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ОглавлениеBosch ging ins Gefängnis zurück, um den Durchsuchungsbeschluss zu holen und die Zelle mit den Cold Cases abzuschließen. Dann überquerte er die First Street und betrat das Detective Bureau des SFPD durch den Seiteneingang. Zwei der Vollzeit-Detectives saßen an ihren Plätzen. Bella Lourdes war die leitende Ermittlerin, die in den meisten Fällen, in denen Bosch seinen Schreibtisch verlassen musste, mit ihm ausrückte. Sie hatte etwas sanft Mütterliches, das über ihre Kompetenz und Hartnäckigkeit hinwegtäuschte. Oscar Luzon war älter als Lourdes, aber noch nicht so lange beim Detective Bureau wie sie. Bei ihm machte sich ein Hang zu bewegungsmangelbedingtem Übergewicht bemerkbar, und er trug seine Dienstmarke wie ein Drogenfahnder an einer Kette um den Hals und nicht an seinem Gürtel. Sonst wäre sie vielleicht nicht zu sehen gewesen. Danny Sisto, der Dritte im Bunde, war nicht da.
Bosch ging zu Captain Trevinos Büro und stellte fest, dass die Tür offen und der Leiter des Detective Bureau an seinem Schreibtisch war. Er schaute von seinem Schreibkram zu Bosch auf und fragte: »Wie ist es gelaufen?«
»Alles bestens.« Zum Beweis hielt Bosch den Durchsuchungsbeschluss hoch. »Sollen wir uns alle zusammensetzen und überlegen, wie wir vorgehen?«
»Ja, holen Sie Bella und Oscar dazu. Sisto ist an einem Tatort, er wird es nicht rechtzeitig schaffen. Ich schaue, ob ich noch jemand von der Streife kriege.«
»Wie sieht’s mit dem LAPD aus?«
»Warten wir erst mal, bis wir klarer sehen. Dann rufe ich Foothill an und kläre das von Captain zu Captain mit ihm ab.«
Trevino hatte bereits beim Sprechen nach dem Telefon gegriffen, um in der Einsatzzentrale anzurufen. Bosch verließ das Büro und winkte Lourdes und Luzon mit dem Durchsuchungsbeschluss ins Besprechungszimmer. Bosch betrat den Raum, nahm sich einen Notizblock von einem Beistelltisch und setzte sich an ein Ende des ovalen Konferenztisches. Das sogenannte Besprechungszimmer war eigentlich ein Mehrzweckraum, der für Fortbildungsseminare, als Esszimmer, als behelfsmäßige Kommandozentrale und gelegentlich für ermittlungstechnische und taktische Besprechungen der insgesamt fünf Ermittler des Detective Bureau verwendet wurde.
Bosch schlug den Durchsuchungsbeschluss auf und las noch einmal den Tatverdachtsabschnitt, den er selbst verfasst hatte. Er ging auf einen vierzehn Jahre zurückliegenden Mordfall zurück. Das Opfer war Cristobal Vega, 52, der mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet worden war, als er mit seinem Hund von seinem Haus zum Pioneer Park ging. Vega war ein altgedientes Gangmitglied, das in der Varrio San Fer 13, einer der ältesten und gewalttätigsten Gangs des San Fernando Valley, eine hohe Stellung eingenommen hatte.
Dennoch hatte er in der kleinen Stadt San Fernando großes Ansehen genossen, weil er dort in unverhohlener Patenmanier Streitigkeiten in der Gemeinde geschlichtet, lokale Kirchen und Schulen mit großzügigen Spenden unterstützt und an Weihnachten Bedürftige mit Fresskörben beschenkt hatte.
Dieses Image eines ehrenwerten Bürgers diente jedoch nur der Verschleierung seiner über dreißigjährigen Gangzugehörigkeit. Innerhalb der VSF war er berüchtigt für seine Brutalität und unter dem Namen Uncle Murda bekannt. Er war immer mit zwei Bodyguards unterwegs und verließ das SanFer-Territorium so gut wie nie, weil ihn alle benachbarten Gangs infolge seiner hohen Stellung und der von ihm geplanten Raubzüge in umliegende Gebiete auf ihre Todesliste gesetzt hatten. Die Vineland Boyz wollten seinen Tod. Die Pacas wollten seinen Tod. Die Pacoima Flats wollten seinen Tod. Und diese Liste ließ sich beliebig fortsetzen.
