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Kapitel 2

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Das Summen ihres Weckers riss Sarah aus dem Schlaf. Erst mit dem dritten Versuch brachte sie den kleinen Nervtöter endlich zum Schweigen.

„Oh verdammt“, brummte sie müde und richtete sich auf.

Doch dann huschte ein erleichtertes Lächeln über ihr Gesicht. Sie hatte zum ersten Mal seit zwei Wochen keinen Albtraum gehabt. Das gab ihr Zuversicht und Selbstvertrauen. Dieses hatte sie auch bitter nötig, wenn sie an ihren Plan dachte und sich vorstellte, wie Captain Mancini darauf reagieren würde. Vielleicht würde sie heute Abend auch gar keinen Job mehr haben.

Nachdenklich schlüpfte sie aus dem Bett und ging in das Badezimmer. Sie stellte die Dusche an, zog sich aus und stieg hinein. Während das warme Wasser angenehm auf ihrer Haut prickelte, dachte sie noch einmal über ihren Entschluss nach und kam zu der Erkenntnis, dass sie dafür Hilfe brauchte und es gab nur eine Person, die dazu in der Lage war, sie zu unterstützen.

***

Wie zu jedem Arbeitsbeginn in ihrem Büro, setzte sich Sarah an ihren Schreibtisch und checkte zuerst ihre E-Mails, bevor sie sich den Akten zuwandte. Heute jedoch wanderte ihr Blick immer wieder ungeduldig zu der Wanduhr über der Tür und als die Zeiger zehn Uhr anzeigten, stand sie auf und eilte hinaus. Sie lief den Flur entlang zum Fahrstuhl, der sie eine Etage nach oben beförderte. Dort stieg sie aus und strebte geradeaus auf eine Tür am Ende des Korridors zu, auf der ein Schild mit der Aufschrift. „Edward Grant, Chief“ prangte.

Als sie die Tür erreicht hatte, zögerte Sarah für einen Moment, doch dann klopfte sie entschlossen an.

„Ja bitte!“, hörte sie eine tiefe Stimme rufen.

Sie drehte den Knauf, öffnete die Tür und trat ein.

„Chief Grant, kann ich Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen?“, fragte sie den Mann, der hinter seinem Schreibtisch saß und nun zu ihr blickte.

„Aber natürlich. Ich nehme an, es ist dienstlich?“, entgegnete er.

„Jawohl Sir“, bestätigte Sarah.

„Dann schließen Sie die Tür und nehmen Sie Platz, Detective Williams.“

Sarah tat es und saß gleich danach dem Chief gegenüber. Dieser lächelte leicht.

„Da wir nun unter uns sind, was ist so dringend, Sarah?“

„Es geht um diesen Graham“, kam sie direkt zur Sache. „Ich hatte da so eine Idee und …“

„Sarah, ich weiß, wie schwer es für dich ist“, unterbrach er sie. „Und vor allem nach der Beerdigung gestern muss es besonders schmerzhaft sein. Aber ich muss dich daran erinnern, dass das nicht dein Fall ist. Außerdem ist Captain Mancini dein direkter Vorgesetzter.“

„Das weiß ich“, erwiderte sie trotzig. „Aber es geht hier nicht um mich, es geht nur um die Aufklärung des Falles, glauben Sie mir, Edward.“

Chief Grant sah sie nachdenklich an, während Sarah schweigend abwartete. Sie kannte ihn gut genug, um ihn jetzt nicht weiter zu bedrängen. Edward Grant war fast so etwas wie Familie für sie. Sie kannte ihn, seit sie noch zur Schule gegangen war. Seine Frau Helen war die beste Freundin ihrer Mutter gewesen. Er hatte Sarah auch unterstützt in ihrem Wunsch, Polizistin zu werden und nach dem Unfall ihrer Mutter waren die Grants so etwas wie ihre Ersatzfamilie geworden. Damals, als Sarah noch auf dem College war.

Edward Grant fuhr sich mit der Hand über die Halbglatze, was er immer tat, wenn er ein schwieriges Problem zu lösen hatte. Sarah wusste, dass es ihr den Anfang in der Mordkommission erleichtert hatte, dass er hier der Chief war – wenn auch nur noch für ein Jahr, danach würde er in Pension gehen. Aber bis dahin wollte sie durch ihre Leistungen jeden Zweifel an ihren Fähigkeiten ausgeräumt haben.

