Читать книгу Tagebuch eines bösen Buben - Metta Victoria Fuller Victor - Страница 8
Unter dem Tisch
ОглавлениеIch weiß nich warum Susann immer so eilt, wenn die Post kommt. Man kennte glaubn sie mecht schterbn, wenn sie ihre Brife nich finf Menutn, nachdem die Post kommt ferschlungen hat. Ich muß aufhern Kugl zu spiln oder was ich grad tu, un direk zur Post hin gehn — es leg mir ja nix dran, wenn sie mir nur ein Schpil ferdorbn hedt, aber sie hat mir wengstens 3 hundert ferpatzt.
Ich kann dise Post nicht auschtehn. Heut schikte sie mich wider, wi gewehnlich. Ich war in große Eile; ich hadte Tommi Tilden ferschprochn hinter der Scheune fon seinen Fater zu kommen um ihm das Taschnmesser abzukaufn, das ihm sein Onkl Ben bein Wegfahrn geschenkt hadte un ich firchtete er mechte es einen andern Jungen ferkaufn. Weil also nur 1 Brif fir Susann da wahr, un noch dazu nich eimal fil drinschtehn konnte, so ein kleiner rosafarbner war es, dachte ich, ich kann ihm lesn un wenn er nich sehr wichtig is, wegwerfn un mich nich noch damit ergern, das ich deswegn zuhaus laufn muß.
Der Postmeister un ein par andre Kerle lachtn wi si sahn das ich ihm aufriß. So einen Brif hab ich noch nie gesehn; die Seitn warn klein aber ganz klein follgeschribn un dann noch driber geschribn un die Eckn auch noch follgeschmirt. Ich wollte die Zeit nich mit solchn Unsinn lesn ferbringen un gab ihm den Postmeister zurick zum aufhebn, bis jemand fon unsre Leit kommt ihn zu holn. Un jetz is wider der Schpetakl fertig.
Wie gewehnlich bin ich wider schuld. Un grad nur, weil der Postmeister eine sehr alte Schwester hat di so neigirig wahr den Brif zu lesn un das Medchen, die ihm geschribn hadte, fragte Susann aus Schpaß: »Sin dise Fleschchen Haarfarbe, die mit der Post kommen, wirklich fir Fräuln Hornbleser?«
Das is seine Schwester.
Sie wahr so wild wi eine Humml und ferplauschte sich das sie den Brif gelesen hadte un so ein Schkandal war noch nich da. Sie is bös auf Susann. Susann is bös auf sie, un beide sin bös auf mich. Medchen sin immer bös aufeinand, wegn irgend was. Ich glaub schon gar nich mehr, das ich noch ein brafer Jung wern kann. Ich wer greßlich froh sein, wenn ich einmal groß bin.
Ich glaube aber nich das ich eimal heiratn wer.
Jungen die Schwestern habn, wissn fiel zu fiel. Diese Medchen, welche schpet am Nachmittag in Sallohn henunterkommen sin nich diselbn die ich immer obn in ihrn Zimmer sehe, eingewiklt in ihre Frisihrmentl, die par Haare rikwerts am Kopf zu einen Knotn zusammgewiklt un di Haarwikl herausschtehn wie Herner, wenn sie sich das Gesicht mit Budtermilch waschn un mir schaffn ich soll ihnen die Zeitung heraufbringen.
Ich mechte nur wissen was sie mit alle dise Zeitungen machn? Kann sein sie machn sich ein Sammelbuch. Ich hab mir eins gemacht. Es is hibscher wi mein Tagbuch, foll fon schpaßge Sachn. Ich hab die Bilder zun heneinpickn aus Papas Bicher in der Biblotek herausgeschnidtn. Er weiß es aber noch nich. Die machn mein Sammelbuch greßlich hibsch. Man mechte lachn, wenn man eins siht, das ich gestern herausgeschnittn hab.
Es wahr ein Bub unter einen Tisch. Er zwikt den Ferehrer fon
seiner Schwester mit der Zuckerzange in Fuß un alle schpringen in der Hehe — so eine Beschehrung! Ich werd es auch machn. Morgn kommt Herr Prim zu uns zum Essn. Ich herte Papa zur Mamma sagn er wolle fersuchn ihm das Haus un Grundschtick in der Schmidtschtraße zu verkaufn. Er is so ein Schtock — grad der passenste es zu probihrn.
