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Kapitel 5

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E

in dumpfes Geräusch riss mich aus meinem Schlaf. Verwirrt rieb ich mir meine verquollenen Augen. Da, schon wieder das Geräusch. Ich quälte mich aus dem Bett und ging zum Fenster. Irgendjemand warf Schneebälle gegen eben dieses. Ich öffnete einen Fensterladen und stecke den Kopf hinaus.

Nicht nur die Kälte traf mich mit voller Wucht, sondern auch der nächste Schneeball traf mich direkt in mein Gesicht.

„Verdammt, was soll das?“, brüllte ich wutentbrannt aus dem Fenster.

„Ahhh, endlich bist du wach. Wurde aber auch mal Zeit.“

Die Stimme kannte ich. Sogar zu gut. „Judith?“

„Wer denn sonst. Zieh dich an und schwing deinen Hintern hier raus. Es ist so ein geiles Winterwetter und die Hunde wollen eine Runde laufen.“

Verwirrt blickte ich nun nach unten und sah meine beste Freundin aus Kindheitstagen dort stehen. „Was habe ich damit zu tun, dass die Hunde laufen wollen?“

„Na, weil du mitkommst. Du kannst vergessen, dass du dich vergräbst. Also rein in deine Winterklamotten und ab mit mir ins Feld.“

„Du hast echt einen Vollschatten“, brummte ich und schloss das Fenster. Mühsam schälte ich mich aus meinen Lieblings-Nachtshirt und zog mir meine dicken Klamotten an. Mein Blick fiel auf den Rock und die Bluse, die über der Stuhllehne hingen und ich gestern noch getragen hatte. Das konnte ich nachher ganz nach hinten in den Schrank verbannen. Wann und wo sollte ich das jetzt noch anziehen?

Das Bellen von Judiths Hunden riss mich aus meinen Gedanken und ich schoss die Treppe nach unten. Wieviel Uhr war es eigentlich? Als ich an der Küche vorbeikam, hielt mir meine Mutter schon einen Thermobecher entgegen.

„Ich habe mir schon gedacht, dass dich Judith aus dem Bett werfen würde. Hier einen Kaffee mit viel Milch, so wie du ihn magst. Und dann wünsche ich euch beiden ganz viel Spaß da draußen.“

Ich schlüpfte in meine dicken Winterstiefel, zog Mütze, Schal und Handschuhe an und nahm dann, bevor ich vor die Haustür trat, einen großen Schluck von meinem Kaffee. Mmmh lecker. Meine Mutter hatte auch noch an die zwei Zuckerwürfel gedacht, die ich in meinem Kaffee unbedingt brauchte.

Dann trat ich vor die Haustür, wo mich Judith und die Hunde stürmisch begrüßten. Das ich da nicht die Kaffeetasse verlor, grenzte an ein Wunder. Denn normalerweise, war ich für alle Pannen prädestiniert.

„Soho Süße. Nun erzähl mir, was dieser Arsch dir angetan hat. Aber erstmal gibt mir einen Schluck von deinem Kaffee ab.“

Während wir nun durch die verschneiten Felder und Wiesen stapften, die Hunde um uns herum tollten, schüttete ich Judith mein Herz aus.

„Was ein Arschloch.“

„Ich kann ihm noch nicht mal einen Vorwurf machen. Letztendlich, was will so ein reicher Mann mit so einer kleinen Dorfmaus.“

„Was ein Quatsch Nina. Wenn man jemanden liebt, ist es egal, welchen Stand er hat.“

„Anscheinend nicht in der Welt der Schönen und Reichen.“

Neben uns hielt der Wagen von Daniel an.

„Guten Morgen ihr zwei. Ihr seid ja früh unterwegs.“

„Ohne Judit würde ich noch im Bett liegen und tief und fest schlummern“, erwiderte ich mit einem bösen Seitenblick zu meiner Freundin.

Doch die ließ sich gar nicht beirren. „Nina, du hast das gebraucht. Frust und Kalorien wegstampfen.“

Ich grummelte leise an meinem Kaffeebecher vor mich hin.