Der Mord an Uncle Murda war auch insofern überraschend gewesen, weil er allein unterwegs gewesen war. Er hatte zwar eine Pistole im Bund seiner Jogginghose stecken gehabt, aber offensichtlich geglaubt, sein bestens gesichertes Haus kurz nach Tagesanbruch ungeschützt verlassen zu können, um mit seinem Hund in den Park zu gehen. Dorthin schaffte er es jedoch nicht. Er wurde ein paar hundert Meter vor dem Park mit dem Gesicht nach unten auf dem Gehsteig liegend gefunden. Seinem Mörder war es offensichtlich gelungen, sich ihm von hinten so weit unbemerkt zu nähern, dass Vega nicht einmal mehr seine Pistole aus dem Hosenbund hatte ziehen können.
Obwohl Vega selbst ein Gangster und Mörder war, hatte das SFPD intensive Anstrengungen unternommen, den Mord an ihm aufzuklären. Es meldete sich jedoch kein Zeuge des tödlichen Schusses, und das einzige Beweismittel, das gefunden wurde, war eine Kugel vom Kaliber .38, die bei der Obduktion aus dem Gehirn des Opfers entfernt wurde. Keine rivalisierende Gang aus der Gegend bekannte sich zu dem Mord, und die Graffiti, die Vegas Tod entweder beklagten oder bejubelten, ließen keine Aufschlüsse zu, wer oder welche Gang dafür verantwortlich war.
Die Bemühungen der Polizei kamen zum Erliegen, und die Ermittler, die jedes Jahr routinemäßig neue Erkenntnisse zu gewinnen versuchten, legten dabei immer weniger Eifer an den Tag. Es war eindeutig ein Fall, in dem der Tod des Opfers nicht als Verlust für die Gesellschaft betrachtet wurde. Die Welt kam auch ohne Uncle Murda gut zurecht.
Als sich jedoch Bosch im Zuge seiner Cold-Case-Ermittlungen die Akte vornahm, ging er anders an die Sache heran. Für ihn hatte seit jeher die Devise gegolten: Entweder zählt jeder, oder es zählt keiner. Aufgrund dieser Einstellung versuchte er, in jedem Ermittlungsverfahren und bei jedem Opfer sein Bestes zu geben. Der Umstand, dass Uncle Murda seinen Spitznamen seiner Bereitschaft zu verdanken gehabt hatte, die Drecksarbeit für die VSF zu erledigen, hielt Bosch nicht davon ab, seinen Mörder finden zu wollen. Nach Boschs Ansicht sollte niemand in der Lage sein, sich im Morgengrauen von hinten an jemanden heranzuschleichen, ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen und ungestraft damit davonzukommen. Vielleicht hatte der Täter danach weiter gemordet und tat das sogar immer noch. Das wollte Bosch nicht zulassen.
Der Todeszeitpunkt hatte nicht enger eingegrenzt werden können als bis auf die hundert Minuten zwischen 6:20 Uhr morgens, als Vega den Aussagen seiner Frau zufolge mit dem Hund das Haus verlassen hatte, und acht Uhr, als der Tote von einem Anwohner entdeckt wurde. Trotz zweimaliger intensiver Befragungen im Viertel fanden die Ermittler keinen Anwohner, der einen Schuss gehört hatte, was für sie nur zwei Schlüsse zuließ: Entweder hatte der Täter einen Schalldämpfer verwendet, oder niemand in der Gegend wollte mit der Polizei kooperieren.
Obwohl es bei der Bearbeitung jahrealter Fälle zahlreiche Handicaps gab – Verlust von Beweismitteln, Zeugen und Tatorten –, konnte der zeitliche Abstand auch von Vorteil sein. Bosch suchte immer nach Möglichkeiten, sich die Zeit zunutze zu machen.