Noch vor einigen Jahren hatte Chief Grant ihr immer wieder erzählt, wie er den Ruhestand zusammen mit seiner Frau in ihrem kleinen Haus genießen wollte. Doch seit dem Krebstod von Helen vor zwei Jahren träumte er nur noch davon, nach seiner Pensionierung so weit weg wie möglich zu reisen. Sarah musste einen Seufzer unterdrücken, als ihr erneut bewusst wurde, dass vor ihr der einzige Mensch saß, der ihr nach Bennys Tod noch als Freund - oder gar so etwas wie Familie, geblieben war.

Chief Grant räusperte sich und hatte sofort Sarahs Aufmerksamkeit.

„Also gut, ich werde mir deine Idee anhören“, entschied er. „Aber mehr verspreche ich dir im Moment nicht, und ohne die Zustimmung von Captain Mancini wird auch nichts passieren.“

„Danke“, war Sarah erleichtert. „Es geht darum, ich war gestern Abend auf der Webseite von Grahams Firma. Dort war eine Anzeige geschaltet. Graham sucht für seine Galerie eine neue persönliche Assistentin mit Erfahrung in Kunst und Computerkenntnissen.“

„Und?“, fragte Edward Grant und zog eine Augenbraue nach oben in der Vorahnung, dass ihm die Antwort auf diese Frage nicht gefallen würde.

„Ich habe mich auf die Anzeige beworben. Unter dem Namen Sarah Porter“, bestätigte sie seine Befürchtungen.

„Du hast was?“, rief er entsetzt aus. „Sarah, weißt du, was du da gemacht hast? Du hast damit nicht nur den Fall gefährdet, du hast deine Karriere, deinen Job aufs Spiel gesetzt.“

„Aber wer weiß, wann sich so eine Chance wieder ergibt“, gab sie zu bedenken. „Ich musste einfach handeln.“

Grant schüttelte den Kopf.

„Du hattest keinerlei Befugnis dazu. Du bist nicht dumm und auch nicht erst seit gestern Nachmittag bei der Polizei. Du weißt, dass du so etwas nicht allein entscheiden darfst.“

„Edward, bitte! Sie wissen doch auch, dass die Ermittlungen feststecken. Lassen Sie mich undercover zu Graham gehen! Er kennt mich nicht. Ich habe einen Studienabschluss in Kunstgeschichte und wie Sie wissen, habe ich den Spezialkurs in Computersicherheit an der Akademie absolviert. Wenn etwas in Grahams Daten ist, werde ich es finden.“

Grant fuhr sich erneut über die Halbglatze.

„Sarah, ich weiß, du willst Bennys Mörder unbedingt dingfest machen, jeder von uns möchte das, aber du bist zu emotional in diesem Fall.“

„Das heißt also, Sie haben mich die ganze Zeit belogen?“

„Wie bitte? Was meinst du?“

„Sie haben mich all die Jahre bestärkt in dem Glauben, wie begabt ich doch bin, was für eine tolle Ermittlerin ich doch werden würde und jetzt sagen Sie mir, ich bin zu emotional, um eine gute Ermittlerin zu sein?“

„So war das nicht gemeint. Das weißt du“, wiegelte er ab. „Es geht doch nur um diesen speziellen Fall.“

„Dann geben Sie mir diese Chance“, beharrte Sarah. „Gerade weil es ein spezieller Fall ist.“

„Ich fürchte eher, Captain Mancini wird ein Disziplinarverfahren eröffnen, wenn du mit der Geschichte zu ihm gehst.“

„Darum bin ich ja hier. Ich möchte Sie bitten, dass Sie zu ihm gehen und es als Ihre Idee verkaufen.“

Chief Grant sah sie überrascht an.

„Und wenn ich es nicht mache?“

„Ich werde Bennys Mörder überführen, das habe ich ihm und mir geschworen“, entgegnete Sarah leise, aber bestimmt. „Und wenn Sie mich dabei nicht unterstützen, werde ich mich beurlauben lassen und auf eigene Faust ermitteln.“

Sie konnte einen leisen Seufzer vernehmen.

„Du weißt schon, dass du mich hier erpresst, oder?“

„Nein, ich appelliere nur an Sie, das Richtige zu tun.“

„Und wenn du den Job bei Graham gar nicht bekommst? Wer weiß, wie viele sich dort bewerben.“

„Wenn ich den Job nicht bekomme, habe ich versagt und bin bereit, die Konsequenzen zu tragen“, erklärte sie entschlossen. „Noch bin ich im Rennen. Ich habe vorhin eine E-Mail bekommen – ich habe übermorgen Mittag ein Vorstellungsgespräch.“

„Wirklich?“, war Chief Grant überrascht.

