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Die Flucht

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Inhaltsverzeichnis


Ich hab letztn Abens zimlich kurz abgebrochn, weil eine Maus in meinen Schlafzimmer kam un ich fersuchte sie zu fangen. Ich zerbrach mein Lawor wi ich einen Schu auf ihr hinschmis. Aber die Maus erwischte ich nich.

Also gut, der Bremser un ich unterhiltn uns sehr gut. Ich erzehlte ihm fon meine Schwestern, fon Tante Betsey un fon allen. Es tat ihm leid um mir; er wollte kein Geld fon mir fir der Fart nehmen. Er sagte wi er in meinen Alter war bekam er jedn Abens reglmeßig Prigl un ich soll mich nur dran gewehnen un mir nix draus machn.

»Der Frosch gewehnt sich dran geschundn zu wern,« sagte er, »hindre nur die Ferlobungen deiner Schwestern nich, wenns dir meglich is; Ferehrer sin heuer rar. Der Krig in Europa hat unter die Menner aufgereimt.«

Den Bremser werd ich bis zu meinen Todestag libhabn, er war so gut zu mir. Es war filleich nein Uhr formittag wi wir zu den Platz kamen, wo ich ausschteign wollte; wir schittltn uns noch die Hende un sagtn Adjeh, wi wenn wir schon alte Freunde wern. Ich glaube ich wers aufgebn Biffljeger zu wern un liber Bremser sein, wenn ich groß bin. So ein famohses Lebn! Man kann ganz umsons fahrn sofiel man will.

Bei den Deppoh warn ein par Jungen, die sehr erschtaunt wahrn, mich aus den Lastzug ausschteign zu sehn. Sie schtelltn sich mir for und ich dachte ich kennte noch ein bischen schpiln, befor ich Tante Betsey sage, das ich hergekommen bin, um bei ihr zu bleibn.


Ich fand aber, das es sehr schlechte godtlose Jungen warn, die gar keine Erziung hadtn. Sie nahmen mir meine Schparkassa weg zerrissn mir mein neus Gewand un warfn mit Schmuz, so das ich mich nich anschaun lassn konnte. Ich dachte an etwas, das in einen Buch fon mir schteht: »Nimm dich for fremde Hunde inach!«

Es war schon Midtag wi ich zu Tante Betsey kam. Ich hatte nich bemerkt das ich hungrig wahr bis ich die gebackenen Pastehtchen roch. Sie aß ganz allein zu Midtag, wi ich herein kam.

»Großer Godt! Schorschi Hacker!« schri si un liß ihr Messer so fest aufn Teller falln, das ein Stick fom Rand herausbrach. »Woher komms du? Was ist mit deinen Gewand geschehn? Wer hat dir das Gesicht so zerkratzt? Das ist doch —!«

»Tante Betsey,« sagte ich, »ich will nich lügn, ich bin dafongelaufn.«

»Dafongelaufn! Dafongelaufn fon deinen libn Heim, fon deinen gutn Papa, deiner theiern Mamma, deinen brafen Schwe—«

Hir herte sie pletzlich auf, wi wenn ihr was im Hals schteckn geblibn wer. Sie erinnerte sich gewiß, wie sie sie nich zur Gesellschaff habn wolltn.


»Ich wundre mich nich,« sagte sie dann, »dise Medchen sin genug, um jedermann aus dem Haus zu treibn. Erzehl mir alles, mein armes Kind!«

Ich erklehrte ihr also die ganze Geschichte. Ich sagte ihr auch, das mir das Hertz blutet, das ich sie damals bei uns so bös gemacht hab. Wi ich ihr fon die Fotografihn erzehlte, glänztn ihre Augn, so erfreut wahr sie, das meine Schwestern in der Patsche warn.