Bei den Cristobal-Vega-Ermittlungen hatte sich in den vierzehn Jahren seit dem Mord viel getan. Viele Mitglieder der VSF und rivalisierender Gangs waren wegen der unterschiedlichsten Straftaten, darunter auch Mord, im Gefängnis gelandet. Einige waren auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt und hatten ihrer Gang-Vergangenheit abgeschworen. Auf letztere Gruppe konzentrierte sich Bosch. Mittels Datenbankrecherchen und Gesprächen mit Kollegen, die beim SFPD und angrenzenden LAPD-Stationen für Bandenkriminalität zuständig waren, erstellte er Listen mit inhaftierten Gangstern und ehemaligen Gangmitgliedern, die inzwischen allem Anschein nach eine bürgerliche Existenz führten.
Im vergangenen Jahr hatte Bosch zahlreiche Gespräche mit Gefängnisinsassen geführt und die Wohnungen und Arbeitsstätten Dutzender Männer aufgesucht, die sich von ihren Gangs losgesagt hatten. Dabei schnitt er jedes Gespräch auf die jeweiligen Lebensumstände seines Gegenübers zu, kam aber früher oder später immer auf den unaufgeklärten Mord an Cristobal Vega zu sprechen.
Die meisten dieser Gespräche führten zu nichts. Entweder hielten sich die Befragten an den Schweigekodex, oder sie wussten nichts über den Mord an Vega. Trotzdem begannen sich die einzelnen Informationsteilchen nach und nach zu einem Mosaik zusammenzufügen. Stritten mehr als drei Mitglieder derselben Gang eine Beteiligung an dem Mord ab, strich er die betreffende Gang von der Liste der Verdächtigen. So konnte er schließlich alle rivalisierenden Gangs abhaken. Das war zwar nicht zwingend schlüssig, aber es genügte, um das Augenmerk auf die SanFers selbst zu richten.
Schließlich wurde Bosch in Alhambra im Osten von Los Angeles auf dem Parkplatz eines Schuh-Discounters fündig, in dem ein geläutertes SanFer-Mitglied namens Martin Perez weit weg von seinem alten Gang-Territorium als Bestandsmanager arbeitete. Perez war 41 Jahre alt und hatte zwölf Jahre zuvor alle Verbindungen zu seiner Gang gekappt. Obwohl er nach Aktenlage seit er sechzehn gewesen war dem harten Kern der SanFers angehört hatte, war er nach mehreren Festnahmen, von denen jedoch keine zu einer Verurteilung geführt hatte, ausgestiegen. Er war nie im Gefängnis gewesen, sondern nur hin und wieder ein paar Tage in Untersuchungshaft.
Die Akten, die sich Bosch angesehen hatte, enthielten Fotos der Tattoos, die in Perez’ aktiver Zeit fast seinen ganzen Körper bedeckt hatten, darunter auch ein RIP UNCLE MURDA an seinem Hals. Aufgrund dessen rangierte er auf der Liste der Personen, mit denen Bosch sprechen wollte, sehr weit oben.
Bosch legte sich auf dem Parkplatz des Schuhgeschäfts auf die Lauer, bis Perez in der Nachmittagspause durch den Hinterausgang nach draußen kam, um eine Zigarette zu rauchen. Mit seinem Fernglas konnte Bosch erkennen, dass Perez das Tattoo an seinem Hals immer noch hatte. Er notierte sich den Beginn der Nachmittagspause und fuhr weg.
Am nächsten Tag kam er kurz vor Beginn der Pause zurück. Er trug eine Bluejeans und ein fleckiges Arbeitshemd, in dessen Brusttasche eine Packung Marlboro steckte. Als er Perez hinter dem Geschäft entdeckte, ging er beiläufig auf ihn zu, hielt eine Zigarette hoch und fragte ihn, ob er Feuer hätte. Perez holte sein Feuerzeug aus der Tasche, und Bosch beugte sich vor, um sich seine Zigarette anzuzünden.
