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Kapitel 3

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Das Reich von Alnoa kam langsam wieder zur Ruhe.

Zwei Jahre waren seit dem furchtbaren Erdbeben vergangen, welches solche Verheerungen über das Land und seine Bewohner gebracht hatte. Jenes Beben, das Wunden geschlagen hatte, die kaum wieder verheilen würden. Viele Menschen waren getötet oder verletzt worden, und an manchen Stellen sah man noch immer Schäden an den Städten und dem Land. Bis hin zur fernen Hafenstadt Gendaneris waren Häuser und Mauern beschädigt oder eingestürzt. Selbst in der Hochmark des Pferdevolkes hatte die Erde gebebt, und es hieß, die Festung von Eternas sei schwer angeschlagen. Doch das Entsetzen hatte vor allem Alnoa getroffen.

Das Königreich von Alnoa erstreckte sich von den südlichen Bergen des großen Walls zu den weiten Ebenen im Norden, in denen die Marken des Pferdevolkes lagen. Im Westen wurde es vom Meer und dem Gebirge des Teanus begrenzt, im Osten vom gewaltigen Massiv des Uma´Roll. Hier lag die undurchdringliche Grenze zum Reich des Schwarzen Lords. Hier lauerten seine Orklegionen darauf, die Reiche der Menschen und die Städte der Zwerge auszulöschen.

Es gab nur wenige Durchlässe in dieser Grenze.

Aus dem Norden konnte der Feind nicht kommen. Sein Blut gefror in der Kälte, und die Festung am Pass des Eten wurde von den Zwergen und dem Pferdevolk gehalten. Der Weg über die weißen Sümpfe war ihm ebenso verwehrt. Jene Sümpfe, in denen die Toten keine Ruhe fanden, wurden von der Stadt Merdonan und der Westmark der Pferdelords geschützt, und das Volk der Lederschwingen kreiste über den Bergen. Tief im Süden lagen zwei große Pforten. Hier unterhielt die Garde des Reiches Alnoa starke Festungen. Dabei wurde es unterstützt vom Volk der krebsartigen Irghil, welche das Reich von Jalanne bestreiften. Der Westen war sicher, denn die Orks verstanden sich nicht auf den Schiffsbau und scheuten das Wasser. Zudem patrouillierten die Schiffe der königlichen Flotte mit ihren schweren Dampfkanonen die Küsten.

Der Osten hingegen war sicher gewesen.

Niemand gelangte über die Berge des Uma´Roll.

Das furchtbare Erdbeben hatte das geändert.

Irgendwo in dem mächtigen Gebirge hatte es seinen Anfang genommen.

Mit einem leichten Schütteln der Erde, das immer stärker wurde, bis sich kein lebendes Wesen mehr auf den Beinen halten konnte. Felsen hatten sich gelöst, dann waren die Berge selbst in Bewegung geraten. Sie wurden gegeneinander gepresst und von ihrer eigenen Masse zermahlen, die Erde tat sich auf und verschlang, was sie zuvor bedeckt hatte. Ein mächtiger Spalt entstand in den Bergen. Ein Riss, einer klaffenden Wunde gleich, der sich quer durch das Uma´Roll zog. Als alles zur Ruhe kam, hatte sich das Antlitz des Gebirgszugs dramatisch verändert.

In der so lange Zeit unüberwindlichen Grenze war eine Lücke entstanden. Niemand wusste mit Sicherheit zu sagen, ob es damit nun einen neuen Weg durch das Gebirge gab, der die verfeindeten Reiche miteinander verband. Doch wer den Spalt sah, der wusste, dass sich die Finsteren Abgründe der alten Legenden aufgetan hatten.

Die große Stadt von Nerianeris war, wie auch viele der kleinen Dörfer, von den Schwingungen des Bebens getroffen worden. Die Zerstörung war so umfangreich, dass niemand an einen Wiederaufbau dachte. Anders verhielt es sich mit den Dörfern, denn sie bildeten die Lebensgrundlage des Reiches. Hier wurde das Vieh gezüchtet und das Getreide geerntet, welches die Bäuche der Menschen füllte. Mochte die Ruinenstadt Nerianeris auch ein Mahnmal der Katastrophe bleiben, die Siedlungen und Gehöfte der Bauern mussten neu erstehen.