Sie nickte.

„Also gut, ich werde mit Captain Mancini sprechen“, gab er schließlich nach. „Was würdest du brauchen, falls er zustimmt?“

„Bis übermorgen nur die Papiere auf den Namen Sarah Porter und einen wasserdichten Lebenslauf. Alles andere hat Zeit, bis ich den Job habe.“

„Gut, das müssten wir schaffen. Für die Papiere hast du Passbilder?“

„Ich lasse heute noch welche machen.“

„Alles klar. Ich werde mit Mancini reden und ich denke, du wirst nachher von ihm hören. So oder so.“

Sarah erhob sich.

„Vielen Dank.“

„Nichts zu danken“, wehrte der Chief ab. „Du weißt, dass ich es immer noch für keine gute Idee halte?“

„Ja Chief.“

Sie ging zur Tür und öffnete diese.

„Sarah!“

Sie drehte sich noch einmal um.

„Versprich mir, sei bitte vorsichtig!“

„Natürlich, Ehrenwort“, versicherte sie und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Büro.

***

Während sie weiter an ihrem Schreibtisch die Akten durchging, spürte Sarah ein leichtes Kribbeln in ihrem Bauch – ein sicheres Zeichen ihrer Nervosität. Ob Chief Grant bereits mit dem Captain geredet hatte? Und wie würde dieser reagieren? Sie hasste die Ungewissheit genauso sehr, wie zur Tatenlosigkeit verdammt zu sein.

Um zwei Uhr am Nachmittag öffnete sich die Tür von Mancinis Büro.

„O’Neill, Rodriguez, Williams, alle in mein Büro, sofort!“

Sarah atmete tief ein und folgte ihren Kollegen in die Höhle des Löwen – oder des brüllenden Löwen, wie er sich ja einmal selbst bezeichnet hatte. Die drei Detectives standen vor dem Schreibtisch ihres Captains wie Schüler vor dem Direktor und warteten ab, was er ihnen wohl zu sagen hatte.

Mancinis durchdringender Blick wanderte von einem zum anderen.

„Es geht um den Doppelmord“, klärte er sie schließlich auf. „Insbesondere um unseren Hauptverdächtigen, der, wenn ich mich richtig erinnere, auch unser einziger Verdächtiger ist, oder?“

„Ja Sir, dieser Graham, alles deutet auf ihn“, bestätigte O’Neill.

„Gut, und alles deutet auch darauf hin, dass wir in diese Richtung keinen Schritt weiter gekommen sind, oder liege ich da falsch?“

„Also, so kann man das nicht sagen“, stammelte Rodriguez.

„Wie kann man es denn sonst sagen? Haben Sie einen neuen Ermittlungsansatz?“

„Na ja, nicht direkt …“

„Dann halten Sie die Klappe und hören zu!“

„Ja Sir.“

Sarah stand schweigend daneben und versuchte, kaum zu atmen, um nicht die Aufmerksamkeit ihres Vorgesetzten auf sich zu ziehen.

„Ich hatte vorhin ein langes Gespräch mit dem Chief“, fuhr dieser fort. „Er hatte eine neue Idee, die sich aus einem günstigen Zufall ergeben hat, wie er es nannte.“

Ein leichter Schauer lief Sarah den Rücken hinab, als er sie dabei mit seinem Blick zu durchbohren schien.

„Was für eine Idee und welcher Zufall?“, fragte O’Neill vorsichtig.

„Wenn Sie mich irgendwann einmal ausreden lassen, werden Sie es auch erfahren“, entgegnete Mancini ungehalten. „Also, Graham sucht dringend eine neue Assistentin für seine Firma und der Chief denkt, es wäre unsere beste Chance, jemanden undercover dort hinzuschicken.“

„Und wer sollte das machen?“

Der Captain zeigte auf Sarah.

„Detective Williams hier. Der Chief teilte mir mit, dass Sie alle Qualifikationen haben, um diesen Assistentinnenjob glaubhaft auszuüben. Stimmt das?“

„Ja Sir, das stimmt“, erwiderte sie knapp.

„Ach ja? Und woher wissen Sie, was für Qualifikationen das sind? Die habe ich Ihnen doch gar noch nicht mitgeteilt.“

Verdammt! Jetzt hatte er sie erwischt.

„Chief Grant hat mit mir vorhin kurz darüber gesprochen, Sir“, gestand sie.