Als er sich wieder aufrichtete, sprach er Perez auf das Tattoo an, das er gerade gesehen hatte, und fragte ihn, wie Uncle Murda gestorben sei. Darauf erklärte ihm Perez, Uncle Murda sei ein guter Mann gewesen, der von seinen eigenen Leuten abserviert worden sei.
»Wie das?«, fragte Bosch.
»Weil er den Hals nicht vollgekriegt hat«, sagte Perez.
Dabei beließ es Bosch. Er rauchte die Zigarette zu Ende – die erste seit Jahren –, bedankte sich bei Perez für das Feuer und entfernte sich.
Am selben Abend klingelte Bosch an der Tür von Perez’ Wohnung. Er hatte Bella Lourdes dabei. Diesmal wies er sich aus und erklärte Perez, dass er in Schwierigkeiten steckte. Er holte sein Handy heraus und spielte einen Teil des Gesprächs ab, das sie während Perez’ Zigarettenpause auf dem Parkplatz geführt hatten. Er wies Perez darauf hin, dass er etwas über einen Gangmord wusste, dieses Wissen der Polizei aber vorenthalten hatte; das sei Behinderung der Justiz und somit eine Straftat, von Komplizenschaft bei einem Mord erst gar nicht zu reden, und wenn er nicht mit ihnen kooperierte, würde wegen dieser Punkte Anklage gegen ihn erhoben.
Perez zeigte sich zwar kooperationsbereit, wollte aber aus Angst, in seinem alten Viertel von ehemaligen Mitstreitern erkannt zu werden, nicht ins San Fernando Police Department mitkommen. Daraufhin rief Bosch einen alten Bekannten bei der Mordkommission des Sheriff’s Department in Whittier an und fragte, ob er für ein paar Stunden ein Verhörzimmer zur Verfügung gestellt bekommen könne.
Die Anklagepunkte, mit denen Bosch Perez drohte, waren größtenteils Bluff, aber sie erfüllten ihren Zweck. Perez hatte eine Heidenangst vor dem kalifornischen Strafvollzug und dem L.A. County Jail. Seinen Aussagen zufolge saßen dort jede Menge Mitglieder der eMe, der mexikanischen Mafia, die in engem Kontakt zur VSF stand und bekannt für ihr brutales Vorgehen gegen all jene war, die mit der Polizei kooperierten oder auch nur als anfällig galten, bei entsprechendem Druck einzuknicken. Perez war der festen Überzeugung, dass eine Haftstrafe sein Todesurteil wäre, ob er nun jemand verpfiff oder nicht. In der Hoffnung, Bosch und Lourdes davon überzeugen zu können, dass er nicht der Mörder war, ihn aber kannte, entschied er sich dafür, alle Karten auf den Tisch zu legen.
Die Geschichte, die Perez erzählte, war genauso alt wie das Verbrechen selbst. Vega stieg innerhalb der Gang in eine führende Position auf, worauf sich wieder einmal bewahrheitete, dass absolute Macht absolut korrumpiert. Er strich mehr vom Ertrag der kriminellen Machenschaften der SanFers ein, als ihm zustand, und war zudem bekannt dafür, junge Frauen, die mit rangniederen Gangmitgliedern liiert waren, zu sexuellen Gefälligkeiten zu zwingen, weshalb ihn viele dieser jungen vatos hassten. Einer von ihnen, ein gewisser Tranquillo Cortez, schmiedete ein Komplott gegen ihn. Perez’ Aussagen zufolge war er ein Neffe von Vegas Frau und tief entrüstet über Vegas Gier und unverhohlene Untreue.
Perez gehörte Cortez’ Clique innerhalb der Gang an und wusste zum Teil von dessen Plänen, behauptete aber steif und fest, nicht dabei gewesen zu sein, als Cortez Vega umbrachte. Der Mord hatte beim SFPD lange als perfektes Verbrechen gegolten, weil außer der tödlichen Kugel im Kopf des Opfers keinerlei Spuren zurückgelassen worden waren. An diesem Punkt setzten Bosch und Lourdes Perez deshalb besonders unter Druck. Sie stellten ihm zahlreiche Fragen über die Tatwaffe, wem sie gehört hatte und wo sie sich jetzt befand.