„Ich habe dir dein Auto gestern noch hingestellt Nina.“

„Mein kleiner Corsa und ich haben zu danken. Ich habe ihn heute Morgen schon bewundern können, wie er stolz die neuen Beulen präsentiert hat.“

„Das fällt doch bei der Kiste nicht auf.“ Daniel lachte laut. „Übrigens lass heute noch die Finger vom Rückspiegel. Der Kleber muss erst richtig aushärten.“

„Du hast wirklich was bei mir gut!“ Ich war total begeistert, wie sich hier in diesem Dorf geholfen wurde. Das hatte ich in München total vermisst.

„Wirklich?“, hakte Daniel sofort nach.

„Wenn ich das doch sage.“

„Prima. Dann könntest du den Gefallen gleich einlösen. Wegen dem plötzlichen Schneefall habe ich einige Holzbestellungen reinbekommen und muss diese gleich ausliefern. Allerdings kann ich dann den Laden nicht öffnen. Gerade in der Vorweihnachtszeit ist das für mich verlorenes Geld, wenn ich ihn geschlossen halten muss.“

„Kein Problem. Ich übernehme gerne den Verkauf. Solange ich nicht Töpfern muss.“

Wir drei grinsten vor uns hin. Wir alle dachten in dem Moment das Gleiche. In der Schule hatten wir Töpfern gehabt. Daniel und Judith waren wahre Künstler darin gewesen. Daniel sogar so sehr, dass er auch noch heute vom Verkauf lebte. Ich dagegen war eine Niete. So sehr, dass sogar unser Lehrer ganz schnell aufgegeben hatte und mir eine Freistunde schenkte. Ich konnte bei Kuchen und Gebäck die tollsten Kreationen zaubern, beim Töpfern dagegen kam noch nicht mal ein Aschenbecher dabei heraus.

„Nein, nein. Auf keinen Fall musst du Töpfern Nina. Wirklich nur verkaufen.“

„Dürfte ich dann nebenbei meine Weihnachtsbäckerei ankurbeln? Ich würde gerne, nachdem ich alles in München lassen musste, neue Kekse backen.“

„Nur, wenn ich auch welche abbekomme.“

„Klar kein Problem.“ Ich grinste Daniel breit an.

„Ich möchte dann aber auch welche abbekommen“, mischte sich sogleich Judith ein.

„Bekommst du natürlich auch.“

Ich konnte nicht Töpfern, Kochen gehörte auch nicht zu meinen Stärken, aber Backen war etwas, was ich konnte. Das wussten natürlich auch Daniel und Judith.

„Ich komme dann gleich in den Laden Daniel.“

Daniel verabschiedete sich von uns und fuhr wieder Richtung Dorf. Auch Judith und ich machten uns nun auf den Weg nach Hause. Am Dorfeingang trennten wir uns und sie versprach, mich nach ihrem Spätdienst zu besuchen.

Ich machte mich schnell auf den Weg nach Hause, zog mich um und ging dann zu unserem kleinen Lädchen im Dorf. Der Tante Emma Laden hatte sich wirklich noch gehalten. Das lag aber auch nur an den Bewohnern. Jeder ging hier immer wieder einkaufen, so dass der Laden überleben konnte. Und ich brauchte nun einige Zutaten für mein Backvorhaben.


Mit zwei schweren Einkauftaschen marschierte ich bei Daniel in den Laden.

„Du hast wohl den ganzen Laden aufgekauft?“ Daniel hielt mir die Tür auf und zwinkerte mir zu.

„Nicht ganz, aber der Vorrat an Mehl und Zucker ist beachtlich geschrumpft.“ Ich grinste ihn breit an.

„Möchtest du das ganze Dorf verköstigen? So viel braucht man doch nicht für ein paar Plätzchen.“

„Lass dich überraschen und nun husch zu deinen Kunden.“ Ich jagte Daniel hinaus, damit ich einmal in Ruhe in München anrufen konnte und dann in die Plätzchen-Produktion treten konnte.

