Читать книгу Orgasmus gegen Taschengeld - Michael Helmschneider - Страница 8
ОглавлениеKapitel 6
Am nächsten Tag – es war Montag der 15. September – hatte ich Spätdienst. Das hieß: Ich hatte bis um 16.00 Uhr sturmfrei und musste erst um 17.00 Uhr in der Arbeit sein.
Sturmfrei – dieser Ausdruck hatte seit kurzer Zeit wieder eine völlig neue Bedeutung für mich. Als heute Morgen Charly und die Kinder aus dem Haus waren, versuchte ich erst einmal, Bianca telefonisch zu erreichen. Sie musste mir noch einmal sagen, wie die Website hieß, auf der sie immer ihre Typen kennenlernte. Leider konnte ich sie nicht erreichen. Zuhause ging sie nicht ans Telefon und ihr Handy war abgeschaltet.
Ich entschied mich, obwohl ich heute zum Einkaufen fahren musste, mich noch einmal an den Computer zu setzen und mein Glück zu versuchen, im Internet einen Spielgefährten zu finden.
Nach dem enttäuschenden ersten Versuch von gestern Nachmittag war mir die Lust dazu eigentlich vergangen. Aber schließlich gab es ja mehr als eine Website zu diesem Thema.
Ich begab mich an den Computer und fuhr ihn hoch.
Wieder googelte ich nach erotischen Kontakten, und wieder erschien eine ellenlange Trefferliste auf dem Bildschirm. Eine Website kannte ich ja schon. Ich entschied mich kurzerhand, einfach die zweite Website in der Liste anzuklicken.
Aufregende erotische Kontakte für ein Abenteuer gesucht? / www.ero-treff.com.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich die linke Maustaste drückte.
Eine ansprechende Startseite öffnete sich. Am linken Rand war eine in Reizwäsche bekleidete junge, schlanke Frau sehen, am rechten Rand ein durchtrainierter, knackiger junger Mann mit einem beeindruckenden Sixpack. Deutschlands heißeste Erotik-Community stand in der Mitte der Website. Darunter war zu lesen: Reale Abenteuer oder virtuelle Erlebnisse? 100% kostenlose Nutzung, 100% Diskretion, 100% Vielfalt. Doch auch hier musste man sich anmelden.
Ich wollte schon wieder auf den Zurück-Button meines Browsers klicken, als ich folgendes las: Wir haben 2.985.431 Mitglieder. Davon sind 14.479 jetzt online. In den letzten 24 Stunden wurden 494.878 Nachrichten versendet. Deutschland ist bei ero-treff.com!
„Das ist ja krass, wie viele Leute sich im Internet auf solchen Plattformen anmelden.“ murmelte ich. Ich klickte in das erste Feld der Anmeldemaske auf der Startseite der Website. Diese Website kam mir wesentlich unkomplizierter als die erste vor. In der Anmeldemaske musste ich lediglich meinen gewünschten Nickname, mein Passwort, meine E-Mail-Adresse und mein Geschlecht angeben. Ich überlegte, wie ich mich nennen sollte. Marianne1969 vielleicht. Nein, das war zu offensichtlich! Wenn irgendjemand, der mich kannte, sich auch auf dieser Seite angemeldet hat, wusste er sofort, wer ich bin! Ich wählte als Nickname Bienchen_1969. Tut uns leid, dieser Nickname existiert bereits. Bitte wähle einen anderen Nickname. „Oh Mann!“ schrie ich und schlug mit der flachen Hand auf meinen Schreibtisch. Ich kochte vor Wut, weil sich irgendeine Schlampe diesen Nickname bereits gesichert hatte. Ich versuchte es daraufhin mit 1969_Marianne. Genau das gleiche. Am liebsten hätte ich jetzt den Computerbildschirm zertrümmert.
