Читать книгу Mörderische Spiele - Michael Bardon - Страница 9
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Оглавление»Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.«
»Amen«, seufzte ich, spitzte die Lippen und blies geräuschvoll die Luft aus meinem Mund.
»Gehet hin in Frieden und achtet bitte gut auf die Geschöpfe des Waldes. Auch sie sind Gottes Kinder und verdienen es, in Frieden leben zu können. Der Herr ist unser Hirte und möge uns sicher und wohlbehalten wieder nach Hause führen.«
»Schöne äh … Predigt«, sagte mein Schulleiter und lächelte versonnen.
»Und so kurzweilig«, flüsterte ich leise zurück.
Leider konnte ich einen sarkastischen Unterton in meiner Stimme nicht ganz verbergen, was meinem Schulleiter aber nicht weiter auffiel.
Es war Donnerstag, Wandertag oder besser gesagt: Geocaching-Tag. Mein Schulleiter und ich hatten uns gegen die Bedenken zahlreicher Kollegen hinweggesetzt und unseren Geocaching-Tag ins Leben gerufen.
Allerdings hatten wir uns überzeugen lassen und die Jahrgangsstufen fünf bis sieben von der Veranstaltung ausgenommen. Um genügend Aufsichtspersonen zusammenzubekommen, hatten wir auf unseren Hausmeister, einige Mütter aus dem Elternbeirat und den Religionslehrer, Pfarrer Milch, zurückgreifen müssen.
Der Pfarrer hatte spontan zugestimmt und die Möglichkeit ergriffen, einen kleinen, knapp eine Stunde dauernden Gottesdienst abzuhalten. Getreu nach dem Motto Des einen Leid ist des anderen Freud hatten wir unsere Wanderschaft in den Wald unterbrochen und einen Abstecher zu Pfarrer Milchs Kirche unternommen.
»Alle mal äh … herhören«, rief unser Schulleiter und erklomm dabei die Treppenstufen zum Altar. Von seiner nun etwas erhöhten Position war er für jeden gut sichtbar.
»Wir machen es äh …äh … jetzt so wie besprochen. Teilt euch bitte in eure äh … Klassenverbände auf und lauft gemeinsam äh … äh … zu eurem Ausgangspunkt. Wir treffen uns äh … alle wieder um 16 Uhr hier in äh … der Kirche, wo Pfarrer äh … Milch den Tag dann mit einer kleinen Danksagung beendet.«
Allgemeines Gemurmel setzte ein, doch unser Schulleiter fuhr unbeirrt mit seiner Rede fort: »Ich wünsche euch äh … äh … eine erfolgreiche äh … Schnitzeljagd und dass mir äh … ja keine Klagen über euer Benehmen im Wald zu Ohren kommen«, fügte er hinzu.
Ich stand bei meiner Klasse und schaute fragend in die Runde.
»Wie oft?«
»Zwölf Mal!«
»Wer war am nächsten dran?«
»Domi mit Dreizehn.«
»Alles klar, Dominik, dann bist du also heute unser Anführer. Glückwunsch, mein Lieber!«, sagte ich und klopfte dem Jungen kameradschaftlich auf die Schulter.
Unser Schulleiter hatte einen kleinen Sprachfehler. Er dachte viel schneller als er sprechen konnte und musste dann seine Sätze mit einem äh … auffüllen. Eine kleine Marotte, die wir aber alle an ihm liebten. Und die stets bei einer seiner Reden Anlass für eine kleine Wette abgab.
In unserem Fall hatte Dominik mit der geschätzten Anzahl der Äh-Pausen am nächsten gelegen; sein Preis war die Rolle des Anführers unserer knapp 30 Mann starken Truppe.
»Ok, ihr Loser, los geht’s!«, blaffte er, warf sich seinen Rucksack über die Schultern und schnippte gekonnt seine Haare aus der Stirn.
»Männer!«, stöhnte Nina neben mir und schnitt eine Grimasse. Nina war die Tochter meines guten Freundes Jack Baur. Er war Inhaber einer internationalen Sicherheitsagentur und hatte Mia und mir vor gut zwei Monaten das Leben gerettet.
»Na komm, Nina, wir gehen besser vorne mit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Domi den Weg ohne Probleme findet.«
Nina schaute mich für einen kleinen Moment aus ihren rehbraunen Augen an. Dann legten sich kleine Lachfältchen um ihren Mund und sie sagte: »Da dürftest du gar nicht so falsch liegen. Domi ist ein kleiner Pechvogel. Lieb, aber völlig unstrukturiert und orientierungslos. Der verläuft sich in einem Parkhaus und findet erst wieder hinaus, wenn es abgerissen wird.«
Kopfschüttelnd schaute ich meiner Klasse hinterher. Ein bunter Haufen voller liebenswerter Chaoten, die darauf warteten, die Welt zu erobern. Und an ihrer Spitze lief ein schlaksiger Junge, der – laut Nina – nicht links von rechts unterscheiden konnte.
»Na, da haben wir den Bock ja zum Gärtner gemacht«, stöhnte ich leise und folgte Nina mit schnellen Schritten.
*
Noch bevor er sie sehen konnte, hörte er das leise Knacken von brechenden Ästen. Sie stapften durch seinen Wald wie eine Rotte Wildschweine auf der Flucht.
