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Kapitel 3

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Backbord-Hangardeck Eins, D.C.S. Trafalgar, zwölf Tage bis zum Ziel

Joana Redfeather war dem Beispiel ihres Vaters gefolgt. Sie hatte auf dem Mars die Offiziers-Akademie des Direktorats besucht und hart an sich gearbeitet, um einen guten Abschluss zu erzielen. Zwar war sie nicht die Jahrgangsbeste geworden, doch ihre Bewertungen waren so gut, dass sie sich das Regiment aussuchen durfte, in dem sie dienen wollte. Für sie kam nur eine Truppe der Sky-Cavalry in Betracht. Es war neben der Flotte die einzige Truppengattung, bei der man die Chance hatte, während der Dienstzeit die verschiedensten Planeten und Kolonien zu besuchen. Die übrigen bewaffneten Streitkräfte des Direktorats wurden aus den regionalen Bewohnern rekrutiert und verließen ihre Heimat nie. Joana hingegen wollte, so gut es eben ging, etwas vom Universum sehen und die Raumkavallerie bot ihr die wahrscheinlichste Gelegenheit.

Als Lieutenant führte sie einen der beiden Züge der C-Kompanie der fünften Sky-Cav und sie empfand gleichermaßen Stolz wie auch Sorge über ihr erstes Kommando. Vor allem, da die Invasion auf Roald-37-S ein Großunternehmen war, wie es in der Geschichte der Menschheit bisher einmalig war.

Vor vier Tagen war sie aus dem Kryo-Schlaf geweckt, gründlich untersucht und dann mit Vitaminen und Nährstoffen vollgestopft worden. Obwohl sie noch immer ein wenig unter den Nachwirkungen des langen Schlafes litt, fühlte sie sich inzwischen stark genug, ihren Pflichten nachzugehen. Zudem drängte die Zeit, da der Terminplan sehr eng war. Trotzdem schliefen noch immer viele der Offiziere und Soldaten, da es nicht genug Kryo-Techs gab, um sie alle gleichzeitig zu wecken. Zwischen den endlos erscheinenden Reihen der Schlafkammern herrschte stete Betriebsamkeit. Das Gleiche galt für jene Räume, in denen sich die Truppen auf den Einsatz vorbereiteten. Davon waren nicht nur die Männer und Frauen betroffen, sondern auch ihre Gerätschaften und die Transportmittel.

Joana Redfeather hatte ein hastiges Frühstück heruntergeschlungen und war nun auf dem Weg zum Backbord-Hangardeck Eins der D.C.S. Trafalgar, in dem ein Teil der Landungseinheiten des Trägers stand. Ihr Ziel war die FLV 5-27, eines der wenigen Sturmboote der Flotte. Im Gegensatz zu den „Troop Landing Vehicles“ waren die „Fast Landing Vehicles“ auch für den interplanetaren Flug geeignet. Sie wurden auch als Shuttles zwischen den Schiffen der Flotte eingesetzt, dienten aber hauptsächlich der sogenannten „Blitz-Landung“ auf Planeten. Zu diesem Zweck waren Hitzeschilde und Triebwerke wesentlich leistungsstärker als die eines TLV. Dies und die verhältnismäßig schwere Bewaffnung gingen allerdings auf Kosten der Hüllenpanzerung. Ein FLV brauchte einen Planeten nicht zu umkreisen, um seine Fahrt herabzusetzen, sondern konnte im Steilflug in die Atmosphäre eintauchen. Es war ein riskantes Manöver, bei dem Mensch und Material auf das Äußerste beansprucht wurden, ließ einem Feind aber kaum die Zeit, sich zur Abwehr vorzubereiten. Die Truppen der FLV betrachteten sich daher nicht ganz zu Unrecht als die Elite unter den Sky-Troopern.

In den Gängen des Trägers war stete Bewegung. Überall waren Besatzungsmitglieder des Schiffes zu sehen, vor allem jedoch Soldaten und Wartungstechniker. Joana musste sich immer wieder vor Augen führen, dass sie zwar subjektiv erst sechs Wochen auf der Trafalgar war, sich in Wirklichkeit aber zwölf zusätzliche Jahre an Bord befand, die sie im Kälteschlaf verbracht hatte. Sie war während dieser Zeit nicht gealtert, aber das galt nicht für die Ausrüstung, so gut diese auch gelagert gewesen sein mochte. Jetzt wurde alles mehrfach überprüft, damit es für den Einsatz bereit war. Aus diesem Grund empfand sie eine gewisse Unruhe beim Gedanken an „ihr“ Landungsboot und sie wollte sich persönlich vergewissern, dass mit ihm alles in Ordnung war. Eigentlich war das die Aufgabe der Bootsbesatzung und der Wartungstechniker, aber schließlich waren es ihre Leute, die in das FLV einsteigen und mit ihm fliegen mussten.