„Aha. Gut, dann haben Sie hiermit übermorgen Mittag ein Vorstellungsgespräch bei Graham. Sie haben also knapp zwei Tage Zeit, um sich vorzubereiten und sich mit ihrer Tarnidentität vertraut zu machen. Denken Sie, Sie schaffen das?“

„Natürlich Sir“, war sich Sarah sicher.

„Na gut, dann war es das“, nickte Captain Mancini.

„Aber Sir, ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist“, warf O’Neill ein.

„Dann sagen Sie das dem Chief. Und jetzt wieder ab an die Arbeit. Und schließen Sie die Tür hinter sich.“

Die drei Detectives beeilten sich, aus der Reichweite ihres Vorgesetzten zu kommen. Leider hatte Sarah weniger Glück als die anderen.

„Williams! Sie bleiben noch“, rief er ihr zu, als sie als Letzte die Tür erreicht hatte.

Langsam drehte sie sich wieder um und blieb wie angewurzelt stehen. Der Captain wartete, bis die Tür geschlossen war und winkte sie näher zu sich heran, bis sie direkt vor seinem Schreibtisch stand.

„Wissen Sie, wie lange ich jetzt Captain hier bin? Zwölf Jahre“, sagte er dann, während Sarah ihn voller Anspannung schweigend anstarrte. „Denken Sie, dass man so lange Captain sein kann, wenn man ein Trottel ist?“

„Nein, natürlich nicht, Sir“, murmelte sie als Antwort.

„Warum halten Sie mich dann für einen Trottel? Denken Sie wirklich, ich wüsste nicht, dass das eigentlich Ihre Idee war und nicht die vom Chief?“

Sarah schluckte schwer und blickte kurz nach unten, bevor sie ihm wieder direkt in die Augen schaute.

„Es tut mir leid, Sir. Aber ich habe die Anzeige gesehen und musste einfach etwas unternehmen.“

Mancini stand auf.

„Und dann sind Sie hinter meinem Rücken zum Chief gegangen, anstatt es mir zu sagen. Sie wissen, was das bedeutet?“

Sarah nickte trotzig.

„Ich habe schon dem Chief gesagt, ich bin bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Aber ich halte es möglicherweise für die einzige Chance, den Fall zu lösen und Graham zu überführen.“

„Das ist gut, dass Sie es dem Chief gesagt haben, denn Sie werden ganz sicher die Konsequenzen dafür tragen“, bestätigte der Captain in einem auffallend leisen Ton.

„Ja Sir.“

Es fiel Sarah schwer, trotz der inneren Anspannung ruhig zu wirken.

„Gut, dann kommen wir jetzt zur Sache“, beendete Mancini das Thema. „Ihr Deckname ist Sarah Porter. Unter dem haben Sie sich ja auch beworben. Bis morgen ist der Lebenslauf fertig. Die Papiere hat das Labor erst übermorgen, da denen noch Passbilder von Ihnen fehlen.“

„Ich bringe gleich morgen früh welche ins Labor“, versicherte Sarah.

„Okay, außerdem erhalten Sie übermorgen ein Prepaidhandy mit GPS-Ortung und wenn Sie den Job bekommen sollten, ziehen Sie für die Zeit in eine unserer Wohnungen, die wir für solche Aktionen haben“, informierte er sie weiter und schob ihr einen dicken Ordner über den Schreibtisch. „Ihre Hauptaufgabe ab jetzt. Hier steht alles drin, was wir über David Graham wissen. Sie können sich gleich an die Arbeit machen. Ihren bisherigen Fall übernimmt solange O’Neill.“

„Alles klar, Sir!“

„Sie können jetzt gehen.“

„Danke Sir!“, erwiderte sie und nahm den Ordner vom Schreibtisch.

„Ach, eine Sache noch“, fiel Mancini noch ein. „Das war das erste und letzte Mal, dass Sie versucht haben, mich hinters Licht zu führen. Sie haben alle Voraussetzungen, die man braucht, um ein hervorragender Detective zu sein: Intelligenz, Hartnäckigkeit und Bauchgefühl. Ihnen fehlt aber noch Erfahrung und vor allem Respekt vor den Vorschriften. Ich würde es schade finden, Sie deshalb zu verlieren. Also reißen Sie sich in Zukunft gefälligst zusammen, verstanden?“

Sarah starrte ihn fassungslos an. War da gerade etwas über seine Lippen gekommen, das man als Anerkennung auffassen konnte?

„Ich verspreche es, Sir!“

„Gut, dann raus jetzt … Und wenn Sie jemanden auch nur ein Wort von dem verraten, was ich gerade gesagt habe, werde ich Sie alle zur Verkehrspolizei versetzen lassen, ist das klar?“, drohte er.

