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Kirche und Marketing

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Die Geschichte der Unternehmensmarke »Christliche Kirche« lässt sich – in aller Kürze – auch mit Begriffen des Marktverhaltens und des Marketings beschreiben.

Paulus von Tharsus, der sich nach einem Erweckungserlebnis für den maßgeblichen Apostel hielt, startete eine feindliche Übernahme der Jesus-Gruppen, indem er die Zielgruppe erweiterte (Jesus hatte nur beschnittene Juden als Adressaten), das Vertriebsgebiet ausbaute (Missionsreisen im Imperium Romanum) und Prinzipien aufstellte, die neu sind: Die Auferstehung Jesu, der Gehorsam vor der Obrigkeit in Rom, die Bezahlung der Priester, das Schweigen der Frauen. Während Petrus, so viel wir wissen, sich als Vorsteher der Gemeinde in Jerusalem, als Manager verhielt (Organisation, Qualitätssicherung und Risikomanagement) hatte Paulus offensichtlich »Leadership Quality« (Vision, Kommunikation und Begeisterung). Seine Genialität zeigte sich unter anderem in der perfekten Beherrschung des »Advertising«, insbesondere des »Direktmarketings« in Mailings (Kettenbriefe an die Korinther, Galater, Epheser und viele andere) und in der Beeinflussung von »Opinion Leaders« vor Ort (Timotheus, Titus, Philemon). In seiner Kommunikation von »Unique Leadership« war das »Superiority Statement« für das Christentum konsequent.

Parallel entstand dazu in den ersten drei Jahrhunderten ein umfangreiches »Mission Statement« (Neues Testament) – mit dem man, in seiner Widersprüchlichkeit, alles begründen kann – und es wurde eine der größten »Positioning Operations« der europäischen Geschichte realisiert. Durch »Produktpiraterie« wird der beliebte Mithras-Kult (Sol invictus) und die weitverbreitete, aus Ägypten stammende Horus-/Isis-Verehrung als Jesus/Maria inkorporiert. Horus, der Falkengott, verschmilzt mit dem Auferstandenen, dem über den Tod siegreichen Christus. Unter dem Christusmonogramm PX (nicht mit dem lateinischen Kreuz) führte Kaiser Konstantin seine Legionen in die Schlacht, die man bekanntlich nicht mit Nächstenliebe gewinnt.

Insbesondere durch die Übernahme der heidnischen Feste – wie Weihnachten und Ostern – warf das Christentum die tradierte heidnische Spiritualität nicht über den Haufen, sondern dockte an bestehende Gemeinschaften an. Eine effiziente Form des »Community Marketing«. Werbeagenturen bezeichnen diese Strategie des »Trittbrettfahrens« auch als »Movement Marketing«.

Konstantin verschaffte der christlichen Gemeinde im Jahre 310 den offiziellen »Marktzugang« in Rom, und Kaiser Theodosius 380 die »Monopolstellung« als Staatsreligion. Damit war die »Uniqueness« erreicht und es begann die erfolgreiche Geschäftspartnerschaft zwischen Kirche und Staat. Beiden war bekannt, was der römische Historiker Titus Livius – er lebte von 59 vor bis 17 nach Christus – bereits festgestellt hatte: »Not lehrt beten!«

Damit waren alle Elemente für eine erfolgreiche Konzeption der »Copy Strategy« des Christentums beisammen. Wesentlich waren dabei: Der »Consumer Benefit« (das Versprechen der Gleichheit aller Menschen – nicht auf der Erde, aber vor Gott), die »Unique Selling Proposition«, das wesentliche Alleinstellungsmerkmal einer allumfassenden (katholischen) Staatsreligion, mit überzeugenden »Testimonials« (Jesus als Christus, Kaiser Konstantin und Kaiser Theodosius). Und das »Reason Why« war das Versprechen der Auferstehung von den Toten. Für alle.