Die Hangardecks zogen sich entlang der Längsachse des Trägerschiffes, jeweils zwei übereinander an der Backbord- und Steuerbordseite der riesigen Trafalgar. Zweihundert Landungseinheiten waren über die vier Großhangars verteilt. Ihre Aufgabe war nicht nur der Transport der Truppen, sondern auch der von Nachschub und der Opfer der Kämpfe. Zusätzlich gab es an Bord noch eine gleiche Anzahl an Jagdbombern, deren Aufgabe es war, während eines Landungsunternehmens die Verteidiger beschäftigt zu halten.

Zwischen den jeweils fünfzig Booten eines Hangars gab es herabsenkbare Zwischenwände, die aber nur genutzt wurden, wenn eines der kleinen Raumfahrzeuge einen Einzelflug unternehmen musste. Joana Redfeather trat somit in eine schlauchartige Halle, die rund dreißig Meter hoch und zweihundert Meter breit war, sich aber zugleich fast anderthalb Kilometer in Längsrichtung erstreckte. Man musste es erleben, um das klaustrophobische Gefühl nachempfinden zu können, das jeden Neuling automatisch innerhalb des Hangars befiel. Der Anblick der massigen Landungsfahrzeuge verstärkte diesen Eindruck sogar noch.

Joana Redfeather hingegen genoss ihn. Es war ihr erstes Einsatzkommando und sie sog jeden Eindruck, der sich ihr bot, förmlich ekstatisch in sich auf. So blieb sie im offenen Schott des Zugangs stehen und sah sich mit einem merkwürdigen Lächeln auf dem Gesicht um.

Wände, Decke und Boden des Hangars waren im eintönigen Standardgrau der Flotte gehalten, aber die Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen. An der Innenwand und auf dem Boden waren die Spuren von Triebwerksfeuer zu erkennen. Flecken von Schmiermitteln und Betriebsstoffen verzierten den Boden ebenso wie die Kratzer von Werkzeugen oder den Landekufen der Boote. Mit nur wenigen Metern Zwischenraum standen FLV und TLV Seite an Seite, von oben und den Seiten durch grelle Lichter angestrahlt, während unter ihnen am Boden nur trübes Zwielicht herrschte. Dies wurde von den Arbeitslampen der Techniker erhellt, die an offenen Wartungsklappen und Schächten arbeiteten. Rollbare Werkzeugschränke standen unter und zwischen den Raumfahrzeugen, Ersatzteile lagen unter den Rümpfen, Kabelstränge zogen sich wie Schlangen über den Boden. An einigen Stellen war das grelle Aufblitzen von Schweißgeräten zu sehen. Der Geruch nach heißem Metall, Ölen und Schweiß hing in der Luft und überall waren die Rufe und Flüche der Männer und Frauen zu hören, die hier arbeiteten. Im Hintergrund ertönte das, was Joana als Kaufhaus-Gedudel bezeichnete, doch dies war sicher erträglicher als die Beschallung aus jenen zahlreichen Geräten, mit denen die Wartungsmannschaften ihren verschiedenen Auffassungen von guter Musik Nachdruck verliehen. Insgesamt gesehen machte das Hangardeck einen sichtlich chaotischen Eindruck. Die Rümpfe der Landungsboote schienen hier die einzige militärische Präsenz zu verkörpern.

„Hör mal, Trooper, entweder verschwindest du oder du packst mit an“, ertönte eine weibliche Stimme hinter Joana. „Hier kannst du jedenfalls nicht stehen. Es gibt Leute, die haben ernsthaft zu arbeiten.“

Die Offizierin wandte sich um und sah eine Wartungstechnikerin, die einen Wagen vor sich herschob, der mit tetratronischen Bauteilen beladen war. Möglicherweise hatte die junge Frau Joanas Rang nicht bemerkt, obwohl die goldene Schulterlitze so befestigt war, dass man sie auch von hinten sehen konnte.