Ich versuchte es mit anne_1969, wobei anne für die letzten vier Buchstaben meines Vornamens Marianne stand. Ich hätte meinen Nickname auch noch auf mary_1969 ändern können, aber ich war mir mehr als sicher, dass eine mary_1969 hier bestimmt auch schon existierte.
anne_1969 wurde akzeptiert. Beim Passwort war ich genauso einfallsreich wie vorher und wählte wieder rieling1234. Ich gab erneut meine E-Mail-Adresse an, klickte beim Geschlecht auf Frau und setzte ein Häkchen, wodurch man die AGB und Nutzungsbedingungen akzeptierte.
Dann klickte ich auf den Button darunter, in dem Jetzt mitmachen zu lesen war.
Die Bildschirmansicht veränderte sich erneut. Super! Du hast es schon fast zu ero-treff.com geschafft! Zur Überprüfung Deiner E-Mail-Adresse haben wir Dir eine Nachricht mit einem Freischalt-Link geschickt. Und so weiter. Allmählich begann mich dieses Prozedere wirklich zu langweilen! Ich klickte mich erneut in mein E-Mail-Postfach, wo ich im Spam-Ordner eine Nachricht von kontakt@benachrichtigung.ero-treff.com vorfand. Ich klickte auf diesen dämlichen Freischalt-Link, den Rest des Textes dieser E-Mail ignorierte ich einfach.
Ich wurde zur Website www.ero-treff.com zurückgeführt, wo sich die Anmeldung fortsetzte.
Ich hätte heulen können! Warum kann ich mich nicht einfach irgendwo durch eine Liste von Männern klicken, und mir dann dort ein hübsches Exemplar herauspicken? Warum muss ich mich stattdessen immer erst durch so ein ewig langes und kompliziertes Anmeldeverfahren quälen?
Lieblos setzte ich auch in dieser Anmeldemaske meine Häkchen und klickte mich durch verschiedene Auswahllisten. Verdutzt sah ich plötzlich, dass man sogar angeben konnte, ob man finanzielle Interessen hatte. „Finanzielle Interessen? Ich bin doch keine Hure!“ schnaubte ich. Ich kam zu einer Art Submaske, welche den Titel Über mich trug. Hier konnte ich meinen Beziehungsstatus angeben, mich beschreiben, und die Besucher meines Profils wissen lassen, welche Vorlieben, Fantasien und Wünsche ich hatte.
Was schreibe ich denn hier rein? fragte ich mich. Dann begann ich zu tippen. Suche einen netten Kerl, der weiß, was eine Frau möchte. Das klang gut, dachte ich mir. Vorlieben, Fantasien und Wünsche? In dieses Feld schrieb ich erst einmal gar nichts.
Ich klickte auf Weiter. Eine neue Maske erschien mit folgendem Hinweis: Damit Du beste Erfolgschancen hast, fülle bitte noch die folgenden Angaben aus. Danach hast du die Anmeldung abgeschlossen und kannst ero-treff.com kostenlos nutzen. Ich verdrehte genervt die Augen. Erneut machte ich Angaben zu meinem Alter und meinem Äußerem. Zusätzlich wurden noch Informationen über meine Intimbehaarung, meine sexuelle Orientierung und meine Körbchengröße verlangt. Sollte es beim Ausfüllen Deines Profils zu Problemen kommen, melde Dich bitte unter kontakt@ero-treff.com. „So dumm kann doch gar niemand sein, dass man nicht einmal diese behinderten Anmeldemasken ausfüllen kann!“ dachte ich mir. Na ja, es gibt nichts, was es nicht gibt.
Wieder klickte ich auf Weiter. Jetzt hatte ich noch die Möglichkeit, einen Nachrichtenfilter zu aktivieren und spezielle Filterkriterien festzulegen. Dieses Angebot überging ich. Ich klickte erneut auf den Weiter-Button.
