Читать книгу Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie - Michael E. Harrer - Страница 19
4.2Therapeutisch wirksame Kommunikation ist bedürfnisorientiert
ОглавлениеDen Leitlinien, aber auch einer ärztlich-therapeutischen Grundhaltung entsprechend, sollte es selbstverständlich sein, sich an den Bedürfnissen des einzelnen Patienten zu orientieren. Menschen mit einer Krebserkrankung machen aber leider sehr häufig andere Erfahrungen. In unserem Modell empfehlen wir als eine der Brillen, mit denen wir Patienten betrachten, eine Bedürfnisbrille. Patientenzentriertheit ist garantiert, wenn es gelingt, die individuellen, aktuellen, mittelfristigen und langfristigen Bedürfnisse der Patienten, ihr Gesund- und Kranksein, im Auge zu behalten. Die Bedürfnisbrille ermöglicht auch einen einfühlsamen, verständnisvollen und konstruktiven Umgang mit Gefühlen. Diese können als Signale betrachtet werden, die auf Bedürfnisse hinweisen.
Da sich die Bedürfnisse im Verlauf einer Erkrankung verändern, werden wir bei den einzelnen Wegstrecken im Verlauf der Erkrankung immer wieder auch auf phasenspezifische Bedürfnisse eingehen und sie mit den auftretenden Gefühlen in Beziehung setzen.
Wir werden ein Modell der vier emotionalen Grundbedürfnisse vorstellen: Bindung und Verbundenheit, Autonomie, Kompetenz und Orientierung (Abschn. 5.3.1, S. 61 f.) Sie dienen als Raster zur Suche nach Unerfülltem sowohl bei Patienten als auch ihren Behandlern. Zugleich regt die Bedürfnisbrille zum Perspektivenwechsel an, zur Umfokussierung von Problemen und Symptomen auf Wünschenswertes und Ressourcen. Gemeinsam kann immer wieder nach Möglichkeiten gesucht werden, auf eine Balance der Bedürfnisse zu achten und die Spielräume zu deren Erfüllung zu bemerken und auszuschöpfen.
Die Bedürfnisorientierung bezieht sich auch und insbesondere auf die Art und Weise, wie Betroffene über ihre Krankheit informiert und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden wollen. Diese Umsetzung wird anhand des SPIKES- und NURSE-Modells diskutiert (Abschn. 5.5.1). Die Bedürfnisorientierung bezieht sich nicht nur auf die angestrebten Ziele der Behandlung, sondern auch auf deren Prozessqualität. Sie bezieht sich schlussendlich darauf, auch das Lebensende – so weit wie möglich – den Bedürfnissen der Patienten und ihrer Angehörigen entsprechend zu gestalten (Abschn. 10.2, S. 334). In unserem Stufen- oder Pyramidenmodell bezeichnen wir das als die gemeinsame Erarbeitung und Einigung auf einen objektiv angemessenen und subjektiv möglichst befriedigenden Gesamtbehandlungsplan und dessen gemeinsame Modifikation je nach Krankheitsverlauf (Abb. 2, S. 53).