Читать книгу Sky-Troopers - Michael Schenk - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеBeobachtungskuppel, Forschungsschiff E.S. Vasco da Gama, zehn Tage bis zum Ziel
Für Professorin Heike Waldbauer und die Forscher an Bord der Vasco da Gama war diese Reise die Erfüllung eines Traumes, der lange Zeit unerfüllbar gewesen war. Noch nie war man auf eine außerirdische Kultur gestoßen und als die ersten Informationen über Roald-37-S auf dem Mars eintrafen, erwies sich dies in wissenschaftlichen Kreisen – und nicht nur dort – als Sensation. Alle hofften darauf, mehr über diese Welt zu erfahren und die Akademie der Wissenschaften rüstete ihr Forschungsschiff, die E.S. Vasco da Gama, mit großem Aufwand für die lange Reise aus. Scharen von Forschern aus den verschiedensten Fachrichtungen bewarben sich für die Mission. Es war klar, dass nur eine kleine Gruppe würde teilnehmen können und sowohl die Bewerbungen als auch die Auswahl wurden mit großem Eifer und gelegentlich schmutzigen Mitteln getroffen. Kurz vor dem Start des Schiffes verkündete dann das Direktorat die Mission der Invasion. So sehr die Wissenschaftler auch protestierten, so wurde ihr Schiff doch dem Kommandorat des Direktorats unterstellt und somit Bestandteil der Flotte.
Heike Waldbauer hatte sich nie mit dem Militär anfreunden können. Sie war froh, dass „ihr“ Schiff unter ziviler Leitung blieb und es nur einen Verbindungsoffizier zum Admiralstab gab. Zwar musste man sich in den Verband der Flotte einfügen, aber innerhalb der Vasco da Gama konnte jeder Wissenschaftler uneingeschränkt seinen Forschungen nachgehen.
Das Schiff war knapp zweihundert Meter lang und beförderte siebenundfünfzig Besatzungsmitglieder und Forscher. Äußerlich ähnelte es frappierend einem Delfin, wenn auch ohne Flossen. Stattdessen gab es ein Sammelsurium von Kuppeln, Antennen und Außensensoren. Eine davon beherbergte das astronomische Fernrohr.
Wie nahezu alle Instrumente war auch dieses im Augenblick auf Roald-37-S ausgerichtet. In der Kuppel drängten sich Professor Heike Waldbauer, deren Fachgebiet die Erdgeschichte war, der Astronom Dr. Lai und die MTT-Technikerin Yuki Hasagawa.
„Präzisionsinstrument, ha!“ Dr. Lai konnte seine Abstammung von Asiaten ebenso wenig leugnen, wie Yuki Hasagawa. Der Astronom lehnte mit verschränkten Armen an der Steuerkonsole des Fernrohrs und sah grimmig auf die Japanerin hinunter, die halb in der offenen Wartungsklappe steckte. „Ich begreife nicht, woher Mars-Tetra-Tronics seinen guten Ruf bezieht. Dieses Mistding fällt öfter aus als dass es in Betrieb ist.“
Die Stimme der Technikerin klang gedämpft. „MTT stellt nun einmal die besten tetratronischen Instrumente her.“
„Ha! Dieser Schrotthaufen gehört jedenfalls nicht dazu.“
Jetzt fühlte sich die Japanerin doch genötigt, kurz hinter der Wartungsklappe hervorzu- sehen. Ihre dunklen Augen funkelten den Astronomen an. „Dieser ,Schrotthaufen‘, wie Sie ihn nennen, ist ein absolutes Präzisionsinstrument. Es ist nicht die Schuld von MTT, dass sich die Forschungsakademie in allerletzter Sekunde dazu entschloss, das ursprünglich montierte Fernrohr durch dieses hier zu ersetzen. Meinen Sie etwa, mir macht es Spaß, mitfliegen zu müssen, um dieses Ding in Gang zu bekommen? Verdammt, ich wurde zwangsverpflichtet, Dr. Lai. Ich habe Familie auf dem Mars. Meinen Sie etwa, wir wären begeistert, uns über dreißig Jahre nicht mehr sehen zu können? Wenn ich nach Hause komme, ist meine Tochter wahrscheinlich schon Großmutter.“
„Sie übertreiben“, warf Heike Waldbauer beschwichtigend ein.