Den Anruf in München hatte ich schnell hinter mir. Die Personaltante war höchst professionell gewesen. Hatte sich die Faxnummer notiert und gebeten, den Auflösungsvertrag, der schon fertig war, bis spätestens Freitag zuzufaxen und die Originalunterschrift mit der Post zu schicken. Der Vertrag wäre hoffentlich zu meiner Zufriedenheit und die Summe der Abfindung auch. Über eine Abfindungssumme war zwar in dem kurzen Gespräch mit Jans Vater nichts gesagt worden, aber das würde ich mir dann heute Abend in Ruhe zu Hause anschauen.

Jetzt wollte ich erst einmal, neben dem Verkauf von Daniels Dingen, meine Backutensilien im Hinterzimmer ausbreiten.

Ich war gerade dabei, alles auf dem großen Tisch, der im Hinterzimmer stand, auszubreiten, als die Türglocke im Verkaufsraum zu hören war. Schnell ging ich nach vorne und sah mich Frau Schuster und Frau Hampach gegenüber.

„Guten Morgen Frau Schuster, guten Morgen Frau Hampach. Was kann ich für Sie tun?“

„Oh Nina Kindchen. Wir haben schon gehört, dass du wieder hier bist. Warum bist du denn aus München weg? Und was stehst du in Daniels Geschäft? Hat er es endlich geschafft, dich für sich zu gewinnen?“

„Mathilda, nun hör doch auf“, unterbrach Frau Hampach. „Lass das Kind in Ruhe und hör mit den Fragen auf.“

„Gertrud, nun stell dich doch nicht so an. Du bist doch auch neugierig und würdest das alles gerne wissen.“

Bevor die zwei älteren Damen sich gegenseitig an die Gurgel gehen konnten ging ich schnell dazwischen. „Frau Schuster, ich vertrete Daniel hier im Laden, weil er Holz ausliefern muss und er – weil er meinen Wagen aus dem Graben gezogen hat – etwas gut bei mir hat. Ich bin aus München weg, weil mein Freund … mein Ex-Freund, beim Besuch seiner Eltern ganz schnell die Seiten gewechselt hat. Aber was meinen Sie mit, ob Daniel mich für sich gewinnen konnte?“

„Ach Kindchen, nichts, nichts. Das mit deinem Exfreund ist aber eine Schande. Der weiß gar nicht, was er sich entgehen lässt.“

Ich kannte die beiden schon länger, so wusste ich, dass sie kein Blatt vor den Mund nahmen.

„Was kann ich aber für Sie tun?“

„Wir wollten unsere Bestellung abholen. Daniel hat sie sicher schon eingepackt.“

Ich ging wieder in das Hinterzimmer. Nicht nur ein großer Tisch stand hier, sondern auch Daniels Töpferwerkstatt hatte er in einer Ecke untergebracht. Daneben war ein großer Brennofen und dann, wie ich gehofft hatte, der große Bäckerofen, den er damals aus der Bäckerei hier übernommen hatte, die leider schließen musste. Der Backofen war Gold wert und ich freute mich schon mehrere Bleche von Keksen, Cupcakes und Cake Pops zu backen. Eventuell würde ich mich auch noch an kleine Weihnachtsküchlein ranwagen …

„Nina, hast du die Bestellung gefunden?“

Huch, ich war total in meinem Backwahn vertieft gewesen und hatte die zwei Damen komplett vergessen. Die zwei Tüten standen in dem kleinen Regal, wo Daniel anscheinend einige Bestellungen schon fertig gemacht hatte.

„Hier habe ich sie. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“

„Kindchen, wenn du einen Kaffee und Kuchen hättest, dann wären wir wunschlos glücklich.“

„Damit kann ich leider nicht dienen. Aber ich wollte gerade ein wenig Backen. Wenn Sie möchten, schauen Sie doch so in zwei Stunden wieder vorbei, dann bekommen Sie gerne etwas ab.“

Ich kassierte und die Beiden versprachen, nachher noch einmal vorbei zu schauen.

