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Оглавление20 | Die Quittung
Neununddreißigster Eintrag im KleinDicken
Sofort ergriff ich mein KleinDickes und suchte meinen Eintrag von vor drei Jahren zur festgelegten Vorgehensweise in Situationen, die meinen Atem zu verknappen drohen. Unter dem Stichwort Sturm läuten las ich auf der Rückseite von Blatt 13:
›Zwei Reaktionen auf Sturmbringer lege ich mir nahe. Die erste besteht darin, den Sturm sich legen und davonziehen zu lassen. Die zweite besteht darin, sich dem Sturm nur für den Fall zu stellen, dass vor Sturmbeginn die Gefühle sich in einer Hochdrucklage befinden. Das ist nichts Schlimmes. Hochdrucklagen stehen für schönes Wetter.‹
Das war es auch schon. Vor drei Jahren hatte ich mehr zur gegenwärtigen Situation nicht zu schreiben gehabt.
Ich erhob mich im Bewusstsein meiner inneren Hochdrucklage und öffnete im Einklang mit mir selbst energisch die Arschlawozitür.
Vor mir stand Hella Nöttge, die Textilgestalterin aus der vierten, als langhaarige Dark Lady, ganz in Schwarz. Im Rhythmus der Schallwellen ihres Kopfhörers, bewegte sie sich geschmeidig wie eine zum Sprung auf ihr Opfer ansetzende Raubkatze.
Sie schaute in Richtung Kullaberg und hatte ihren rechten Daumen auf dem Klingelknopf festgemacht. Ihr Kopfhörer hinderte sie, meine Arschlawozitüröffnung wahrzunehmen.
Ich beschloss, die Arschlawozitür wieder zu verriegeln, als Montezuma II unwirsch laut krächzte: »teuatl kateh iuikpa tsintlan tlalli!18«
Sofort war die Dark Lady präsent. Sie schleuderte den Kopfhörer von sich und ließ ein Donnerwetter auf mich los, während ich mich auf die Bewahrung der Hochdrucklage konzentrierte.
»Du bist also der Vogel, der mich bei Kian durch die Gülle gezogen hat! Der behauptet hat, dass ich brillantkresylblaue Frotteehandtücher nicht korrekt falten und stapeln kann! Und deshalb bin ich hier. Weil ich dir jetzt dein verleumderisches Maul stopfen werde. Vorher aber sage ich dir: Ich nehme meine Arbeit ausnahmslos ernst, grundsätzlich unterlaufen mir keine Fehler. Ich liebe hoch ausgeprägtes Pflichtbewusstsein!«
»Aber das ist ja ganz wunderbar! Sie sind der zweite fehlerfreie Mensch, der mir jüngsthin untergekommen ist. Derohalben meine Frage: Möchten Sie nicht auf einen zauberstarken deliziösen Kaffee hereinkommen, bevor Sie grimmbebend mit dem Stopfen beginnen?
Ich denke, Ihre Leidenschaft als wohlachtbare Textilgestalterin gilt dem honorigen Handwerk Stricken, nicht aber dem der wohldienlichen Maul-Stopfkunst.
Dessen ungeachtet galt mein Ansinnen der Vermittlung einer bewährten Falt- und Stapeltechnik für brillantkresylblaue Frotteehandtücher nach Marie19 Kondōs Faltanleitung.
Immerdar bin ich hellselig, wenn ich Support leisten kann. Das versichere ich Ihnen.«
An dieser Stelle möchte ich darlegen, worin mein Unverständnis gegenüber dem nichtswürdigen Verhalten der Hella Nöttge gründet.
Ich pflege stets Dankbarkeit gegenüber Mitbürgern zu haben und zu zeigen, wenn sie sich mir gegenüber gedeihliche Mühe machen, eine meiner zahllosen Wissenslücken zu füllen. So rechnete ich jetzt mit einem angedeuteten Dankeskuss für meine Bereitschaft zur kostenfreien Vermittlung eines echten Knoff-Hoff-Tricks zur Vereinfachung der täglichen Mühsal. Bei Marie Kondō19 kostet er.
Die Dark Lady aber verhielt sich unvorhersehbar. Sie wurde still. Gefährlich still.
Ihre Augen zogen sich zusammen. Die Raubkatze krümmte sich, richtete ihre ausgestreckten Finger mit den langen, schwarzlackierten Gel-Nägeln gegen mich und fauchte.
»Ich sagte, du wirst teuer bezahlen!«
Dann wich die Katze einen Schritt zurück, richtete sich vollends auf und breitete ihre schwarzen Arme weit aus. Ihre Stimme schien aus dem Tonstudio des Pferdefüßigen zu kommen.
»Möge der Singultus über dich kommen, auf dass du ewig bereust, mein Faltwerk geknickt zu haben!«
Die schwarze Katze tauchte ab und war weg. Und Allmut war da.
»Ich habe alles mitangehört, Knut. Huch, ist das mal wieder aufregend! Komm doch mal mit runter zu mir!«
Ich folgte ihrem Ruf und ihrem Händereiben und hörte ihr zu:
»Sie war einmal Kians Freundin. Bis er Larina-Vaiana kennenlernte. Die aber lag den ganzen Tag auf dem Sofa und las Heftchenromane. Und Kian rackerte sich ab. Als Hella das sah, bot sie ihm an, seinen Späti sauber zu halten. Und seitdem ist Kians Späti sauberer als jeder OP-Saal.«
»Und was hat Varina-Lajana dazu gesagt?«
»Die heißt Larina-Vaiana, Knut. Und erwähn diesen Namen möglichst nicht bei Kian! Larina-Vaiana hat Kian die Hölle heiß gemacht. Aber nicht so sehr, dass sie den Späti morgens um vier Uhr gewischt und sauber gemacht hätte.
Kian braucht Hella. Jedenfalls ist Larina-Vaiana, Kian nannte sie immer nur meine Lavaheiße, irgendwann gegangen. Auch wenn Hella und Kian heute nicht mehr zusammen sind, Kian verteidigt seine Exfreundin mit Klauen und Zähnen!
Knut, nimm dich in Acht. Hella ist gefährlich. Sie hat die schwarze Magie bei Tana Manka gelernt, der Hochmeisterin der Esoterik auf der zweiten Etage. Im Hinterhaus, Gott sei Dank!«
»Das reicht jetzt, Allmut. Es ist zu viel passiert. Ich brauche Schlaf. Ich bin doch auch nur ein Mensch. Ich gehe!«
»Wenn du überhaupt noch Schlaf finden wirst!«
»Heißt?«
»Du hast den Singultus in dir. Für immer!«
»Singultus?«
»Geh jetzt in dein Arschlawozi. Und wenn du keinen Schlaf findest, kommst du einfach rüber!«
18 Schließ die Tür, wir frieren!
19 Marie Kondō ist eine japanische Wegwerferin und Aufräumerin