Zwei Jahre hatte es gedauert, bis sich Menschen und Land vom großen Beben erholt hatten. Das Leben kehrte in die zerstörten Regionen zurück. Getreide wuchs auf neu bestellten Feldern, die Herden des Hornviehs grasten wieder. Die Menschen begannen allmählich, die Schrecknisse des großen Bebens zu überwinden.

Die Öffnung zwischen den Bergen nannte man den Spaltpass, auch wenn man nicht wusste, ob der Feind ihn jemals beschreiten konnte. Dort, wo der Spalt das Gebirge durchschnitt, bestreifte die Garde das Land. Eine neue Festung befand sich im Bau, belegt von einer starken Garnison. Die Aufgabe der Feste Nerianet würde darin bestehen, die umliegenden Dörfer zu schützen und jeden Feind aufzuhalten, der durch den Spaltpass kommen mochte.

Die Lücke zwischen den Bergen des Uma´Roll war auch aus größter Entfernung zu sehen, und sie war es, die dem Alnoer Hendel als Orientierung diente.

Hendel war ein Mann in den besten Jahren. Er hatte das heimatliche Dorf nach dem Beben verlassen, um sein Glück in der Königsstadt Alneris zu suchen. Wie sein Bruder Halpert hatte er vom Vater das Handwerk des Schmieds erlernt. Zusätzlich hatte er seine Künste in der großen Hauptstadt des Königreiches verfeinert. Sein Geschick war inzwischen so groß, dass er sich längst nicht mehr mit der Anfertigung von Messern, Scheren und Beschlägen begnügte, sondern feine Geschmeide aus edlen Metallen fertigte. Seine Erzeugnisse fanden viel Anklang, vor allem bei den Adligen von Alneris. Hendels Beutel war gut gefüllt mit den goldenen Schüsselchen, die im Reich als Währung dienten.

Nun, nach zwei arbeitsreichen Jahren, sehnte er sich danach, das heimatliche Dorf und seinen Bruder wiederzusehen. So hatte er sich endlich auf die lange Reise begeben. Zunächst mit dem Gespann in der Gesellschaft anderer Reisender, später auf einem Pferd, welches er für zwei Goldschüsselchen erwarb. Die Reise führte ihn immer weiter nach Osten durch jene Region, die man nicht umsonst die Kornkammer des Reiches nannte. Manchmal schienen sich die wogenden Getreidefelder über den gesamten Horizont zu erstrecken, dann wieder waren es ausgedehnte Ebenen, auf denen das Hornvieh graste. Ein blühendes Land, dem man die furchtbaren Ereignisse nicht mehr ansah. Zumindest so lange, wie man nicht zum Uma´Roll hinüberblickte.

Hendel war kein besonders guter Reiter und konnte sich nur schwer an das Geschaukel und Geruckel auf dem Pferderücken gewöhnen. Gesäß und Schenkel schmerzten und waren wund, und er fragte sich gelegentlich, ob es nicht besser gewesen wäre, zu Fuß zu gehen. Doch wenn er sich vor Augen führte, welch weiten Weg er genommen hatte, dann musste er sich eingestehen, dass seine armen Füße sicher noch weit mehr gelitten hätten.

Es war nicht mehr weit bis zum Dorf Hemjalis.

Hendel erkannte die vertrauten, dicht bewaldeten Hügel und das kleine Waldstück, welche das Ziel noch vor seinen Augen verbargen. Hinter diesen Hügeln lag sein Heimatdorf, eingebettet in seine wogenden Getreidefelder. Dahinter erstreckte sich ein ausgedehntes Waldgebiet, welches am Spaltpass endete. Der Goldschmied wunderte sich daher nicht, als er ein Funkeln zwischen den Geländeerhebungen sah, welches sich ihm näherte und rasch an Konturen gewann. Hendel erkannte die Rüstungen der Gardekavallerie. Eine kleine Schar von zehn Reitern. Die gelben Federn wippten auf den Helmen. An der Spitze der Formation trabte ein Ritter, wie Hendel an den zwei Federn und dem kurzen grauen Umhang erkannte. Er zügelte sein Pferd und wartete ab, bis die Soldaten heran waren.

„Wohin des Wegs, guter Herr?“, fragte der hochgeborene Ritter freundlich.

„Heim nach Hemjalis und meinen Bruder besuchen“, antwortete der Schmuckschmied und fügte ein paar erklärende Worte hinzu.

