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Kapitel 10

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Jedener hatte die Jahre seiner Jugend auf den Feldern verbracht. Sein Vater war ein guter Bauer gewesen, einer der Besten, und er hatte seinem Sohn das Wissen vermittelt, wie man selbst auf einem kargen Feld noch einen guten Ertrag erzielte. Ein Landmann hatte ein anstrengendes Leben und das stete Bücken zehrte an den Knochen. So war Jedener sehr froh gewesen, als man ihn in späteren Jahren zum Ältesten wählte. Für seine müden Glieder eine Erleichterung und für das Dorf Denderon ein Gewinn, denn Jedener war nicht nur ein guter Bauer, sondern auch ein guter Händler.

Denderon war eines der ältesten Dörfer im Königreich von Alnoa und hatte einst den sicheren Schutz des Gebirges von Uma´Roll genossen, weitab von den gefährlichen Pässen zum Reich der Orks und weitab von den Flüssen, auf denen damals immer wieder Korsaren erschienen, um die kleinen Dörfer zu plündern. Noch vor Jahren war es ein sehr abgeschiedener Ort gewesen, dessen Bevölkerungszahl sich stabil hielt. Seit dem großen Beben waren ein paar Menschen aus den Städten hinzugekommen, aber nicht viele, denn in Denderon achtete man darauf, wer in die Gemeinschaft passte. Zwar ließ sich bislang kein Raubgesindel in der Gegend blicken, dennoch war man vorsichtig. Denderon hatte reiche Ernten und in diesen Zeiten konnte das zu einer Verlockung werden.

So war man in doppeltem Maße über den Bau der Festung von Nerianet erfreut. Die Feste schützte den neuen Spaltpass und somit auch das Dorf, und die Soldaten erwarben einen guten Teil der Ernte, wobei Jedener darauf achtete, die rechte Zahl an goldenen Schüsselchen auszuhandeln.

Der Wald, der sich einst in der Nähe erhoben hatte, war inzwischen weit zurückgewichen. Viele seiner Bäume hatte man als Baumaterial verwendet und ein Teil fiel der Rodung zum Opfer, um neues Ackerland zu gewinnen. So lag das Dorf nun inmitten einer weiten Ebene mit sanften Hügeln und ausgedehnten Feldern. Nur an wenigen Stellen standen noch kleine Wälder. Jedener hatte das Fällen der Bäume streng reglementiert, damit sich das wichtige Brennholz selbst erneuern konnte. In der Nähe des Dorfes gab es einen kleinen Quellteich, der einen Bachlauf speiste und zur Bewässerung genutzt wurde.

Denderon war ursprünglich in perfekter Kreisform angelegt worden. Man konnte dies noch gut an den Gebäuden erkennen. Das Holz der Häuser im Zentrum des Dorfes war dunkel vom Alter und rissig geworden. Die Fugen mussten immer wieder mit Moos und Lehm ausgebessert werden. Einige der Bauten verfügten inzwischen über ein zweites Stockwerk, da die Familien gewachsen waren. Andere Bewohner hatten sich dazu entschlossen, eigene Häuser zu errichten, und so war Denderon gewachsen und das einstige Kreisrund sah nun, aus dem Blickwinkel einer Schwinge betrachtet, wie ein zu Boden gefallenes und zerlaufenes Ei aus.

Im Zentrum erhob sich der Geschichtspfahl. Ein dicker und hoher Holzpfahl, den man, von unten beginnend, mit Schnitzereien versah, welche die Geschichte des Dorfes erzählten. Zumindest jene Ereignisse, die von besonderer Bedeutung waren. Jedener war stolz darauf, dass man seine Wahl zum Ältesten darin verewigt hatte, denn er war, wie er zugeben musste, ein klein wenig eitel. Am Geschichtspfahl wurden auch die wichtigen Zeremonien vollzogen und Feste gefeiert. Trauungen und Schlichtungen von Streitigkeiten fanden hier ebenso statt wie die Erntefeste.

