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Mit-Leiden

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Ein Sonderfall tritt ein, wenn Eltern von Kindern mit Schmerzen mitleiden – und zwar wortwörtlich. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Schmerznetzwerk eines Elternteils (in der Untersuchung waren es – wie so oft – die Mütter), der sieht, dass sein Kind unter Schmerzen leidet, ebenfalls aktiviert wird. Bei Eltern, deren Kinder unter chronischen Schmerzen litten, war dieser Umstand noch ausgeprägter. Das bedeutet, dass Eltern ebenfalls leiden und körperlich gestresst sind – genau wie ihre Kinder. Dies ist zunächst einmal keine »hysterische Überreaktion«, sondern einfach Ausdruck Ihrer Liebe zu Ihrem Kind.

Nun weiß man allerdings, dass eine lang anhaltende Stress-oder Alarmreaktion gern »alte Wunden aufbrechen« lässt. Man wird an eigene belastende Lebensereignisse erinnert, die vielleicht ebenfalls mit Schmerz zusammenhängen. Die allgemeine Grundstimmung sinkt, man wird gereizter. Hinzu kommt die Hilflosigkeit, der man als Mutter oder Vater eines leidenden Kindes ausgeliefert ist, ohne ihm seine Schmerzen nehmen zu können. Manche Eltern fragen sich dann, ob nicht doch psychische Faktoren vorliegen und sie irgendetwas falsch gemacht haben oder ihr Kind über etwas Belastendes nicht reden möchte.

Die vielen, meist unauffälligen organischen Befunde tragen entgegen der Erwartung nicht zur Entlastung bei, weil man immer noch nicht weiß, was nun zu tun ist. Viele Eltern berichten, dass die bisherigen Strategien im Umgang mit dem Alltagsstress irgendwann einfach zusammenbrechen. In der Folge ist der Schmerz immer häufiger Thema in der Familie; mal wird genervt, dann wieder sehr fürsorglich auf den Schmerz eingegangen. Die Laune der Eltern wird immer abhängiger vom Grad der Schmerzbeeinträchtigung ihres Kindes. Logischerweise fühlen sich viele Kinder und Jugendliche deswegen mitverantwortlich für die Befindlichkeit ihrer Eltern – was wiederum vermehrt Anlass zu schwarzen Gedanken gibt.

Manche Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern, erleben die entstehende, zum Teil extreme Nähe zwischen (meist) Mutter und Kind neben der erlebten Hilflosigkeit im Umgang mit den Schmerzen zwar manchmal als angenehm. Allerdings spüren sowohl die Kinder als auch die Eltern meist sehr genau, dass diese Entwicklung letztlich nicht gut ist, können diese Entwicklung aber nicht unterbrechen. Insgesamt betrachtet dreht sich der Teufelskreis weiter und der Schmerz wird allmählich zum festen Bestandteil des Familienlebens.

1 http://www.carl-auer.de/programm/artikel/titel/rote-karte-fuer-den-schmerz/ætabs-video

Rote Karte für den Schmerz

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