Perez sagte, dass die Tatwaffe Cortez gehört habe, aber er wisse nicht, wie sie in seinen Besitz gelangt sei. Auch zu der Frage, was nach dem Mord aus der Waffe geworden sei, konnte er nichts sagen, weil er wenig später bei der Gang ausgestiegen und aus dem Valley weggezogen war. Allerdings konnte er eine wichtige Information beisteuern, indem er bestätigte, dass Cortez einen selbstgebauten Schalldämpfer verwendet hatte, was in Einklang mit den ursprünglichen Ermittlungsergebnissen stand.
Bosch schoss sich auf den Schalldämpfer ein und fragte Perez, woraus Cortez ihn gemacht hatte. Perez sagte, Cortez habe damals in der Auspuffwerkstatt eines Onkels im nahen Pacoima gearbeitet und den Schalldämpfer aus Teilen und Materialien gebaut, wie sie für Motorradauspuffe verwendet wurden. Das sei nach Feierabend und ohne Wissen seines Onkels geschehen. Perez gab sogar zu, mit zwei anderen Gangmitgliedern in der Werkstatt gewesen zu sein, als Cortez den Schalldämpfer an seiner Pistole anbrachte und probeweise ein paar Schüsse in die Rückwand der Werkstatt feuerte.
Nach Perez’ Vernehmung konzentrierten sich Bosch und Lourdes vor allem darauf, so viele seiner Aussagen wie möglich zu bestätigen. So konnte Lourdes nachweisen, dass Cortez mit Vegas Frau verwandt war. Sie war eine Schwester seines Vaters. Außerdem brachte sie in Erfahrung, dass Cortez im Lauf der letzten vierzehn Jahre innerhalb der VSF immer weiter aufgestiegen war und dort inzwischen eine ähnlich hohe Stellung einnahm wie der Mann, dessen Ermordung er verdächtigt wurde. Gleichzeitig konnte Bosch bestätigen, dass Pacoima Tire & Muffler in der San Fernando Road früher Helio Cortez, dem Onkel des Verdächtigen, gehört hatte und dass der Name des neuen Inhabers nicht in den Bandenkriminalitätsunterlagen der Police Departments von San Fernando und Los Angeles auftauchte. Auch andere Details ließen sich nachweisen, womit Bosch genügend vorliegen hatte, um einen Tatverdacht geltend zu machen und die Ausstellung eines Durchsuchungsbeschlusses zu beantragen.
Ein solcher lag ihm inzwischen vor, und es wurde Zeit, ihn zu vollstrecken.
Als Erste kamen Lourdes und Luzon in das Besprechungszimmer, wenig später gefolgt von Trevino und Tagschichtleiter Sergeant Irwin Rosenberg. Laut Vorschrift musste ein Durchsuchungsbeschluss im Beisein uniformierter Streifenpolizisten vollstreckt werden. Darum wollte sich Rosenberg kümmern, der nicht nur viel Erfahrung mit so etwas hatte, sondern auch gut mit Leuten umgehen konnte. Alle nahmen an dem ovalen Tisch Platz.
»Was, keine Donuts?«, bemerkte Rosenberg.
Normalerweise landeten die Essensspenden der Bürger nämlich auf diesem Tisch, und es gab fast jeden Morgen Donuts oder Frühstücksburritos. Rosenberg war mit seiner Enttäuschung nicht allein.
»Nichts zu machen«, sagte Trevino. »Umso mehr Grund, gleich loszulegen. Was gibt’s Neues von Ihnen, Harry? Am besten, Sie bringen Irwin gleich mal auf den neuesten Stand.«
»Es geht um den Fall Cristobal Vega«, begann Bosch. »Der Mord an Uncle Murda vor vierzehn Jahren. Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss, der uns ermöglicht, uns bei Pacoima Tire & Muffler in der San Fernando Road umzusehen und nach Kugeln zu suchen, die vor vierzehn Jahren in die Rückwand der Werkstatt gefeuert wurden. Da der Betrieb auf LAPD-Territorium liegt, werden wir uns mit ihnen absprechen. Damit unser Verdächtiger oder sonst jemand von den SanFers keinen Wind von der Sache bekommt, gehen wir so lange mit größter Diskretion vor, bis wir hoffentlich eine Festnahme machen können.«
»Das dürfte nicht ganz einfach werden«, sagte Rosenberg. »Die SanFers haben ihre Augen überall.«
Bosch nickte.
