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Kapitel 7

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Als Sarah die Galerie betrat, war es 14.20 Uhr. Hinter dem Empfangstresen erhob sich eine junge Frau mit kurzen, blonden Haaren.

„Herzlich willkommen“, begrüßte die Frau sie.

Sarah lächelte.

„Hallo, Sie müssen Debbie sein. Ich bin Sarah Porter“, stellte sie sich erst einmal vor.

„Ah, Davids neue Assistentin. Schön, dass wir uns endlich kennenlernen“, entgegnete Debbie und musterte sie neugierig.

„Ja, finde ich auch“, erwiderte Sarah freundlich. „Ist David schon da? Ich hoffe, ich bin nicht zu spät.“

„Nein, er hat vorhin angerufen. Er wird nicht vor 15 Uhr hier sein“, beruhigte Debbie sie.

„Oh, dann habe ich ja bis dahin nichts zu tun. Wie bequem“, meinte Sarah scherzhaft.

„Ja“, bestätigte Debbie schmunzelnd. „Möchten Sie trotzdem schon nach oben gehen in Ihr Büro?“

„Eigentlich würde ich lieber hier bleiben und Ihnen solange Gesellschaft leisten, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

In Debbies Augen leuchtete es freudig auf und ihre Miene entspannte sich deutlich.

„Nein, gar nicht, ich freue mich“, versicherte sie schnell und zog einen zweiten Stuhl hinter dem Empfangstresen hervor.

Sarah setzte sich zu ihr, während die andere Frau sie weiterhin beobachtete.

„Und? Sind Sie etwas aufgeregt vor Ihrem ersten Arbeitstag?“, erkundigte sich Debbie.

„Na ja, schon“, gab Sarah zu. „Obwohl, streng genommen gestern bereits mein erster Tag war.“

„Was? Warum?“, war Debbie verwirrt.

„Gestern war eine Party in Davids Haus“, berichtete Sarah. „Für einen Señor Gomez. David hatte mich gefragt, ob ich nicht dort bereits dabei sein könnte.“

„Hernando Gomez?“, fragte Debbie ungläubig nach. „Aber die Party ist doch erst am kommenden Wochenende.“

„Sollte sie ursprünglich sein, aber Gomez kam wohl überraschend eine Woche früher“, klärte Sarah sie auf.

„Und ich weiß mal wieder von gar nichts“, schmollte Debbie. „Amanda hat vorhin auch nichts gesagt.“

„Vielleicht wusste sie es auch nicht“, gab Sarah zu bedenken.

„Schon möglich“, entgegnete Debbie schulterzuckend. „Wer war denn alles da?“

„Gomez mit einigen Begleitern, David natürlich, ich und John - Herman? Der Sicherheitschef.“

„Er heißt Henman“, berichtigte Debbie. „Ah okay, haben Sie seine Leute auch schon kennengelernt? Henry und Dimitri?“

„Nein, aber David will sie mir wohl nachher vorstellen.“

„Na ja, sie sind ganz okay, auch wenn wir nicht viel miteinander zu tun haben. Sie wechseln sich meist im Überwachungsraum ab, um die Kameras im Blick zu haben“, erzählte Debbie. „Ich glaube, John hat sie ordentlich im Griff. Sie scheinen ziemliche Angst vor ihm zu haben.“

Sarah zog eine Augenbraue hoch.

„Ach wirklich? Ist John denn so angsteinflößend? Na gut, ein bisschen distanziert kam er mit gestern schon vor, aber wir sind uns auch zum ersten Mal begegnet.“

Debbie grinste und zuckte mit den Schultern.

„Er ist eigentlich immer distanziert, außer vielleicht David gegenüber. Die beiden sind wohl schon lange befreundet. Soweit ich weiß, war John früher einmal Ausbilder bei den Marines oder so ähnlich. Das kann er wohl nie ganz abschütteln – zumindest nicht gegenüber Dimitri und Henry.“

„Und bei den anderen?“, war Sarah neugierig.

„Na ja, ich glaube, bei Amanda und mir, da weiß er nicht so recht, wie er sich verhalten soll“, lachte Debbie. „Ich denke, er versucht, die Unsicherheit zu verstecken, in dem er halt auf Abstand bleibt – professionell. Amanda und ich machen uns öfter einen Spaß daraus und versuchen, ihn zu provozieren.“

Sarah musste jetzt auch lachen.

