Читать книгу Eine Reise zu mir selbst - Mevanya D. Y. Dogbé - Страница 16

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Ich soll mir also nichts nicht wünschen. Gut, das hatte ich eh nicht vor.

Was ich mir wirklich wünsche ist Heilung für diesen Kontinent. Ich kann es mich kaum sagen hören. Dieses abgedroschene, möchtegern-mitfühlende, weltverbessernde, neo-pazifistische Gelaber einer Birkenstock- tragenden Europäerin. Nichts gegen Birkenstock, es sind fantastische Schuhe, ich finde sie eben nur potthässlich und schon seit geraumer Zeit Träger eines Klischees. Ich trage keine Birkenstock Schuhe. Das habe ich noch nie. Ich trage Leguano Barfußschuhe, die super für meinen Rücken sind und ich bin mir sicher, ich bin eine von nur sehr sehr wenigen Menschen, auf dieser Welt, die sie hübsch findet. Für die Meisen sind sie wahrscheinlich mindestens genauso hässlich wie Birkenstock Schuhe.

Heilung. Wer definiert eigentlich, was Heilung bedeutet? Und was ist überhaupt krank? All die Ärzte, Psychiater und anderen Systemopfer, nein, danke, ich fragte nicht wirklich nach Definitionen, die die Gesellschaft mir vorgibt. Normal, gesund und krank sind nicht unbedingt die Begriffe, die je mit mir räsonierten oder es heute tun. Ich frage mich, ist Afrika also gesünder als Europa, oder anders herum? Oder sind wir alle gleich gesund oder krank, nur auf andere Art und Weise? “Ganz klar, Afrika ist krank! Schau es dir doch an, unterentwickelt, menschlich wie wirtschaftlich, sie ziehen Waren auf Karren, mit purer, menschlicher Muskelkraft. Fernab jeden Fortschritts, hatten sie bis vor einigen Jahrzehnten weder Zahnbürste und Zahnpasta noch Schuhe. Fernab jeden Fortschritts, kochen sie dort auf Kohlen, haben keinen Zugang zu hygienischen Verhältnissen, flächendeckend medizinischer Versorgung oder fließendem Wasser und Strom. Wir pumpen Milliarden in diesen Kontinent, weil es nötig ist. Uns geht es da vergleichsweise weitaus besser, als denen, da unten. Bürgerkriege, Massaker und Entführungen sind an der Tagesordnung.”, würden nun vielleicht einige sagen.

Und ja, es ist möglich, dass es genau so ist. Und auch wahr ist, dass die meisten Frauen hier mit über 80 Jahren, kerzengerade auf dem Boden sitzen, weder über Rückenschmerzen, noch Krebs oder Herzprobleme klagen, und noch fast alle ihrer natürlichen Zähne im Mund haben. Wer würde ihre Krankheiten diagnostizieren? Ich weiß es nicht, ich sehe nur, dass der Großteil von ihnen läuft, kniet, sitzt und sich bewegt, als ginge es ihnen weitaus besser als mir, die mit 34 Jahren bereits einen Bandscheibenvorfall hat und letztes Jahr fast an akutem Organversagen gestorben wäre. Ihre Haut ist traumhaft rein und weich, von nur wenigen Falten geprägt, sie scheinen alles zu sehen, was sie sehen müssen, sie kneifen weder die Augen zu, im Bestreben, etwas scharf zu stellen, noch haben sie eine Brille. Ganz zu schweigen von einem Rollator oder einer anderen Gehhilfe, die ich in Deutschland fast überall auf der Straße sehe, gehen und stehen die Alten hier recht aufrecht, eigenständig und stabil.

Vor etwa acht Stunden stand eine Gruppe alter Frauen von Bastmatten auf, als seien sie 20 Jahre alt und gerade in einer ihrer liebsten Yogaklassen. Ab in den hinausschauenden Hund und die Hände laufen mit geradem und gestricktem Rücken auf der Matte zurück, bis sie die Füße erreichen. Dann erst richteten sie sich mit graziler Eleganz auf.

Das alles sind nur Ausschnitte aus einem großen Ganzen, Bruchteile einer größeren Wahrheit und doch auch Wahrheiten für sich. Ich werde mir nicht die Mühe machen und hierzu Statistiken befragen, auch ist mir bewusst, dass Togo, oder gar Lomé, ganz Afrika ist, und doch ist es eben auch Afrika. Da ich selbst bisher nur wenige Male bewusst Teil einer Statistik war und die Quellen, sowie wahrheitsgetreuen Angaben jener Statistiken mir ein großes Rätsel aufgeben, halte ich nicht allzu viel von Statistiken. Auch ist mir unklar, wie die Daten dieser Frauen, die ich heute traf, die unerreichbar für Statistiken von Westlern oder Entitäten leben, in eine solche Erhebung einfließen würden. Und müsste man denn nicht Untersuchungen durchführen, um einen Vergleich erstellen zu können? Wer bestimmte dann, was genau untersucht werden würde und was nicht? Und was geht verloren in Übersetzungen und anderen Faktoren. Fragen über Fragen, die nicht etwa zu dem Ergebnis führen, Statistiken seien nichts wert. Für mich, stellen sie nur ihre Gewichtung in gewissen Bereichen in Frage oder verändern jene.

Und dann bleibt da nicht die Frage offen, ob, wenn ich der kranke Teil wäre, ich merken würde, dass dies so ist, oder ich in meinem Bewusstsein nicht immer das, was anders ist, als ich als den kranken Teil identifizieren würde. Gehen wir nicht immer von uns selbst aus? Sind Zahnbürsten gut, weil ich sie nutze und gelernt habe, dass das gut ist? Glauben wir nicht vorrangig, dass das Eigene und Gelernte die Norm ist und der Rest dann vermutlich besser, schlechter oder gar falsch sei?

Eine Reise zu mir selbst

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