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Kapitel 2

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Sie marschierten im Kampfschritt des elfischen Volkes. Zehn Schritte gehen,

zehn Schritte laufen, immer im steten Wechsel; eine rasche Schrittart, welche

die Männer nicht zu schnell ermüdete. Die Hundertschaft hatte nun fast

dreihundert Tausendlängen in der nördlichen Öde zurückgelegt. Fünf

Tageswenden, in denen sie dem Verlauf des Gebirges Noren-Brak gefolgt

waren, wobei sie vermieden hatten, die Öde von Rushaan zu betreten. Nun

waren sie fast am Ziel, und der Führer der Bogen war erleichtert, als er die

gewaltige Felsklippe von Niyashaar vor sich sah. Sie ähnelte einem

zerklüfteten Kegel und ragte mehrere Hundertlängen in den Himmel auf.

Dabei schien sie sich auf gefährliche Weise dem Vorposten zuzuneigen, der

sich an ihrem Fuß erhob. Elgeros beschlich jedes Mal ein unangenehmes

Gefühl, wenn er diese Klippe sah und sich vorstellte, sie könnte in sich

zusammenstürzen. Zweifellos würde sie Niyashaar dabei zerstören. Aber die

Klippe hatte all die Äonen ohne merklichen Schaden überstanden, und es gab

keinen Grund, warum dies nicht auch in Zukunft so sein sollte. Klobig und

aus massivem Fels würde sie noch stehen, wenn die Elfen das Land längst

verlassen hatten.


»Noch drei Zehnteltage, ihr Elfen des Hauses Tenadan«, sagte er an die

Männer gewandt, »dann haben wir Niyashaar erreicht.«


»Die Wachen dort werden erfreut sein, uns zu sehen«, erwiderte

Unterführer Neolaras. »Wir kommen früher als erwartet.«


Die Anspannung der Männer ließ nun, da sie in der Nähe des Vorpostens

waren, ein wenig nach. Keiner von ihnen fühlte sich in dem toten Land der

Öde wohl, und der befestigte Posten versprach Schutz, die Nähe anderer Elfen

und die Ruhe, die man nach einem anstrengenden Marsch benötigte.


Die Kleidung und das Schuhwerk der Männer waren ebenso von Staub

bedeckt wie ihre Gesichter. Nur der Schmutz abweisende Stoff der hellblauen

Umhänge wirkte fremdartig in seiner Sauberkeit und hellen Farbe. Elgeros

verzog das Gesicht zu einem Lächeln voller Vorfreude, als er an den

erfrischenden Wein dachte, der im Stützpunkt auf sie wartete. Gut gekühlt,

leicht sauer und auf der Zunge prickelnd. So, wie ein elfischer Wein sein

sollte, der einem Krieger zu entspannen half.


»Sie werden neugierig auf das sein, was sich ereignet hat.« Neolaras

schloss zu seinem Freund auf und deutete auf den Vorposten, der mit jedem

Schritt näher kam. »Sechs Monde halten sie hier schon die Stellung. Eine

einsame und lange Wache.«


»Eigentlich müssten sie bis zur Ablösung eine volle Jahreswende wachen.

Sie können sich also denken, dass wir wichtige Kunde bringen.«


»Ja, wir werden die letzte Wache am Pass von Rushaan sein.« Neolaras

nickte zufrieden zu seinen Worten. »Die letzte Wache, bevor der Posten

Niyashaar aufgegeben wird und wir endlich das Land verlassen. Auf zu den

Neuen Ufern.« Er schob seinen Bogen weiter auf die Schulter zurück.

»Wahrlich, Elgeros, mein Freund, ich habe viele Jahrtausendwenden auf

diesen Tag gewartet.«


»Das haben wir alle, Neolaras.«


»Ich frage mich, warum die Besatzung überhaupt noch abgelöst wird. Man

sollte Niyashaar schon jetzt aufgeben.«


Elgeros lachte. »Du weißt, dass das nicht geht. Bevor nicht die letzten

Häuser die Schiffe bestiegen haben, muss die Grenze noch gesichert werden.

