Читать книгу Tagebuch eines bösen Buben - Metta Victoria Fuller Victor - Страница 4
Die Photographien
ОглавлениеIch bin beina eine Woche zu krank gewesn, um in mein Tagbuch zu schreibn. Ich wahr krank, weil ich mich ertrenkt hab un weil ich aus den Bed aufgeschtandn bin, wi ich schwitzig war. Doktor Moor war zweimal jedn Tag bei mir. Er wahr so gut zu mir, das es mir leid tut, ich hab ihm damals so erschreckt. Ich herte heit früh Elsbett zu Lil sagn, sie ist froh, das ich krank bin un sie hofft, das ich mindestens ein Monath krank sein werd, damit ein bischen Fridn im haus is. Ich mechte nur wissn, warum Medchen ihre kleine Brider nich gern haben. Ich bin doch wirklich gut zu Beß. Wenn ich gesund bin geh ich zweimal in Tag zur Post fir ihr. Ich hab im ganzn nich mehr als drei Brife fir ihr verlorn. Famohs! Bin ich froh, das sie's nich weiß!
Heute nachmittag wahr mir schon so gut, das ich aufschtehn wollte un wi Betti mitn Nachmahl kam, kroch ich aus dem Bed un ferschteckte mich hinter der Thir. Ich hadte Mammas Schahl um un wie sie hereinkam, schprang ich herfor un bellte wi wenn ich ein großer schwarzer Hund wer — un dise unforsichge Persohn leßt die Tasse auf der Erde falln. So eine Bescheerung! Di Porzlanschale gebrochn, die Suppe aufn Teppich ferschidtet un die ganze Familje kam heraufgelaufn, weil sie so schrie, wi wenn das Haus in Feier wer. Ich wußte nicht, das Betti so eine Gans is. Alle scholtn sie mich — das tun sie immer. Ich glaube, wenn ich gesund bin, werd ich dafonlaufn un ein Biffljeger wern oder auf ein Schiff gehn. So is ein Junge nie behandlt worn — so ungerech.
Heut erlaubtn sie mir in der Decke eingewiklt im Lehnschtuhl zu sitzn. Aber das wahr mir bald fad, so bat ich Betti mir ein Glas Eiswasser zu holn um meinem Durscht zu leschn un wi sie draußn war, tummlte ich mich un lif weg in Lils Zimmer heniber um mir alle di Fotografin fon di hibschn junge Menner anzuschaun, die sie in der Lade hat. Die Medchen warn alle im Sallohn druntn, weil Fräuln Miller zu Besuch da wahr. Betti kam mich suchn aber ich verschteckte mich im Kabenett hinter einen altn Reifrock. Wi sie weg wahr kam ich wider hervor un unterhilt mich wirklich sehr gut. Einige fon di Fotografin warn rickwerts beschribn, wi zum Beischpil: »Eingebildeter Narr!« »Oh wi siß!« »Er wollte, ich nich!« »Ein herziger Schatz!« »Was fir ein Mund!« »Portreht eines Affn!«
Zwei Dutzn dafon, welche ich kannte, schteckte ich ein, um ein bischen Schpaß zu habn, wenn ich gesund bin. Ich machte die Lade wider zu, sodas Susann nich merkt, das ich sie genommen hab. Mir wahr, als ob ich nimmer in das heßliche Zimmer zurickgehn kennt, so fad war es mir schon un ich dachte ich kann mir hir die Zeit fertreibn un schpiln, ich bin ein junges Medchen. So zog ich also Susis altes Kideparih an un einem Unterrok mit einen langen Schlepp' un ihr blauseidnes Kleid, nur war es nich groß genug um der Taillje. In der Lade fand ich ein paar kleine Lockn die machte ich mir auf der Schtirn mit Gummirabi fest un dann sah ich etwas rotes in einer Schale un ferbte mir die Wangen damit. Wi ich fertig wahr, rutschte ich am Treppngelender hinunter un plumpste grad auf Fräuln Miller, di sich fon meine Schwestern empfehln wollte. So ein Geschrei, das sie machtn!
»Mein bestes blauseidnes, du Teufl fon einen Jungen!« sagte Su.
Fräuln Miller drehte mich zum Licht un sagte so siß wi Honig: »Woher has du nur di hibschn rotn Wangen, Schorschi?« Susann machte mir ein Zeichn, aber ich ferschtand sie nich.
»Ich fand etwas rotes in Susanns Lade,« sagte ich un sie lechlte so recht hemisch un sagte: »Oh!«
Meine Schwester sagt, sie is eine greßliche Schwetzerin un wird in der ganzn Schtatt erzehln, daß sie sich schminkn was gar nich wahr is weil die Schale zufellig dort wahr um Rosn auf Kartnpapir zu machn, un das is nichs schlechtes.
Ich blib in Susanns Kleid hengen, wi ich die Schtige henauf gehn wollte un riß dem Vorderteil mittndurch. Sie war so ergerlich, daß sie mich orfeigte.
»Aha Susi,« sagte ich zu mir, »du weißt nichs fon die Fotografin die ich aus deiner Lade genommen hab!«
Manche Leite glaubn kleine Jungen habn nur Ohrn um sie zu orfeign — meine Schwestern wengstens tuns. Wenn sie nur wißtn was fir finstere und deßprahte Gedankn kleine Jungen habn, mechtn sie sorgsamer mit ihnen umgehn — es regt sie auf, wi wenn man mitn Schtock in der Kotlake herumrihrt.
Ich gab nach — aber warte nur bis morgn! Heut lißn sie mich zum Frühschtick henunter kommen. Ich hadte alle dise Bilder in meine Taschn geschteckt un wi ich aufpasse das ich unbemerk wegschleichn kann, sagt Lily: »Was macht denn deine Taschn so herausschtehn?«
»Oh ferschidnes!« sagte ich, und sie lachte.
