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Kapitel 8

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Renter ta Marek kam frisch von der königlichen Akademie in Alneris und war von dort nach Lheonaris befohlen worden. Die Stadt lag an der alten Handelsstraße, die ins Land des Pferdevolkes hinaufführte. Dort gab es keine bedeutende Garnison und erst recht keine Gelegenheit für einen tatendurstigen und sehr jungen Ritter wie ta Marek, sich zu bewähren und ein wenig Ruhm zu ernten. Der Hochgeborene befürchtete, einen langweiligen Dienst versehen zu müssen und die Jahre mit der Jagd auf Raubgesindel zu verbringen, welches die Straße immer wieder unsicher machte. Eine notwendige Aufgabe, doch keine Gelegenheit, mit außergewöhnlichen Verdiensten in den Schriften der Hauptstadt erwähnt zu werden.

Lheonaris verfügte über eine große Garnison der Stadtgarde, aber es gab nur eine kleine Abteilung der königlichen Gardekavallerie, die als berittene Einheit die Handelswege überwachte. Zwischen beiden Truppen bestand eine traditionelle Rivalität und es war für Renter sehr unangenehm, sich bei einem Kommandeur der Fußgarden melden zu müssen, da es keinen der königlichen Garde gab. Der junge Adlige achtete darauf, dass seine Uniform makellos saß, und zog seine Ernennungsurkunde aus dem Gepäck, um sich vorzustellen.

Was der Kommandeur ihm sagte, übertraf Renters schlimmste Befürchtungen sogar noch.

„Einen Beritt, Hochgeborener? Hier gibt es keinen Beritt für Euch. Die Garde der Stadt hat genug damit zu tun, ihre eigenen Reihen zu füllen. Nun gut, Renter ta Marek, Ihr habt einen Befehl des Königs und sollt somit auch Euren Beritt haben. Vorerst besteht er aus Euch, zwei Signalbläsern und einem Unterführer.“

Ta Marek starrte den Mann fassungslos an, was diesen zu einem freudlosen Lächeln veranlasste. „Lheonaris hat geblutet, ta Marek“, erklärte er in versöhnlichem Ton. „Nicht direkt durch das Beben. Unsere schöne Stadt kam gut davon. Aber viele Menschen haben Lheonaris verlassen und sind dem Aufruf des Königs gefolgt, im Osten zu siedeln. Ihr wisst ja, dass man dort dringend Leute braucht, um die Dörfer neu zu beleben. Nun, inzwischen ist unsere Bevölkerungszahl wieder stabil und Handwerk und Handel erholen sich. Doch wenn Ihr Männer für Euren Beritt haben wollt, Hochgeborener, so müsst Ihr diese selbst zusammensuchen.“

„Anwerben?“ Ta Mareks Stimme klang ungläubig.

„Selbstverständlich. Was denn sonst? Aber sicher hilft Euch der gute Ruf, den die berittene Garde des Königs ja besitzt“, knurrte der Kommandant. „Ihr werdet schon Männer finden, um einen Beritt bilden zu können. In der Rüstkammer lagert genug Material für Kriegszeiten, um ein ganzes Regiment auszustatten. Nehmt Euch, was immer Ihr benötigt.“

Es gab außerhalb der Kriegszeit keine Wehrpflicht. Es blieb daher Renter ta Mareks Fantasie überlassen, wie er Männer für den Dienst verpflichten könnte. Seine einzigen Hilfen waren das Handgeld des Königs, welches jeder Rekrut erhielt, und ein alter Unterführer. Der Unterführer war erfahren und hatte Renters heimlicher Auffassung nach wohl schon zu Zeiten des ersten Bündnisses gedient. Die beiden Signalbläser waren hingegen so jung, dass der Anwerber wohl beide Augen zugedrückt hatte. Doch das war bei Musikern nicht selten zu finden.

Der Unterführer war zu erfahren oder zu gleichgültig, um Renter ta Mareks Vorstellungen von Truppenanwerbung entgegenzutreten.

Renter ging davon aus, er brauche sich nur auf den Marktplatz zu stellen, mit dem Wimpel eines königlichen Beritts zu winken und könne sich dann kaum vor Bewerbern retten. Weit gefehlt. Auch wenn die Garde, vornehmlich die Gardekavallerie, bei der Bevölkerung hoch geachtet wurde, drängte es doch die wenigsten danach, in ihren Dienst zu treten. Das Leben war hart genug, gerade jetzt, zwei Jahre nach dem Beben, und die Menschen waren froh, dass ihr Tagwerk allmählich wieder leichter wurde.