Die Fassaden der Häuser wurden traditionell mit bunten Farben bemalt und zeigten viel Schnitzwerk. Der relative Wohlstand Denderons zeigte sich auch darin, dass alle Fenster mit Klarstein versehen waren und hinter mancher Scheibe die bunten Tücher hingen, die man in den großen Städten so sehr schätzte. Im Dorf nutzte man diese Fenstertücher nicht allein, weil sie hübsch anzusehen waren, sondern weil sie auch vor der sommerlichen Hitze schützten.

Es war heiß, sehr heiß, und Jedener schwitzte ebenso wie sein Begleiter, während er langsam die Furche eines Ackers entlang schritt.

Im Laufe der Jahre hatte Jedener an Gestalt zugelegt. Nicht in der Größe, was ihm bei seinem kleinen Wuchs nur recht gewesen wäre, sondern eher in der Breite, und so fiel es ihm nicht mehr leicht, die Felder zu begehen. Er trug eine schlichte weiße Tunika über seinem blauen Beinkleid und griff immer wieder in die Falten des Oberkleides, um ein Wolltuch herauszuziehen, mit dem er sich den Schweiß von der Stirn tupfte.

„Eine gute Ernte“, brummte er sichtlich zufrieden, „eine wahrhaftig gute Ernte.“ Seine Hand bog einen Kolben der für ihn mannshohen Getreidepflanzen herab und die dicken Finger betasteten den Fruchtstand. „Das Korn ist dick und hat genau die richtige Feuchtigkeit. Genau die richtige, mein Freund. Ah, wir werden einen guten Preis erzielen, einen wahrhaftig guten Preis.“

Die Hand glitt an der Pflanze herunter, bog einige der Blätter zur Seite und Jedener sah sorgfältig in den Zwischenraum zum Halm. „Keine Blattfäule und kein Kolbenpilz. Alles gesund und wie es sein sollte. Wahrhaftig, es wird eine gute Ernte.“

Sein Begleiter wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel ab und seufzte. „Du erwähntest dies schon, mein Freund, du erwähntest dies schon.“

Larmuth war der Heiler des Dorfes und ein fähiger Mann. Im Gegensatz zu seinem Freund wirkte er groß und hager. Sein Gesicht vermittelte den Eindruck von Strenge und abweisender Härte, doch das täuschte. Er war ein herzensguter Mann, der sich um die Menschen Denderons sorgte. Seine Fähigkeit, einen Knochenbruch zu versorgen oder eine haltbare Naht bei einer blutenden Wunde zu setzen, war unbestritten. Ja, Larmuth war ein guter Heiler und für ihn spielte es keine Rolle, ob er einen Menschen, ein Hornvieh oder einen der Kratzläufer versorgte, die überall herumrannten, im Boden scharrten und nach Futter pickten.

Jedener ging ächzend in die Knie, betastete den Wurzelbereich der Getreidepflanze und griff in die Erde, um eine Handvoll vor sein Gesicht zu führen. Triumphierend richtete er sich auf und zeigte, was er in der Handfläche hielt. „Siehst du es, mein Freund? Kannst du es sehen?“

„Natürlich sehe ich es“, brummte der Heiler. „Mein Blick ist noch nicht getrübt. Ein Wurm, will mir scheinen.“

„Ah, sogar zwei Würmer in einer Hand“, sagte der Älteste lächelnd. „Zwei lange und dicke Bohrwürmer. Das ist ein gutes Zeichen, mein Freund, ein gutes Zeichen. Die Würmer bohren sich durch den Boden und lockern ihn auf. Das ist gut für die Pflanzen, sehr gut sogar.“

„Dergleichen ist mir nicht unbekannt“, brummte der Heiler. Er blinzelte zur Sonne empor. „Eine verdammte Hitze ist das heute. Wir sollten sehen, dass wir wieder in den Schatten gelangen.“

„Oh ja, diese Hitze macht auch mir zu schaffen. Ah, sie würde auch unseren guten Pflanzen zu schaffen machen, das kannst du mir glauben. Aber wir haben eine gute Bewässerung und diese kleinen Kerle hier, die Bohrwürmer, die lockern das Erdreich auf und belüften es. Wahrhaftig, alter Freund, ohne das Wasser und die braven Würmer wären unsere Ernten nicht so reichhaltig.“

„Nein, sicher nicht.“ So sehr der Heiler seinen Freund auch schätzte, der lange Marsch durch die Felder missfiel ihm. Wenn es wenigstens nicht so heiß gewesen wäre. Ausgerechnet in dieser Sommerhitze musste Jedener über die Felder schreiten.

