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Vor einer Kommission hatten wir ausgewählte Werke zum Besten gegeben. Der Chef der Jury zeigte sich begeistert:

„Jungs - das ist die Neue Deutsche Welle des Ostens! Wenn ihr es jetzt noch schafft, dass Bass und Schlagzeug gleichzeitig mit dem Lied fertig sind, dann wird das richtig gut!“

Wir fühlten uns bestätigt. Da hatten wir also Recht gehabt mit unserem subjektiven Gefühl, Stars zu sein! Die kleine Spitze bezüglich unseres Timings verziehen wir ihm.

„Ich verleihe euch die Spielerlaubnis der Oberstufe!“

Das wiederum war ein wenig ernüchternd. Denn es gab noch die Sonderstufe, auf die wir es eigentlich abgesehen hatten. Aber das war nur eine sportliche Frage. In Wirklichkeit spielte es kaum eine Rolle, ob wir A-, B-, oder C-Eier waren. Es blieb der entscheidende Fakt, dass es eine "Spielerlaubnis für Laienmusiker und nebenberuflich tätige Musiker" war.

Als Hobbymusiker mussten wir uns nach einer Scheinanstellung umsehen, denn sonst wären wir arbeitslos gewesen. Arbeitslosigkeit gab nicht. Jeder ging morgens irgendwo hin. Was er dort machte, war eine andere Frage. Für uns war ein begehrter Job der Hausmeisterberuf - möglichst in einem wartungsfreien Haus. Keiner hatte Lust, diese Arbeit wirklich zu machen.

Ich versuchte es als Paketfahrer bei der Post. Die Pakete mussten allerdings wirklich ausgefahren werden. Wenn man gut war, konnte man damit schon mittags fertig sein und hatte dann frei.

Ich war nicht gut.

Mit meinem Barkas-Lieferwagen voller Pakete fuhr ich los. Die Kunst bestand darin, die Tour zu planen und die Pakete in der richtigen Reihenfolge einzuladen. Dazu hätte man allerdings Straßen und Hausnummern kennen müssen. Für die Verteilung der Hausnummern in einer Straße gibt es mehrere Möglichkeiten - eine Tatsache, die mich immer wieder zur Verzweiflung trieb.

Hatte ich die Adresse endlich gefunden, musste ich mit dem Paket die Treppen hoch. Wenn ich Glück hatte, war der Empfänger zu Hause. Wenn ich noch mehr Glück hatte, war es eine hübsche Empfängerin. Heute machte mir mein Schicksal eine besondere Freude: Die hübsche Empfängerin hatte nur einen Bademantel an.

Was in diesem Fall zu tun war, hatte ich von den Kollegen gleich am ersten Tag erfahren: Man musste das Paket, auf dem die Quittung zum Unterschreiben lag, etwas tiefer halten.

Beim Quittieren beugte sie sich leicht nach vorn, so dass ich ihre spitzen Brüste sehen konnte. Sie hatte den Trick durchschaut und lächelte mich an. Ich grinste zurück und ergriff die Flucht. Diese Adresse hatte ich schon mal im Kopf und vergaß sie nicht wieder.

Schwitzend und verzweifelt kam ich gegen vier auf den Hof gerollt. Ein Drittel der Pakete war noch im Auto.

„He Mick - du sollst die Pakete ausfahren und nicht spazierenfahren!“

Kalle, einer der alten Hasen. Er hatte gut reden.

„Na - dann versuchst du´s halt morgen noch mal!“

Über Nacht konnten die Pakete nicht im Auto bleiben. Ich fuhr an die Rampe und lud sie aus. Endlich Feierabend. Bloß weg hier! Ich ging um das Auto rum und wollte gerade einsteigen, als ich einen sanften Druck an meinem Fuß spürte. Irgendwie war ich mit dem Fuß vor das Vorderrad geraten. Diesen Moment hatte das Auto genutzt, um ein winziges Stück nach vorn zu rollen. Ganz sachte, es tat überhaupt nicht weh. Aber ich kam nicht mehr weg.

Das Auto stand auf meinem rechten Fuß wie ein großes, gutmütiges Tier, das sein Herrchen festhält. Ich versuchte es wegzuschieben, aber das ging in dieser Position nicht. Ich stand noch ein wenig herum und tat so, als ob ich die Scheibenwischer kontrollierte. Das änderte aber nichts an der Situation.

„He, Kalle!“

„Ja - was ist?“

„Kommst du mal rüber?“

„Na, wo drückt denn der Schuh?“

Wie recht er hatte. Kalle kam rüber und schaute mich fragend an. Ich deutete auf meinen Fuß.

„Kannst du das Auto bitte von meinem Fuß runterfahren?“

Kalle hatte noch nie so viel Spaß bei der Arbeit gehabt. Er ließ sich Zeit zum Genießen. Er ging um das Auto herum und plante minutiös seine Rettungsaktion.

„Kalle, mach schon! Der Schlüssel steckt. Vorsichtig! Rückwärtsgang! Bitte!“

Ich hatte ihm zum Feierabend noch eine richtige Freude bereitet.

Vier Monate hielt ich es bei der Post aus.

Bunte Luft

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