Somit ging ich nun beschwingt wieder in das Hinterzimmer und begann mit der Teigproduktion. Innerhalb einer Stunde, in der zum Glück keine Kundschaft erschien, hatte ich neun Bleche mit Plätzchen, Cupcakes und Cake Pops fertig. Während ich die Plätzchen und Cupcakes ohne Probleme auf dem Tisch verzieren konnte, war es bei den Cake Pops ein kleines Problem.

Ich ging nach vorne in den Laden und sah mich nach Behältern um, wo ich die Teiglollies, denn nichts anderes waren Cake Pops, hineinstecken konnte, damit diese mit der Glasur und der Verzierung trocknen konnte. Mein Blick fiel auf einige getöpferte – wirklich wunderschöne – Schalen. In die Schalen füllte ich noch restlichen Teig und backte diesen aus.

In der Zeit verzierte ich die Plätzchen und die Cupcakes und war total zufrieden mit meinem Resultat. Während ich schon die erste Fuhre Cake Pops als kleine Rentiergesichter und Weihnachtskugeln fertig hatte, klingelte nach rund zwei Stunden wieder die Eingangstür.

Ich nahm die Schale mit den fertigen Lollies mit nach vorne und stellte sie auf den Verkaufstresen.

„Mein liebes Kind, die sehen ja zauberhaft aus“, rief Frau Schuster verzückt aus. „Ich möchte gerne die Schale mit diesen wunderschön verzierten Kugeln kaufen. Was möchtest du dafür haben?“

„Nichts da Mathilda, ich werde mehr bezahlen. Die gehören mir.“

„Frau Schuster, Frau Hampach, die sind nicht zu verkaufen. Sie dürfen aber gerne welche haben.“

„Auf keinen Fall, ich möchte sie alle mit der Schale kaufen.“

„Nein ich!“

„Moment, ich gehe nach hinten und mache noch eine Schale fertig. Ich war noch nicht ganz fertig, so haben Sie beide dann eine Schale mit Cake Pops.“

Während ich nach hinten ging, klebten mir die zwei Frauen an den Fersen.

„Oh mein Gott, schau dir doch mal diese wundervollen Küchlein an Gertrud.“

Die beiden überschlugen sich mit Komplimenten. Bevor sie mir den letzten Nerv raubten, drückte ich beiden einen Cupcake in die Hand und sie waren für kurze Zeit ruhig.

„Nina, du bist eine wahre Künstlerin. Die sehen nicht nur fantastisch aus, sie schmecken auch so!“

„Vielen Dank.“ Ich lächelte die beiden wirklich dankbar an. Dann nahm ich die zweite Schale mit den gebackenen Lollies, die nun wie kleine Weihnachtsbäume und Schneemanngesichter aussahen, und ging wieder in den Verkaufsraum.

Die Klingel kündigte nun den nächsten Kunden an und wirklich, es rauschten nun noch Frau Seibert und Frau Finke in den kleinen Laden.

„Oh, das Gebäck sieht ja wundervoll aus Liebes. Wieviel soll das Kosten?“

„Magdalena, die kannst du nicht kaufen, weil sie schon mir und Gertrud gehören.“

„Und was bekommen wir ab?“

„Nina hat noch kleine Törtchen und Plätzchen, die könnt ihr ja kaufen.“

„Aber ich möchte auch so tolle Lutscher.“

„Und ich einen Kaffee.“

„Ja, den möchte ich auch und gleich hier etwas zu essen.“

„Da nehme ich auch einen.“

„Ich auch.“

Ich fühlte mich gerade total überfordert. Wo bekam ich denn jetzt Kaffee her?