„Es war das Beben, weißt du?“

Der Heiler sah den Ältesten verwirrt an. „Was meinst du?“

„Das Beben. Das große Beben.“

„Ich weiß, dass es ein großes Beben war“, knurrte Larmuth verdrießlich.

„Ach, du verstehst nicht“, seufzte Jedener. „Erinnere dich an die Zeit vor dem Erdwackeln. Die Ernten waren schlecht.“

„Nun, sie waren nicht so reichhaltig, das will ich wohl zugeben“, meinte Larmuth, der einfach nicht wusste, worauf sein Freund hinauswollte.

„Es war der Boden, alter Freund, der Boden.“ Jedener stampfte demonstrativ mit dem Fuß auf. „Unter der Oberfläche war er fest und hart.“

„Das ist dasselbe“, knurrte Larmuth.

„Wie auch immer, jedenfalls war er sehr fest. Wir hatten weniger Bohrwürmer und sie kamen kaum hindurch.“

„Damals hatten wir noch keine Bewässerungsgräben und der Boden war ausgedörrt.“

„Unsinn. Es war das Beben. Es hat den Boden kräftig durchgerüttelt und das Erdreich gelockert, das kannst du mir glauben. Ein wahres Glück für uns, dieses Beben.“

Larmuth stieß ein Schnauben aus. „Ein Glück? Sag das jenen armen Menschen, die durch das Erdwackeln ums Leben kamen oder ihr Heim verloren. Soll unser Glück auf dem Blut anderer beruhen? Soll dies ein Blutacker sein? Nein, Freund, es war die Bewässerung. Das hat die Würmer angelockt.“

Jedener biss sich auf die Unterlippe. Er war erfahren genug, um die Brisanz in den Worten des Freundes zu begreifen. Wenn er auf seiner Meinung beharrte, dann konnte es sein, dass sich der Begriff des Blutackers ausbreitete, und das wäre schlecht, sehr, sehr schlecht. Landvolk hing alten Traditionen und altem Aberglauben nach und die Ernte eines Blutackers war keine Ware, die sich gut verkaufen ließ.

Der Älteste nickte zögernd. „Du hast recht, alter Freund. Es war das Wasser. Die Arbeit unserer fleißigen Hände und der findige Geist meiner Person, wie ich anzumerken wage, der das Wasser in die richtigen Bahnen lenken ließ.“

„Wohl wahr, dein Verdienst sei unbestritten“, meinte der Heiler. „Nun, ich denke, du hast alles gesehen, um den Ertrag der Ernte beurteilen zu können. Wenn du keine Einwände hast, sollten wir nun endlich wieder in den Schatten zurückkehren und einen Schluck kühlen Gerstensaftes zu uns nehmen. Es mag ja sein, dass die Pflanzen gut bewässert werden und nicht unter Hitze und Dürre leiden, doch das gilt nicht für meine Kehle.“

Der Älteste blinzelte. „Jetzt, da du es erwähnst, verspüre ich auch das leichte Kratzen der Trockenheit in meiner Kehle. Gut denn, lass uns ins Dorf gehen.“

Heiler Larmuth war sichtlich erleichtert. Gemeinsam gingen sie denselben Weg zurück, den sie zuvor genommen hatten, damit nicht mehr Getreidehalme beschädigt wurden, als unbedingt erforderlich war. Immer wieder blieb der Älteste stehen und betastete einzelne Pflanzen, wobei er an Kommentaren seiner Zufriedenheit nicht sparte. Früher war Jedener ein bescheidener und eher schweigsamer Mann gewesen, doch seit er die Ernte nicht einbrachte, sondern sie verkaufte, hatte er einen Hang zur Geschwätzigkeit entwickelt.

