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Kapitel 6

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Als Sarah am nächsten Morgen aufwachte, öffnete sie die Augen und sie blinzelte einige Male, als helle Sonnenstrahlen zwischen den halb geschlossenen Vorhängen in den Raum fielen - in einen Raum, der ihr unbekannt vorkam. Sie schreckte hoch. Wo war sie? Doch dann fiel ihr wieder die letzte Nacht ein und dass sie sich in David Grahams Gästezimmer befand. Ein Blick auf die Uhr sagt ihr, dass es bereits 8.30 Uhr war. Mit einem Satz war sie aus dem Bett gesprungen und lief in das Badezimmer.

Fünfzehn Minuten später verließ sie das Gästezimmer - wieder in dem Kleid, das sie gestern bei der Party getragen hatte. Andere Kleidung hatte sie schließlich nicht dabei. Sie wusste noch, dass sie durch die Küche musste, um zur Haustür zu gelangen. Als sie die Küche jedoch betrat, blieb sie überrascht stehen. Ein verführerischer Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee stieg ihr in die Nase und sie konnte sehen, wie David Graham gerade einen Teller mit Pfannkuchen auf den Tisch stellte.

„Hey, guten Morgen“, grüßte er lächelnd, als er sie bemerkte. „Schon ausgeschlafen?“

„Uh huh“, versuchte sie, ihre Sprache wiederzufinden und nickte dabei bestätigend.

Sarahs Bewusstsein wurde gerade vollständig von seinem Anblick in Besitz genommen. Sie musste feststellen, dass David Graham in dem T-Shirt und den engen Jeans, die er jetzt trug, noch besser aussah – auch wenn sie es nicht für möglich gehalten hatte. Sarah musste sich mit aller Kraft dazu zwingen, ihren Blick von ihm loszureißen.

„Und haben Sie auch angenehm geschlafen?“, erkundigte er sich.

„Ja, vielen Dank.“

„Sehr gut. Ich hoffe, Sie mögen Pfannkuchen zum Frühstück.“

Sarah hatte keine Ahnung, ob sie im Moment überhaupt etwas essen konnte. In ihrem Bauch tobte sich gerade das inzwischen allzu bekannte Kribbeln aus. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie einen Bienenschwarm verschluckt.

„Ich … Ich weiß nicht. Ich sollte wirklich besser gleich nach Hause fahren“, stammelte sie.

„Aber warum?“, fragte er, ein wenig enttäuscht. „Mögen Sie keine Pfannkuchen?“

„Doch, schon. Ich meinte, sie sind sicher sehr gut, aber …“

„Keine Ausreden! Sie setzen sich jetzt und frühstücken“, unterbrach er sie energisch.

Sarah zog überrascht ihre Augenbraue empor.

„Ist das eine Anweisung?“

Er schüttelte grinsend den Kopf.

„Oh nein, das ist ein Befehl.“

Sein Tonfall ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass es als lockerer Scherz gemeint war. Es war ihr aber ebenso bewusst, dass er nicht aufgeben würde, bis er sie zum Bleiben überredet hatte.

„Also gut“, gab sie schließlich nach und setzte sich an den Tisch. „Aber nur kurz.“

„Natürlich“, entgegnete er schmunzelnd. „Sie können ruhig schon anfangen, ich will nur noch die letzten Pfannkuchen fertig backen.“

„Sie backen selbst?“, fragte sie erstaunt, während sie sich Kaffee einschenkte und einen Pfannkuchen auf ihren Teller herüber zog.

„Sind Sie jetzt enttäuscht?“, erkundigte er sich schmunzelnd, während er zurück an den Herd ging.

„Hm nein, eher im Gegenteil“, gab sie zu und begann zu essen.

Ihr Blick wanderte automatisch in Richtung Herd und landete unwillkürlich auf seinem Hintern

’Was für ein Anblick’, dachte sie sich und rutschte unruhig auf ihrem Stuhl umher, während sie genüsslich ihren Pfannkuchen aß.

„Und? Ist er gut?“, erkundigte sich Graham, ohne sich zu ihr umzudrehen.

„Oh ja, sehr … lecker“, bestätigte Sarah, ohne zu realisieren, dass er wohl den Pfannkuchen gemeint hatte. Sie hingegen hatte etwas ganz anderes im Sinn.