Die Kechin wahr schreklich widerlich, weil sie ein feines Midtagmahl herrichtn sollte. Sie wollte mir die Masche nich bindn un liß mich nich in der Kiche henein, wi die Sachn fertig warn. Un justament will ich in der Kiche sein du heßliches altes Ding! sagte ich. Ich schtellte mich, wi wenn ich henibergehn wollte zu Henschen aber ich tats nich un ferschtekte mich in der Schpeiskammer hinter der Thir. Zimlich bald kam sie herein mit so einer Woschingtn Torte di so gut sin wenn sie grad fertig sind lauter Krehm inwendig un lauter Schichtn fon Kuchn mit Krehm dazwischen bis obn henauf un sie schmiß sie aufn Tisch und brummte: »So will ich hoffn, das wird der gnä' Frau eimal recht sein.«
Dann ging sie henaus un ich blib ganz ruig wi eine Maus, bis sie draußn wahr. Unsre Schpeiskammer hat ein Fenster. Ich schtellte die Torte henaus auf dem Gesims, kledterte henaus, pakte sie un machte mich auf un dafon. Ich ferschtekte sie im Holzschupfn, holte Hansi un sie schmekte uns ausgezeichnet. Wi schon nichs mehr da war, wischte ich mir den Mund ab un ging in Sallohn, wo alle wahrn.
»Schorschi,« sagte Mamma so siß wie Zukker, »du kanns gehn un mit Hansi schpiln, bis wir gegessn habn.«
»Gut,« sagte ich.
Aber ich hadte andre Plähne. Ich kroch unter dem Tisch in Schpeiszimmer; das Tischtuch ging bis auf dem Fußboden un ferschtekte mich ganz. Ich hadte die Zukkerzange, ein Gabl un ein Bischl weiße Weintraubn di ich fon den Aufsatz genommen hadte un machte mirs bekwehm. Sie kamen herein un setztn sich nider un Herr Prim sagte das Tischgebet. Er hadte Schue an un so zwikte ich ihn leise in dem Knechl grad genug das er glaubn konnte eine Schpinne beißt ihm. Un wi er sagte: »Wir dankn dir, o Herr —« herte ich Susann kichern aber sie wußte nich weshalb er es so schpaßig sagte. Herr Prim is ein schreklich heflicher Mensch. Er hädte nich um der Welt untern Tisch gegriffn um zu schaun was es wahr, un ich kitzlte ihm, wi ein Insek, das henauf un henunter kricht — er bewegte seinen Fuß un zapplte, wi wenn er Sank Veitstantz hätte, aber er liß sich nichs dafon merkn. Das Midtagmahl dauerte greßlich lang, aber es lag mir nix dran, ich war nich hungrig, ich hadte zufil Torte gegessn. Dann herte ich die Medchen zu Mamma wispeln und dann sagte sie: »Ich bin in greßliche Ferlegnheit Herr Prim. Die Katze hat das Dessehr aufgefressn. Sie werdn sich mit den Gefrornen, Obst un Kaffeh begnign missn.«
Dann schprachn Papa un Herr Prim wegn den Haus miteinand. Er sagte er wolle es um den Preis nehmen un werend sie redtn sagte er auf einmal:
»Haltn sie Hunde?«
»Nur eine Dogge,« sagte Papa.
»Ich dachte es were einer untern Tisch,« sagte er.
»Oh nein,« sagte Papa.
»Winschen sie Kaffeh mit Sahne oder nur schwarz?« fragte Mamma.
»Ich bitte um schwarzen,« sagte er.
Er is schreklich anschtendig. Grad da pakte ich ihm mit der Zange bein Schihnbein un zwikte ihn tichtig hinein.
»Au! Au! Au!« schrie er un schprang auf.
Die Kaffehschale schmiß er auf die gleserne Tasse mit Eingemachtes, der Kaffeh war auf den Tischtuch ferschidtet, die Tasse, die Schale un der Teller wahrn zerbrochn — so was! Ich weiß ich wurde ganz blaß. Ich wollte ihm nich so fest zwikn aber das Mallehr war geschehn.
