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Es ist Zeit für einen grundlegenden Wandel!

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Nun fragt man sich vielleicht, wie es sein kann, dass so viele Gesetze gegen die Verfassung verstoßen, ohne dass dies einen Aufschrei beispielsweise in den Rechtswissenschaften hervorruft. Ich führe dies auf ein Phänomen zurück, das ich als »blinden Fleck des deutschen Rechtssystems« bezeichne. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Deutschland lange Zeit ein genuin christliches Land war, in dem deutlich mehr als 90 Prozent der Bevölkerung der katholischen oder evangelischen Kirche angehörten (1871: 98,6 Prozent, 1939: 95 Prozent, 1970: 93,6 Prozent). Vor dem homogenen Hintergrund einer christlich geprägten Gesellschaft fiel den meisten Rechtsexperten offenbar gar nicht auf, dass weder die Gesetze des Staates noch ihre juristische Auslegung dem Gebot der weltanschaulichen Neutralität genügten. Dies ist wohl erst jetzt in einer weitgehend säkularisierten, entchristlichten, weltanschaulich pluralen Gesellschaft erkennbar geworden, weshalb sich auch jetzt erst der Druck erhöht, grundlegende Reformen einzuleiten.

Fakt ist, dass in den letzten 50 Jahren ein fundamentaler gesellschaftlicher Wandel stattgefunden hat. Die Kirchen haben einen beträchtlichen Teil ihrer Mitglieder verloren, der Bevölkerungsanteil der »praktizierenden Gläubigen« ist auf magere 12 Prozent zurückgegangen. Inzwischen leben in Deutschland deutlich mehr konfessionsfreie Menschen als Katholiken oder Protestanten. In vielen Großstädten stellen sie bereits heute über 50 Prozent der Bevölkerung, und in absehbarer Zeit wird dies auf ganz Deutschland zutreffen. Politische Mehrheiten wird es daher in Zukunft nicht mehr gegen die Interessen der konfessionsfreien Menschen geben, sondern nur noch im Einklang mit ihren Interessen.

Daher ist nun endgültig der Zeitpunkt gekommen, um die Privilegien der Kirchen abzuschaffen. Sie sollten nicht mehr Rechte besitzen als andere gesellschaftliche Organisationen auch. (Damit könnte man in eleganter Weise auch dem Bestreben der Islamverbände entgegentreten, die für sich ebenfalls »religiöse Sonderrechte« reklamieren.) Machen wir den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern des Landes also unmissverständlich klar, dass eine weitere Missachtung des Gebots der weltanschaulichen Neutralität des Staates nicht länger toleriert werden kann!

Die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel hat in den letzten Monaten Tausende von Menschen dazu gebracht, auf die Straße zu gehen, um gegen die Gängelungen des § 219a StGB und für eine Stärkung des sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmungsrechts zu demonstrieren. Aber §219a StGB ist, wie wir gesehen haben, kein Einzelfall: Es gibt in Deutschland unzählige Gesetze, die bürgerliche Freiheiten aufgrund von irrationalen, kontrafaktischen, weltanschaulich parteiischen Vorgaben beschneiden. Nutzen wir also das Jahr 2019 mit seinen Verfassungsjubiläen »70 Jahre Grundgesetz« und »100 Jahre Weimarer Verfassung«, um diesen rechtspolitischen Skandal ins öffentliche Bewusstsein zu bringen! 100 Jahre Verfassungsbruch sind wahrlich mehr als genug! Es ist an der Zeit, die »Kirchenrepublik Deutschland« hinter uns zu lassen und dafür zu sorgen, dass aus Verfassungstext endlich Verfassungswirklichkeit wird.

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