Eine Jahreswende mag das noch dauern, aber dann werden wir endlich in die

neue Heimat reisen.«


Schon seit vielen Jahrtausenden planten die elfischen Häuser, das alte Land

zu verlassen und die künftige Heimat an den Neuen Ufern aufzusuchen. Zur

Zeit des Ersten Bundes, als die Häuser der Elfen mit den Reichen der

Menschen gegen den Schwarzen Lord und seine Orks standen, war eine

Expedition zu den Neuen Ufern aufgebrochen. Auf ihrer Rückreise erlitt sie

Schiffbruch, und nur Jalan-olud-Deshay, der Erste und Älteste des Hauses

Deshay, erreichte die alte Heimat. Aber dann ereilte ein verhängnisvolles

Schicksal die Elfen, und gelähmt durch den Fluch eines Grauen Wesens

konnte Jalan sein Wissen über die Neuen Ufer nicht mehr weitergeben. Erst

vor wenigen Jahreswenden war er von dem Fluch befreit worden, und nun

bereiteten sich die Elfen darauf vor, endgültig abzureisen.


Die Häuser der See bauten die notwendigen Schiffe, und Vorräte wurden

angelegt und an Bord gebracht, denn die Reise würde lange dauern, und viele

Tausend Elfen würden versorgt werden müssen. Zwei der Häuser des Waldes

waren bereits aufgebrochen, andere sammelten sich an den Weißen Sänden,

wo die Schiffe bereitlagen. Das Haus Tenadan würde zum nächsten Transport

gehören.


»Niyashaar hätte auch von der jetzigen Besatzung gehalten werden

können«, murmelte Neolaras. »Das hätte uns den Weg erspart. Ein einzelner

Bote hätte genügt.«


»Unter der Besatzung Niyashaars befinden sich Männer, die sich vor der

Reise noch der Schröpfung unterziehen müssen.«


»Hm.« Neolaras seufzte. Diesem Argument konnte er nichts

entgegensetzen.


»Seltsam. Ich kann keinen Mann auf der Mauer oder auf dem Turm

erkennen«, murmelte Neolaras ein wenig später. »Sie müssten uns doch

längst erspäht haben.«


Elgeros ließ seinen Blick über die marschierende Kolonne schweifen.

Hinter den Männern stieg Staub auf, der von ihren Füßen hochgewirbelt

wurde, und die hellblauen Umhänge der Krieger hoben sich farbenfroh von

der Umgebung ab. Die Hundertschaft war also kaum zu übersehen. Der

Bogenführer sah zum Turm des Vorpostens hinüber. »Du hast recht. Sie

müssten uns längst bemerkt haben.«


Sie waren dem Vorposten nun nahe genug, um Einzelheiten erkennen zu

können.


Niyashaar war nach den Schlachten des Ersten Bundes errichtet worden.

Zuvor hatte das mächtige Menschenreich Rushaan das Land beherrscht und

seine Grenzen geschützt, aber Rushaan war vergangen und zur Öde

geworden, und die Grenze nach Osten hatte offen gestanden. Obwohl der

Schwarze Lord bezwungen schien, hatten die Elfen den Vorposten an der

einzigen Verbindung zwischen der Ebene von Cantarim und der Öde

Rushaans erbaut. Es war ein einsamer Vorposten, weit entfernt von den

elfischen Häusern. Dennoch war seine Lage mit Bedacht gewählt worden. Er

würde niemals einem massierten Ansturm standhalten können, aber das war

auch nicht seine Aufgabe. Vielmehr sollte er Spähtrupps der Bestien aufhalten

und verhindern, dass sie nach Westen einsickerten, und er sollte einen

Vormarsch der feindlichen Armee an die fernen Häuser melden, sodass deren

Krieger sich rechtzeitig sammeln konnten. Über fünftausend Jahreswenden

hatte Niyashaar diese Aufgabe erfüllt, doch nun war der Zeitpunkt

gekommen, an dem die Anlage endgültig aufgegeben würde.


