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Kirche und Membership Economy
ОглавлениеDas besonders in Deutschland wirtschaftliche Erfolgsmodell »Katholische Kirche« beruht neben der exklusiven Geschäftspartnerschaft mit dem Staat auf einer »Membership Economy«, will heißen: Von der katholischen Kirche wird alles getan, um die Kirchenmitgliedschaft und damit das Zahlen der Kirchensteuer zu gewährleisten, was mithilfe des staatlichen Inkassos geschieht. Dazu zwei Beispiele:
Taufe, Firmung und Eucharistie sind die drei Sakramente, durch die der Mensch in die katholische Kirche eingegliedert wird. Die Taufe ist einerseits gleichsam ein Versprechen der Eltern, das Kind christlich zu erziehen, und andererseits der Beginn einer Kirchenmitgliedschaft. Damit diese Taufe und die Kirchenmitgliedschaft jedoch vollständig werden, ist katechetisch und kirchenrechtlich die Firmung zwingend vorgeschrieben. Das heißt, erst durch die Firmung des mit 14 Jahren kirchenrechtlich Erwachsenen wird die Kirchenmitgliedschaft bestätigt und endgültig.
Nun ist es aber so, dass sich beispielsweise im Erzbistum Köln nur rund 50 Prozent der Täuflinge auch firmen lassen. Ihre ohne ihre Zustimmung begonnene Kirchenmitgliedschaft müsste also von Seiten des Bistums beendet werden. Das geschieht jedoch nicht.
Noch ein weiterer Aspekt. Lange war umstritten, ob beim Austritt aus Religionsgemeinschaften, deren Mitgliedschaftsrecht an die staatlichen Austrittsgesetze anknüpft, erklärt werden kann, der Austritt solle nur für den staatlichen Bereich gelten, die Mitgliedschaft aber bestehen lassen. Die Folge dieses »Kirchenaustritt mit nur bürgerlicher Wirkung« wäre eine Mitgliedschaft ohne entsprechende Verpflichtungen (z. B. keine Zahlung von Kirchensteuer). Die Streitfrage hat sich aber dadurch erledigt, dass die staatlichen Kirchenaustrittsgesetze insoweit geändert wurden, als sie Zusätze und Bedingungen zur Austrittserklärung nicht mehr zulassen.
Tritt man in Deutschland aus der katholischen Kirche aus, wird man exkommuniziert, das heißt von den Sakramenten ausgeschlossen. Das hatte Papst Benedikt XVI. als unverhältnismäßig hart kritisiert, da die Exkommunikation nur bei Glaubensabfall oder Ungehorsam gegen einen Bischof vorgesehen sei. Die deutsche Bischofskonferenz erwiderte daraufhin, man werde bei der bewährten Praxis bleiben. Das entspräche dem Canon 222 des katholischen Kirchenrechts: »Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der Kirche Beiträge zu leisten.«
Diese beiden Beispiele zeigen, dass die katholische Kirche für den Geschäftserfolg auch pragmatisch bereit ist, katechetische Erfordernisse oder staatliche Gesetze zu missachten. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass die Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland sich mit diesen kompromisslosen Maßnahmen ökonomisch – im Hinblick auf die »Membership Economy« – absolut richtig verhalten.
Ein erster Blick scheint anderes zu bedeuten. Es ist richtig, dass sich der Filialbesuch in den »Points of Sale« (der regelmäßige Gottesdienstbesuch) von 1950 bis 2017 von 50 Prozent der Kirchenmitglieder auf zehn Prozent reduziert hat. Aber die Markentreue der Kundschaft zur Marke Kirche verringert sich vergleichsweise nur gering. Es sind im Mittel der Jahre von 1980 bis 2017 nur 0,6 Prozent pro Jahr. Das bleibt im Bereich des Überschaubaren.
Und vor allem zeigt es im Bereich der Ökonomie keine Auswirkungen, denn die Umsätze mit den Einnahmen aus der Kirchensteuer steigen – und das ist ja das Ziel der »Membership Economy«. 2015 wurde die Sechs-Milliarden-Euro-Grenze überschritten. Das mittlere Wachstum der Kirchensteuereinnahmen der katholischen Bistümer (von 1991 bis 2017) liegt bei 2,1 Prozent. Und diese Einnahmen werden, trotz Mitgliederverlusten, weiter steigen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat in einer Prognose (IW-Kurzbericht 78/2018) begründet geschätzt, dass die Kirchensteuereinnahmen der katholischen Bistümer bis zum Jahr 2023 auf 8,2 Milliarden Euro steigen werden und die der evangelischen Landeskirchen auf sieben Milliarden.
Es gibt allerdings auch Grenzen dieses Konzepts, denn als zur Beendigung der »Schummelei« der Kirchenmitglieder bei Zinserträgen 2015 die kompliziert organisierte Kapitalertragskirchensteuer in einem automatisierten Verfahren eingeführt wurde, mit einer anonymen, aber (so wörtlich) »gläubigerscharfen Abführung« der berechneten Kirchensteuer auf Kapitalerträge, häuften sich die Kirchenaustritte, vor allem die älterer Mitglieder, welche dies als unmoralischen Zugriff auf ihre sauer verdienten Spargroschen empfanden.
Dieser bemerkenswerte Erfolg der »Membership Economy« in Deutschland zeigt sich auch im Vergleich zu Österreich. Weil in Österreich der Kirchenbeitrag nicht an die staatliche Steuer gebunden ist, müssen die Kirchen selbst ermitteln, wer bei ihnen Mitglied ist und wie hoch das Einkommen – nach Selbsteinschätzung – dieser Mitglieder ist, und den Einzug des Beitrags selbst organisieren. In Deutschland sind die Mitgliederdaten der religiösen Körperschaften weitestgehend staatlich erfasst, und es wird in einer engen Geschäftspartnerschaft von Staat und Kirche bei der staatlich organisierten Steuerberechnung gleich mitberechnet, was von den Arbeitgebern für die Lohn- und Gehaltsabhängigen kostenlos monatlich zu berechnen und zu überweisen ist. Dieses finanzverfassungsrechtliche Unikat des staatlichen Inkassos erwirtschaftet für die beiden großen Amtskirchen in Deutschland an Einnahmen das vergleichsweise Dreifache von dem, was die Kirchenbeitragsstellen in Österreich realisieren.
Die Marketingexpertin Robbie Kellman-Baxter wurde einmal gefragt: »Was hat eine Firma von Mitgliedern?« Ihre Antwort: »Ein lebenslanger Kunde ist die Gans, die goldene Eier legt. Ich streiche jeden Monat Umsatz ein, das hilft unter anderem bei der Finanzplanung.« Dieses Phänomen »Leere Kirchen – volle Kassen« nennen andere Ökonomen: »Cash Cow«.