„Entschuldigen Sie mich bitte. Ich schaue nach, ob ich hinten Kaffee kochen kann.“

„Kindchen, ich helfe dir.“

„Ich auch, ich trage schon das Gebäck nach vorne.“

Die Vier schoben mich ins Hinterzimmer und ich war nun wirklich total überrannt. Nachdem ich meinen Blick hatte schweifen lassen und auch die Frauen ausgeblendet hatte, sah ich sie. Die Kaffeemaschine! Daniel hatte einen hochmodernen Vollautomaten und ich war damit heillos überfordert. Das ließ ich die Vier aber nicht merken, denn die verschwanden mit den ganzen Tellern voll Gebäck, laut schnatternd, wieder nach vorne in den Verkaufsraum.

„Schätzchen, sind hier irgendwo Stehtische?“

„Ja und Teller bräuchten wir auch noch.“

„Ich hätte gerne einen Stuhl, meine alten Beine halten nicht mehr so lange durch.“

Während mir der Dampf der Kaffeemaschine um die Ohren rauschte, hörte die Diskussion im Vorraum nicht auf.

Obwohl es Winter war, lief mir nun der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinunter und mir klebte der Bob unangenehm am Kopf fest. Diese blöde Maschine wollte nicht so wie ich, ich wusste nicht, wo Daniel Teller und Tassen hatte, geschweige denn Stühle oder Stehtische. Ich war kurz davor mir den Arm zu verbrühen, als eine Hand meinen Arm umschloss.

„Stopp, du möchtest dir sicher nicht den Arm verbrennen.“

Ich drehte mich glücklich zu Daniel um und fiel ihm um den Hals.

„Was ist hier eigentlich los?“, fragte er an meinem Hals.

„Ich habe gebacken. Frau Schuster und Frau Hampach wollten meine Cake Pops kaufen. Dann kamen noch Frau Seibert und Frau Finke dazu. Nun wollen alle Kaffee und die Cupcakes und Plätzchen essen. Ich brauche Teller, Tassen, Stehtische und für Frau Schuster einen Stuhl“, sprudelte es aus mir heraus.

Daniel schob mich von sich weg. „Teller sind dort drüben im Schrank, genauso wie Tassen. Tische und Stühle besorge ich gleich und den Kaffee mache ich auch sofort. Ganz ruhig Nina, das bekommen wir hin. Lass dich von den Tratsch-Tanten nicht aus der Ruhe bringen.“

Daniels breites Lächeln beruhigte mich sofort und Hand in Hand arbeiteten wir weiter. Wir besorgten für die Damen die Tische, Frau Schuster bekam ihren Stuhl und sie wurden mit Kaffee und Tellern versorgt. Während die Vier nun im Laden saßen und ihren Kaffee und mein Gebäck genossen, stand ich im Hinterzimmer und rührte den nächsten Teig an, da auch Frau Seibert und Frau Finke unbedingt etwas mit nach Hause mitnehmen wollten.

Es war schon nach Mittag, als die Vier sich endlich verabschiedeten und Daniel und ich ein wenig Luft holen konnten. Für eine Stunde würde er nun den kleinen Laden schließen.

„Puh, was bin ich geschafft.“ Ich ließ mich auf den Stuhl plumpsen, den zuvor Frau Schuster in Beschlag genommen hatte.

„Der Tag ist noch nicht vorbei Nina. Warte mal ab, bis sich herumgesprochen hat, was du für tolle Backkreationen zauberst. Ich bin selber total beeindruckt. Sie schmecken fantastisch.“ Daniel schob sich noch einen Cake Pop in den Mund.

„Ich liebe backen. Allerdings haben wir ein kleines Problem. Mir gehen langsam die Zutaten aus. Ich müsste erst einmal einkaufen.“

„Dann los.“ Daniel hielt mir sein Portmonee entgegen.

„Was soll ich damit?“

„Du sollst die Lebensmittel kaufen. Und bring doch bitte noch für mich einen Döner mit und das was du zu Mittag möchtest.“

„Ich kann das aber selber bezahlen, Daniel.“

„Falls du es nicht mitbekommen hast, aber durch dich, habe ich heute viele meiner getöpferten Sachen an die vier Damen verkauft. Und das nur wegen deiner Kreationen. Das Geld dafür, bekommst du nachher auch noch.“

„Das muss wirklich …“

„Nina, fahr jetzt los, wir diskutieren das nachher noch aus. Ich habe Hunger!“ Daniels Magen meldete sich nun auch lautstark zu Wort und unterstützte somit seine Worte.