„Also, verstehen sich hier alle recht gut?“

„Ja“, bestätigte Debbie nickend. „Amanda ist inzwischen eine meiner besten Freundinnen geworden. Und Sie wissen ja sicher bereits, dass wir uns hier alle sowieso mit Vornamen anreden. Mit den meisten duze ich mich auch – außer mit John … und David natürlich. Dafür duzen sich die beiden wiederum untereinander.“

„Also, ich bin ja die Neue hier und weiß nicht, ob das angemessen ist, aber ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn wir ebenfalls Du zueinander sagen würden“, gestand Sarah.

„Wirklich?“, war Debbie erfreut.

„Ja.“

„Das ist unheimlich nett von dir. Wenn ich da an deine Vorgängerin denke, die wollte mit uns am liebsten nichts zu tun haben.“

„Ach nein?“, wurde Sarah aufmerksam. „Wie war sie denn so?“

„Samantha?“ Debbie winkte ab. „Immer ein falsches Lächeln auf den Lippen, aber einen spüren lassen, dass sie sich für etwas Besseres hält. Ein Glück, dass sie so schnell gegangen ist.“

„Warum so schnell? War sie nicht lange hier?“

„Nicht mal ein Jahr“, winkte Debbie ab. „Mit schnell meinte ich aber, dass sie von einem Tag auf den anderen gegangen ist, in der vorletzten Woche. Sie hat kein Wort zu uns gesagt. Von heute auf morgen ist sie einfach nicht mehr aufgetaucht.“

„Sie hat nichts gesagt? Nicht mal zu David?“, war Sarah misstrauisch.

Debbie hob die Hände.

„Er hat uns nur erzählt, dass sie ihn an dem Abend angerufen hat und gesagt hat, dass sie alles hinschmeißt. Angeblich weil sie mit einem Freund schon am nächsten Tag die Stadt verlassen wollte oder so. Sie wollten ins Ausland oder was weiß ich wohin, ist mir auch egal.“

„Oh“, murmelte Sarah nachdenklich. „Kein Wunder, dass David so dringend eine neue Assistentin brauchte.“

„Ja“, bestätigte Debbie. „Und was hast du vorher so gemacht? Ich habe gehört, du hast Kunstgeschichte studiert und hast auch mal im Museum gearbeitet. Das sagte zumindest Amanda.“

„Habe ich. Direkt nach dem Studium war ich in Boston am Museum of Fine Arts, aber nur für ein Jahr. Dann habe ich in einer kleinen Galerie hier gearbeitet - Fowlers, bis Anfang des Jahres Mister Fowler plötzlich gestorben ist. Aber in den letzten Monaten hatte ich keinen Job“, erzählte sie Sarah Porters erfundenen Lebenslauf.

„Warum warst du nur für ein Jahr in Boston?“

„Weil ich dann gekündigt habe.“

„Du hörst freiwillig im Museum of Fine Arts auf, um in einer Mini- Galerie zu arbeiten?“, fragte Debbie ungläubig.

Sarah zuckte mit den Schultern und lächelte wehmütig.

„Es war meine Chance, zurück nach L.A. zu gehen. Ich bin fürs College an die Ostküste gezogen, aber irgendwie wurde die Sehnsucht nach Kalifornien immer stärker.“

„Gegen das gute Wetter hier kommt niemand an, nicht mal ein Museum, was?“, lachte Debbie und Sarah stimmte mit ein.

„Was ist denn so lustig? Ich würde auch gern lachen.“

Die beiden Frauen erschraken und schauten nach rechts in den Ausstellungsraum. David Graham kam jetzt von dort auf sie zu.

„Frauensache“, meinte Debbie zwinkernd. „Hi David.“

Graham musste schmunzeln und sein Blick ließ Sarahs Herz für einen Moment aussetzen.

„Hi Debbie“, entgegnete er und lehnte sich an den Empfangstresen. „Sie müssen nicht denken, dass ich nicht weiß, was das bedeutet.“

„Ach nein?“, lachte sie erneut. „Darum sind Sie ja auch der Boss.“

„Ganz genau“, bestätigte er amüsiert.

Sarah beobachtete die Szene zwischen den beiden aufmerksam und fragte sich, ob ein Mensch wirklich so ein guter Schauspieler sein konnte, wie es David Graham sein musste. Vielleicht war er aber auch nur ein Mensch mit völlig verschiedenen Persönlichkeiten. Sie hatte keine Ahnung. Psychologie war nie eines ihrer Lieblingsfächer gewesen, aber sie hatte sich immer auf ihre Menschenkenntnis verlassen können. Bei ihm hingegen schien sie bisher davon verlassen worden zu sein.