Ein flüchtiges Schmunzeln huschte über Sarahs Gesicht und sie nickte eifrig, bevor sie sein Büro verließ und wieder zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte, um sich den Ordner über David Graham anzusehen.

***

Sarah machte heute pünktlich Feierabend, denn sie wollte noch neue Passbilder anfertigen lassen und hatte auch noch weitere Vorbereitungen für ihren ersten Undercover-Einsatz auf ihrer Liste.

Am nächsten Morgen suchte sie als Erstes das Labor auf, um ihre Passbilder abzugeben. Als sie eine Weile später die Räume der Mordkommission betrat, war niemand zu sehen. Sie ging direkt weiter zur Tür von Captain Mancinis Büro und klopfte an.

„Herein!“

Er sah vom Schreibtisch auf, als Sarah eintrat und ihn grüßte.

„Guten Morgen, Sir.“

„Ah, Detective Williams, da sind Sie …“, er stockte. „Was zum Teufel?“

„Stimmt etwas nicht, Captain?“,

„Ob etwas nicht stimmt? Warum zum Teufel sehen Sie so … blond aus?“

„Ich habe mir gestern die Haare färben lassen“, entgegnete sie.

Mancini schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Bin ich hier im Irrenhaus? Wir sind die Mordkommission und kein Kosmetikstudio oder Friseursalon. Lassen Sie das wieder wegmachen.“

„Das geht nicht, Sir. Ich habe die Passbilder mit den blonden Haaren bereits im Labor abgegeben“, klärte sie ihn auf.

„Aber was haben Sie sich dabei gedacht? Sie gehen undercover und nicht zum Karneval.“

„Ich hoffe, damit meine Chancen auf den Job bei Graham zu erhöhen“, erklärte sie ihm. „Ich habe viele Fotos von ihm im Internet studiert und immer, wenn er in Begleitung einer Frau war, war es eine Blondine. Ich denke, das ist kein Zufall.“

Mancini starrte sie eine Weile an und seine Miene entspannte sich etwas.

„Wenigstens ist das eine Erklärung, die ich akzeptieren kann, ohne an Ihrem Verstand zu zweifeln“, brummte er. „Also gut, da es sich sowieso nicht mehr rückgängig machen lässt …“, gab er schließlich nach und zeigte auf einen großen Umschlag auf dem Schreibtisch. „Das hier ist Ihr Lebenslauf, Miss Porter. College, Abschluss in Kunstgeschichte, Nebenfach Computersicherheit, anschließend ein Jahr beschäftigt am Museum of Fine Arts in Boston, danach bis vor einigen Monaten in einer kleinen Galerie und Umzug nach L.A. Das College und das Museum wissen Bescheid. Sie arbeiten mit uns zusammen. Die kleine Galerie gibt es nicht mehr, seit der Besitzer vor einiger Zeit gestorben ist. Da kann also niemand nachfragen.“

„Klingt gut“, meinte Sarah und nahm den Umschlag vom Tisch.

„Noch Fragen?“

„Nein Sir.“

„Gut, dann gehen Sie jetzt nach Hause und bereiten sich auf Ihr Bewerbungsgespräch und auf Graham vor. Bevor Sie morgen dort hingehen, kommen Sie wieder her. Dann gebe ich Ihnen die Papiere und das Handy. Der Chief wollte Ihnen zur Sicherheit eine Wanze verpassen, aber ich fürchte, wenn es stimmt, was das FBI über Graham sagt, würden Sie damit ziemlich schnell auffliegen. Ich will Sie deshalb nur noch einmal darauf hinweisen, wie gefährlich es werden kann, da wir Sie nicht ständig im Auge behalten können.“

„Ich weiß, Captain. Ich werde vorsichtig sein.“

„Gut, die Kontaktaufnahme erfolgt ausschließlich über das Prepaidhandy oder später über das Telefon in der Wohnung, aber das besprechen wir noch genauer, falls Sie den Job bekommen sollten.“

„Alles klar, Sir.“

„Okay, dann bis morgen.“

Als Sarah das Büro verließ, war immer noch niemand von ihren anderen Kollegen zu sehen und so machte sie sich auf den Heimweg, wieder mit einem leichten Kribbeln im Bauch. Morgen würde es so weit sein. Morgen würde sie damit beginnen können, ihr Versprechen wahr zu machen und Bennys Mörder zu überführen. Morgen würde sie diesem Monster endlich Auge in Auge gegenüberstehen.

Tod am Lagerhaus

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