»Es wahr nich recht fon dir, Schorschi,« sagte sie, »aber Bubn bleibn nun eimal Bubn. Es freut mich, das du zu mir gekommen bist. Geh nur hinaus in der Kiche un wasche dich und dann komm schnell zurick sonst wern die Hihnchen kalt.«

»Versprichs du mir, Tante, ihnen nich zu schreibn, wo ich bin?«

»Wenn sies nich erfahrn, bis ichs ihnen schreib,« sagte sie kurz, »wirst du bei mir bleibn, bis du groß bist.«

Man siht sie hadte einem Haß auf meine Leite, weil ich ihr erzehlt hadte, daß sie sie nich zur Gesellschaff wolltn. Sie schtopfte mich so foll, das ich schon bein dridtn Schtick Pastehte nich mehr weiter konnte un besserte mir meine Jacke aus un wahr so gut zu mir als man nur sein kann.


Lange for fier Uhr kam fon Papa ein Tellergramm: »Ist Schorschi dort?«

Tante tellergrafiert zurick: »Was meins du?«

So wußtn sie also nich ob ich war oder nich.

Ich habe fergessen zu sagn, das ich mein Tagbuch mitgebracht hadte in mein Taschntuch eingebundn un ein reines Hemd un ein par Schtrümpfe.

Es war Tante Betseys Lawor das ich zerbrach, wi ich das Mäuschen fangen wollte. Es wahr aus so schpaßgen blauen Porzllan — das Lawor, nich das Mäuschen — un Tante wahr sehr bös. Ich firchtete sie wird mich deswegn nachaus schickn.


Ich bin nun schon 2 Tag hir, sie behelt mich nur um meine Leite zu ergern, aber oh! sie laßt mich arbeitn, wi ein Schklafe. Es wird mir schon zu fad. Ich muß Schnitzl aufklaubn un sogar die Fisoln aufbindn — eine waare Schande! bei uns zuhaus macht das die Kechinn. Sie leßt mich nich mit die andern Jungen schpiln. Zwei mahl hab ich mich schon zum Deppoh geschlichn um den Bremser zu suchn, er soll mich mit zuricknehmen. Er wird es tun, das weiß ich sicher. Heimweh is etwas schreckliches.


Fier lange, lange Tage un Nechte! Wi langsam die Zeit kricht, wi eine Schneke! Ich bin deschpart, kein Geld, keine Freinde un keine Gelegnheit den Bremser zu sehn. Heut hab ich zwelf Virtl Heidlbeern klaubn missen un mein Schtolz fertragt eine solche Ernidregung nich.

Oh kennt ich noch eimal die Heimath meiner Kindheit sehn ich were ein brafer Junge! Umsons sin dise traurige Gedankn! Warte! — Hurrah! Ich hab eine Ideh! Ich wills nich in mein Tagbuch schreibn, weil ich glaube das Tante Betsey es list wenn ich nich zuhaus bin.


Oh glicklicher Junge! Wider zuhause! Trenen ferdunkln meine Augn, wenn ich an die Ssene denk, wi mein Fater mich in Triumf nachaus brachte. Meine Mutter schluchste, meine Schwester kißtn mich, selbs di Kechin weinte un Betti hilt sich die Schirze for die Augn. Die ganze Schtadt hat solches Aufsehns fon mir gemacht als ob ich der armer Kaptehn Roß wer. Bein Deppoh warn eine große Menge Leite um mich zu erwartn. Nein so was! Papa wahr so zornig auf der Tante, das er kein Wort mit ihr redete, wi er mich holn kam, weil alle Leite sagtn ich muß tot oder geschtohln sein. Wi ich das Geld zum tellergrafihrn bekam, war so: sie schickte mich Heidlbeern klaubn zum einmachn, aber ich verkaufte sie un ging zum Deppoh un tellergrafihrte:

»Ich bin bei Tante Betsey — bitte, bitte, komm un hol mich nachaus. Dein Sohn Schorschi.«

Meine Schwestern sin greßlich libe Medchen. Ich will nie, nie wider so lang ich leb etwas thun, was sie ergert. Ich bin fest beschlossn den Fater unsres Lands zum Forbild zu nehmen und wenn ich groß wer, ein berihmter un guter Mensch zu sein.