Angewidert schloss er seine Augen. Was bildeten sich diese Menschen eigentlich ein? Sie befanden sich in seinem Wald, auf seinem Spielfeld. Hier wurde nach seinen Regeln gespielt, hier musste man sich an seine Regeln halten. Aber er würde sie schon lehren, sich in seinem Wald zu benehmen.
»Nichts ist umsonst, meine kleinen Ferkel, selbst der Tod verlangt nach einem Entgelt«, stieß er verächtlich durch die Zähne.
Der Fuchs verlagerte sein Gewicht und versuchte, die starr gewordenen Muskeln in seinen Beinen etwas zu entlasten. Sein Versteck war gut gewählt. Mit seiner sorgfältig zusammengestellten Tarnkleidung war er für untrainierte Augen so gut wie unsichtbar.
Heute würde seine Nummer 1 vielleicht eine neue Gefährtin bekommen. Doch es kam natürlich noch darauf an, wie hübsch die kleinen Schweinchen aussahen und wie gut sie gewachsen waren! Hässliche Frauen hatte er schon genug im Leben gesehen. In seiner Sammlung fanden nur die schönsten Exemplare einen Platz.
Wer seine ungeteilte Aufmerksamkeit erhaschen wollte, musste schon etwas ganz Besonderes sein. So wie seine Nummer 1. Sie war von schlichter Eleganz, hatte eine atemberaubende Figur, sanfte zarte Haut und war dennoch gefährlich wie eine Raubkatze.
Der Fuchs lächelte versonnen und vergaß für einen kurzen Augenblick alles um sich herum. Doch das Hecheln eines Hundes spülte ihn zurück in die Wirklichkeit und riss ihn unsanft aus seinen Träumen. Mit einer mechanischen Bewegung griff er an seinen Gürtel, löste sein Messer aus der Scheide und zog es geräuschlos heraus. Die fremden Stimmen kamen langsam näher. Er konnte deutlich zwischen zwei Frauen unterscheiden.
*
»Gismo, Gismo, komm zu Frauchen!«
»Na, nun lass ihm doch seinen Spaß. Kommt schließlich nicht allzu oft vor, dass er durch den Wald streunern kann.«
»Ja, hast schon recht, aber wer weiß, was für Viehzeug sich hier so alles herumtreibt.«
»Ach, Petra, du immer mit deiner Schwarzmalerei. Was soll hier im Wald schon sein? Hier gibt es Bäume, Sträucher und irgendwo ein markiertes Versteck.«
»Weiß auch nicht, aber ich habe ein ganz blödes Gefühl. Irgendetwas stimmt hier nicht! Gismo, bei Fuß!«
»Ach, so ein Quatsch. Mit deinem blöden Gefühl versaust du uns noch den ganzen Tag. Ich habe mich so auf das Geocachen gefreut. Bist du nicht auch gespannt, was wir in dem Versteck Schönes finden?«
»Schon. Aber irgendwie habe ich ein seltsames Gefühl. Mir kommt es so vor, als ob uns jemand beobachtet.«
»Mensch, Petra, leidest du jetzt unter Verfolgungswahn? Wer soll uns denn hier beobachten? Schau lieber mal auf die Koordinaten, ich glaube nämlich, dass wir etwas vom Weg abgekommen sind.«
»Nö, das passt schon! Wo steckt denn nur dieser Hund? Gismo, komm zu Frauchen, na komm!«
*
Der Fuchs stand lächelnd in seinem Versteck und spürte, wie ein Gefühl der Vorfreude ganz langsam in ihm aufstieg. Der Jäger in ihm war erwacht, das wilde Tier, das in seiner Seele hauste, wollte endlich zuschlagen. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, sein Atem ging stoßweise. In seinen Lenden spürte er ein wildes Pulsieren, sein Mund war mit einem Schlag so trocken wie eine Salzwüste.
Das heisere Knurren eines Hundes drang an sein Ohr, Sekunden später brach ein zotteliger Mischling durch das Dickicht, in dem er stand. Zähnefletschend machte der Fuchs einen Schritt zur Seite. Seine Hand, die das große Jagdmesser hielt, vollzog eine schnelle, halbkreisförmige Bewegung. Seine zweite Hand schoss mit einer schlangenhaften Schnelligkeit nach vorne und krallte sich fest in das zottelige Fell des Tieres.
Mit einem leisen Zischen zerteilte die Klinge seines Messers die Luft und drang tief in den Brustkorb des Mischlingsrüden ein. Ein Gefühl der Erregung pulsierte in seinen Adern. Er spürte das unkontrollierte Zucken des Hundes, als er genüsslich die Klinge in der klaffenden Wunde des Tieres herumdrehte. Warmes Blut floss ihm über den Handrücken, spritzte auf seine Kleidung und tropfte auf den Waldboden. Ein letzter Schauer schüttelte den geschundenen Körper des kleinen Hundes, ein gequältes Jaulen stieg tief in seiner Kehle auf. Dann konnten seine Beine das Gewicht des Körpers nicht mehr tragen und knickten schlagartig ein.
Achtlos zog er das Messer aus dem Kadaver und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder den Frauen zu. Sie würden seine nächsten Opfer werden, der Fuchs hatte die Jagdsaison eröffnet.