Der Gardeoffizier strich sich über den dünnen Schnurrbart, der bei den Adligen des Königreiches sehr beliebt war. „Das wird Euren Bruder sicherlich erfreuen“, meinte er. „Es kommen nicht viele Reisende hierher. Die Nähe des Spaltes ist den Menschen unheimlich.“

„Man sagt in Alneris, dort lägen die Finsteren Abgründe“, bestätigte Hendel.

Der Ritter lachte auf. „Nun, von uns hat der Spalt noch keinen verschlungen.“ Sein Gesicht wurde ernst. „Wenn Ihr ihn betrachten wollt, so muss ich Euch enttäuschen. Die Feste von Nerianet bewacht ihn, und außer den Streifen der Garde darf ihm keiner nahekommen.“

„Ich habe nicht vor, in den Pass zu blicken.“ Hendel deutete vor sich. „Ich will nur meinen Bruder sehen, ein paar Tageswenden in seiner Gesellschaft verbringen und dann wieder zu meinem Geschäft zurückkehren.“

Der Ritter nickte und die kleine Schar trabte weiter.

Hendel blickte den Männern eine Weile nach. Man hörte leises Klirren und Scheppern von Rüstungen und Waffen, das allmählich verklang. Er fragte sich, wie es diese Männer schafften, mit all dem schweren Metall auf den Pferden zu bleiben. Sie kamen sicher von dieser neuen Festung. Es war beruhigend, dass die Gardekavallerie das Land so eifrig bestreifte.

Hendel trieb sein Pferd erneut an, welches den Zügeln und dem Schenkeldruck nur widerwillig zu folgen schien. Immerhin konnte er es in jene Richtung lenken, in die er zu reiten gedachte.

Je näher er seinem Ziel kam, desto deutlicher spürte er, wie sehr ihn seine Knochen schmerzten. Ein paar Tage der Ruhe in Hemjalis würden ihm gut tun. Ah, was würde sein Bruder Halpert für Augen machen, wenn er ihm eine Auswahl der Geschmeide zeigte, die er in Alneris für die hohe Gesellschaft anfertigte. Halpert hatte immer gespottet, Hendels Hände seien zu plump für feingliedrige Arbeiten, aber nun würde er filigrane Schmuckstücke sehen, die jedes Frauenherz begeisterten.

Er kam den Hügeln näher, erreichte ihren Schatten.

Zwischen den Bäumen knackte es und Hendel sah ein mächtiges Geweihtier, welches ihn anstarrte und wohl überlegte, ob von dem einsamen Reiter eine Gefahr ausging. Offensichtlich wurde er als ungefährlich eingestuft, denn das Tier begann ruhig zu äsen.

Der Schatten war angenehm. Den ganzen Tag schon brannte die Sonne unbarmherzig herab. Hendel schwitzte erbärmlich, obwohl er nur leichte Bekleidung trug. Wie mochte es da den Gardisten ergehen, die in ihren stählernen Rüstungen doch sicherlich gebraten wurden? Nein, das Waffenhandwerk war nicht nach seinem Geschmack, auch wenn es bei manchen Frauen in hohem Ansehen stand.

„Endlich“, seufzte er erleichtert, als sich die Hügel vor ihm öffneten.

Obwohl ihm die mächtige Stadt Alneris mit ihrem quirligen Leben gefiel und auch die Grundlage seines beginnenden Reichtums war, empfand er doch das warme Gefühl der Heimkehr, als er das kleine Hemjalis vor sich sah. Alles war so, wie er es in Erinnerung hatte.

Von den Hügeln führte die Straße, die hier kaum mehr als ein breiter Feldweg war, zwischen weiten Feldern hindurch in den Ort. Hendel sah Männer und Frauen, die mit der Ernte beschäftigt waren. Kappklingen fällten das Getreide, welches aufgesammelt und in Bündeln zu den Karren getragen wurde. Die meisten Wagen hatten nur zwei Räder und wurden von Erntehelfern gezogen, doch er konnte auch einen vierrädrigen sehen, vor dem zwei Horntiere eingespannt waren. Ein gutes Zeichen, denn solche Wagen konnte man sich nur leisten, wenn es reiche Ernte und guten Gewinn gab.

