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8. Januar

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Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Bremer Landesvorsitzende Frank Magnitz ist in Bremen von drei Männern angegriffen und bewusstlos geschlagen worden.

Dass eine Gesellschaft politisch verroht und intellektuell verkommt, bemerkt man daran, dass nach einer Gewalttat mehr über die Gesinnung des Opfers als über jene der Täter gesprochen wird (komme mir keiner mit: Man weiß doch gar nicht, wer’s war; wenn’s die Mafia gewesen sein sollte, fällt automatisch auch die Gesinnung des Opfers weg). Unsere Leitmedien bzw. -fossile werden dafür sorgen, dass rasch der Kaftan des Schweigens über den Vorfall gebreitet wird, der, wie wir seit dem Anschlag in Döbeln wissen, am Ende nur der AfD nützt.


Nach der Relotiade über Fergus Falls machte ein amerikanisches Magazin einen Gegenbesuch beim Spiegel, um seine Leser zu informieren, unter welchen Umständen in Deutschland kritischer Qualitätsjournalismus entsteht. Ein Auszug:

»Die Büros befinden sich hoch in den Alpen, in einem Schloss. (…) Die Empfangsdame, Ilsa Shewolff, 32, eine ehemalige Gefängniswärterin, musterte mich mit einem furchteinflößenden Blick, entfernte einen Tabakkrümel von ihren blutroten Lippen und führte mich durch eine Halle mit Büsten der ehemaligen Chefredakteure (…) Adolph B. Beethoven saß hinter einem massiven Schreibtisch, auf dem eine Europakarte ausgebreitet lag, und unterhielt sich mit einem Mann in brauner Uniform. Ich dachte zuerst, sie planten eine Invasion, aber wie sich herausstellte, handelte es sich um einen UPS-Boten.

Der Chefredakteur war ein beleibter Mann in den Fünfzigern. Er trug Lederhosen und auf dem Kopf eine spitze grüne Filzmütze mit einer Feder. In seinem Gürtel steckte eine Luger. ›Schnaps?‹ fragte er. ›Schnitzel?‹«


Das war eine Relotiade im engsten Sinne. Relotiade im weiteren Sinne bedeutet, dass ein Journalist mit seinem Text nicht ausschließlich versucht, die Wirklichkeit abzubilden, sondern sie färbt, wie er sie gern hätte, dass er die Wirklichkeit also tendenziell seiner Gesinnung anschmiegt (wobei das besitzanzeigende Fürwort eine gewaltige Übertreibung ist; die journalistische Meinung ist ungefähr so individuell wie die Schwimmrichtung einer Sardine). Im weiteren Sinne besteht der deutsche Journalismus also mindestens zur Hälfte aus Relotiaden. Alexander Wendt hat das anhand der unterschiedlichen Bewertung einiger Gewalttaten der letzten Tage untersucht, mit einer plausiblen Pointe und dem erwartbaren Resultat: Sie wollen ihre doppelte Optik einfach nicht »hinterfragen«, wie ein Qualitätsjournalist schreiben könnte, und zwar nicht aus Routine und Gewohnheit, sondern aus Opportunismus und Treue zum Zeitgeist – ob stramm zum derzeitigen oder bloß flexibel zum jeweiligen, wird zu beobachten sein.

Ein Beispiel. Im Zeit-Interview äußert sich die Gießener Kriminologie-Professorin Britta Bannenberg zu der Amokfahrt von Bottrop. Nachdem sich herausgestellt hat, dass der Täter wegen einer Schizophrenie in Behandlung war, versucht das Hamburger Humanistenblatt, vom Terroranschlag eines Rechtsextremen zu retten, was zu retten ist. Freilich perlt das Insistieren der Interviewerin an nahezu jeder Antwort der Kriminologin ab, die – für meine Begriffe allzusehr – auf psychische Störungen solcher Täter insistiert. Nun gut, es ist ihr Job, ihre Klientel, und für die tut man was. Die Journalistin hat aber auch ihre Klientel, den Zeit-Leser, der meistens Pädagoge, Sozialwissenschaftler oder dergleichen und »linksliberal« ist, und folglich versucht sie, die passende, in im Tenor längst feststehende Schlagzeile aus ihrer Gesprächspartnerin zu locken:

»Ist es denkbar, dass der mutmaßliche Täter von Bottrop und Essen ähnliche irrationale Ängste vor Ausländern entwickelt hatte und sich in seiner Wahnvorstellung wehren musste? Bannenberg: Wenn der Täter tatsächlich schizophren ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass sein Wahn ihn zur Tat getrieben hat.«

Mist, das ging schief. (Wir lassen hier den von der Fragerin ausgeblendeten Unterschied zwischen irrationalen und rationalen Ängsten von »Ausländern« ebenfalls ausgeblendet.) Nächster Versuch:

»Wie viele solcher Taten entfallen denn auf psychisch Erkrankte? Bannenberg: Was Amoktaten angeht, sind psychische Erkrankungen eine relevante Ursache. Und was ist mit dem Rest? Bannenberg: Die restlichen Täter wiesen in den meisten Fällen eine Persönlichkeitsstörung auf. Und wie hoch ist der Anteil derer, die keine Diagnose haben und so eine Tat begehen? Bannenberg: In der Regel ist kein Amoktäter psychisch gesund.«

Spätestens hier hat die Maid begriffen, dass sie es auf dem Weg über Fakten nicht mal bis ins Tiebreak schafft. Also feuert sie die jedes Experten-Teflon durchbrechende Frage ab:

»Liefert die Stimmung in der Gesellschaft Inhalte für die Wahnvorstellung solcher Menschen? Bannenberg: Das tut sie immer. Generell sind Mehrfachtötungen, auch versuchte, sehr seltene Taten. Diese Täter nehmen gesellschaftliche Einflüsse, aber auch ihre ganz persönliche Wahrnehmung als Futter für ihre Hassfantasien.«

Bingo. Damit ist die Überschrift im Sack. Sie lautet: »Die Gesellschaft liefert Futter für Hassphantasien«. Das ist zwar allenfalls die Hälfte der erteilten Antwort, außerdem eine für den gesamten Gesprächsverlauf eher abseitige Auskunft und eine Binse sowieso, die immer und überall gilt – Robinsons Insel natürlich ausgenommen –, aber auf diese Weise hat die Zeit-Schreiberin endlich die rechten Hetzer in ihrer Story. Und dass die Gesellschaft am Ende immer an allem die Schuld trägt, ist ohnehin ein linkes Mantra, denn unsere Linken leben ja davon, die Unvollkommenheiten der Gesellschaft anzuprangern und dann ihre Therapien anzubieten, die zwar nie funktionieren, aber trotzdem ein Perpetuum mobile am Laufen halten, das angeblich auch nicht funktioniert, in diesem Falle aber verblüffenderweise doch.

Sela, Psalmenende.

Die neuesten Streiche der Schuldbürger

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