Sie konnte ihren Blick einfach nicht von seiner knackigen Kehrseite abwenden.

„Greifen Sie ruhig zu!“

„Ähm … wie bitte?“, stotterte sie erschrocken.

David Graham drehte sich zu ihr um und hatte einen Teller mit neuen Pfannkuchen in der Hand.

„Ich sagte, nehmen Sie sich noch welche, es sind genug da.“

’Oh Gott, ich muss unbedingt länger kalt duschen, vielleicht bekomme ich so meinen Verstand wieder zurück’, stöhnte sie innerlich auf.

„Oh ja, vielen Dank. Die sind wirklich sehr köstlich“, erwiderte sie lächelnd und nahm sich noch einen Pfannkuchen, während Graham sich setzte und ebenfalls zu frühstücken begann.

Sarah warf immer wieder verstohlene Blicke zu ihm hinüber. Sie fühlte sich jedes Mal dabei ertappt, denn seine Augen schienen ständig auf sie gerichtet zu sein.

„Wann soll ich denn heute in der Galerie sein?“, erkundigte sie sich irgendwann, um das unangenehme Schweigen zu unterbrechen.

Er überlegte einen Moment.

„Ich würde sagen, kommen Sie zwischen 14 und 15 Uhr. Ich werde Ihnen noch einige Dinge zeigen und erklären und Sie können die restlichen Mitarbeiter kennenlernen.“

„Okay, wie viele Mitarbeiter gibt es denn?“, war sie neugierig.

Er stellte seine Tasse ab und lächelte.

„Mit Ihnen und mir insgesamt sieben. Amanda und John haben Sie ja bereits kennengelernt. Dann sind da noch Debbie, Henry und Dimitri. Debbie wechselt sich meist mit Amanda ab. Die beiden kümmern sich hauptsächlich um die Besucher der Galerie.“

„Und Henry und Dimitri?“

„Sind ebenfalls unsere Sicherheitsleute - so wie John. Sie kontrollieren die Videoüberwachung oder übernehmen auch die Transporte der Ausstellungsstücke.“

„Sie haben Videoüberwachung?“

„Natürlich, in allen Ausstellungs- und Lagerräumen in der Galerie. Ohne so etwas bekommt man nicht mal mehr eine Versicherung“, erklärte er. „Gab es das nicht in der Galerie, in der Sie vorher gearbeitet haben?

„Nein, aber ich glaube, als Mister Fowler seine Versicherung abgeschlossen hat, gab es noch nicht einmal Video.“

Graham musste lachen.

„Ach so. Tja, aber heute ist es leider so.“

Sarah nickte.

„Ja, das stimmt.“

Sie trank ihren Kaffee aus.

„Vielen Dank für das Frühstück. Ich mache mich jetzt aber wirklich auf den Heimweg.“

Er lächelte freundlich, sprang dann aber von seinem Platz auf.

„Moment, ich habe da noch etwas für Sie. Schön sitzenbleiben, ich bin gleich wieder da.“

Sarah schaute ihm verwundert hinterher, als er durch die Tür verschwand und fragte sich, was er wohl jetzt wieder vor hatte. Einige Minuten vergingen, bis er wieder auftauchte und ein Schlüsselbund in der Hand hielt, das er vor ihr auf den Tisch legte.

„Bitte sehr, das ist Ihres – für die Galerie“, klärte er sie auf.

„Oh! Danke.“

Sarah steckte die Schlüssel in ihre Handtasche und erhob sich, wobei David Graham sich offenbar keine ihrer Bewegungen entgegen ließ.

„Ich habe übrigens ein Taxi für Sie bestellt. Es müsste in wenigen Minuten hier sein“, unterrichtete er sie. „Und es ist bereits bezahlt. Also lassen Sie sich vom Fahrer nichts anderes einreden.“

„Das wäre doch nicht nötig gewesen“, murmelte sie verlegen.

„Oh doch“, beharrte er. „Ich habe leider einen Termin und kann Sie nicht selbst nach Hause bringen. Aber selbstverständlich bin ich es Ihnen schuldig, dafür zu sorgen, dass Sie gut nach Hause kommen.“

„Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, David.“

Er schüttelte lächelnd den Kopf und streckte seine Hand aus.