Von einem der Felder kam ein Mann zu Hendel heran. Er kannte ihn nicht, doch das verwunderte ihn kaum. Viele Menschen waren in den vergangenen zwei Jahren aus den großen Städten in die kleinen Dörfer gezogen, angelockt von den Schüsselchen des Königs, der die Städter mit großzügigem Handgeld belohnte, wenn sie in die Dörfer gingen. Das Reich brauchte Getreide und Brot, um nicht zu hungern, und die Dörfer brauchten Menschen, damit es beides im erforderlichen Maß gab.

„Woher des Wegs, guter Herr?“, fragte der Bauer freundlich und stützte sich dabei auf die lange Stange seiner Kappklinge.

„Aus Alneris“, antwortete Hendel. „Doch eigentlich komme ich aus Hemjalis. Ich wurde hier geboren“, fügte er hinzu, als er die Skepsis im Blick des Bauern sah. „Halpert, der Schmied, ist mein Bruder.“

„Ah, Halpert.“ Der Mann wischte sich etwas Schweiß von der Stirn. „Er wird in seiner Schmiede sein. Reitet ins Dorf und folgt …“

„Danke, doch ich kenne den Weg“, unterbrach Hendel.

„Ja, sicher, Ihr seid ja hier aufgewachsen.“ Der Bauer grinste breit. „Nun, so werdet Ihr Euren Weg finden und ich werde noch ein paar Halme kappen.“

Der Mann wandte sich wieder seiner Arbeit zu und Hendel ritt weiter.

Hemjalis hatte sich in den zwei Jahren nicht verändert.

Zwei Reihen von Häusern, die sich gegenüberstanden und zwischen denen die einzige Straße des Ortes verlief. Dort, wo sie endete, stand der mächtige Kornspeicher.

Hier waren nur wenige Menschen zu sehen, denn die Ernte erforderte alle Hände.

Hemjalis musste viele neue Bewohner angelockt haben, denn Hendel erkannte keinen von ihnen. Das irritierte ihn nun doch ein wenig. Wo war der alte Grent, der immer im Schaukelstuhl vor seinem Haus saß? Der Alte war noch rüstig. Sollte er inzwischen doch gestorben sein? Hendel hätte das bedauert, denn als er und Halpert noch klein gewesen waren, hatte Grent ihnen immer Geschichten erzählt.

Die Häuser waren klein und aus Steinziegeln gebaut. Hendel konnte sich noch an seine Jugend erinnern, als man die Steine im Uma´Roll gebrochen und mühsam in die richtige Form gebracht hatte. Die Häuser aus dem reichlich vorhandenen Holz zu errichten, wäre einfacher gewesen, doch der Stein widerstand Holzkäfern und Stürmen wesentlich besser. Alle Wände wurden weiß gestrichen, wie es im Königreich üblich war. An einigen blätterte der Putz ab, und es gab sogar ein paar kleine Risse. Das große Beben war auch an Hemjalis nicht spurlos vorübergegangen.

Hendel stutzte.

Man hatte das Haus des Dorfhändlers umgebaut. Es war nun nur noch der Anbau eines ungleich größeren Gebäudes, welches einer Lagerhalle ähnelte. Es gab ein breites Eingangsportal, zu dem zwei Stufen hinaufführten. In die beiden Flügel des hölzernen Portals waren zwei Zeichen eingearbeitet. Jedes von ihnen zeigte ein Kreuz, welches entfernt einem Schwert ähnelte und dessen stumpfe Spitze zum Boden zeigte.

War ein neuer Händler nach Hemjalis gekommen und war dies das Zeichen seines Handelshauses?

Hendel nahm sich vor, seinen Bruder danach zu fragen.

Doch das hatte Zeit. Sie würden sich viele Neuigkeiten zu erzählen haben.

Am Ende der Straße sah er die vertrauten Umrisse der Schmiede.

Hier waren er und Halpert aufgewachsen. Hier hatten sie das Schmiedehandwerk von ihrem Vater erlernt.

Das steinerne Gebäude hatte einen großzügigen Vorbau, der von hölzernen Balken gestützt wurde. Im unteren Bereich trugen sie Brandspuren, und Hendel lächelte unwillkürlich. Er konnte sich gut daran erinnern, wie oft er und Halpert glühende Eisen in das Holz gepresst hatten, bis ihr Vater sie, halb erzürnt und halb belustigt, davonjagte. Der untere Teil des Vordachs war von Ruß geschwärzt. Halpert würde die Esse mit Holzkohle heizen. Der rauchlose Brennstein, der in den Städten die Dampfmaschinen antrieb, war ihm sicherlich zu teuer.