Niyashaar war ein schlichtes Mauergeviert mit wenigen Gebäuden und

einem einzelnen, alles überragenden Turm. Das einzige Tor, das aus

massigen, durch Metallbänder verstärkten Balken bestand, war nach Westen

gerichtet und lag somit auf der dem Pass von Rushaan abgewandten Seite.

Insgesamt ließ die Anlage die Eleganz der elfischen Baukunst vermissen, aber

sie erfüllte ihren Zweck.


Elgeros und die Hundertschaft der Bogenschützen konnten direkt auf das

Tor sehen, und was sie dort erkannten, gefiel ihnen nicht.


»Das Tor von Niyashaar ist offen«, sagte Neolaras mit einem grimmigen

Unterton in der Stimme.


»Und es ist beschädigt«, ergänzte Elgeros. Der Bogenführer hob einen

Arm und ließ die Kolonne haltmachen. »Schwärmt aus, ihr Elfen des Hauses

Tenadan, und achtet mir auf die Flanken. Etwas ist in Niyashaar geschehen,

und was ich sehe, macht mir Sorgen.«


Beide Flügel des nach innen aufgehenden Tores standen ein Stück weit

offen, der eine etwas weiter als der andere. Das war ungewöhnlich und

deutete darauf hin, dass die Besatzung Niyashaar aufgegeben hatte.


Neolaras schien derselbe Gedanke gekommen zu sein. »Ob sie den Posten

verlassen haben?«


Hinter ihnen schwärmte unterdessen die Hundertschaft in zwei

auseinandergezogenen Linien aus. Die vordere Reihe zog die leicht

gekrümmten Schwerter, die hintere hielt ihre Bogen bereit.


Elgeros schüttelte den Kopf. »Dann wären sie uns begegnet. Außerdem

hätten sie Niyashaar nicht ohne Befehl des Ältesten oder zwingende Not

geräumt. Nein, mein Freund, hier ist etwas geschehen.« Der Bogenführer

strich sich nervös über das Kinn. »Wir sehen es uns gemeinsam an. Deine

Zehn soll uns folgen.«


Neolaras wandte sich kurz um. »Meine Zehn folgt in fünf Schritten

Abstand. Die anderen halten die Stellung.«


Ihre Schritte knirschten auf dem Sand, während sie sich langsam dem

Vorposten näherten. Alle ihre Sinne waren gespannt und auf Anzeichen von

Gefahr gerichtet, aber alles blieb ruhig. Der Schatten des Torbogens fiel über

sie, dann knarrte einer der Torflügel leise, als Neolaras ihn weiter öffnete.

Nun konnten sie auch den Innenhof der Anlage übersehen, bis auf den

Bereich, der von dem massigen Turm verdeckt wurde. Die Gebäude des

Postens zogen sich an den Innenseiten der Mauern entlang: zwei bescheidene

Unterkünfte, das Vorratshaus und ein weiteres, in dem die Speisen zubereitet

wurden und die Männer sich zur Geselligkeit trafen.


»Niemand zu sehen«, brummte Neolaras. Er hielt ebenfalls seinen Bogen

bereit und hatte einen Pfeil aufgelegt. »Auch keine Spur eines Kampfes.«


»Ja, das ist seltsam.« Elgeros war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen,

aber nun krampften sich seine Finger um den Griff seines Schwertes. »Keine

Toten, keine Kadaver von Bestien. Nicht einmal Blut.«


Der Bogenführer hörte die Schritte der zehn Elfen, die zu Neolaras’

Gruppe gehörten, und machte mit der freien Hand ein paar Zeichen in der

lautlosen Fingersprache des elfischen Volkes. Die Krieger schwärmten aus

und sicherten die beiden Führer, die nun auf den Turm zuschritten.