Ich fuhr in den nächst größeren Ort und kaufte im dortigen Supermarkt alle Zutaten in großen Mengen ein, die ich zum Backen benötigte. An sich hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, denn billig war der ganze Spaß nicht. Danach hielt ich noch beim Griechen und holte dort unser Mittagessen.

Beim Laden zurück, stand Daniel schon bereit, um mir beim Reintragen zu helfen. Ich blieb erst einmal total erstaunt am Eingang stehen. In der Zwischenzeit hatte er einiges im Laden umgestellt. So waren das Wintergemüse neben den Verkaufstresen gewandert – ein Teil anscheinend sogar in das Hinterzimmer – dafür waren nun an der linken Seite einige der Stehtische aufgebaut. Diese hatte Daniel weihnachtlich eingedeckt und auch der restliche Laden war mit Lichterketten und Weihnachtsschmuck verschönt worden. Auf dem Verkaufstresen waren meine Plätzchen und restlichen Gebäcke schön drapiert worden und ein Teil davon hatte Daniel sogar in kleine Tütchen verpackt.

„Wow, das sieht wunderschön aus“, entfuhr es mir.

„Ich muss mich doch deinen winterlichen und weihnachtlichen Kreationen anpassen. Komm aber bitte rein, es wird kalt. Und ich muss gestehen, mein Magen …“

Bevor er nur aussprechen konnte, hatte ich ihm schon den Döner in die Hand gedrückt. Wie ein kleiner Junge zu Weihnachten, öffnete er ihn mit leuchteten Augen und biss genussvoll hinein.

„Hmm.“

Ich musste grinsen und ging nach hinten, damit ich meine Tüte abstellen konnte. In einer nicht unangenehmen Stille saßen wir beieinander und verdrückten unser Essen.

Ich hatte gerade den letzten Rest hinuntergeschluckt und wischte mir den Mund ab, als es an der Türe zum Laden klopfte.

„Da scheint es schon einen Andrang zu geben. Bleib hier, ich werde dann mal den Laden öffnen.“ Daniel stand auf und ich beobachte mit weit aufgerissenen Augen, wie die Dorfbewohner den Laden stürmten.


„Aua, aua, aua. Mein Rücken und meine Füße bringen mich um.“ Ich streckte mich und ein Schmerz zog sich durch den ganzen Rücken.

„Sogar ich bin heute total geschafft. Was für ein Tag. Nina, du bist der Wahnsinn.“ Daniel saß mir gegenüber und schaute mich intensiv an.

„Quatsch.“

„Doch wirklich. Sie lieben deine Backkünste. Ich kann mich nachher noch hinstellen und neue Gefäße töpfern. So viel habe ich noch nie an einem Tag verkauft. Eventuell in ein bis zwei Wochen, aber nicht an einem Tag. Ich würde dir gerne etwas vorschlagen.“

Daniel sah mich fragend an und auch ich ließ mich nun auf einen Stuhl sinken.

„Schieß los“, forderte ich ihn auf.

„Hättest du Lust, gerade jetzt vor Weihnachten, jeden Tag deine Backkreationen hier anzubieten? Natürlich bekommst du den Verkaufserlös ausgezahlt. Und wenn du nicht jeden Tag hier stehen und backen möchtest, überhaupt kein Problem, da finden wir sicher einen zeitlichen Turnus. Wenn du mir sagst, was du für Schalen oder Behältnisse gebrauchen könntest, dann kann ich diese auch nach Maß und Anforderung töpfern …“

„Ja.“

„Und nach Weihnachten, äh, was? Ja?“

„Ja“, wiederhole ich und grinse ihn an. Auch wenn es nicht mein eigenes kleines Café war, so konnte ich hier wertvolle Erfahrung sammeln. Ich konnte die Produktion optimieren, ich konnte neue Kreationen entwerfen, ich konnte ohne Risiko Dinge ausprobieren, die ich so mit einem eigenen Café nicht tun könnte. Daniel gab mir hier eine einmalige Chance und hatte es gar nicht gemerkt. Aber wie auch? Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen und wie sollte er wissen, dass es schon lange ein Traum von mir war, ein kleines Café zu eröffnen.