Natürlich gab es ein paar junge Leute, die sich von den blitzenden Rüstungen der beiden Werber und vom fröhlichen Klang der Hörner beeindrucken ließen und welche Patriotismus oder Abenteuerlust dazu veranlasste, das Handgeld zu nehmen. Es gab auch andere, die den Versprechungen glaubten, der Dienst in der Garde sei im Vergleich zum harten Handwerk eine angenehme Art von Ausritt zu Pferde und böte reichlich Abenteuer. Einige ließen sich anwerben, da sie sich weniger Mühsal erhofften.

Nach drei frustrierenden Tagen konnte Renter achtundvierzig Männer in der Garnison versammeln, doch das waren bei Weitem noch nicht genug, um einen Beritt von zweihundert Männern zu formieren. Im Grunde war dies kein schlechtes Ergebnis, dennoch war der Adlige ausgesprochen enttäuscht.

„Wir brauchen mehr Männer“, stellte ta Marek erbittert fest.

„Wenn Euer Hochgeboren die Anforderungen ein wenig nach unten korrigiert, so könnten wir noch ein paar Leute auftreiben“, meinte der Unterführer schließlich. Er hatte zugelassen, dass der unerfahrene Adlige nach dessen Vorstellungen agierte, doch nun fand er es an der Zeit, seinen neuen Vorgesetzten mit der rauen Wirklichkeit zu konfrontieren. „Vielleicht keine Männer, mit denen man vor dem König paradieren sollte, aber dafür Männer, die man zu einem Beritt formen kann.“

Inzwischen war Renter für jeden Vorschlag dankbar, der ihm die erforderlichen Leute zuführte.

Der alte Unterführer kannte Wege, die notwendigen Männer zu finden, auch wenn die nicht unbedingt den Vorstellungen des Hochgeborenen entsprachen, die dieser von Gardisten des Königs hatte. So durchkämmten Renter ta Marek und sein Unterführer auch die zahlreichen Schenken und fanden jene, die betrunken oder verschuldet genug waren, die drei goldenen Schüsselchen zu nehmen. Ta Marek war überrascht, dass allmählich genug Männer für einen Beritt zusammenkamen.

Ein schwacher Beritt, der immer noch deutlich unter der Sollstärke lag, aber es war, wenigstens auf dem Papier, ein Beritt. Auf dem Hof der Garnison war es hingegen kaum mehr als ein Sammelsurium jüngerer und älterer Männer.

Schließlich wurde die bunt zusammengeworfene Schar vom Stadtkommandanten kurz gemustert. „Die Gardekavallerie muss wahrhaftig in Not sein“, hatte der gemeint. „Kleidet die Burschen ein, dann werden sie immerhin wie Gardisten des Königs aussehen. Wenigstens bei Dunkelheit und wenn der Betrachter sehr kurzsichtig ist.“

In gewisser Weise hatte der Kommandeur recht.

Die einheitlichen Uniformen und polierten Vollrüstungen der Garde machten die Männer, rein äußerlich, zu einem jener Beritte, auf den jedes Garderegiment stolz gewesen wäre. Doch bis dahin mussten Renter ta Marek, sein Unterführer und die neuen Gardisten noch einen weiten Weg zurücklegen.

„Wir haben Männer und wir haben Pferde“, brummte der Unterführer. „Nun beginnt der schwierigste Teil, Euer Hochgeboren. Kaum einer von den Burschen kann sich derzeit auf einem Pferderücken halten, geschweige von ihm kämpfen. Immerhin sind die Pferde bereits zugeritten. Wir werden die Leute also hinaufbekommen. Die Frage ist nur, wie lange sie oben bleiben.“

„Notfalls binden wir sie am Sattel fest“, sagte Renter grimmig. „Sie müssen die Formationen zu Fuß und zu Pferde erlernen, ebenso den Umgang mit den Waffen.“

„Das ist eine verdammte Menge Arbeit, Euer Hochgeboren. Da könnten wir etwas Hilfe gebrauchen.“

„Der Kommandant gehört zur Stadtgarde und wird wenig Interesse daran haben, uns zu unterstützen. Ihr kennt doch die Rivalitäten zwischen den Truppen des Königs und jenen der Städte und Provinzen.“

„Immerhin ist ein Beritt der Gardekavallerie hier stationiert, der die Handelsstraße bestreift. Redet mit deren Ritter. Möglicherweise leiht er uns einen oder zwei seiner Unterführer aus, bis unsere Männer so weit sind.“

Es war die Lösung für manches Problem, welches Renter ta Marek plagte. Zudem stellte auch der Kommandant zwei Ausbilder der Stadtgarde ab.