Eine kurze steinerne Treppe führte zu der dortigen Tür, die ebenfalls offen

stand. Sie war aus einer schweren Metallplatte und zeigte die Symbole der

elfischen Häuser. In die Rahmen waren filigrane Muster eingearbeitet und die

Zeichen der Einheiten, die hier gedient hatten. Elgeros’ Schritt stockte auf

halber Höhe der Treppe, und er deutete vor sich. »Dort. Sieh dir diese Stelle

an.«


Neolaras trat neben ihn, bückte sich und strich mit den Fingern über zwei

der Treppenstufen. Der Stein war an einer Stelle geschwärzt und schimmerte

wie Glas. »Das war kein Brandgeschoss. Zumindest kenne ich keines, das

eine solche Hitze entwickeln könnte.«


»Du hast recht. Der Stein ist geschmolzen. Zwar nur an der Oberfläche,

doch die Hitze muss enorm gewesen sein.«


»Auch dort an der Türeinfassung und an der Wand des Turms sind solche

Stellen.« Neolaras trat neben die metallene Tür und betastete den Rahmen.

»Und hier ist ein Loch im Metall.« Er schob seine Hand durch die Öffnung

und schüttelte den Kopf. »Als habe man eine glühende Lanze

hindurchgerammt.«


»Ich kenne keine Waffe und keinen Zauber, die das bewirken könnten.«

Elgeros wandte sich um und gab seinen Männern einen Wink. »Fünf von euch

durchsuchen die Gebäude, die anderen halten die Mauer. Gebt der Truppe

Zeichen, dass sie einrücken soll.« Er senkte seine Stimme und sah seinen

Freund an. »Ich glaube nicht, dass uns noch Gefahr droht. Hier werden wir

kein lebendes Wesen mehr finden.«


Durch die offen stehende Tür fiel nur wenig Licht in den Raum, der sich

über die ganze untere Ebene des Turms erstreckte. Er wirkte ungemütlich und

kalt und strahlte eine finstere Drohung aus. Nur einige Tische und Bänke

standen umher, und in der Mitte befand sich eine erkaltete Feuerstelle. Hinten

erhob sich das gemauerte Rund des Brunnens von Niyashaar, und eine

steinerne Treppe führte an den Wänden entlang hinauf zu den oberen Ebenen.

Ein hölzerner Waffenständer war umgestürzt, und einige Waffen lagen auf

dem Boden verstreut.


Elgeros zog fröstelnd die Schultern zusammen und bewegte sich zur

Treppe hinüber. Misstrauisch spähte er nach oben und betrat dann zögernd die

Stufen. Neolaras folgte, und ihre Schritte hallten hohl in dem Gemäuer wider.

Auf der nächsten Ebene lagerten ein paar Notvorräte und es gab einfache

Schlafstätten. Hier oben war Ordnung und es wirkte ganz so, als habe die

elfische Besatzung aufgeräumt, bevor sie verschwunden war. Die Decken

waren sorgsam gefaltet und an einem der Bettgestelle lag eine Schriftrolle

bereit, die nur darauf zu warten schien, dem Ruhe suchenden vor dem Schlaf

noch etwas Entspannung zu bieten. Ob es auch hier die eigentümlichen

Brandspuren gab, konnten die Elfen nicht feststellen, denn dazu war es zu

dunkel. Aber sie bezweifelten es. In diesem Raum war sicherlich nicht

gekämpft worden.


Im Hof waren Kommandos zu hören, als die Hundertschaft einrückte. Man

vernahm das Zufallen der Torflügel und die Geräusche von Männern, die auf

die Wehrmauer hasteten.


Elgeros deutete über sich und dann machten sich die beiden Führer daran,

auch noch die zwei oberen Turmebenen zu durchsuchen. Dort fiel durch die

Schießscharten genug Licht ein, sodass sie Einzelheiten der Einrichtung

erkennen konnten. Die Öffnungen in den Turmmauern waren mit Klarstein

geschlossen, der die Witterung draußen hielt und freie Sicht gewährte. Er war

von hervorragender Qualität und verzerrte nicht den Blick. Auch die

Menschen verstanden sich inzwischen darauf, feinen Quarzsand zu schmelzen

und mit Zusätzen zu versehen, sodass der durchsichtige Klarstein entstand.

Aber die Scheiben, welche sie daraus fertigten, waren dick und von Schlieren

durchzogen.


