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Die Gesellschaft

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Inhaltsverzeichnis

Oh Godt! Oh Godt! Was fir eine Welt is das! Kleine Jungen sin zum Ferdruß geborn, wi di Funkn zum in der Heh flign. Es is iber einer Woche seit ich das Herz gehabt hab in mein Tagbuch zu schreibn. Armes Tagbuch! Du Zeige meines gebrochenen Herzns, zu dir komme ich um Trohst. Auf deine Bletter will ich mein Leid aufschreibn. Es schmerzt mich noch jetz, grad auf den Sessl zu sitzn, aber deinetwegn will ichs zu ertragn suchn.


Es kommt alles fon den Tag her, wo ich den Menschn ihre Fotografihn zurickbrachte. Die Medchen queltn also die Mamma grad, eine Gesellschaff zu gebn un Mamma ferschprach es ihnen enlich, sodas sie sehr lustig wahrn un anfingn die Liste von denen herauszuschreibn, die sie einladn wolltn. Sie wahrn alle drei so ämsig wi Bihnen und ich war ganz braf un saß auf einen Sessl un herte ruig zu weil ich so mid wahr, wi es auf eimal klinglt un nimand andrer hereinkommt als Tante Betsey die in Hoppertown wohnt un uns zweimal in Jar besucht. Meine Schwestern warn ganz außer sich, weil sie wußtn, das sie eine Woche dableibt un bei der Gesellschaff sein wird. Lily machte ein böses Gesicht wi sie es herte.

»Heßliche alte Persohn,« sagte sie, »immer kommt sie zur ungelegestn Zeit.«

»Sie bleibt sicher hir,« sagte Elsbett, »wenn sie dafon hert, un wird wider ihr altes grines Seidnkleid tragn mit den gelbn Kopfputz un ihre lila gewirkte Handschuhe.«


»Sie wird uns greßlich langweiln,« sagte Susann. Ich glaube Tante Betsey is reich, aber so altmodisch, das man glaubn mechte, si is grad aus der Arche gekommen mit die Thire zu zwei un zwei nur Tante Betsey muß allein gehn weil sie eine alte Jungfer is. Wi ich also herte, das sie hofftn sie wird nich zur Gesellschaff bleibn, hoffte ich es wirklich auch. Um die Wahrheit zu sagn, ich hadte ein schlechtes Gewissn wegn dise Fotografihn di ich aus Rache zurickgegebn hab. Oh es is schrecklich ein schlechtes Gewissn zu habn, es wägt wi Blei. Ich winsche ich hedte es nich getan aber es nitzt nichs um fergossener Milch zu weinen un so hab ich beschlossn etwas fir meine Schwestern zu tun, um es gut zu machn.

Nach dem Tee wahr ich allein mit der Tante im Vorsaal un sagte zu ihr: »Tante, mechst du meine Schwestern gern glicklich machn?«

»Was meins du?« fragte sie.

»Weil, wenn du wolltest,« sag ich, »bitte fahr nachaus befor Gesellschaff is. Sie wolln dich den Abend nich hir habn. Ich herte sie so sagn. Erzehl aber nich das ich dirs gesagt hab, Tante, sondern fahr nur ruig nachaus den Tag for nechstn Donnerstag un ich wer dir mein Lebnlang dankbar sein.«

Ich glaube es wahr nich schön fon ihr, zornig zu wern, wenn ich so heflich zu ihr redete — un ganz gemein war es, gleich heneinzulaufn um es zu erzehln, wenn ich sie ausdriklich gebetn hadte, es nich zu ferratn, was sie aber tat so schnell sie nur konnte, un den nechstn Tag wahr sie auf und davon un sagte sie wird uns nie un nie un nimmermehr besuchn.