Aus dem bunten Haufen der Angeworbenen formierte sich langsam, aber zunehmend ein Beritt. Mancher der neuen Gardisten mochte es bereuen, das Handgeld des Königs genommen zu haben, doch der unbarmherzige Drill schweißte sie zugleich zu einer Einheit zusammen. Nur zwei Männer mussten zu Renters Enttäuschung ausgemustert werden, da sie den Anforderungen gesundheitlich nicht gewachsen waren. Ein Dritter brach sich beim Sturz vom Pferd das Bein und würde nie wieder reiten können.

Allmählich gewann der junge Hochgeborene an Zuversicht, wenn er die Männer hinter dem Wimpel des fünften Beritts der zweiten Gardekavallerie reiten sah. Seine Stimmung stieg weiter, als er zum Kommandanten befohlen wurde, der gute Neuigkeiten für ihn hatte.

„Ich habe den fünften Beritt sehr sorgfältig beobachtet, Hochgeborener ta Marek, und ich bin angenehm überrascht, welche Fortschritte Ihr erzielt habt.“ Renter überhörte die versteckte Anspielung, dass der Kommandant wohl an seinen Fähigkeiten gezweifelt hatte, denn die nachfolgenden Worte waren höchst erfreulich. „Es gibt einen allgemeinen Befehl des Kronrates, die neue Festung in Nerianet nach Möglichkeit zu verstärken. Somit werdet Ihr und Euer Beritt nach Nerianet abkommandiert. Dort könnt Ihr den Männern sicher den letzten Schliff geben.“

Renter ta Marek war in höchstem Maße beglückt. Sein Wunsch ging doch in Erfüllung ... Dienst an der Grenze in der neuen Festung von Nerianet.

Sicherlich gab es noch deutliche Mängel bei den Männern, und der Unterführer äußerte auch sofort seine Zweifel, als der Hochgeborene ihm die neuen Befehle übermittelte. „Es sind rund dreihundert Tausendlängen Weg bis zur Festung am Spaltpass. Ein weiter Ritt für ungeübte Männer, Euer Hochgeboren. Wohl ein Zehntag, bis wir dort ankommen. Es sind schlechte Reiter und mancher wird sattelwund sein, wenn wir durch Nerianets Tor reiten. Wir sollten daher langsam reiten und den Männern und Pferden Zeit geben, sich besser aneinander zu gewöhnen.“

Ta Marek drängte es an die Grenze, aber er sah ein, dass der alte Unterführer recht hatte. „Nun, der Befehl besagt nicht, wann wir eintreffen müssen. So können wir uns etwas Zeit nehmen und die Gelegenheit nutzen, den Männern unterwegs noch etwas beizubringen.“

Am kommenden Tag wurden Ersatzpferde mit den Packlasten des Reiseproviants und der wenigen privaten Habe der Männer beladen. Dann ließ Renter ta Marek die einhundertsiebzig Gardisten mit ihren Pferden auf dem Innenhof der Garnison antreten.

Alle trugen die Vollrüstungen über den schlichten graublauen Uniformen. Das helle Metall blitzte im Sonnenlicht. Ein leichter Wind spielte mit den einzelnen gelben Federn, die jeder der Männer als Zeichen seiner Zugehörigkeit zur Gardekavallerie am Helm trug. Der graue Wimpel mit dem Zeichen des Königreiches und den Insignien des Beritts flappte lustlos an der langen Lanze. Trotz der Hitze zog Renter den grauen Umhang der Garde über seine schmalen Schultern und rückte den Hauptmannshelm mit den beiden Federn gerade.

Begleitet von knappen Befehlen und dem Geschmetter eines Signalhorns saß der Beritt auf, erwies dem Kommandanten den Ehrensalut und ritt aus der Stadt. Er mochte noch nicht perfekt sein, aber immerhin, der fünfte Beritt des zweiten Gardekavallerieregimentes war auf dem Weg und der hochgeborene Ritter Renter ta Marek ritt an seiner Spitze.

Trotz der Unzulänglichkeiten war er Stolz auf sein erstes Kommando und fest entschlossen, es zum Ruhm zu führen. Ein kleines Gemetzel mit den Orks und eine Verwundung schwebten ihm da vor. Nicht zu schwer. Eine Verletzung, die einwandfrei verheilte, aber eine jener Narben zurückließ, welche die hochgestellten Damen in Alneris schwach werden ließen.

