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3.2Der Patient und sein individuelles Erleben

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Wenn heutzutage in der Onkologie von einer personalisierten Krebstherapie gesprochen wird, dann sind damit in der Regel Vorgehensweisen gemeint, bei denen die Tumorzellen eines Patienten molekularbiologisch untersucht werden. Dabei wird nach bestimmten Biomarkern gefahndet, um die Krebszellen an den veränderten Stellen zielgerichtet anzugreifen (»targeted therapy«).

Wenn wir in der Psychoonkologie und einer biopsychosoziospirituellen Praxis von einer individualisierten und maßgeschneiderten Therapie sprechen, so ist damit etwas weit Umfassenderes gemeint. Bei der Begleitung von Patienten mit Krebserkrankungen wird nicht nur der Tumor, sondern der ganze Organismus und die ganze Person mit ihren Bedürfnissen und Werten und in ihrer soziokulturellen Einbettung wahrgenommen und berücksichtigt. Die Geschichte der Krankheit und die Erfahrungen des Krankseins werden als Teil der Geschichte eines erkrankten Menschen verstanden. Die Bedeutung, die er seiner Erkrankung gibt, wird auf dem Hintergrund seiner aktuellen Lebensphase und Situation gesehen. Sie ist auch von jenen Geschichten geprägt, die in seiner Familie über Krebs erzählt werden und wurden, wie Verwandte oder Bekannte mit ihrer Krankheit umgegangen sind, wie sie mit ihr gelebt haben oder gestorben sind.

Eine auf den ersten Blick paradox erscheinende Frage ist bei chronischen Erkrankungen von großer Bedeutung: Wie viel Krankheit verträgt Gesundsein (Ebell 2017a)? Wie kann es also gelingen, dass sich Menschen trotz einer Krebserkrankung – selbst wenn sie fortschreitet – als erstaunlich gesund erleben? Auch diese Frage ist nur höchst individuell zu beantworten. Die Vorstellung eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuums bietet eine konzeptuelle Basis für ein »Sowohl-als-auch«. So zeigt die Perspektive der Salutogenese, der Erforschung der Frage, wie Gesundheit entsteht, Wege auf, neben aller Krankheit auch Gesundheit und Gesundsein zu fördern (Abschn. 4.4). Das Ausmaß an Krankheit, das sich mit dem Gesundsein eines Menschen verträgt, ist erstaunlich groß, wenn er über Eigenschaften verfügt, die man als Resilienz zusammenfassen kann (S. 49 f.), und es trotz der Krankheit möglich ist, Gesundheitsziele zu verfolgen.

Das subjektive Erleben und das mit der Erkrankung verbundene Leiden des Patienten werden maßgeblich von der aktuellenKrankheitsphase geprägt. Zunächst stehen meist Diagnostik und Therapie mit der Hoffnung auf Heilung im Vordergrund. Es kann auch ein Rezidiv diagnostiziert worden sein oder sich die Aufgabe stellen, sich mit dem bevorstehenden Sterben auseinanderzusetzen.

Therapeutisch wirksame Kommunikation trachtet danach, all dies zu berücksichtigen. Sie betont neben einer arzt- und krankheitszentrierten Sicht die Bedeutung der individuellen Wirklichkeit des Patienten und seines subjektiven Erlebens und Leidens und orientiert sich primär an seinen Bedürfnissen. Sie versteht Kommunikation als eingebettet in eine therapeutische Beziehung und deren gesundheitsfördernde Auswirkungen. Therapeutisch wirksame Kommunikation fördert einen mehrfachen Perspektivenwechsel:

•vom Kampf gegen die Krankheit hin zu dem, was stattdessen wünschenswert ist

•von dem, was nicht (mehr) möglich ist, hin zu dem, was möglich ist

•von der Einengung der Aufmerksamkeit auf die Symptome der Krankheit hin zur Förderung gesunder Anteile

•von der Fokussierung auf Probleme hin zum Suchen, Finden und Fördern von Ressourcen.

Die therapeutisch wirksame Kommunikation bildet den Kern unseres Vorgehens (Abschn. 4).

Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie

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