Aber das is noch nich alles. Es scheint mein Papa hadte Geld fon ihr ausgeborgt, weil die Zeitn so schlecht sin un sie machte ihm Forwirfe, das er Gesellschaffn mit ausgeborgten Geld gibt. Der ganzer Zorn fon alle fiel auf mir armen 8 Jar altn Jungen. Un noch was andres fiel auf mir. Ich will dir nich di Schande antun, libes Tagbuch un heneinschreibn, was, es is genug wenn ich sag das sie das Kind ferdorbn habn, obwohl sie dem Schtock nich schpartn. Betti bedauerte mich un machte mir ein weiches Kissn aus einen altn Polster. Ich will nich ausgehn, damit die Jungen nich merkn es is was passihrt — die Zeit fergeht greßlich langsam. Ich mechte mir nichs draus machn Robinson zu sein. Wenn ich eimal groß wer, un einen kleinen Jungen hab, ich wer ihm nich so behandln. Ich mechte ihm nich beschtrafn fir etwas, was er gar nich tun wollte, sondern ihm dreimal in Tag mit Schaumkuchn fittern un seine eltern Schwestern nich so grob zu ihm schprechn lassn, als wer er ein Monstrem.


Die ganze Zeit war ich nich ruig wegn die Fotografihn. Ich glaubte jedn Augnblick, es muß herauskommen, was ich angeschtellt hab. Ein Tag nach den andern ferging, enlich kam der Gesellschaffsabend. Betti zog mir mein neies Gewand an, band mir meine schönste Krawatte um un schittete mir einen Liter parfehm auf mein Taschntuch, meine Schwestern predigtn mir eine halbe Schtunde, wi ich mich benemen muß wenn ich nich zubett geschikt wern will un lissn mich enlich in Sallohn kommen. Das ganze Haus war beleichtet, iberall warn Bukehs un ein Mann war da zum Klawirschpiln. Der Mund wesserte mir, wenn ich an dem Gefrornen dachte un den Kuchn, die Oranschen und das Scheleh, die Hihner un belegte Butterbröder die in Schpeißzimmer warn. Die Medchen schautn greßlich hibsch aus, in Weiße Kleider, die Loknwikl herausgenommen, die Augn hell un Blumen im Haar.


Die Gesellschaff kam an. Alle die jungen nobln Damen aus den Ort die zu uns kommen flegn, kamen — die Uhr schlug nein — der einzger Herr der da war, war Doktor Moor, der Susann heiratn wird. Meine Schwestern fingn an unruig auszuschaun. Ich zidterte in meine Schue.

Der Kerl bei den Peano schpilte un schpilte. Ein par fon die Medchen faßten sich um der Taillje und walztn herum aber es schin ihnen nich sehr zu gefalln. Die Uhr schlug halb zehn!!!

Oh wi mein schlechtes Gewissn mich henunterdrickte! Ich sagte zu mir selbs: »Die Bombe is geladn, die Lunte angeschteckt, jetz kann sie platzn!«

Die Geste fingen zu wispern an un meine Schwestern schautn aus als ob sie sich am libstn in ein Mausloch ferkrichn wolltn. Dann klinglte es auf eimal draußen sehr laut — alle Gesichter glentzn, aber es wahr nur Betti, die eine Karte brachte un sie meinen Schwestern gab. Es war aber keine »Absage« nur eine Fotografih, die sie beschribn hadtn un die in ihrer Schreibtischlade zu sein flegte. Die Glocke klinglte nocheimal — noch eine Foto! Na, die Ssene!


Die Glocke klinglte noch zwanzigmal un jedesmal wahr es eine andere un noch eine un noch eine.

Zuletz kamen zwei junge Menner. Ich wußte augnblicklich warum sie kamen. Auf ihre Kartn war geschribn: »Oh du herziger Junge« un »Zu schön, zu prechtig, um zu dauern!«

Der wahr in einen Schuhgeschefft aber er ferschtand dem Witz nich.

Sie tanzten ein par Lanzjehs mit drei Herrn un finf Damen.

