurde ich direkt von Peter, oder war es Franz, oder …, ach keine Ahnung wer es war, empfangen. Sie sahen doch alle gleich aus, die Portiers. Namen merken war aber ansonsten auch nicht meine Stärke. Noch ein Punkt, der gegen die Arbeit am Empfang sprach.
„Guten Abend Frau Sandner.“
„Nabend“, nuschelte ich und schob mich so leichtfüßig, wie ich konnte, Richtung Aufzug.
„Herr Träger ist noch nicht zu Hause.“
„Umso besser für sein Leben“, murmelte ich noch leiserer vor mich her.
„Wie bitte Frau Sandner? Ich habe sie leider nicht verstehen können.“
„Nichts, nichts. Und nun lassen Sie mich doch bitte einfach zu diesem beschissenen Aufzug gehen.“ Fuck, hatte ich das jetzt wirklich zu Franz-Peter gesagt? Ich dreht mich beim Laufen leicht zu ihm und….
„Vorsicht!“
Aber zu spät. Diese verdammten Blumen. Palmen. Diese Riesendinger halt. Ich versuchte noch meinen Schwung zu stoppen, indem ich mich am Stamm festhielt, aber irgendwie lief jetzt alles schief. Ich wäre eine miserable Gogo-Tänzerin. Gut, der Stamm der Palme war auch etwas anderes als eine Stange, aber mein Abgang sah total beknackt aus. Ganz bestimmt. Und die Palme saß auch nicht so bombig in ihrem Blumentopf, sondern ging gleich mit zu Boden. Da lag ich nun. Auf dem Rücken, wie ein Maikäfer, und auf mir die dicke Palme.
„Oh mein Gott. Haben Sie sich wehgetan Frau Sandner?“ Franz-Peter stand neben mir und zerrte an der Palme herum. Autsch, das Mistding pikste ganz schön.
„Passen Sie doch auf, sie spießen mich gleich mit dem blöden Ding auf“, fauchte ich daher F-P an.
„Entschuldigen Sie, ich habe es gleich.“
Und tatsächlich F-P hievte die Palme von mir herunter. Sah wirklich lustig aus, wie er sie so im Arm hielt. Dafür musste ich nun zusehen, wie ich alleine wieder hochkam. Ich drehte mich daher graziös, wie ich fand, auf alle Viere und stemmte mich am Palmenkübel hoch. Na bitte, ging doch. Mein vormals weißes Oberteil hatte zwar jetzt braune Flecke von der Erde, aber das machte jetzt auch nichts mehr.
Ich ließ F-P mit der Palme einfach stehen und torkelte zu den Aufzügen. Der Vorteil in diesem Nobelschuppen zu wohnen war, dass egal wann ich hierherkam, immer ein Aufzug schon unten auf mich wartete. Wie das funktionierte, wusste ich nicht, es war mir aber auch ehrlich gesagt, total schnuppe. Ich ließ mich geschafft an die verspiegelte Wand der Kabine sinken. Morgen durften die Putzfrauen hier was zu tun haben. Keiner von den Nobel-Popel-Leuten würde sich trauen, an den Spiegel zu packen. Noch nicht einmal die Kinder hier im Haus.
Mit einem Pling fuhren die Aufzugtüren auf und ich konnte direkt in unsere Wohnung hineinfallen. Jan hatte mir erklärt, wie das Prinzip war, dass nur er und ich und gewollter Besuch bis ganz nach oben fahren konnten, andere Leute aber nicht. Denn sonst würden die direkt in unserer Wohnung stehen. Die Erklärung dazu fiel mir aber jetzt in meinem vernebelten Kopf nicht mehr ein. Ich streifte die Ballerinas von den Füßen – wie gut, dass ich keine Pumps angezogen hatte – und ging schnurstracks auf das Sofa zu. Nur kurz hinsetzen, dann würde ich ins Bett verschwinden.