Für die Kirche war die Bildung eines hierarchisch organisierten Klerus die Grundlage für den Geschäftsbetrieb ihres Machtwillens: Innerhalb der religiösen Gemeinschaft besteht eine Gruppe von geweihten Amtsträgern mit priesterlichen Funktionen (die Kleriker), die deutlich von den übrigen Gläubigen (den Laien) abgehoben sind. Das Basiskonzept ist dabei eine einfache, duale und robuste Unterscheidung, die auch Menschen verstehen, die nicht lesen und schreiben können: Die Menschen leben in einem Jammertal, da sie alle Sünder sind, Lügner, die in die Hölle kommen werden, wo sie unsägliche Qualen erleiden. Und Sterben tun sie alle, und dann sind sie tot. Davor kann sie nur eine einzige Organisation retten, die Kirche. Auch wenn der Mensch aus dem Paradies vertrieben wurde, so kann er doch durch Gott und seine Kirche Vergebung erlangen, die Wahrheit erkennen, ins Himmelreich kommen und erlöst werden. Den Tod braucht man nicht zu fürchten, er ist ein Doppelpunkt, für das wahre Leben und die Auferstehung. Und: Für alles das braucht es keine »Supporting Evidence«. Diese Ansatzpunkte wirken perfekt. Der einzelne Mensch, der um seine Schwäche weiß, wird von Kindesbeinen an in kirchliche Rituale eingeübt, die er verinnerlicht, und er wird in eine sozial-religiöse Gemeinschaft eingebunden, die ihm Halt gibt. Durch die partielle oder komplette Infantilisierung der Mitglieder, die den anmaßenden Klerus mit »Vater« anzusprechen haben, bleiben sie dem Vater – vom einfachen Pater über den Heiligen Vater bis hin zum Gott-Vater – dankbar für seine Sorge und seinen Schutz, und gleichzeitig haben sie Angst vor einer Bestrafung durch ihn, wenn sie sich falsch verhalten. Das nennt sich Ehrfurcht und ist staatliches Erziehungsziel in Bayern und in Nordrhein-Westfalen.

Und es entsteht ein ungewöhnlicher Nebeneffekt: Aus der Idee, dass alle Menschen Sünder seien, gibt es auch für den Klerus, das »Bodenpersonal« Gottes, keine Produkthaftung!

Mit anderen Worten: Jeder Mensch macht Fehler, wird Sünder, und trägt keine Verantwortung für sein Handeln oder seine Versprechen, wenn er mit Gott wieder im Reinen ist, und das geht – in der Beichte – nur mithilfe des geweihten Klerus.

Der Klerus ist eine »Flache Hierarchie« (»heilige Ordnung«) und über das »Corporate Design« des Collars (Priesterkragen) leicht erkennbar in drei Varianten: Pater/Priester (Soutane und Zingulum = Gürtel sind schwarz), Bischöfe (schwarze oder rote Soutane, rotes Zingulum), Papst (Soutane und Zingulum in weiß). Diese »Corporate Identity« gilt auch für alle Mönchs- und Nonnenorden, die an ihrem Habit (ihrer Kleidung) zu erkennen sind, das für alle Mitglieder genau gleich ist.

Im »Branding« ist die Einzigartigkeit des Markenzeichens »Christliches Kreuz« so stark, dass es diverse Untermarken integrieren kann und immer erkennbar bleibt. Das Ganze wird eingebettet in »Give Aways« (Andachtsbildchen und Fleißkarten), »Promotions« (Herz-Jesu-Bilder usw.) und Fan-Artikel (Devotionalien). »Merchandising« zu übersichtlichen Preisen!

Unübersehbar ist zudem die Anzahl der »Points of Sale« (Kirchengebäude), von denen es mehr als zehn Mal so viele gibt wie Filialen von ALDI Nord und ALDI Süd zusammen. Auch wenn die »Branded Utility« der Kirchturmglocken als Zeitangabe nicht mehr so stark ist, bleibt der »Flagship Store« in Rom ein Touristenmagnet.

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