Fräulein Hopkins kicherte die ganze Zeit un meine Schwester weinte beina. Das Nachtessn war ausgezeichnet, aber ich wußte die Gesellschaff wahr ferdorbn. Ich fihlte mich so unruig, das ich bei der finften Tasse Gefrornes aufhern mußte.

»Wenn ich wißte, wer es getan hat,« herte ich Susi zum Dokter sagn, »ich könnte ihn ermordn! Un ich wirde es auch! Ein gemeiner, feigherziger ränkischer Scherz! Ich hasse solche Scherze! Sie sind nun alle böse auf uns. Wir kennen es nie mehr gutmachn. Wir werdn in einer andre Schtadt zihn missn. Ich werd es nie mehr wagn, mich auf der Schtraße zu zeign. Ich winsche ich kennte herausfindn, wer es tat!«

»Filleich kann Schorschi hir uns Auskunff gebn,« sagte der Dokter un schaute mir scharff ins Gesicht.


»Oh nein,« sagte ich. »Hechstens wars Hektor. Ich hab ihm ein par Fotografihn zum kaun gegebn, filleich hat er sie auf der Schtraße falln lassn.«

»Dann hadtest du sie also?!« sagte sie ganz heftig. Das Unglick war geschehn. Ich lif dafon un legte mich schlafn. Ich wollte nich dabei sein, wi di Leite weggingn. Ich lag un denkte un denkte lange Zeit. Ich wußte, das mich jetz wider Prigl erwartn. Ich habe mich noch nich fon die Wirkungen der forign erholt. Mir schin als kennte ich die harte Prifung nich iberschtehn die mich in der Frih erwartet. Ich konnte keinem Momment schlafn. Ich war entschlossn fortzurennen. Tante Betsey wohnte nur finfzig Meiln per Bahn fon unsern Ort. Ich wahr einmal dort. Ich hadte zwei Doller in meiner Schparkasse. Der Mond schin so hell wi Tag. Ich schtand auf, un zog mich an, nahm meine Schparkasse kroch die Schtige henunter so leise wi eine Maus, machte mir die Thir auf un war draußn.

Ich lif so schnell ich nur konnte zum Deppoh. Es wurde schon hell. Ein Lastzug schtand auf der Weiche un blis Dampf aus. Ich paßte di Gelegenheit ab un kroch in einem leern Wagn.

Zimlich bald klinglte es — wir warn am Weg!

»Lebt wol meine Freinde!« sagte ich. »Ihr werdet euch nich mehr mit disn bösn Jungen ergern. Er geht un wird sich duckn, bis der Sturm voriber is!«

Dann machte mich das Wackln fon den Wagohn sehr schlefrig un ich dachte, ich will ein bischen schlafn un ich werde morgn erzehln, wi ich aufwachte.


»Wer is das?« fragte eine raue Schtimme.

»Ich bins, der kleiner Schorschi,« sagte ich. »Ich will meine Fart bezahln. Hir is meine Schparkasse mit zwei Doller drin, nehmen sie sich henaus wifil sie bekommen.«

Ein großer Mann mit einer Laterne schaute mir sehr erns an.

»Wi komms du da herein?« fragte er.

»Ich lief fon zuhaus weg, weil ich immer etwas anschtell. Ich sollte gepriglt werdn, weil ich den jungen Leitn di Fotografihn zurickgegebn hab, auf di meine Schwestern geschribn hadtn. Sind sie der Bremser?«

»Natirlich!« sagt er un lacht. »Wo wills du auschteign?«


»Hoppertown,« sag ich. »Un ich glaub ich wer dortbleibn bis ich groß bin, weil sons meine Schwestern alle als alte Jungffern schterbn.«

Der Bremser war sehr freinlich un setzte sich mir gegniber un sagte das ich ihm erzehlen soll. Wir unterhiltn uns gans gut un er erklärte mir alles am Wagn. Ich glaube, ich mechte auch Bremser wern wenn ich groß bin.


Tagebuch eines bösen Buben

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