„Ach ja?“ Der Blick von Yuki Hasagawa verriet echte Frustration. „Aber nur ein klein wenig, Frau Professor. Die meisten Männer und Frauen der Flotte haben sich freiwillig gemeldet oder standen unter Befehl des Sky-Command. Aber ich und ein paar Dutzend andere Spezialisten wurden nicht groß gefragt, sondern – wie ich schon sagte – zwangsverpflichtet. Die Mission der Flotte verlange dieses persönliche Opfer. Daran ändern auch die schicke Dankesurkunde und die finanzielle Entschädigung nichts.“
„Bekommen Sie das Ding nun ins Laufen, oder nicht?“, knurrte Lai, den das persönliche Schicksal der Technikerin absolut nicht kümmerte. „Mit diesen Zitterbildern kann ich jedenfalls nichts anfangen.“
„Es liegt an den Schwingungsdämpfern“, knurrte Hasagawa und verschwand wieder in der Klappe. „Sie sind noch nicht mit den Schwingungen der Raumschiffzelle und den Triebwerken synchronisiert.“
„Bekommen Sie es denn hin?“, fragte Heike Waldbauer, die die Verärgerung beider verstehen konnte. „Wir nähern uns Roald und brauchen detaillierte Informationen. Die Fernsensoren bringen nie so viel wie eine echte optische Beobachtung.“
„Natürlich bekomme ich es hin. Ich habe zwei Doktorgrade in Tetratronik. Meinen Sie, die Flotte hätte die einfachen Techniker verpflichtet? Verdammt, hätte ich doch nie einen Doktor gemacht. Wäre ich eine einfache Tech, dann hätte ich zuhause bleiben können.“
„Jaja“, knurrte Lai bissig, „das haben wir inzwischen begriffen.“
Heike Waldbauer hatte die feste Überzeugung, dass körperliche Gewalt in der Luft lag, wenn sich die Situation nicht bald änderte.
„Prüfen Sie mal die Projektion“, kam es von Hasagawa.
Lai nahm eine Schaltung vor, blickte zunächst durch das Okular des Fernrohrs und dann auf den Kontrollmonitor. „Wie gehabt nur Zittern und kein bisschen Schärfe. Ich sage Ihnen … Oh!“
Heike Waldbauer sah selbst auf den Monitor. Er zeigte ein Bild, das tatsächlich unentwegt zu zittern schien, doch jetzt wurden die Bewegungen langsamer und kamen zum Stillstand. „Scheint zu funktionieren.“
„Natürlich funktioniert es“, erwiderte Yuki Hasagawa und tauchte wieder aus der Öffnung auf. Seufzend steckte sie ihr Kombiwerkzeug in die Tasche des Overalls und schloss die Wartungsklappe. „Ist schließlich ein Präzisionsinstrument von MTT.“
Doktor Lai verzichtete auf einen Kommentar. Er sah konzentriert und mit einem breiter werdenden Lächeln auf den Bildschirm.
Heike Waldbauer nickte der Technikerin zu. „Wirklich gute Arbeit.“
Das astronomische Fernrohr hatte natürlich eine weit höhere Auflösung als die sonst üblichen optischen Instrumente. Der Zielplanet stand in unglaublicher Klarheit auf dem Schirm. Die beiden Forscher und die Technikerin sahen, wie sich die Nacht über dieser Welt ausbreitete.
„Sieht der Erde sehr ähnlich“, bekannte Hasagawa.
„Das hat uns schließlich hierher geführt“, antwortete die Professorin abwesend. Sie war auf das Bild konzentriert und runzelte nun die Stirn. „Kann man das weiter vergrößern?“
Der Astronom stieß ein vernehmliches Schnauben aus. „Na, hören Sie! Das hier ist ein astronomisches Präzisionsinstrument. Damit kann man sogar ferne Galaxien beobachten und da meinen Sie, so ein Planet würde ein Problem sein? Wie groß wollen Sie es denn?“
„Zoomen Sie bitte stufenlos näher. Ich sage Ihnen dann, wenn es reicht.“
Der Astronom ließ ein leises Grummeln hören.
Der Planet glitt näher – immer näher, bis der Monitor nur noch einen Teil seiner Oberfläche zeigte. Es war eine nahezu wolkenlose Nacht. Das Sternenlicht spiegelte sich auf Wasseroberflächen wider und die Lichter von Siedlungen waren zu erkennen.