„Das ist doch wohl das Mindeste, das ich tun kann. Dann bis heute Nachmittag, Sarah.“

Sie schaute auf seine Hand, ergriff sie zögerlich und musste feststellen, dass ihre Befürchtungen erneut berechtigt gewesen waren. Im Moment der Berührung schoss ein weiterer Strom durch ihre Nervenbahnen und verwandelte sich unmittelbar darauf in ein warmes, wunderbares Gefühl tief in ihrem Inneren.

„Bis heute Nachmittag“, hauchte sie, beinahe sprachlos, und verließ die Küche.

Als sie aus der Haustür trat, fuhr gerade das Taxi vor, das sie zu ihrer Wohnung bringen sollte. Während der gesamten Fahrt war Sarah in Gedanken versunken. Sie ließ sich den gestrigen Abend noch einmal durch den Kopf gehen, Grahams Verhalten, Hernando Gomez, den Vertrag. So sehr sie auch darauf geachtet hatte, ihr war rein gar nichts aufgefallen, das auf ein unsauberes oder gar illegales Geschäft hindeutete – ganz im Gegenteil. David Graham selbst war das größte Rätsel für sie. Sarah war immer stolz darauf gewesen, wie leicht es ihr fiel, andere Menschen zu durchschauen. Doch Graham war der erste Mensch, der bisher völlig undurchsichtig für die blieb. Es passte einfach nichts zusammen, Schmuggel, dunkle Geschäfte, kaltblütiger Mord auf der einen Seite und seine freundliche, offene Ausstrahlung, die ihn nicht nur bei seinen Angestellten beliebt zu machen schien, auf der anderen.

Und dann war da noch diese ganz spezielle Sache – die unbeschreibliche Anziehung, die er auf sie ausübte. Jeder Blick, jede Berührung, ja selbst jeder Gedanke an ihn, lösten eine nicht zu ignorierende Reaktion in ihr aus, sowohl körperlich als auch emotional. Allein die Erinnerung an den letzten Abend ließ ihren Körper erbeben. Nur der eine Tanz mit David Graham hatte in ihr stärkere Lust und Glücksgefühle ausgelöst, als jeder Sex in ihrem bisherigen Leben, da war sie sich sicher. Es war geradezu beängstigend, wie wenig sie sich dagegen wehren konnte.

„Wir sind da, Miss“, riss der Taxifahrer sie aus ihren Gedanken.

„Was? Oh ja, danke“, entgegnete sie und öffnete die Tür.

„Das sind dann 42 Dollar plus Trinkgeld“, sagte der Mann.

Sarah schüttelte missbilligend den Kopf.

„So ein Pech, jetzt haben Sie doch gerade Ihr Trinkgeld verloren“, meinte sie schulterzuckend und stieg aus.

„Bei mir fährst du nie wieder mit, du dumme Kuh!“, hörte sie den Fahrer noch schimpfen, bevor er davon fuhr.

Kopfschüttelnd ging sie in das Haus, lief die Treppe hoch und in die Wohnung, wo sie sich als Erstes ihre Sachen auszog und unter die Dusche ging. Als sie eine Weile später, in einen Bademantel gehüllt, die Küche betrat, beschloss sie, erst einmal dem Captain ihren Bericht abzustatten. Erst danach würde sie sich eine Kleinigkeit zu essen machen. Sie setzte sich an den kleinen Esstisch, nahm das Handy aus ihrer Handtasche und drückte die Nummer drei.

„Joe's Reinigung, wir bekommen Ihre Sachen blütenweiß“, meldete sich eine brummige Stimme.

„Sie hätten gute Chancen in der Werbebranche, Sir“, entgegnete Sarah schmunzelnd.

„Wann habe ich Ihnen die Erlaubnis erteilt, sich über mich lustig zu machen, Williams?“, polterte Mancini ungehalten.

„Haben Sie nicht, Captain und es steht mir fern, über Sie zu lachen“, versuchte sie ihn zu beschwichtigen.

„Das wäre ja auch noch schöner“, murrte er. „Also, warum rufen Sie erst jetzt an? Ich dachte, Sie müssten um 10 Uhr in der Galerie sein.“

„Das hat sich geändert, ich muss erst am Nachmittag dort sein. Diese Party gestern war recht lang. Ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Darum lässt mich Graham heute später anfangen“, berichtete sie.