Auf dem Weg kam ihnen Bolkar entgegen, der für dieses Feld verantwortlich war.

„Gute Pflanzen und eine gute Ernte, Bolkar“, grüßte Jedener. „Wir können alle sehr zufrieden sein.“

Der Bauer blieb stehen und stützte sich auf die Hacke, die er mit sich führte. „Die Bewässerung hat sich bewährt, Ältester. Die Pflanzen sind in voller Kraft.“

„Die Bewässerung, ja“, meinte Jedener. „Gerade so, wie ich es unserem guten Larmuth soeben schon erklärt habe.“

Der Heiler räusperte sich, verzichtete aber auf einen Kommentar.

„Wir haben die Wühlnager im Feld“, meinte Bolkar seufzend. „Eine verdammte Menge von ihnen.“

„Ach, keine Sorge, wir haben reichlich Getreide. Davon werden alle satt“, beruhigte der Älteste. „Den größten Teil werden wir wohl wieder an die Garnison von Nerianet verkaufen können.“

„Ich weiß nicht, ob mir das so richtig gefällt“, gestand der Bauer. „Seit wir so viele goldene Schüsselchen verdienen, wird meine gute Frau immer anspruchsvoller. Nach jeder Ernte erwartet sie, dass ich ihr neue Stoffe oder unnützes Zeug aus der Stadt besorgen lasse. Früher genügten ihr zwei Kleider zum Wechseln, heute will sie gar deren drei.“

„Nun, es geht Denderon gut und ein jeder von uns kann sich inzwischen mehr leisten“, sagte Larmuth mit versöhnlicher Stimme. „Auch du hast deinen Vorteil. Denk an die schönen Teller und das Besteck, welches wir aus Khalaneris einhandeln.“

„Ein Napf und ein Löffel reichen mir“, brummte Bolkar pragmatisch. „Holz findet sich überall und wir können es selbst bearbeiten.“ Er wies über das Feld. „Wir werden eine verdammt gute Ernte haben.“

Heiler Larmuth konnte es bald nicht mehr hören. „Der gute Herr Jedener erwähnte dies schon mehrfach.“

Bolkar nickte und schnäuzte sich in seinen Ärmel. „Nun, ich meine damit, dass wir weit mehr Halme einzubringen haben als früher üblich.“

„Es mehrt unseren Wohlstand“, stimmte Jedener freudig zu.

„Aber nicht die Zahl der Hände, die es einbringen“, erwiderte der Bauer. „Kornspeicher haben wir genug, bis die Handelswagen eintreffen, aber wir könnten noch ein paar Hände brauchen, die bei der Ernte zupacken.“

Der Heiler stieß seinen Freund an. „Da hat er recht. Vielleicht könntest du in Hemjalis nachfragen, ob sie uns ein paar Helfer schicken?“

Hemjalis war das nächste Dorf. Es lag gut zwanzig Tausendlängen weiter nördlich, und dichter am Spaltpass. Zwischen beiden Dörfern bestand eine gute Nachbarschaft und man hatte sich schon gelegentlich gegenseitig geholfen, wenn größere Arbeiten anstanden.

Jedener strich sich über das Kinn. „Die werden eine ebenso gute Ernte und selbst alle Hände voll zu tun haben. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass wir schon lange keine Neuigkeiten mehr aus Hemjalis gehört haben.“

„Wie du schon sagtest, die werden selbst genug Arbeit haben“, sagte Larmuth, der immer stärkeren Durst empfand. „In der Zeit der Ernte hat man Besseres zu tun, als für ein wenig Tratsch durch die Gegend zu reisen.“

Jedener nickte. „Du hast sicherlich recht, alter Freund. Nun, ich denke, wenn die Ernte eingebracht und verkauft ist, wird sich die Gelegenheit finden, unsere Freunde einmal zu besuchen.“

„Und die Wühlnager?“, meldete sich Bolkar erneut zu Wort. „Was ist mit den Wühlnagern?“

„Lass sie wühlen und nagen“, entschied Jedener in bester Laune. „In diesem Jahr ist genug für alle da. Eine gute Ernte, Freunde, eine wahrhaftig gute Ernte.“


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