„Ich habe schon lange den Traum ein eigenes Café zu eröffnen. Bisher hatte ich aber weder das Geld, noch die Zeit dafür. Du bietest mir hier gerade eine einmalige Möglichkeit, um Erfahrungen zu sammeln und einen Kundenstamm aufzubauen. Wer weiß, vielleicht finden sich hier irgendwo Räumlichkeiten, wo ich mich verwirklichen kann.“

„Da könnten wir uns nach dem ganzen Weihnachtsstress unterhalten. Ich habe da vielleicht eine Lösung. Aber dafür muss ich auch erstmal Luft holen können und vor allen Dingen einen klaren Gedanken fassen können.“

„Prima, dann bin ich morgen pünktlich um 7 Uhr da.“

„So früh? Der Laden öffnet doch erst um 9 Uhr.“

„Siehst du hier irgendwo noch einen Krümel eines Kekses oder irgendetwas anderes?“

„Nein.“ Daniel hatte vorhin beim Aufräumen natürlich gesehen, dass nichts mehr übrig war. „Gut, dann bin ich um 7 Uhr hier und helfe dir. Außerdem kann ich dann weiter an meinen Kreationen arbeiten.“

„Soll ich dir noch etwas helfen?“ Ich stand auf und schaute mich um.

„Nein, nein. Geh nach Hause, ich mache hier noch den Rest fertig.“

Ich zog mir den Mantel an, schlang den Schal um mich und setzte die Mütze auf. Draußen hatte es schon wieder angefangen zu schneien.

„Und Nina?“

Ich drehte mich zu Daniel um, der mich intensiv musterte.

„Danke und schlaf schön!“

Das Glöckchen über der Verkaufstür klingelte wieder, als ich nach draußen ging. Dicke Flocken rieselten sofort auf mich herab und ich konnte nicht anders und streckte meine Zunge raus, um einige von ihnen aufzufangen. Als Kind hatte ich das schon immer gemacht und jetzt als Erwachsene, konnte ich es auch nicht lassen.

Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen und die Straßenlaternen und die Beleuchtung der Häuser tauchten die Dorfstraße in goldenes, warmes Licht. Wie ich diese Zeit doch liebte.

Zu Hause angekommen, konnte ich mir erstmal den Schnee von den Schuhen klopfen. Bevor ich allerdings richtig eintrat, stand schon meine Mutter vor mir und hielt mir ein paar Papiere entgegen.

„Hast du schon gesehen Nina?“

„Äh, nein?! Falls es keinen aufgefallen sein sollte, ich war den ganzen Tag bei Daniel im Laden.“

„Stimmt, das ganze Dorf hat sich über deine Backkünste unterhalten. Sie sind begeistert. Aber nun schau dir mal das Fax an, was heute gekommen ist.“

Ich nahm die Blätter und meine Mutter half mir unterdessen aus dem Mantel heraus.

Auflösungsvertrag, bla, bla, zum 01. Dezember, bla, bla, Abfindungssumme 25000 Euro, bla, bla. Moment, Abfindungssumme 25000 Euro? Fünfundzwanzigtausend Euro?

„Wow, ich fasse es nicht. Wie geil ist das denn?“

„Ich mag zwar das Wort geil nicht“, fuhr meine Mutter dazwischen, „aber es ist wirklich großartig. Mit dem Geld kannst du sicher etwas anfangen.“

Oh ja, das konnte ich. Erstmal hatte ich Daniel versprochen, bei ihm zu arbeiten. Aber im neuen Jahr wollte ich schauen, wie und wo ich mein Café realisieren konnte. Das Startkapital hatte mir gerade Jans Vater beschert!

Mit Anlauf nach Berghimmel

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