Die vordere Seite der Schmiede war offen und man konnte in sie hineinsehen. Hendel erkannte die alte Esse, den mächtigen Amboss und das Becken, in dem die glühenden Metalle in Wasser oder Öl abgekühlt wurden.

Der Goldschmied glitt erleichtert aus dem Sattel und seufzte, während er sich streckte. Er schlang die Zügel des Pferdes durch einen Haltering und trat in den Schatten, den der Vorbau warf.

„Halpert?“, rief er in die Schmiede hinein.

Sie war nur mäßig vom Tageslicht erleuchtet. Hendel bemerkte, dass die Esse erkaltet war. Jetzt, zur Erntezeit, war das ungewöhnlich. Da gab es immer Bedarf an neuen Kappklingen oder daran, die alten zu schärfen.

„Halpert?“

Er bemerkte Bewegung im Halbdunkel. Überrascht sah er eine Frau, die näher trat und ihre Hände an einer Schürze abwischte. Sie war ein sehr ansehnliches Weib, wie er sofort registrierte. Alles genau da, wo es einen Mann begeistern musste.

„Ihr sucht meinen Mann, guter Herr?“, fragte sie freundlich. Die Stimme hatte einen sanften und zugleich lockenden Klang.

„Euren Mann?“ Hendel ächzte überrascht. Wie war sein Bruder nur an dieses Prachtweib gekommen? „Nun, äh, ja, ich suche Halpert. Wer, äh, seid Ihr, gute Frau?“

„Ich bin Halperts Weib, Inrunavga. Wartet hier. Ich werde ihn sogleich holen.“

Sie wandte sich ab und zeigte dabei jenen Hüftschwung, der in Hendel sofort Neid auf das Glück des Bruders hervorrief. Die Schöne hatte nicht nach dem Grund seines Besuches gefragt. Scheinbar war sie kein besonders neugieriges Weib, was Hendel eher ungewöhnlich fand. Andererseits war es ihm nur recht. So konnte er seinen Bruder besser überraschen, und der würde sicher große Augen machen, wenn Hendel so unvermutet vor ihm stand.

Die schöne Frau kam in Begleitung eines Mannes zurück, der die Lederschürze eines Schmiedes trug. Er war kräftig, wie man es von einem Mann dieses Handwerks erwartete, und hatte ein freundliches Gesicht, doch er war sicherlich nicht Halpert.

„Ich bin Halpert“, sagte der Fremde. „Ihr wolltet zu mir? Braucht Euer Pferd einen neuen Beschlag?“

Hendel starrte den Mann mit offenem Mund an, bevor er sich fing.

„Ihr … Ihr seid nicht Halpert“, stammelte er schließlich.

Der Schmied grinste. „Ich werde wohl wissen, wer ich bin, guter Herr.“

„Jedenfalls seid Ihr nicht Halpert. Das werde ich wohl weit besser wissen“, sagte Hendel erregt. „Ich bin sein Bruder und kenne ihn von Kindesbeinen.“

Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem schiefen Lächeln. „Dann seid Ihr Hendel?“

„Selbstverständlich bin ich das.“ Hendel wurde ärgerlich. Welchen Spaß erlaubte man sich hier mit ihm? „Ich bin den weiten Weg von Alneris hierhergekommen, um meinen Bruder zu besuchen. Ihr seid nicht mein Bruder. Was, bei den Finsteren Abgründen, geht hier vor?“

Der Mann sah ihn nachdenklich an. „Von Alneris? Ja, das ist wahrhaftig ein weiter Weg. Es wäre besser für Euch gewesen, ihn nicht zu gehen.“

„Was, verdammt, soll das heißen?“ Hendel beschlich plötzlich ein ungutes Gefühl.

Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück und zuckte zusammen, als er ein leises Räuspern hinter sich hörte. Erschrocken fuhr er herum und sah die schöne Frau, die eine Kappklinge in den Händen hielt.

„Was … Was hat das zu bedeuten?“, keuchte er.

„Dass wir Euch den Rückweg ersparen“, antwortete sie mit sanfter Stimme.

Die Kappklinge zuckte so schnell herum, dass Hendel zu keiner Bewegung kam.

Für einen Moment schien die Schmiede um ihn zu kreisen, bis sein Kopf auf dem Boden aufschlug und seine Augen für immer erstarrten.


Die Pferdelords 10 - Die Bruderschaft des Kreuzes

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