Und endlich – mir kam es vor, als wären mehrere Jahrtausende vergangen – öffnete sich mein Profil auf dem Bildschirm. Auch hier fand ich ein Postfach vor, an dem neben einem geschlossen Briefkuvert eine 1 blinkte. Ich klickte auf Posteingang. Hallo anne_1969,
herzlich willkommen bei unserer Erotik-Community. Wir freuen uns, dass Du zu uns gefunden hast und wünschen Dir viel Freude beim erotischen Miteinander auf dieser Seite. Das gleiche Bla bla wie auf der anderen Website von gestern Nachmittag. Und wieder der Hinweis, dass man ein Foto hochladen sollte, weil das die Chancen erhöht, hier jemanden kennenzulernen. Ich dachte nach. Warum eigentlich nicht? Aber erst einmal wollte ich mich hier ein wenig durchklicken.
Ich klickte auf den Suche-Button und schon erschienen mehrere Felder mit Eingabemöglichkeiten. Wenigstens enthielt diese Website eine Suchfunktion. Ich biss mir grinsend auf die Unterlippe und rieb mir die Hände. „Na dann mal los!“ sprach ich zu mir selber.
Ich suche: Mann. Alter: Hm, gute Frage. In welcher Alterklasse sollte ich denn jetzt nach Männern suchen? Zu jung sollten sie nicht sein, aber auch nicht zu alt. dachte ich mir. Während ich grübelte, was ich bei von … bis bei Alter eintragen sollte, bekam ich eine Meldung. Ein neuer Profilbesucher. Offenbar erregte ich die Aufmerksamkeit von irgendjemandem. Aber wer das war, wollte ich mir später ansehen. Also einen Teenager möchte ich nicht unbedingt, aber auch keinen alten Knacker. So tippte ich bei Alter: von 25 bis 45 in die Auswahlzeile.
Zwei weitere Profilbesucher wurden mir gemeldet. Und noch einer. Plötzlich waren es sieben!
„Verdammt!“ zischte ich. Ich klickte auf die Liste der Profilbesucher.
Unter anderem wurde mein Profil von einem 19-jährigen Milchbubi aus Castrop-Rauxel, von einem 32-jährigen Muskelprotz aus München, einem nackten 36-jährigen Kerl aus Berlin-Mitte, einem 50-jährigen Transvestiten aus Hamburg, einem nicht übel aussehenden, gut gebräunten, 24-jährigen Mann aus Essen und einem 68-jährigen Fettsack, der aussah wie Reiner Calmund, aufgerufen. Ich klickte wieder zurück zu meiner Such-Funktion, wo ich das Land und die Stadt angeben musste, wo gesucht werden sollte. Zusätzlich wählte ich Nur Benutzer mit Bild anzeigen sowie Keine Benutzer mit finanziellen Interessen. Denn soweit, dass ich mir einen Callboy nehmen musste, war ich noch nicht!
21 Profilbesucher, drei gesendete Küsse und vier Nachrichten wurden mir plötzlich gemeldet. „Wie bitte? Das kann doch gar nicht sein! Ich hatte mich doch eben erst angemeldet!“ dachte ich mir. Kopfschüttelnd klickte ich auf den Suchen-Button.
Jetzt fiel ich fast von meinem Stuhl. 750 Männer wurden angezeigt.
43 Profilbesucher, elf gesendete Küsse und 18 Nachrichten. Das ist doch gar nicht möglich! Ich bin gerade mal ein paar Minuten lang angemeldet, und schon schlägt mir ein solches Interesse entgegen?
Erneut klickte ich in die Liste der Profilbesucher. Ich wurde von Männern aus ganz Deutschland angeklickt. 49 Profilbesucher, 23 Nachrichten. Ich kratzte mich an meiner Stirn. Ich wurde hier regelrecht mit Nachrichten überflutet. Dabei hatte ich noch nicht mal ein Bild von mir in mein Profil hochgeladen.