»Das ist uns durchaus klar. Aber Bella hat sich schon was ausgedacht. Wir müssen nur ein paar Tage rausschinden. Wenn wir Kugeln finden, lasse ich sie im Labor untersuchen. Sie werden schnellstmöglich einen Vergleich mit der Kugel vornehmen, die Vega getötet hat. Wenn es eine Übereinstimmung gibt, können wir uns den Verdächtigen vornehmen.«
»Wer ist der Verdächtige?«, fragte Rosenberg.
Bosch zögerte. Er vertraute Rosenberg, aber es war mit gewissen Risiken verbunden, über Verdächtige zu sprechen – vor allem, wenn ein Informant involviert war.
»Nein, schon gut«, sagte Rosenberg rasch. »Muss ich nicht wissen. Heißt das, Sie wollen nur eine Streife dabeihaben, zwei Uniformen?«
»Allerhöchstens«, sagte Bosch.
»Kein Problem. Wir haben einen neuen SUV, der gerade geliefert wurde und noch nicht markiert ist. Damit nicht gleich jeder sieht, dass wir vom SFPD sind, könnten wir den nehmen. Wäre ein gewisser Vorteil.«
Bosch nickte. Er hatte den SUV auf dem Bauhof neben dem alten Gefängnis stehen sehen. Er war zwar in der schwarz-weißen Standardlackierung geliefert worden, aber die SFPD-Markierungen an Türen und Heckklappe waren noch nicht angebracht worden. Er konnte sich unter die LAPD-Fahrzeuge mischen, ohne dass sofort erkennbar wurde, dass auch San Fernando an den Ermittlungen beteiligt war, und die SanFers gewarnt wurden.
»Für den Fall, dass wir die ganze Wand entfernen müssen, nehmen wir einen Trupp vom Bauhof mit«, sagte Bosch. »Sie werden einen unauffälligen Lkw fahren.«
»Und was ist unser Vorwand für diese Aktion?«, fragte Luzon.
»Ein Einbruch«, sagte Lourdes. »Wenn jemand Fragen stellt, sagen wir, dass vergangene Nacht in der Werkstatt eingebrochen worden ist und dass sie als Tatort gilt. Das müsste genügen. Die Werkstatt gehört nicht mehr dem Onkel des Verdächtigen. Soweit wir das beurteilen können, ist der neue Inhaber sauber, und wir rechnen damit, dass er mit uns kooperiert, was die Durchsuchung und den vermeintlichen Grund dafür angeht.«
»Gut«, sagte Trevino. »Wann soll es losgehen?«
»Morgen früh«, sagte Bosch. »Sobald die Werkstatt um sieben aufmacht. Wenn alles glatt läuft, sind wir längst fertig, bis die meisten Gangster aus dem Viertel überhaupt aus ihren Betten kommen.«
»Okay«, sagte Trevino. »Dann treffen wir uns um sechs hier, damit wir in Pacoima sind, wenn sie aufmachen.«
Damit war die Besprechung beendet, und Bosch folgte Lourdes an ihren Schreibtisch.
»Ich hatte übrigens Besuch in meiner Zelle«, sagte er. »Hast du sie hingeschickt?«
Lourdes schüttelte den Kopf.
»Nein, hier ist niemand reingekommen. Ich habe den ganzen Tag Berichte geschrieben.«
Bosch nickte. Er fragte sich, woher Ballard gewusst hatte, wo sie ihn finden konnte. Er vermutete, dass es ihr Lucia Soto gesagt hatte.
Aber das würde er noch früh genug herausfinden.