Die Technikerin salutierte flüchtig. „Tut mir leid, habe Sie nicht erkannt, Lieutenant. Wollen Sie sich einfach nur umsehen oder suchen Sie jemand Bestimmten?“

Joana Redfeather sah keinen Anlass die Tech zu maßregeln. Der leicht gehetzte Gesichtsausdruck verriet, dass diese bis über beide Ohren in Arbeit steckte und letztlich war es ihre eigene Schuld gewesen, dass sie deren Weg blockiert hatte. „Ich suche die FLV 5-27.“

„Einen der Langärsche?“ Die Tech deutete mit dem Kopf in die Tiefe des Hangars. „Nicht zu verfehlen, Lieutenant. Die stehen alle da hinten, ab Stellbucht sechsundfünfzig – können Sie echt nicht übersehen.“ Sie grinste müde. „Der fette Hintern von denen ragt aus der Reihe der normalen Landungsboote heraus.“

Die junge Frau ging weiter und Joana hörte ein leises Quietschen, das von einer defekten Rolle des kleinen Schubwagens herrührte. Joana fragte sich, was die Tech wohl mit der Bezeichnung „Langarsch“ gemeint hatte und folgte der angewiesenen Richtung.

Die Troop Landing Vehicles standen in langer Reihe und unterschieden sich nur durch die aufgemalten Kennziffern und die individuellen Bezeichnungen, mit denen ihre Besatzungen sie verziert hatten. Joana sah eine Reihe von Comicfiguren und Fantasiegestalten, meist in Kombination mit einem markigen Motivspruch.

Ein Landungsboot war rund fünfunddreißig Meter lang, fünfzehn breit und knappe acht Meter hoch, wenn man die ausgefahrenen Landekufen nicht einrechnete. Die drei Stützen hoben den Rumpf nochmals drei Meter über den Boden. Joana vermied es, unter ihnen hindurchzugehen. Das Gefühl, eine der massiven Federstützen könnte nachgeben und das Boot sie unter sich begraben, war bedrückend. Die Rümpfe wirkten insgesamt massig und gedrungen und waren in graugrüner Tarnfarbe lackiert – eigentlich eine eher unsinnige Maßnahme, aber es entsprach schlicht der militärischen Tradition. Die Bauchseite war sanft gerundet und wirkte als Tragfläche. Sie war mit Hitzekacheln bedeckt, die in dunklem Grau schimmerten.

Es gab keine Flügel, nur ein V-förmiges Leitwerk auf dem Heck, das bei Bedarf abgesenkt oder ausgefahren werden konnte. An den Flanken und der Oberseite waren die ausladenden Schächte der Staustrahltriebwerke zu sehen. Ihre Ansaugöffnungen waren mit Tri-Stahl-Gittern versehen. Am Heck befand sich die breite Rampe für die Truppen, an der Backbordseite die kleine Mannschleuse für die Flugbesatzung. Die vollverglaste Kanzel am Bug war ein wenig nach links versetzt, neben ihr befand sich die tonnenartige Schutzhülle der schweren Gatling-Revolverkanone.

Joana orientierte sich an den großen Ziffern an der Innenwand des Hangars, die die Stellbuchten markierten. Immer wieder musste sie geschäftigen Arbeitern oder Besatzungsmitgliedern ausweichen, bis sie endlich die Plätze der Fast Landing Vehicles erreichte. Nun begriff sie auch, was die junge Technikerin mit „Langarsch“ gemeint hatte.

Die FLV waren gute fünfzehn Meter länger, da sie zusätzlichen Raum für den interplanetaren Antrieb benötigten.

Da auch hier die Heckrampen herabgelassen waren, suchte Joana Redfeather nach der entsprechenden Kennzeichnung an der Flanke. Alle Boote zeigten am Leitwerk das geflügelte Pferd der Sky-Cav, dazu an den Seiten das Wappen des fünften Regiments. Schließlich fand sie das gesuchte Boot und sah sich unvermittelt einem stämmigen Mann im Overall der Wartungstechniker gegenüber. Kleidung, Gesicht und Hände starrten vor Schmutz und der Mann arbeitete im offenen Schacht einer Landekufe. Trotz der Geräusche im Hangar und des Wirrwarrs aus menschlichen Stimmen schien er Joanas Schritte gehört zu haben, denn er beugte sich von seiner Trittleiter herunter und musterte die Offizierin forschend.