Der neuer Predger kam heut Abens zu uns zum Tee. Er heißt Ehrwirdn Nebnezer Slokum. Er is 26 Jar alt wi er selbs gesagt hat. Er is bleich tregt weiße Fatermerder un hat Medchen un Zuckerbeckerein sehr gern, wi ich bemerke. Er patschte mir aufn Kopf — ich kann es nich ausschtehn am Kopf gepatscht zu wern, das paßt fir Jungen fon drei oder fier. Ich denke er macht sich angenehm zu Lil aber sie will ihm nich habn. Die einzge Sehle auf der Erde um die sich Lil kimmert is Montag de Jones. Heut formidtag trug ich ihm 1 Brif hin. Sie gab mir ein 10 Centschtick wenn ich ferschprech niemandn dafon zu sagn. Er schrib einen andern zurick un gab mir auch 10 Cent. Lil wartete in Hof, wi ich zurickkam. Sie schtekte dem Brif schnell in der Tasche un lif henauf. Was hat das zu bedeitn?


Nach den Tee gingn wir alle im Sallohn. Herr Slokum fragte mich ob ich gern Gummizuckerl esse, weil ich grad eins in den Mund schteckte. Wir warn allein bein Fenster. Ich sagte ja un das ich mir immer kaufe, wenn Herr de Jones mir Geld gibt, weil ich ihm einen Brif fon meiner Schwester Lil gebracht hab. Was machte ihm nur so grin im Gesicht wi ich das sagte? Un dann fragte er, wi oft ich mir kaufe un ich sagte, jedn Tag. Er seifzte ein bischen, wi wenn er zufil gegessn hädt un bald darauf sagte er, er muß nachaus gehn un eine Predig schreibn.

Oh Gott! So etwas! Eimal schimpftn sie nich auf dem armen Schorschi un prigltn ihm nich un schicktn ihn nich bei hellen Licht zubed. Pa sagt er wird mir nechste Woche ein Welozipeh kaufn. Es scheint ich hab mich sehr nitzlich gemacht wenn ich auch erst 8 Jar alt bin. Letztn abens, wi ich in mein Tagbuch geschribn hadte un nich ein bischen schlefrig war ging ich in Lilys Zimmer um mir eine fon ihre Umhilln zu nehmen um Betti zu erschrekn, da fihlte ich auf eimal etwas in der Tasche, was ein Brif wahr, den ich las. Es schtand drin: »Der Wagn wird heut Abens neun Uhr an der Ecke wartn — schleiche forsichtig henaus, alles wird gut gehn. Laß mich nich fergebns wartn, theierste Lil.«

»Was is das?« sagte ich. »Es is beina neun. Ich will hingehn un zuschaun.«

Ich hengte die Umhille zurick in dem Kastn, kroch iber der hintere Treppe und kam auf der Gasse. Ich ferschteckte mich hinter ein Faß mit Asche. Richtig schtand mein Wagn an der Ecke. Eine Menute schpeter kam meine Schwester Lil im Regnmantl mit einen Bündl in der Hand. Herr de Jones schprang aus den Wagn, half ihr henein, schlug die Thir zu und fort warn sie. Der Kutscher haute auf die Ferde, wi wenn es hinter ihm brennte.


Ich lif so schnell ich nur konnte zuhaus, platzte henein wo die Leite saßn un schnappte: »Ihr thetet besser, euch zu beeiln, wenn ihr sie noch erwischen wollt. Ich glaube man sollte dem Kutscher einschperrn, weil er die Ferde so priglt.«

»Wofon sprichs du?« sagte Mamma.

»Oh nichs. Nur Lil ist mit ihm in einen Wagn dafongelaufn. Sie gehn nach Platville um sich traun zu lassn. Ich hab sie wegfahrn gesehn.«

Dann sagte Papa etwas sehr schlechtes. Elsbett lif henauf in Lils Zimmer, um zu sehn ob ich die Wahrheit gesagt hab. Ich wurde zubett gejagt wi immer wenns einen Schpaß gibt, un wi ich heut aufkomm un zum Frühschtick henuntergeh war meine libe Lil wider mit den andern bein Tisch un nach den Frühschtick sagte sie zu mir: »Oh Schorschi, wi konntes du uns nur ferratn!« und fengt auf eimal laut zu weinen an.

Ich winsche, ich hedts nich getan.

Tagebuch eines bösen Buben

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