»Ich krig di Hundswut! O weh!« kreischte Herr Prim. »Ferdammter Hund! Schikn sie schnell um dem Dokter das er es herausschneidet. Mir hat immer geahnt, ich werd an der Wasserscheu schterbn un jetz bin ich gebissn — ich bin gebissn! Oh Godt, mein Fuß! Schikn sie schnell um den Dokter oder es is zu schpet! Oh wi schreklich an diser greßlichen Krankheit zugrund zu gehn, oh! oh! oh!«
Die Medchen schprangen alle auf Sessln un schrien. Ich winschte der Fußbodn mechte auseinand gehn un mich in dem Keller falln lassn, aber er tat es nich. Papa machte die Thir auf um den tolln Hund henauszujagn schtieg auch auf einen Sessl un schtocherte un schtocherte mit den Schtock untern Tisch un schrie: »Henaus mit dir, marsch!« bis er mid wahr.
Pletzlich kam ihm ein Gedankn, er schtig henunter hob das Tischtuch auf und gukte.
»Es is nur der nichtsnutzige Junge! Schorschi komm herfor! wozu tates du das, du Schlingl? Ich bin sehr böse auf dir. Geh auf dein Zimmer un warte dort bis ich Zeit hab, mich mit dir zu bescheftign. Du solls schtreng beschtraft wern. Gut, gut, Freund Prim, immer noch besser fon einen schlechtn kleinen Jungen gefoppt zu wern, als die Wasserscheu habn, was? Setzn sie sich, setzn sie sich! Geht fon den Schtühln herunter, Medchn. Frau, schenke eine andre Schahle Kaffeh fir unsern Gast ein.«
Aber der alte Kerl war withend wi ein Heuhopser nahm seinen Hut un ging weg. Sie sagn Papa machte das Gescheft meintwegn nich — immer bin ich schuld.
Was soll man anfangen wenn man so ein schlechter Junge is? Ich krigte greßliche Prigl. Ich fihle mich heut Abens sehr nidergeschlagn, theires Tagbuch. Alle sin aufgebracht über mir armen Kerl, wenn ich nur das geringste tu. Man mechte denkn ich bin ein blutiger Mörderer. Ich winsche sie wern alle fort außer Susann un Betti. Betti is gut. Sie brachte mir Mammas Migrehnschtift und Susanns Glizerihn un ein par Salbn fon ihr un eine Tasse Gefrornes. Wenn ich iberhaup eimal ein Medchen heirat, so is es Betti. Wenn sie abbrechn will mit den rothaarign Schuft, den sommerschprossign Milchmann der sie heiratn un eine Milchwirtschaff anfangen mecht, so mecht ich sie gleich heiratn wenn ich groß bin. Ein Medchen das einen Jungen durch Dick und Dinn hilft, das is ein Medchen fir mich.
Ich glaube Papa wahr ergerlich das er mich for drei Tagn so fest priglte weil er mich gestern abens in der Schtadthalle mitnahm, wo Hermann seine Forschtellungen gibt. Er is ein Prestidigatehr ein Mensch der wunderbahre Zauberein macht, wi wenn er der alte Teufl selber wer. Man kann nich sehn wi ers macht. Ich gab greßlich gut Obach, aber ich konnte ihm nich dabei erwischn. Ich winsche, ich wißte wi ers macht. Ich glaube ich kann ein par fon die Kunsschticke selbst machn. Wenn ich groß bin werd ich auch einer, ich mein Zauberer — ein par sin wirklich sehr leicht. Ich werde das mit die Eier un den Taschentuch probihrn, un das Schwertschluckn un fon einer Dame di Uhr ausborgn un noch ein par andere Kunsschticke. Die Medchen wern iberrascht sein zu sehn, das ihr kleiner Bruder es auch kann. Ich werde mich heimlich ibn bis ich die schwarze Kunst kann un dann wer ich im Sallohn einen Tisch aufschtelln un meine Schwestern und ihre Ferehrer Kartn ferkaufn un ihnen zeign, wi mans macht. Ich bin froh, das es mir eingefalln is ein Zaubrer zu wern. Ich glaub, das Geschefft wird mir gefalln.