Читать книгу Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie - Michael E. Harrer - Страница 6
Geleitwort aus hypnotherapeutischer Perspektive
ОглавлениеMichael E. Harrer und Hansjörg Ebell lösen sich in ihrer Darstellung weitgehend von einer Orientierung an Methoden – und seien es Hypnose und Achtsamkeit. Sie legen vielmehr Wert auf die Vermittlung der wesentlichen Elemente hypnotherapeutischer Kommunikation und beschreiben für die psychoonkologische Praxis eine Vielzahl von kreativen, prozessinduzierenden und -steuernden verbalen und nonverbalen Interaktionsformen. Diese Elemente sind lösungs- und heilungsorientiert und in einem hypnosystemischen Gesamtverständnis verortet, das darauf vertraut, dem Patienten innewohnende Ressourcen verwenden zu können. Auch aus Sicht der aktuellen Therapieforschung sind »therapeutisch wirksame Kommunikation« und eine gute, vertrauensvolle therapeutische Beziehung die wesentlichen Wirkfaktoren – und keineswegs irgendwelche »wirkmächtigen Techniken oder Methoden«.
Als erfahrene Hypnotherapeuten lieben beide Autoren die Arbeit mit Metaphern. Ihr Buch beeindruckt durch die gekonnte Umsetzung der Metapher des Teppichwebens. Auch die Fallgeschichten verdeutlichen diese handwerkliche Kunst und lassen sie lebendig werden. Mittels theoretischer und praktischer Querverbindungen und Verknüpfungen verweben die Autoren unterschiedliche Auffassungen von Krankheit und Heilung sowie von therapeutischen Ansätzen zu einem aktuellen, ganzheitlichen und »multimodalen« Behandlungskonzept für die Psychoonkologie. Zentral ist ihr Modell einer Pyramide therapeutisch wirksamer Kommunikation, deren Spitze das oberste Ziel der beiden Autoren bildet: die selbsthypnotischen Fähigkeiten und die Autonomie der Patienten zu fördern.
Die in diesem Buch verwendete Resonanzmetapher lädt zu einem Ausflug in die Welt der Physik und der Musik ein. Das menschliche Bedürfnis nach Wohlbefinden und Harmonie weist eher in Richtung Musik. Teppichweben und Musikhören sprechen wesentliche Sinneskanäle an und haben in mir die Idee induziert, mein Geleitwort ab hier hypnotherapeutisch als Symphonie zu konzipieren und zum Klingen zu bringen.
Der Begriff Symphonie bezeichnet Instrumentalwerke mit einer über die Jahrhunderte wechselnden Form und Besetzung. In diesem Fall wurde eine Symphonie für zwei Soloinstrumente – Hypnose und Achtsamkeit – komponiert. Ihr Hauptthema einer »resonanzbasierten und patientenzentrierten Psychoonkologie« klingt in unterschiedlichsten Variationen und Beispielen an. Auch wenn sich beide Instrumente zu ähneln scheinen, unterscheiden sie sich doch in ihrem Klangcharakter. Der im gekonnten Zusammenspiel entstehende zauberhafte Klang und die universelle Resonanz kann Wunder wirken.
Doch worauf gründet sich die dominierende Rolle dieser beiden herausragenden Soloinstrumente? Milton Erickson und Buddha repräsentieren im vorliegenden Buch die lange Geschichte der beiden Instrumente. Im Orchester zeitgenössischer tiefenpsychologischer, verhaltenstherapeutischer und systemischer Behandlungskonzepte spielen sie als tragendes Grundthema Melodien von den grundlegenden Haltungen zum Leben und Menschsein. Die Symphonie ist einer Patient-Behandler-Beziehung gewidmet, die mittels therapeutisch wirksamer Kommunikation gelingt.
Seit über 40 Jahren fasziniert mich das Phänomen Hypnose und speziell der hypnotisch veränderte Bewusstseinszustand in der psychotherapeutischen Begegnung. Beim Lesen des Buches tauchen in meiner Erinnerung viele in diesen Jahrzehnten mit Hansjörg Ebell gemeinsam erlebte Situationen auf: angeregte Gespräche und kollegiale Diskussionen auf Hypnosetagungen und internationalen Kongressen, in denen wir mit vielen geschätzten Kollegen und Kolleginnen engagiert um das Verständnis von Hypnose und ihrer therapeutischen Anwendung im Bereich von Psychotherapie und Medizin gerungen haben. Das vorliegende Buch ist eine gelungene Integration von Hypnose und Achtsamkeit – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis – für den psychoonkologischen Bereich und bietet einen Kanon der wertschätzenden und hilfreichen Kommunikation für Patient und Behandler an.
Im wissenschaftlichen Bereich konnte man sich in den letzten Jahren mehr oder weniger auf die Definition von Elkins et al. (2015) einigen: »Hypnose ist ein veränderter Bewusstseinszustand mit einer fokussierten Aufmerksamkeit, reduziertem peripheren Gewahrsein und erhöhter Fähigkeit, auf Suggestionen zu reagieren.« Gut eingebettet in einen medizinisch-onkologischen Behandlungskontext reicht das differenzierte und gleichzeitig pragmatische Verständnis der Autoren für Hypnose von einem »zeitgenössischen Etikett für ein archaisches Heilungsritual« bis hin zu einem »heilungsfördernden (sozio)psychophysiologischen Zustand«.
Beim Lesen dieses Buches fand ich mich immer wieder in kreativen Trancezuständen wieder, wohl induziert durch die Fülle und Komplexität der hypnotherapeutischen Themen in ihrer Kombination mit psychoonkologischen Inhalten und der Fundierung der Achtsamkeit in der buddhistischen Psychologie. So möchte ich für dessen Lektüre jedem Leser gerne ein Wort von Milton Erickson mitgeben: »Enlightenment is always preceded by confusion« (Der Erleuchtung geht immer Verwirrung voraus).
Norbert Loth Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e. V. (DGH)