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Belinda unterbrach das Gespräch, atmete tief ein, um die Anspannung zu lösen, die sie beim Telefonieren verspürte. Es war gar nicht so leicht, Mary gegenüber einen unbekümmerten, lockeren Ton anzuschlagen. Sie versuchte es noch einmal.

»Und – und wie geht’s unserer Aunty?«

»Ihr geht’s prima. Aber du hast doch gerade mit ihr geredet, oder?«, sagte Mary.

»Ja.«

»Dann hast du’s ja selber gehört. Ich kümmer mich supergut um sie. Auch um Uncle. Mach dir keine Sorgen.«

»Ich mach mir gar keine … Sorgen.«

»Schön für dich. Hast Glück. Keine Sorgen zu haben. In deinem englischen Schloss.«

»Was ist mit dir? Geht’s dir auch gut?«

»Ja, Belinda, alles bestens.«

Sie stellte sich Mary neben der Veranda vor, mit dem Hörer fest in der Hand. Sie hörte sich anders an, obwohl Belinda erst drei Tage weg war.

»Ich kann dich nicht so gut hören, Belinda. Belinda? Red lauter, sonst hör ich dich nicht.«

»Ich habe doch nichts gesagt.«

»Oh.«

»Ich –«

»Ich –«

Sie kicherten beide. »Du zuerst, Belinda.«

»Ich kann es gar nicht fassen, dass ich hier bin. Und das alles ohne dich sehe. So viel.«

»Erzähl’s mir. Na los.«

Belinda freute sich, am anderen Ende so etwas wie Begeisterung zu vernehmen, und zog an der geringelten Telefonschnur.

»Wo soll ich nur anfangen? Also … Das Viertel, in dem sie hier leben, heißt Herne Hill. Einen Hügel konnte ich bisher nicht entdecken, und ich hab mehrmals nachgefragt. Außerdem … außerdem sind hier alle Straßen geteert. Und man sieht dort viele arme, arme Menschen sitzen. Ich hab Kirchen wie Schlösser gesehen, noch größer als das Hauptpostamt. Und die Post? Mensch, Mary, die Briefe kommen direkt zu dir. Jeden Tag. Man braucht nicht mit dem Tro-tro oder Taxi in die Stadt zu fahren und Schlange zu stehen.«

»Sa

»Und die Katzen? Schlafen bei den Weißen im Bett. Adjei! Wie kleine Kinder. Und da gibt’s noch was, was dich bestimmt ekelt, Mary: Im Fernsehen küssen sie die Tiere, als würden die nie durch die Stadt streunen und Müll fressen.«

»Nein!«

Mary gackerte und Belinda lehnte sich an die Wand im Flur, lauschte dem rauen Klang.

»Ich. Ich fühl mich furchtbar schuldig, mir geht’s schlecht. Wenn ich an dich denke.«

»Das ist aber nicht nett, sowas zu sagen.«

»Ich dachte, vielleicht bist du mir noch böse. Manchmal. Wut verraucht nicht so schnell.«

»Dafür hab ich doch keine Zeit, liebe Schwester.«

»Jaaha.«

»Wütend werd ich höchstens, weil du nix erzählst.«

»Was meinst du denn?«

»Ich mein, da redest du ewig, ohne das Mädchen zu erwähnen, kein einziges Mal. Katzen? Postamt? Was ist mit deiner neuen Freundin-Prinzessin?«

»Ach. Amma.«

»›Ach. Amma.‹ Richtig, Amma. Als du mir gesagt hast, du fährst hin, um diese Amma-Prinzessin zu treffen, dachte ich mir: Wow wow wow! Das wird vielleicht ein Spaß, paaa

»Stimmt.« Als Belinda ihr schließlich erzählt hatte, dass die Otuos eine halbwüchsige Tochter hatten, reagierte Mary eher mit Interesse als mit Eifersucht, was Belinda zunächst erleichterte. Mary war auf ihrem durchgelegenen Bett auf und ab gehüpft und hatte immer wieder Ammas Namen gerufen, bis Belinda sie stoppte.

»Sag schon«, fuhr Mary jetzt fort, »sag mir, wie sie aussieht, was hat diese Amma für ein Gesicht? Sehr schwarz? So schwarz wie ich? So schwarz wie du? Oder ist es hell?«

»Sie ist schwarz.«

»Aha! Erzähl mir mehr: Riecht sie anders als du und ich? Wie riecht sie denn? Wie Blumen, jede Wette.«

»Keine Ahnung. So nah war ich nicht dran, dass meine Nase –«

»Schon gut. Aber was ist mit ihrer Stimme? Ihrer Weißenstimme? Mach diese Stimme mal nach, dann kann ich sie morgen Gärtner vorspielen. Das gefällt ihm sicher sehr.«

»Kann ich nicht.«

»Warum nicht? Du behältst alles für dich.« Mary schnalzte mit der Zunge. Dann flüsterte sie laut: »Oh! Sie steht direkt neben dir, darum bist du so stumm und geheimniskrämerisch. Alles klar …«

»Nein, daran liegt’s nicht. Ich hab sie bisher nur kaum sprechen hören.«

»Sa

Belinda fand das selbst schier unglaublich, aber seit ihrer Ankunft war Amma meistens »weg«. Die längste Zeit, die sie mit ihr verbracht hatte, war im Taxi gewesen. Als sie daran zurückdachte, verspürte Belinda einen klebrigen Geschmack am Gaumen.

