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Kapitel 1

Todmüde fiel ich in mein Bett. Charly, der schnarchend neben mir lag, schlief bereits seit geraumer Zeit, nachdem er sich im Badezimmer die Seele aus dem Leib gekotzt hatte. Heute Abend waren 15 Flaschen Wein, 13 Flaschen Bier und zwei Flaschen Schnaps getrunken worden. Und das von acht Personen. Insgesamt hatten wir heute Abend zwölf Gäste eingeladen, von denen jedoch vier so gut wie gar nichts getrunken hatten. Ich selbst war eine Person aus diesem Quartett gewesen, da ich als Gastgeberin nüchtern bleiben wollte. Dafür hatte mein holder Gatte Charly umso mehr getrunken, was dazu geführt hatte, dass ich mich nach der Party ganz alleine darum kümmern musste, unsere Gäste wieder aus dem Haus zu bekommen. Als ich unsere letzten Gäste zur Haustür eskortiert hatte und gähnend zurück in die Küche ging, konnte sich Charly kaum noch auf den Beinen halten. Das war, bevor er die erste Reise mit dem Porzellanbus unternahm. Drei weitere folgten.

Nachdem ich mich abgeschminkt und mir die Zähne geputzt hatte, ließ ich mich in mein Bett fallen. Ich knipste meine Nachtischlampe aus, kuschelte mich unter meine Bettdecke und starrte in den dunklen Raum. Das war er also gewesen – mein 45. Geburtstag. Andere Frauen verreisten an solchen Tagen mit ihren Partnern, genossen den Tag ihres Wiegenfestes an einem sonnigen Strand und hatten dann am Abend auf dem Hotelzimmer Sex, dass die Wände wackeln. Und was hatte ich: Eine dreckige Küche, in der sich Berge von schmutzigem Geschirr türmten, einen Esszimmertisch, auf dem es aussah wie auf einem Schlachtfeld, und im Schlafzimmer einen besoffenen Ehemann, der gerade ganze Wälder zu roden schien.

Ich begann, in meinen Erinnerungen zu kramen. Als ich süße 15 war, hatte ich Charly im Kino kennengelernt. Vier Fäuste gegen Rio war der Film, in den mich meine beste Freundin Bianca damals geschleppt hatte. Sie schwärmte für Terence Hill, auch wenn er wie so oft an der Seite von Bud Spencer irgendwelche Idioten verprügelte und hirnlose Sprüche von sich gab. Eine Reihe hinter uns saßen Charly, der damals 17 war, und sein Kumpel Herbert, die sich während des Films dumm und dämlich lachten, während ich jede Viertelstunde gelangweilt auf meine Armbanduhr blickte. Dass ich mich nach dem Film von Charly anquatschen und auf eine Cola einladen ließ, führte dazu, dass ich mit 25 zweifache Mutter und mit 35 bereits das Interesse meines Mannes verloren hatte. Warum weiß ich auch nicht. Ich war weder hässlich noch ungepflegt, und schon gar nicht prüde. Charly hingegen gingen die Haare aus, sein Hinterteil und vor allem sein Bauch wurden größer, und wenn er am Abend von der Arbeit nach Hause kam, interessierte er sich nur noch für den Fernseher. Sex hatten wir vielleicht noch einmal pro Quartal, wenn überhaupt. Und in den vergangenen anderthalb Jahren lief zwischen Charly und mir überhaupt nichts mehr. Dabei liebte ich Charly nach wie vor, und es hätte mir auch nichts ausgemacht, wenn er mit Glatze und Bierbauch nackt auf mir gelegen wäre. Aber an der körperlichen Liebe schien mein Mann komplett das Interesse verloren zu haben. Ob er eine andere hatte? Eine jüngere vielleicht? Vielleicht verausgabte er sich in seiner Arbeit mit einer blutjungen Praktikantin oder mit seiner Sekretärin, und war dann für den Rest des Tages erledigt. Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen! Oder er hatte seine homosexuelle Ader entdeckt und traf sich heimlich mit einem Lustknaben, der es ihm so geil besorgte, dass Sex mit Frauen für Charly nicht mehr in Frage kam. Doch auch das konnte ich mir bei meinem Charly nicht vorstellen.

Egal was Charlys Beweggründe für seine sexuelle Lethargie waren: Ich war derselbigen noch nicht verfallen und ich hatte keine Lust mehr, wie eine Nonne zu leben. Ich hatte heute meinen 45. und nicht meinen 95. Geburtstag gefeiert, und ich fühlte mich einfach noch viel zu jung, um dem Sex zu entsagen. Doch wie sollte das gehen, fragte ich mich? Ich konnte Charly schließlich nicht zum Sex zwingen. Dabei fiel mir ein, dass ich mit ihm noch nie darüber gesprochen hatte, dass wir seit geraumer Zeit keinen Sex mehr praktizierten. Wie würde er reagieren, wenn ich ihn darauf ansprechen würde? Würde er gähnen, den Kopf schütteln, wortlos ins Wohnzimmer gehen und sich wieder vor seinen Fernseher setzen? Oder würde er aus allen Wolken fallen und mich als sexsüchtige Psychopatin beschimpfen? Ich wusste es einfach nicht. Doch ich nahm mir fest vor, ihn darauf anzusprechen. Morgen war Sonntag, der Tag, an dem wir lange und ausgiebig frühstückten. Sobald unsere Kinder sich vom Frühstückstisch erheben würden, würde ich ihn auf dieses Problem ansprechen, nahm ich mir vor. Mit einem Lächeln auf meinem Gesicht schloss ich die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf.

Orgasmus gegen Taschengeld

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