„Die Party ging bis heute früh?“

„Nicht ganz Sir. Aber Graham hat darauf bestanden, dass ich dort übernachte, weil es schon so spät war.“

„Sie haben bei ihm übernachtet?“, fragte der Captain ungläubig. „In seinem Haus? Nur Sie und er?“

„Na ja, ich denke schon“, bestätigte sie.

„Sind Sie verrückt geworden?“, fuhr Mancini auf. „Wissen Sie, in welche Gefahr Sie sich begeben haben?“

„Captain, ich …“, wollte sie ihm widersprechen, wurde aber unterbrochen.

„So etwas gehört nicht zu Ihrem Auftrag, Detective Williams.“

Sarahs Augen wurden groß, als sie verstand, was er meinte.

„Moment mal, Sir. Ich habe im Gästezimmer geschlafen – allein. Ich weiß nicht, wie Sie darauf gekommen sind, dass ich … dass wir… Sie wissen schon“, stellte sie klar.

Mancini räusperte sich.

„Na ja, trotzdem, wenn der Chief das hört, bekommt er eine Herzattacke“, war er sich sicher.

„So schlimm wird es schon nicht werden“, wiegelte Sarah ab, obwohl sie sich da nicht sicher war. Immerhin sah Edward Grant in ihr beinahe so etwas wie eine Tochter.

„Kommen wir zu gestern Abend“, wechselte der Captain das Thema. „Konnten Sie bereits irgendetwas beobachten? Ist Ihnen etwas aufgefallen?“

Sarah atmete tief durch.

„Während der Party hat Graham einen Vertrag unterzeichnet - mit einem Mexikaner, Hernando Gomez. Auf den ersten Blick scheint aber alles sauber daran zu sein. Und David Graham selbst – entweder hat der Mann einen Oscar verdient, oder er wird völlig zu unrecht verdächtigt. Das kann ich mir nach der Aktenlage natürlich nicht vorstellen. Er scheint zumindest eine wirklich harte Nuss zu sein, doch ich werde sie knacken, das verspreche ich Ihnen.“

„Hoffen wir es“, knurrte Mancini. „Der Polizeichef und der Bürgermeister sitzen uns im Nacken und seit fast zwei Wochen können wir sie nur hinhalten. Wenn wir nicht bald ein Erfolgserlebnis haben, kann ich wohl bald jeden Tag mit meiner Frau Glücksrad schauen.“

Sarah musste erneut schmunzeln.

„Ich werde alles dafür tun, um Ihnen das Glücksrad zu ersparen, Sir“, versicherte sie ihm.

„Haben Sie schon wieder vergessen, dass Sie sich nicht über mich lustig machen sollen, Williams?“, erinnerte er sie so lautstark, dass Sarah das Telefon ein Stück vom Ohr weg halten musste, um nicht taub zu werden.

„Das hatte ich auch nicht vor, Sir.“

„Gut, noch was?“

„Nein Sir.“

„Dann melden Sie sich morgen wieder – außer es passiert heute noch etwas.“

„Natürlich Sir. Bis dann.“

„Ja, bis dann.“

Sarah legte auf und steckte das Handy in die Tasche. Nach den Pfannkuchen zum Frühstück – die wirklich lecker gewesen waren, wie sie sich eingestehen musste – hatte sie zwar keinen großen Hunger, aber sie wusste nicht, wie lange sie am Nachmittag noch arbeiten musste. Also beschloss sie, sich etwas zu kochen. Ihre Wahl fiel auf Spaghetti und dazu eine Soße aus dem Glas. Das ging schnell und es war relativ sicher, denn bei ihren Kochkünsten war sie wirklich froh, undercover in einer Galerie arbeiten zu müssen und nicht in einem Restaurant.

Nach dem Mittagessen nutzte Sarah die Zeit, um auf dem Sofa noch ein wenig Schlaf nachzuholen. Zu ihrem Leidwesen gelang ihr dies jedoch nicht, denn in ihren Gedanken tauchte ständig David Graham auf. Entnervt richtete sie sich nach einer Weile wieder auf und schaltete den Fernseher ein, um sich noch eine halbe Stunde abzulenken, bevor sie sich anzog und auf den Weg zur Galerie machte.

Tod am Lagerhaus

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