»Ich hab geglaubt, du hast filleich Bicher und Kleider eingeschteckt un willst weglaufn un ein indjanischer Heiptling wern,« sagte sie.
Ich ferried nichs, sondern sagte: »Ich will in den Hinterhof gehn un ein bischen schpiln.«
Gut, ich lif also in der Schtadt henunter un hadte einem prachfolln Schpaß. Ich ging zu alle Orgenahle fon die Fotografin.
»Halloh Schorschi! Wider gesund?« sagte der erster zu den ich ging.
Oh du mein Gott! Wenn ich groß genug bin wird mein Schnurbart nich so aufgewikst sein wi seiner, hoff ich. Er is in einen Ladn un ich bettelte ihm, mir eine hibsche Krawatte zu schenken un wi er fragte: »Sin deine Schwestern gesund?« fischte ich seine Fotografih heraus un gab sie ihm.
Es war die mit »Eingebildeter Narr!« auf dem Rickn geschribn. Die Medchen hadten seinen Schnurbart doplt solang ausgezogn un ihm iber das ganze Gesicht lachn gemacht. Er wurde so rot wi Feier un dann schrie er zu mir: »Wer hat das getan, du Nichsnutz?«
»Ich glaube die Geschpenster,« sagte ich so erns wi eine Nachteile un machte das ich fortkam, weil er auschaute wi wenn gleich das Gewidter losgehn mecht.
Der nechster Platz, wo ich hin kam, wahr eine Matrjahlwarnhandlung wo ein andrer junger Mann wahr. Er hadte rotes Haar un Sommerschprossen aber er schien sich selbs fir einer Schönheit zu haltn.
Ich sagte: »Halloh Peters! Gutn Morgn!«
Er sagte: »Ich winsch ebnfalls, Schorschi. Iß du Rosinen gern? Da, nimm dir.«
Jungen, die drei hibsche Schwestern habn, gehts iberall gut, bemerke ich. Ich nahm mir eine große Hanfoll Rosinen un ein par Nisse un setzte mich zum essn auf den Ladntisch, bis ich auf einmal, wi wenn mirs grad einfalln mecht, in der Tasche greif, seine Fotografih henausnehm, drauf schiele un sage: »Das siht aber ganz so aus wie sie, sag ich!«
»Laß sehn!« sagte er.
Ich wollte ers lang nich un dann gab ich sie ihm. Die Medchen hadtn Sommerschprossn iber das ganze Gesicht gemacht. Das wahr die, bei welcher sie auf dem Rickn geschribn hatn »Er wollte, ich nich«. Sie hadtn sein Haar so rot angemahlt wi einen Hahnenkamm. Er wurde ganz bleich, wi er es in der Näe sah.
»Das is eine brennende Schande,« sagte ich, »fir dise Damen, sich so iber ihre Ferehrer lustig zu machn.«
»Schau das du fortkommst!« sagte Peters.
Ich packte noch schnell ein Bindl Rosinen und ferschwand ruig. Er wahr withend! Herr Hofmann is ein Avokat un hat ein Bihro auf den Platz bein Gerichtshaus. Ich kenn ihm sehr gut, weil er offt zu uns kommt. Er is ein greßlich komischer Mensch un so schteif, man mechte glaubn, er schaut ob der Mond aus grinen Käs gemacht is, wi di Leite sagn, weil er so in der Luft guckt. Er hat eine tife, tife Schtimme beina bis in seine Schtifl henunter. Das Hertz schlug mir wi ich hinkam, so firchtete ich mich. Aber ich wollte den Schpaß doch bis zuend sehn un so fragte ich ihm: »Is das Wunderthir heite ausgeschtellt?«
»Was meins du?« fragte er un schaute auf mir henunter.
»Susann sagte, wenn ich ins Bihro fon Herrn Hofmann geh, so kann ich sehn wofon das das Bild is,« sag ich un gib ihm seine eigne Fotografih beschribn mit »Das große Wunderthir«. Es is greßlich schpaßig, die Gesichter der Leite zu sehn, wenn sie ihre eigne Fotografihn anschaun. In einen Nuh hob er dem Fuß auf, aber ich wich ihm noch grad zurecht aus. Ich herte ihm etwas brummen wi »anzeign wegn Beleidegung«. Ich glaube er sollte sie liber wegn effentlicher Gewalttetigkeit anzeign, weil sie mich immer orfeigt. Ich winschte sie mecht eingeschperrt wern, da gescheh ihr recht.
Wenn ich noch lenger schreib, so komm ich nich for Mitternach ins Bed. Ich muß schon gehnen wie in schterbender Fisch. So, lebwohl mein Tagbuch, bis nechstesmahl. Die Bilder hab ich alle noch formittag zurickgegebn. Ich glaube, das wird einen Schpektakl gebn. Ich muß beina zerplatzn for lachn, wenn ich an dem Menschn denk dem ich »Das Portreht eines Affn« zurickgegebn hab. Er schaute so wunderlich aus. Ich glaube er weinte. Wi ich zum Essn nachaus kam, queltn sie Mamma grad, ihnen zu erlaubn, nechste Woche Gesellschaft zu gebn. Ich glaube nich, das einer fon die junge Menner kommen wird, die Medchen werdn auf ihnen ferzichtn missn. Mir ligt garnix dran. Was nehmen sie sich solche Freiheitn mit meine Ohrn heraus, wenn sie wolln, ich soll gut zu ihnen sein.
P. S. Ich wette die Ohrn klingen ihnen heite wi mir noch nie.