Ich ging in meinen Posteingang und öffnete die erste Nachricht. Sie kam von Caligula08 aus Kassel. Hallo anne_1969, finde Dein Profil sehr interessant und anregend, das macht doch Lust auf mehr. Liebe Grüße – Caligula. „So eine Scheiß-Nachricht!“ platzte es aus mir heraus. Ich öffnete die nächste Nachricht. Sie stammte von Interaciallove27 aus Meißen, Betreff Gut bestückter Latino gesucht? Die Nachricht lautete: Würde Dich gerne mal mit meinem prallen Dicken vaginal und anal penetrieren!!! Lust? Ich hob beide Augenbrauen, atmete tief durch und öffnete die nächste Nachricht, die von teufelchen59 stammte. Hallo, wie geht’s? Toll. dachte ich mir und öffnete Nachricht Nummer vier von einem Gabriel aus Schweinfurt. Hey, hast Du Lust auf richtig versaute Sachen? Dann meld dich doch mal :-) Hast Du schon mal ne Zunge im Hintertürchen gehabt? LG – Gabriel
Nachricht Nummer fünf war kein bisschen besser. Bankverbindung300 aus Ulm schrieb mir. „Wie kommt man denn bitte auf so einen bescheuerten Nickname?“ fragte ich mich. Hi anne_1969, Deine Beschreibung klingt sehr geil… wäre gerne der erste, der Dich hier zu einem Date bewegt und Dich ordentlich durchnimmt ;-) Besorgst Du Dir es auch manchmal selbst? Wenn ja, würde ich Dir gerne mal dabei zusehen. Was machst Du so mit dem besten Stück Deines Partners? Ich würde Dir so gerne meine Liebessahne schenken!!! LG – C.
„So ein Sexschwein!“ begann ich zu schimpfen. „Wieso klingt meine Beschreibung geil? Und was geht es dieses Arschloch an, ob ich es mir selbst mache? Und wer sagt, dass ich auf die Liebessahne von irgendjemandem scharf bin? So eine Drecksau!!!“ Ich war außer mir vor Wut.
Wilhelm0260 aus Berlin-Spandau hatte mir Nachricht Nummer sechs geschickt. Der Typ war 73 Jahre alt. Betreff: Mein drittes Bein Text der Nachricht: Ich hab so einen großen, dass ich oft schon dachte, ich hab ein drittes Bein. *g* Ich liebe es, wenn ein junges Ding mein drittes Bein mit der Zunge verwöhnt. Ich mag es auch, wenn Du mich fast zu Tode reitest. Oder wenn Du mir Deinen Anus zur Verfügung stellst. Gerne auch mit zwei Männern, wenn Du möchtest. Magst Du reife, erfahrene Kerle? Versaute Grüße - Wilhelm
Total abgestumpft las ich noch einfallsreiche Nachrichten von anderen abartigen Kerlen, wie Hi. Willst vorbeikommen? Ne runde vögeln? oder Lust auf eine ordentliche Portion Saft? oder Guten Tag! Ich würde Sie gerne durchnehmen bis Sie schreien. Mit freundlichen Grüßen – Klaus-Günther oder Bock auf nen Blowjob? Gruß - PornMan oder Schreib mir doch mal, Du Schlampe! oder Hallo, ich suche was zum Spielen. Du auch? oder Mein Name ist Maria. Darf ich Dich mit einem Umschnalldildo beglücken? oder Nettes Profil. :-p LG – Christo
Ich klickte auf Logout. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Auch diese Website war ein totaler Reinfall. Hier schien ein derart großer Männerüberschuss zu herrschen, dass mich selbst Typen aus entferntesten Winkeln der Bundesrepublik anschrieben. Und Niveau schien von diesen Widerlingen keiner zu haben.
Ich war total frustriert und ließ meinen Computer wieder herunterfahren. So eine Schnapsidee, dachte ich mir, im Internet nach Männern für die schönste Nebensache der Welt zu suchen! Ich nahm mir vor, unbedingt nochmal mit Bianca über diese Sache zu sprechen. Denn offenbar machte ich irgendetwas falsch. Es konnte doch nicht sein, dass sie im Internet einen Mann nach dem anderen kennen lernte und mit ihm jede Menge Spaß hatte, während ich zuhause versauerte. Nein, nein, irgendetwas musste ich bisher übersehen haben. Es gibt garantiert einen Weg, das zu erreichen, was Bianca erreicht hat. Ich habe ihn nur noch nicht gefunden. Noch wollte ich mich nicht geschlagen geben!