„Übrigens, Glückwunsch zum Vertragsabschluss mit Gomez“, sagte Debbie. „Toll, dass Sie es geschafft haben.“

Graham warf Sarah einen überraschten Blick zu.

„Danke, ja das ist super“, erwiderte er. „Aber ich habe es nicht geschafft. Das war allein Sarahs Verdienst.“

„Wirklich?“, war Debbie beeindruckt.

„Ach na ja, ich habe mich nur ein wenig mit Gomez unterhalten“, murmelte Sarah verlegen.

„Wenn du das mit ein bisschen Unterhaltung geschafft hast, was wird dann erst, wenn du richtig angefangen hast zu arbeiten?“, neckte Debbie sie und David Graham musste lachen.

Sarah blickte zu ihm auf. Sein Lachen gefiel ihr. Es war ein tiefes Rollen, das den Raum zum Vibrieren zu bringen schien – und ihre Empfindungen ebenfalls.

„Ich denke, das werden wir bald herausfinden“, meinte er. „Denn ich werde Sarah jetzt entführen.“

„Okay“, entgegnete diese und erhob sich. „Dann bis später, Debbie.“

„Viel Spaß“, wünschte ihr die andere Frau zwinkernd.

„Ich zeige Ihnen zuerst den Überwachungsraum. Da können Sie gleich Henry und Dimitri kennenlernen“, beschloss Graham, während Sarah ihm folgte.

Sie gingen an der Treppe vorbei und durch eine Tür. Der Flur, den sie betraten, war zwar ebenfalls so breit, wie der in der oberen Etage, aber es fehlten die Fenster und so war es hier etwas dunkler. Graham öffnete eine Tür und sie betraten einen ziemlich kleinen Raum - wieder ohne Fenster, dafür aber mit zahlreichen Monitoren an der gegenüberliegenden Wand. Davor standen ein Tisch und zwei Stühle.

„Von hier aus hat man alle Ausstellungs- und Lagerräume im Blick“, erklärte Graham.

Sarahs Blick wanderte aufmerksam über die Bildschirme und bemerkte schnell, dass die Büros offenbar nicht damit überwacht wurden.

„Einer ist immer hier und hat ein Auge auf alles“, berichtete Graham weiter. „Meistens wechseln sich Henry und Dimitri ab, so wie jetzt gerade.“

Er zeigte auf die beiden Männer, die links von ihnen standen. Beide waren sehr groß und muskulös. Sarah schätzte sie auf Mitte zwanzig. Die beiden lächelten freundlich. Ihre starre Haltung erinnerte Sarah unwillkürlich an die ihrer Kollegen, wenn sie eingeschüchtert vor Captain Mancini standen und dieser gerade wieder brüllte, wie ein Löwe.

„Hallo, ich bin Sarah“, stellte sie sich vor. „Schön, Sie kennenzulernen.“

„Oh ja, gleichfalls“, entgegnete einer der beiden Männer.

„Was? Sie sind auch Sarah?“, fragte sie scherzhaft und hörte David Graham neben sich lachen.

„Ähm, nein. Ich meinte, es ist auch schön, Sie kennenzulernen. Ich bin Dimitri“, stammelte dieser.

„Ach so“, entgegnete Sarah schmunzelnd und schüttelte erst ihm und dann Henry die Hand.

„So! Nun kennen Sie alle aus unserer kleinen Familie“, stellte Graham lächelnd fest. „Dann zeige ich Ihnen jetzt noch die anderen Räume.“

Sie nickte und folgte ihm wieder hinaus in den Flur. Beim Wort Familie hatte sie instinktiv an Mafia denken müssen - auch wenn sie sich David Graham irgendwie so gar nicht als Zigarrenraucher vorstellen konnte, der seine Katze streichelte, während er Mordanweisungen gab. Er öffnete den linken Flügel einer Doppeltür und schaltete die Beleuchtung ein.

„Unser Lagerraum“, sagte er. „Hier landen die Sachen, die gerade nicht in der Ausstellung sind. Hier wird auch alles verpackt oder ausgepackt, je nachdem.“

Sarah schaute sich in dem großen Raum, in dem hauptsächlich Kisten und hohe Regale standen, um. Sie erinnerte sich, dieses Lager gerade auf einem der Monitore im Überwachungsraum gesehen zu haben. Da Graham allerdings gerade erst das Licht eingeschaltet hatte, mussten die Kameras auch mit Infrarot funktionieren. Interessiert betrachtete sie verschiedene Kunstwerke, die sicher in den Regalen verstaut waren.

„Und hier ist alles drin, was nicht in den Ausstellungsräumen ist?“, wollte sie wissen.