Neolaras trat an eine der Fensteröffnungen und blickte in den Hof hinunter,

während Elgeros den Raum absuchte. Er war im Lauf der Jahrtausendwenden

mit liebevollen Details versehen worden und hatte viel von seiner

ursprünglichen Zweckmäßigkeit und Kälte verloren. Der Boden aus feinen

Hölzern wies Einlegearbeiten auf, und dick gewobene Tücher in bunten

Farben und Mustern bedeckten das grobe Mauerwerk der Wände. Mehrere

zierliche Regale standen im Raum, gefüllt mit den Büchern und Schriftrollen

des Volkes. An den farbigen Bändern, mit denen sie verschlossen waren,

erkannte der Bogenführer, dass es sich überwiegend um Poesie handelte. Er

konnte das gut verstehen, denn er hatte selbst schon Wache in Niyashaar

gehalten und wusste, wie sehr es einen Elfen an diesem einsamen Ort nach

Schönheit verlangte.


Ein kleiner Schreibtisch stand auf sieben gedrechselten Beinen, sieben

Stützen, welche die Häuser der Elfen symbolisierten. Schreibzeug lag

griffbereit neben einer halb geöffneten Schriftrolle. Elgeros entrollte sie, aber

sie enthielt keinen Hinweis auf das, was hier geschehen war. Er musterte jede

Zehntellänge des Raumes, fand aber keine Anzeichen von Unordnung und

keine Brandspuren.


»Hier gibt es nichts, was das Schicksal der Besatzung aufklären könnte«,

sagte er missmutig. »Lass uns hinuntergehen und sehen, ob die anderen etwas

gefunden haben.«


Doch auch ihre Männer waren auf keine Spuren gestoßen. Das heißt,

Spuren gab es reichlich, aber keine, die das Verschwinden erklärt hätten.

Geodas, einer der Elfen, stützte sich auf seinen langen Bogen. »Wir haben die

beiden Unterkünfte durchsucht. Alles sieht danach aus, als hätten die Männer

sie gerade erst verlassen, um ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Was auch

geschah, es passierte am hellen Tag. Die Betten sind ordentlich gemacht, und

die persönlichen Besitztümer liegen an ihrem Platz. Nur die Männer und ihre

Waffen fehlen.«


Keodaros, ein anderer Mann, nickte. »Im Vorratshaus ist es das Gleiche,

ebenso im Gemeinschaftshaus. Dort sind die Tische für das Essen gedeckt.

Man könnte meinen, die Männer wären mitten im Mahl aufgestanden und

hätten Niyashaar verlassen. In einem der Kessel ist Essen verbrannt. Es muss

schon ein oder zwei Zehntage zurückliegen.«


»Jedenfalls haben sie den Posten nicht einfach aufgegeben. Denn in dem

Fall hätten sie Vorräte für den Marsch mitgenommen, und darauf deutet

nichts hin.«


»Und außerdem weist nichts auf einen Überfall oder eine Plünderung hin.«

Neolaras zuckte die Schultern. »Bis auf die merkwürdigen Brandmale.«


Elgeros seufzte. »Das ist eine Menge ›nichts‹.« Er hielt noch immer sein

Schwert in der Hand und schob es nun in die Scheide zurück. Als er

aufschaute, sah er die Blicke der anderen auf sich gerichtet, die offenbar eine

Entscheidung erwarteten. Auch wenn einige Elfen unter den Männern waren,

die älter und erfahrener als er selbst sein mochten, so war er doch der Führer

der Bogen und musste bestimmen, was nun zu tun war. »Nun gut, wir werden

Niyashaar besetzt halten und einen Boten zu den Häusern entsenden, der sie

über die Vorkommnisse hier unterrichtet. Die erste und zweite Zehn beziehen

Wache auf der Mauer und oben auf der Turmplattform. Eine Gruppe

überprüft das Tor, die anderen richten Niyashaar für unsere Bedürfnisse her.

Sammelt das Eigentum der verschwundenen Besatzung ein und schaut, ob

Dinge dabei sind, die wir den Familien überstellen sollten. Geodas, du teilst

die Wachen ein. Du, Keodaros, prüfst die Vorräte und bereitest ein Mahl

vor.« Er sah seinen Freund nachdenklich an. »Und du, Neolaras, wirst mich

begleiten. Ich will mich weiter umsehen.«


Die Hundertschaft zerfiel in geschäftige Gruppen, und Elgeros konnte sich

darauf verlassen, dass der Vorposten bald gegen einen Angriff gewappnet

sein würde. Denn dass ein solcher bevorstand, war jedem von ihnen bewusst,

schließlich verschwand eine elfische Hundertschaft nicht einfach spurlos.