Der alte Unterführer des Beritts befürchtete genau diesen Ehrgeiz. Er hatte in seinem langen Soldatenleben schon manchen Offizier kennengelernt und schätzte Renter als einen jener Männer ein, die Ruhm oder Tod ernten würden. Der alte Soldat hatte ganz andere Vorstellungen von seinen letzten Dienstjahren und betrachtete den Ehrgeiz des jungen Offiziers mit wachsender Sorge. Offensichtlich wollte Renter auf die Garnison in Nerianet einen guten Eindruck machen und ließ während des Ritts kaum eine Gelegenheit ungenutzt, die Männer in den verschiedenen Reitformationen zu üben. Im Grunde war der Unterführer durchaus für eine solide Ausbildung. Im Kampf hing das Leben der Männer davon ab. Aber Renter legte zu viel Wert auf die Äußerlichkeit und missachtete einige der Grundregeln, die in der berittenen Truppe galten.

Schließlich, als Renter ta Marek abermals einen Scheinangriff auf eine harmlose Baumgruppe anordnete, trieb der Unterführer sein Pferd neben den jungen Offizier. „Mit Eurer Erlaubnis, Hochgeboren, sollten wir Männern und Pferden eine Ruhepause gönnen.“ Er sah den missbilligenden Blick des Adligen und stützte sich auf das Sattelhorn. „Man mag es an der königlichen Akademie nicht vermittelt haben, doch die Garde nimmt Rücksicht auf ihre Pferde. Ein Zehnteltag Ritt, danach werden die Tiere einen halben Zehnteltag geführt. Das hält sie frisch genug, um im Bedarfsfall eine schnelle Attacke zu reiten.“

„Ihr braucht mich nicht zu belehren, Unterführer.“ Renter hob den Helm kurz an und wischte sich Schweiß von der Stirn. „Dieses Wissen habe ich durchaus erlangt. Doch hier droht kein Feind und uns bleibt wenig Zeit, die Männer in den Formationen zu üben.“

„Es liegt mir fern, Euer Hochgeboren belehren zu wollen“, erwiderte der Unterführer vorsichtig. „Doch gibt es Raubgesindel in unseren Provinzen.“

„Kein Raubgesindel würde es wagen, einen Beritt der Garde anzugreifen“, sagte ta Marek empört.

In gewisser Weise stimmte das. Obwohl es Banden gab, die durchaus stark genug gewesen wären, sich mit einer Gardeabteilung anzulegen, gingen sie solchen Konfrontationen aus dem Weg. Allerdings nicht aus Furcht, wie der Hochgeborene voraussetzte, sondern aus der Gewissheit heraus, dass es bei Soldaten keine Beute gab und sich das Risiko nicht lohnte.

„Falls wir einer Bande begegnen, würde es in Nerianet sicher einen guten Eindruck machen, wenn wir sie zur Strecke brächten“, meinte der Unterführer eindringlich. „Auf müden Pferden würde uns eine Verfolgungsjagd schwerfallen.“

Der alte Soldat wusste, dass seine Ausführungen eher unsinnig waren. Der Beritt befand sich inzwischen in der Nähe der Wälder, an denen die alte Stadt Nerianeris lag. In den Ruinen fand man nichts Lohnendes und die Raubbanden trieben sich in der Nähe der Handelsstraßen herum, wo es etwas für sie zu holen gab.

Renter ta Marek war ehrgeizig genug, auf das Argument des Unterführers einzugehen. „Nun ja, ich verlasse mich auf Euer Urteil, Unterführer. Gebt Befehl zum Absitzen.“

Die Männer waren sichtlich erleichtert, endlich von den Pferden steigen zu können. Der Unterführer betrachtete die Gardisten und die Pferde, an deren Flanken Schweiß schimmerte. Wenigstens war es kein schaumiger Schweiß, dennoch brauchten alle eine Erholung. Es war die verdammte Hitze, die allen so zusetzte, und der junge Ritter machte keinerlei Anstalten, es den Männern leichter zu machen.

Für den Unterführer war es eine schwierige Situation. Er betrachtete die neuen Gardisten mit einem verständlichen Überlegenheitsgefühl und persönlicher Distanz. Das würde sich erst verlieren, wenn sich die Männer erstmals bewährten und sich dabei Spreu und Weizen trennten. Es lag jedoch an ihm, ihnen das entsprechende Rüstzeug zu verschaffen. Sie brauchten genug Druck, um zu fähigen Gardisten zu werden, und zugleich genug Fürsorge, um bei diesem Vorgang nicht zu zerbrechen. Unter einem menschenverachtenden Schinder konnte so etwas leicht geschehen, und der Unterführer hatte solche Männer durchaus kennengelernt. Glücklicherweise gab es solche Charaktere nur selten, denn der Dienst an der Grenze machte den Soldaten rasch deutlich, dass sie aufeinander angewiesen waren.