„Die wertvollsten Sachen auf jeden Fall. Wir haben noch einen Platz in einem Lagerhaus beim Hafen gemietet. Dort werden auch die Sachen zuerst zwischengelagert, die aus dem Ausland eintreffen.“

„Verstehe“, murmelte Sarah beiläufig, um ihr besonderes Interesse an dem Lagerhaus zu verstecken.

„Wollen wir dann weiter?“

Sie nickte.

David Graham schaltete das Licht hinter ihnen aus und schloss die Tür ab, bevor sie die restlichen Räume der Galerie besichtigten und schließlich irgendwann vor seiner Bürotür ankamen.

„Mein Büro kennen Sie ja schon“, bemerkte er und Sarah nickte bestätigend.

„Tja und das hier“, er machte mit dem Arm eine Halbkreisbewegung durch das große Büro, in dem sie standen. „Das hier ist sozusagen Ihr Reich.“

Sarah schaute sich um.

„Und das ist dann mein Schreibtisch, nehme ich an?“

„Sie nehmen richtig an“, erklärte er lächelnd und Sarah wurden dabei wieder die Knie weich.

Schnell ging sie an den Schreibtisch und setzte sich.

„Schauen Sie sich alles in Ruhe an. In den Aktenschränken sind Verzeichnisse und Verträge, Lieferscheine und alles, was wir für die Behörden und das Finanzamt brauchen. Natürlich ist vieles davon auch im Computer. Machen Sie sich mit allem vertraut und wenn Sie Fragen haben, kommen Sie zu mir“, sagte er. „Ich weiß, es ist ziemlich viel verlangt, dass Sie sich das alles in kürzester Zeit ohne richtige Anleitung aneignen sollen. Aber es ging leider nicht anders und ich verspreche Ihnen, ich werde versuchen, jederzeit für Sie da zu sein.“

Sarah sah zu ihm und lächelte.

„Vielen Dank. Ich werde sicher darauf zurückkommen.“

„Nur leider nicht im Moment, denn ich erwarte gerade einen wichtigen Anruf“, entschuldigte er sich und zwinkerte. „Aber später gern.“

Damit verschwand er in seinem Büro und Sarah war allein. Sie überlegte, womit sie anfangen sollte, stand dann wieder auf und ging zu den Aktenschränken. Sie zog eine Schublade auf, ließ die Finger über die Ordner streichen und zog einen heraus, um darin zu blättern und zu lesen. Das wiederholte sie mit verschiedenen Ordern aus den unterschiedlichsten Schubladen und verschaffte sich so einen groben Überblick, welche Dokumente wo einsortiert waren. Ihr fiel allerdings bald auf, dass sich in den Aktenschränken nichts zu befinden schien, das etwas mit dem Lagerhaus an den Docks zu tun hatte. Vielleicht würde der Computer ihr in dieser Beziehung weiterhelfen.

Sarah ging zurück an den Schreibtisch, setzte sich und ließ den Rechner hochfahren. Nachdem sie sich zum ersten Mal eingeloggt und ihr Passwort geändert hatte, machte sie sich mit der Ordnerstruktur vertraut und konnte zu ihrer Enttäuschung hier ebenfalls keinen Hinweis auf das Lagerhaus entdecken. Wenn wirklich alle Lieferungen aus dem Ausland dort ankamen, musste es aber Unterlagen darüber geben. Vielleicht gab es diese jedoch nur in Grahams Computer – oder in dem Aktenschrank in seinem Büro. Das musste sie auf jeden Fall herausfinden.

Für heute beschloss sie aber, noch kein Risiko einzugehen und machte sich weiter mit ihren Aufgaben als Grahams Assistentin vertraut. Sie entschied außerdem, alle Fragen an ihn auf morgen zu verschieben, denn es waren nur noch zwei Stunden bis zum Feierabend und für diese Zeit hatte sie mehr als genug zu lernen und zu entdecken.

„Na, immer noch fleißig?“

Die Frage ließ Sarah aufschrecken. Sie war gerade in den Terminkalender auf dem Monitor vertieft und hatte gar nicht bemerkt, dass David Graham sein Büro verlassen hatte und jetzt vor ihrem Schreibtisch stand.

„Nun ja, dazu bin ich ja hier“, entgegnete sie lächelnd.

„Schon, aber Feierabend war schon vor einer Viertelstunde.“

„Oh“, sie schaute auf die Uhr. „Das habe ich gar nicht bemerkt.“

Er lachte kopfschüttelnd.