Elgeros und Neolaras gingen nebeneinander her über den Innenhof. »Die

Besatzung ist nicht ausgerückt. Sie hat sich nicht auf einen Ansturm

vorbereitet. Es finden sich keine Kratzer von Pfeilen, Bolzen oder

Schwertklingen an Mauern und Wänden und keinerlei Blutflecken auf dem

Boden.« Elgeros deutete mit einer vagen Handbewegung um sich. »Nur diese

Brandmale, deren Ursache wir nicht kennen.«


»Jedenfalls hat kein Pfeil oder sonstiges Geschoss sie verursacht. Der

Flammzauber eines Grauen Wesens wäre vielleicht stark genug, einen Körper

zu verbrennen.«


Elgeros nickte. »Aber nicht stark genug, um massiven Stein zu schmelzen.

Ich habe keine Erklärung, aber ich spüre, dass uns Gefahr droht. Jemand hat

die Besatzung von Niyashaar überwältigt, und ich bin mir sicher, dass keiner

unserer Freunde mehr am Leben ist. Wer immer sie bezwang, wird bald

bemerken, dass der Posten wieder besetzt ist. Er wird versuchen, auch uns zu

vernichten. Wir müssen vorbereitet sein.«


Neolaras schürzte die Lippen und lachte dann leise auf. »Auch die

verschwundene Hundertschaft war auf einen Kampf vorbereitet.«


»Wir haben dennoch einen Vorteil, mein Freund. Im Gegensatz zu den

anderen wissen wir von der Gefahr, die uns droht. Wer uns bezwingen will,

der muss sich uns zeigen, und dann wird er unseren Klingen und Pfeilen

begegnen.«


Neolaras nickte. »Wohl gesprochen, Bogenführer. Wollen wir hoffen, dass

man uns noch Gelegenheit zur Gegenwehr gibt.«


Elgeros blickte hinauf zur Turmplattform, über der das blaue Elfenbanner

lustlos im Wind flappte. Die Schatten wurden länger, und es würde bald

dunkel werden. »Ich werde den Boten bei Tagesanbruch losschicken. Nendas

ist der schnellste Läufer. Er soll die Nachricht überbringen.«


Sie erreichten eine der steinernen Treppen, die auf die Wehrmauer führten,

und schritten nebeneinander die Stufen hinauf. Oben angelangt, wandten sie

sich der Ostmauer zu und konnten so gleichermaßen nach Norden und Osten

sehen.


»Ich glaube nicht, dass es Orks oder Graue Wesen waren«, sagte Neolaras

leise. »Wir kennen die Handschrift dieser Bestien nur zu gut.«


Elgeros legte seine Hände auf eine der Zinnen und nickte bedächtig. »Es

heißt, die nördliche Öde sei tot. Rushaan ist vergangen.«


»Jenseits der alten Grenzen Rushaans lebt das Volk von Julinaash.«


»Vor wenigen Monden kehrte ein Spähtrupp des Hauses Elodarion aus

dem Norden zurück. Sie sind bis an den Rand des Eises marschiert, fanden

aber keine Hinweise dafür, dass das Volk des Eises nach Süden vorstößt. Im

Gegenteil, sie entdeckten eine verlassene Siedlung. Nein, die Julinaash haben

sicherlich andere Probleme zu lösen, bevor sie sich nach Süden wenden

können.«


»Fand der Trupp Anzeichen für Leben in Rushaan?«


»Das Reich Rushaan ist vergangen, mein Freund. Es wird nicht wieder

auferstehen.«


Elgeros löste sich von der Zinne und blickte zum Pass hinüber. »Dennoch

… Irgendetwas befindet sich in dieser trostlosen Öde. Etwas, das uns nicht

wohlgesinnt ist.«


Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt

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