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Stadtschwein

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Das abtörnende Ambiente des Gemeindesaals, Bohnerwachsgeruch und schwere braune Möbel störten uns nicht. Wir hatten den Funken, wir hatten den Rock´n Roll. Wir hatten etwas mitzuteilen. Keiner von uns hegte irgendwelche Zweifel, dass man unsere Message begeistert aufnehmen würde. Warum waren wir uns so sicher? Es war mehr als der reine Wunsch. Wir spürten deutlich, dass wir da ein heißes Süppchen am Köcheln hatten. Jeder, der Qualität produziert, merkt das in diesem Moment. Egal, ob es ein Stuhl ist oder ein Song – Qualität ist so etwas wie die Seele – du kannst es nicht erklären, aber du spürst es. Etwas weniger pathetisch ausgedrückt: Unser Sound klang schrecklich, aber er hatte was.

Bis jetzt waren wir allerdings nur drei Typen, die sich regelmäßig in einem Gemeindesaal trafen. Eine Band wird daraus erst, wenn das Kind einen Namen bekommt. Aber wie sollten wir es nennen? Im Grunde war das piepegal, das wussten wir. Ein Bandname wird unverwechselbar durch die einzigartige Musik und den Mythos, der daran geknüpft ist. Durch tausendfache Wiederholung in den Medien.

Hier lag allerdings ein kleiner, aber sehr toter Hund begraben: Mit tausendfacher Erwähnung in den Medien konnten wir vorerst nicht rechnen. So versuchten wir die Quadratur des Kreises: Ein Bandname, der an sich originell ist, der gut klingt, die richtigen Assoziationen weckt und sich im Gedächtnis festhakt. Ein Bandname wie in Stein gemeißelt, dennoch aber witzig und fluffig in Klang- und Schriftbild.

Wir diskutierten, wogen ab, verwarfen, stritten uns und kamen schließlich zu folgendem Ergebnis: „Stadtschwein“.

Nicht etwa: Die Stadtschweine, sondern schlicht Stadtschwein. Etwa so: „Stadtschwein sind zur Zeit im Studio und nehmen ihr neues Album auf.“

Weit entfernt von irgendeinem Studio, hatten wir doch immerhin zehn Songs beisammen, die wir von vorn bis hinten spielen konnten. Da es keinen wirklichen Sänger gab, teilten sich Hades und ich die Aufgabe, die Texte ins Mikrofon zu rufen. Jetzt musste nur noch jemand zuhören.

Eines Tages zauberte Hades das As aus dem Ärmel:

„Kinder, haltet euch den Samstag frei - wir haben eine Mucke!“

Eine Mucke, auch Gig genannt, ist nicht nur die Möglichkeit, straffrei irgendwo Musik zu machen. Woher dasWort „Mucke“ stammt, ist nicht geklärt. Vielleicht hat es etwas mit Aufmucken zu tun. Der Sprachwissenschaftler wittert eher eine Verwandtschaft mit dem englischen „to make“. Die Erklärung, das Wort bedeute „Musikalisches Gelegenheits-Geschäft“ ist nachträglich entstanden. Es müsste dann „Mugge“ geschrieben werden, was nicht der Ausprache entspricht und außerdem doof aussieht. Der Hinweis auf eine Gage ist allerdings begründet. „Mucke“ darf ein Auftritt nur dann heißen, wenn es Geld dafür gibt. Dabei geht es nicht um das Geld an sich, sondern um die Ehre. Es wäre extrem unsportlich, irgendwo ohne Gegenleistung zu spielen. Das würde bedeuten, dass unsere Musik nichts wert ist.

Man hatte sogar schon von ehrgeizigen Bands gehört, die dafür bezahlten, dass sie auftreten durften. Das hieße im Umkehrschluss, dass deren Musik einen negativen Wert hatte. Das wollten wir für uns keinesfalls akzeptieren. Wir waren skeptisch:

„Und - Kohle?“

„Ja - es gibt auch Geld“ meinte Hades triumphierend.

Niemand fragte, wieviel.

Bunte Luft

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