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[16]Geisteswissenschaftliche Pädagogik

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In den 1920er Jahren unternahm Herman Nohl mit seinem Konzept »pädagogischer Bezug« erstmalig den Versuch, dieses eigentümliche menschliche Verhältnis wissenschaftlich zu modellieren. Dabei charakterisierte er die Beziehung zwischen Zögling und Erzieher als »Bildungsgemeinschaft«5, in der beide – auf unterschiedlichen Entwicklungsniveaus stehend – aufeinander angewiesen seien. Das pädagogische Verhältnis ist demnach das eines reifen zu einem werdenden Menschen: Es beinhaltet zwar persönlich-emotionale Aspekte (»Leidenschaft«), hat aber keine sexuelle Komponente (»hebend, nicht begehrend«). Und es orientiert sich auch nicht unmittelbar an externen Ansprüchen der Gesellschaft, sondern zunächst an der Befindlichkeit und den Bedürfnissen des Zöglings. Zwar sieht Nohl die Pädagogik nicht als bloßen Selbstzweck, sondern auch objektiven Gehalten und Zielen verpflichtet. Allerdings sei der Zögling nicht an gesellschaftliche Rahmenbedingungen anzupassen, sondern diese müssten an ihn vermittelt werden.

»[W]as immer an Ansprüchen aus der objektiven Kultur und den sozialen Bezügen an das Kind herantreten mag, es muß sich eine Umformung gefallen lassen, die aus der Frage hervorgeht: welchen Sinn bekommt diese Forderung im Zusammenhang des Lebens dieses Kindes für seinen Aufbau und die Steigerung seiner Kräfte und welche Mittel hat dieses Kind, um sie zu bewältigen?«6

[17]Der pädagogische Bezug ist für Nohl kein einseitig vom Erzieher auf den Zögling hin ausgerichtetes Beeinflussungsverhältnis, sondern er beruht auf Wechselwirkung. Der Zögling besitze ein Eigenrecht. Das mache pädagogisches Wirken überhaupt erst möglich, und es schließe jede Gehorsamsorientierung aus. Eine solche Beziehung könne im Übrigen nicht erzwungen werden, da auch Momente wie Sympathie und Antipathie wirksam seien, die weder Erzieher noch Zögling beeinflussen könnten. Daher dürfe der Erzieher nicht gekränkt sein oder gar in Vorwürfe verfallen, wenn der Bezug nicht gelinge. Er könne höchstens versuchen, eine konstruktive Bindung des Kindes zu jemand anderem herbeizuführen.

Unterricht ist Beziehungssache

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