„Warten Sie!“, stieß Professor Waldbauer plötzlich erregt aus. „Lassen Sie es so. Nein, eine Spur zurück …“ Sie schwieg einen Moment. „Verdammt!“
„Was ist los?“, fragte Yuki Hasagawa interessiert.
„Da stimmt etwas nicht“, murmelte die Professorin.
„Es ist alles synchronisiert“, erwiderte die Japanerin empört.
„Das meine ich nicht.“ Heike Waldbauer schob den irritierten Doktor Lai zur Seite und übernahm selbst die Feinabstimmung. „Verdammt und noch mal verdammt!“
„Würden Sie uns jetzt bitte an Ihrem profunden Wissen teilhaben lassen?“, beschwerte sich Lai.
Die Professorin leckte sich über die Lippen und nickte zögernd. „Mein Fachgebiet ist die Entwicklungsgeschichte der Erde. Dazu gehört natürlich alles, was mit Evolution zu tun hat, inklusive der Bevölkerungsdichte sowie der kulturellen und technischen Entwicklung.“
„Und? Was wollen Sie uns nun sagen?“ Lai verschränkte wieder die Arme vor der Brust.
„Zu viel Licht“, antwortete Waldbauer. „Zu viel Licht an zu vielen Orten.“
„Hä?“ Lai ließ die Arme sinken und starrte mit neuer Konzentration auf das Bild. „Wie meinen Sie das?“
„Das Beobachterteam auf Roald hat berichtet, die Eingeborenen befänden sich im tiefsten Mittelalter …“, sinnierte die Professorin. „Herr Kollege, haben wir eine Kartenprojektion – ich meine eine militärische, die wir transparent über die Realaufnahme legen können?“
„Wir sind kein Militärschiff, werte Kollegin.“
Heike Waldbauer tippte an das Implant hinter ihrem Ohr. In Augenblicken war sie mit dem Verbindungsoffizier verbunden und schilderte ihren Wunsch. Der Mann fragte nicht groß nach, denn die Einsatzkarten waren innerhalb der Flotte keineswegs geheim. Wenige Minuten später wurde die gewünschte Karte auf den Monitor des Fernrohrs übermittelt.
Professor Waldbauer regelte die Transparenz und justierte die Größe, bis sich die Eintragungen auf der Militärkarte mit dem Echtzeitbild der Nachtseite deckten.
„Verdammt!“, fluchte Dr. Lai, dem die Abweichungen nun ebenfalls auffielen. „Wie konnte das passieren?“
„Was ist denn los?“, fragte die MTT-Technikerin. „Da unten gibt es ein paar Lichter mehr, na und?“
„Von dem Beobachtungsteam auf Roald erhalten wir seit vielen Jahren genaue Informationen über die Eingeborenen, deren Entwicklungsstand und die Standorte ihrer Städte und Siedlungen. Darauf basieren die Einsatzpläne der Flotte“, dozierte Heike Waldbauer erregt. „Das Echtzeitbild zeigt aber gravierende Abweichungen von der Karte, die auf den Daten des Beobachtungsteams beruht. Es gibt viel mehr Städte und Siedlungen. Und was noch weitaus bedeutsamer ist: Die Lichter da unten werden an vielen Orten nicht von Lagerfeuern und Wachskerzen verursacht. Das ist ruhiges und gleichmäßiges Licht und zudem recht hell – Gas oder sogar elektrische Energie. Die Eingeborenen da unten sind technisch wesentlich weiter als wir bisher vermuteten.“
„Großer Gott“, ächzte die Japanerin, die sofort begriff, was das zu bedeuten hatte. „Das könnte die ganze Einsatzplanung der Invasion über den Haufen werfen.“
„Das befürchte ich ebenso. Wir müssen den Hoch-Admiral und das Sky-Command der Flotte benachrichtigen.“
Lai strich sich über das Kinn. „Nun mal langsam. Die werden das wahrscheinlich schon längst wissen. Wir sind ja nicht die Einzigen, die den Planeten beobachten und außerdem ist da unten das Beobachterteam.“
„Das uns wahrscheinlich mit falschen Daten gefüttert hat“, sagte die Professorin erregt. „Nein, wir können nicht riskieren, dass der Admiral keine Kenntnis hiervon hat. Das ist einfach zu wichtig.“