»Dieses Mädchen wirkt so … Sie wirkt sehr still. Das ist nicht weiter schlimm, klar. Wenn sie nicht reden will. Ich kann sie ja nicht zwingen. Es ist nur … Egal. Es ist noch zu früh, um –«

»Raus damit, Belinda. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Die Telefonkarte piept bald.«

»Ich hab nur manchmal das Gefühl, wenn ich den Mund aufmache – um beim Abendessen Dank zu sagen oder nach dem Wetter zu fragen, weil Aunty mir gesagt hat, darüber reden sie gern –, wenn ich also den Mund aufmache, macht Amma ein Geräusch, als würde sie lachen. Über mich. Auf meine Kosten. Ganz unauffällig. Nicht lauter als ein Husten, der Fieber anzeigt. Ich hör’s aber. Dabei hab ich gar keinen Witz gemacht. Und wenn ich dann in aller Ruhe darüber nachdenke, frag ich mich, ob das eine Beleidigung sein soll. Warum will sie mich beleidigen? Dazu hat sie keinen Grund. Ich hab ihr keinen gegeben. Ich trau mich so schon kaum, etwas zu sagen. Für den Fall, dass ich was Verkehrtes sage. Oder etwas, das ihnen nicht gefällt. Und dieses komische Geräusch von Amma macht die Sache nicht besser. Wa te

»An deiner Stelle würd ich so eine Wissenschaftlerlupe nehmen und sie damit angucken.«

»Immer noch so albern, he?«

»Du bist albern, wenn man’s genau nimmt. Was soll das? Du sitzt einfach da und fragst sie nicht mal, warum sie sich so aufführt?«

»Würde sie mir überhaupt antworten? Braucht sie ja nicht.«

»Liebe Schwester, wenn jemand so eisern schweigt, muss man sich eben etwas einfallen lassen. Schleich dich irgendwie bei ihr ein, um sie zum Reden zu bringen«, zischte Mary. »Ständig bekomm ich zu hören, dass du die Schlauste bist, weil du noch die alte Schulbildung abgekriegt hast. Aber die ist dir im Flugzeug wohl aus dem Kopf gefallen.«

»Und was weißt du schon von Flugzeugen? Ach, jetzt fällt’s mir wieder ein: Du jettest ja ständig um die Welt, wie eine Miniausgabe von Naomi Campbell.«

»Aboa!« Mary lachte. Aboa war auch Mutters Lieblingsschimpfwort; mit diesem Schimpfwort hatte Belinda an dem Abend gerechnet, als Mutter nach der Arbeit in ihr Zimmer getorkelt kam und auf dem Kissen verkohlten Stoff vorfand. Wie dämlich von Belinda, auf eine solche Gemeinheit zu warten. Natürlich hatte Mutter nur stumm das Aschehäufchen vom Kissen gewischt und war dann zur Spüle getappt, um sich das schwarze Zeug von den Händen zu waschen. Belinda wusste noch, wie sie dem Wasser gelauscht hatte und dem Schrubben des Schwamms, und dachte, jetzt ist Mutter nicht mehr zu helfen, allem Waschen zum Trotz.

»Nie. Wieder. Mary. Lass die Schimpfwörter sein.«

»Das soll ein Schimpfwort sein? Ich hab noch viel bessere auf Lager.«

»Versprich mir, dass du’s sein lässt. Sonst hält man dich für verkommen, und das bist du nicht. Du bist ein anständiges Mädchen. Versprochen? Nie wieder.«

»Jetzt tu nicht so dramatisch und red endlich mit dem Mädchen. Ich will mehr über sie wissen. Wenn du das nicht endlich packst, hätte ich dir nie erlauben sollen, von hier wegzugehen. Das ist doch für uns alle nur Zeitverschwendung, wenn du nichts Interessantes herausfindest.«

»Maame? Du willst mir das erlaubt haben?!«

»Agoo! Me pa wo kyew, agoo

Das Geschrei der Schreinerstochter im Hintergrund, während Mary vor sich hin gluckste, ließ Belinda noch breiter lächeln. »Grüß Afua von mir, w –«

»Ich mach Schluss, weil meine kleine Freundin jetzt mit mir eine Pause einlegt. Sie hat ein paar kleine Jungs in Sokoban verprügelt, die ihr nachgerufen hatten, sie wär hässlich oder sowas, und hat aus Rache ihren Fußball mitgenommen. Und so können wir jetzt Ball spielen. Er ist ein bisschen oll und kaputt, was erklärt, warum die Jungs sich nicht richtig gewehrt haben, als ausgerechnet ein Mädchen ihnen den Ball weggenommen hat. Was soll’s. Du und ich hatten nie einen Ball, stimmt’s, Belinda? Ich bin schon ganz aufgeregt.«

»Gratuliere.«

»He? Was hör ich da für eine tiefe, dunkle Stimme? Gratuliere: Du klingst wie ein großer, dicker alter Hund oder ein großer, dicker alter Mann. Lass dich nicht so hängen. Du hast zwar keinen Ball, im Gegensatz zu mir, aber du kannst immer noch mit deiner Amma spielen.«

»Ja.«

»Genau. Ich weiß es. Vertrau deiner Mary. Ich sag immer die Wahrheit.«

Halt

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