Hauptmann ta Marek war sicher kein Schinder und ließ die Leute nicht wissentlich leiden. Davon war der Unterführer überzeugt. Der junge Adlige wusste einfach nicht, wie er zu führen hatte, und es lag an ihm, dem erfahrenen Soldaten, es dem Hochgeborenen zu vermitteln. Immerhin schwitzte der ebenso wie seine Männer, denn er trug wie sie die volle Kampfrüstung.

„Wenn Euer Hochgeboren gestatten, so könnten wir den Männern Marscherleichterung befehlen.“ Der Unterführer wies zur Sonne empor. „Es ist sehr heiß, Euer Hochgeboren, und in der vollen Rüstung wird man rasch gebraten.“

„Das will ich wohl meinen“, seufzte Renter ta Marek. „Aber wenn es zum Kampf geht, können wir darauf auch keine Rücksicht nehmen und müssen den Schweiß erdulden.“

„Wenn es zum Kampf geht, Euer Hochgeboren, wird sicher jeder Gardist gerne ein wenig schwitzen und dabei den Schutz der Rüstung genießen. Doch im Augenblick tränkt der Schweiß Mann und Pferd. Wenn Schweiß den Körper verlässt, Euer Hochgeboren, dann wird das Blut dicker und träger und die Leute werden langsamer. Das muss man mit Wasser wieder ausgleichen.“ Der Unterführer deutete über die Schulter zu den Packlasten. „Unser Wasservorrat geht zur Neige. Wir werden Fässer und Flaschen am nächsten Wasserlauf auffüllen müssen. Bis dahin wäre es empfehlenswert, den Schweißfluss zu verringern.“

Ta Marek nahm den federgeschmückten Helm ab, wischte sich Schweiß von der Stirn und überlegte kurz. Schließlich nickte er zögernd. „Ich hätte das selbst bedenken müssen“, räumte er ein und lächelte halbherzig. „Ich fürchte, ich habe selbst noch einiges zu lernen.“

Der Unterführer verzichtete auf einen Kommentar, um die Gefühle des Vorgesetzten nicht zu verletzen. Immerhin war es ein gutes Zeichen, dass dieser eingelenkt hatte. Somit bestand Hoffnung für den Adligen und seine Männer.

Einen Tag später bewegte sich der fünfte Beritt dicht am Waldrand entlang. Ein gutes Stück voraus schimmerte heller Stein.

„Ist das schon Nerianet?“, fragte ta Marek prompt.

„Nein, Euer Hochgeboren“, erwiderte der Unterführer. „Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute, wir nähern uns den Ruinen von Nerianeris. Die Stadt wurde bei dem Beben stark zerstört. Da hat sich ein Wiederaufbau nicht gelohnt und sie wurde aufgegeben.“

Der Ritter leckte sich über die Lippen. „Es geht auf die Abendwende und wird Zeit für das Nachtlager. Was meint Ihr, Unterführer, gibt es dort noch Häuser, die wir als Unterkunft verwenden können?“

„Ein paar werden sicher noch stehen“, brummte der Gefragte. „Aber es hat viele Tote in der Stadt gegeben. Sehr viele, Euer Hochgeboren, und man hat sie nicht bergen können, Ihr versteht?“

„Oh, ich verstehe.“ Renter seufzte. „Es riecht ein wenig … unangenehm?“

„Der Wind steht in unserem Rücken und treibt auf die Stadt zu. Wir sollten hier lagern und die Stadt morgen passieren. In einer oder zwei Tageswenden sind wir dann in Nerianet.“

Der Ritter nickte. „Gut, schlagen wir hier unser Nachtlager auf.“

Die Männer saßen am Waldrand ab, versorgten die Pferde und trugen Holz zusammen. Wenig später brannten die kleinen Kochfeuer und die Gardisten bereiteten sich die einzige warme Mahlzeit des Tages. Ta Marek stellte die üblichen Wachen auf, dann begab er sich zur Ruhe.

Er erwachte mitten in der Nacht durch ein sanftes Streicheln an seinem Hals.

Renter ta Marek schlug die Augen auf und sah im Sternenlicht ein fremdes Gesicht über sich. Er wollte etwas sagen, doch nur ein nasses Gurgeln drang aus seiner durchschnittenen Kehle.

Ringsum waren leise Seufzer oder entsetzte Schreie zu hören, die rasch verstummten.


Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes

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