„So etwas ist Debbie oder Amanda noch nie passiert.“

„Jetzt übertreiben Sie aber sicher“, lachte sie nun ebenfalls.

„Nein, ehrlich“, beharrte er. „Nun schalten Sie aber den Computer aus und dann ab nach Hause.“

„Ja Chef“, entgegnete sie, ungewöhnlich heiter, und ließ den Rechner herunterfahren, bevor sie ihre Handtasche nahm und aufstand.

Graham stand immer noch vor ihrem Schreibtisch.

„Haben Sie Ihr Auto schon zurück aus der Werkstatt“, fragte er.

„Nein, aber irgendwann im Laufe der Woche.“

„Und wie kommen Sie jetzt nach Hause?“

Sarah zuckte mit den Schultern.

„Genauso, wie ich hergekommen bin - mit dem Bus.“

„Falsch!“, widersprach er.

„Warum falsch?“, erkundigte sie sich verwirrt.

„Weil ich Sie nach Hause fahren werde.“

„Oh, nein! Nein, das ist wirklich nicht nötig“, wehrte sie schnell ab.

Der Gedanke, allein mit ihm im Auto zu sein, ihm viel zu nah zu kommen, ließ ihren Bauch sofort wieder kribbeln, als hätte sie den nächsten Bienenschwarm verschluckt.

„Es ist mir egal, ob es nötig ist. Ich lasse Sie nicht am Abend mit dem Bus durch Los Angeles fahren. Das ist viel zu gefährlich“, ließ er sich nicht beirren.

Sarah seufzte innerlich laut auf. Ihr war klar, dass er nicht aufgeben würde.

„Also gut, wenn Sie darauf bestehen“, gab sie schließlich nach.

„Ich bestehe“, erwiderte er grinsend.

Sie verließen zusammen ihr Büro und gingen durch den Flur zur Treppe. Als sie unten ankamen, liefen sie aber nicht zum Haupteingang, sondern durch den anderen Flur, vorbei am Lagerraum zu einer Metalltür. Als sie durch diese ins Freie traten, befanden sie sich in einem kleinen Hof. Nur wenige Schritte entfernt vom Ausgang konnte Sarah des Mercedes Coupé sehen, mit dem sie gestern zu David Grahams Haus gefahren waren.

Graham öffnete ihr auch heute die Beifahrertür, um sie einsteigen zu lassen. Als sie durch die Straßen von Los Angeles fuhren, herrschte, wie schon gestern, ein angespanntes Schweigen zwischen ihnen. Erst als sie vor dem Hauseingang ihrer Wohnung angekommen waren, fiel das erste Wort, seit sie losgefahren waren.

„Vielen Dank“, sagte Sarah und schaute ihn lächelnd an. „Aber das hätten Sie wirklich nicht tun müssen. Dieser Umweg …“

„Ich wollte es aber“, unterbrach er sie. „Und jetzt weiß ich, dass Sie sicher zu Hause angekommen sind und kann heute Nacht beruhigt schlafen.“

Sarahs Augen wurden groß und sie dachte, ihr Herz schlug plötzlich so laut, dass es bis nach draußen zu hören war.

„Sie … Sie hätten sich wirklich Sorgen um mich gemacht?“, stotterte sie, als ihre Emotionen drohten, endgültig die Oberhand zu gewinnen.

„Aber natürlich“, bestätigte er ruhig und sah ihr in die Augen. „Ich möchte Sie nicht gleich wieder verlieren. Ich bin froh, Sie gefunden zu haben.“

„Aber, Sie wissen doch noch gar nicht, ob ich eine gute Assistentin sein werde.“

„Ich will es mal so sagen: Nach dem, was Sie gestern bei Hernando Gomez erreicht haben, müsste schon viel passieren, damit Sie den Titel „gute Assistentin“ wieder verlieren.“

Er sah ihr immer noch direkt in die Augen und Sarah fühlte sich erneut unweigerlich wie in einen Strudel hineingezogen. Erst als er für einen Moment mit seiner Hand über ihre strich, schreckte sie auf und kehrte zurück in die Realität.

„Dann noch einmal vielen Dank, David“, sagte sie verlegen, öffnete die Tür und stieg aus. „Bis morgen.“

„Gute Nacht“, hörte sie ihn noch sagen, bevor sie die Beifahrertür zu schlug und er davon fuhr.

Sarah blickte ihm hinterher, bis der Mercedes an der übernächsten Kreuzung abgebogen war. Dann atmete sie tief durch und ging hinauf in ihre Wohnung.

Tod am Lagerhaus

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