„Sie gehören zu den Sky-Troopern und nicht zur Flugcrew“, stellte er fest und wischte die Hände an einem Tuch ab, das mit Öl, Fett und Farbresten verziert war. „Ich hoffe, Sie bringen mir keine zusätzliche Arbeit, Lieutenant, die kann ich nämlich gar nicht gebrauchen.“

„Keine Sorge, ich wollte nur nach dem Rechten sehen“, versicherte sie und fragte sich, welchen Rang der Mann haben mochte, falls er denn überhaupt zum Militär gehörte. Der Not gehorchend hatte die Invasionsflotte eine Menge ziviler Handwerker an Bord.

Das Gesicht des Mannes verfinsterte sich ein wenig. „So, so, nach dem Rechten sehen? Hören Sie, Lieutenant, wir wissen hier verdammt gut, was wir zu tun haben – okay?“

„Davon bin ich überzeugt“, beschwichtigte sie.

„Hm. “ Der Wartungstechniker musterte sie nochmals und zeigte unvermittelt eine Reihe blendend weißer Zähne. „Ihr erstes Kommando, was?“

„Merkt man mir das so deutlich an?“

„Nehmen Sie es mir nicht übel, Lieutenant, aber sie haben noch etwas Wäschestärke in der Uniform – wenn Sie verstehen.“

„Nicht so ganz“, gab sie zu. Nun lächelte sie ebenfalls. „Was wohl ein Beweis für die Wäschestärke ist.“

Der Mann lachte und stopfte das Tuch in eine der zahllosen Taschen seines Overalls. „Chief Lars Benstrom, Ma´am. Ich bin der Chef-Mechaniker für die FLVs der fünften Sky-Cav. Na ja, ursprünglich. Inzwischen hat man uns ja auch die Wartung vom dritten Regiment übertragen. Die waren nicht gerade erfreut, kann ich Ihnen sagen. Niemand lässt sich gerne von einem anderen in seinen Angelegenheiten herumpfuschen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber in diesem Fall … Ich meine, die ganzen Träger und Boote – da gibt es einfach zu viel zu tun und zu wenig Hände.“

„Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, Chief, wenn ich das frage: Werden Sie und Ihre Leute denn mit allem fertig? Ich meine – rechtzeitig?“

Er wippte leicht auf den Fersen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Mit Verlaub, Ma´am, das ist eine verdammt blöde Frage. Selbstverständlich wird alles fertig. Wir sind Sky-Cav genauso wie Sie und Ihre Jungs und Mädels. Okay, wir steigen nicht in die Kisten und fliegen nicht mit ihnen, aber wir wissen verdammt gut, was von unserer Arbeit abhängt. Außerdem sind da noch die Flugcrews. Wenn wir mit unserer Arbeit und der Freigabeinspektion durch sind, dann kommen die Crews und checken alles selbst noch mal durch.“ Er lachte abermals. „Nicht, dass die was finden würden – sind schließlich keine Techniker, Ma´am. Aber wir wissen es zu schätzen, dass die sich die Mühe machen. Sind ja auch gute Crews von der Sky-Cav – wenn Sie verstehen. Wissen Sie, bei den Freiwilligenregimentern gibt es einige Bootsbesatzungen … Die setzen sich nach unserer Freigabe einfach in die Kisten und schwirren ab. Okay, man könnte sagen, es ist ein Beweis des Vertrauens in unsere gute Arbeit, aber uns sind Crews lieber, die ihre Nase nicht zu hoch hängen – wenn Sie verstehen.“

Joana Redfeather kannte den Grund, warum die Wartungscrews die Kontrollen der engagierten Flugbesatzungen so schätzten. Zum einen gab es praktisch nie eine Beanstandung, was eine klare Anerkennung der Arbeit der Wartungsteams war, und zum anderen erfuhren die Flugmannschaften in den Gesprächen mit den Technikern viel über die Eigenheiten ihres Bootes und die technischen Zusammenhänge.

„Und was ist an der 5-27 nicht in Ordnung?“

„Die Hydraulik der Backbord-Landekufe hat etwas gehakt. Und wir müssen noch die Hitzekacheln überprüfen. Die Dinger halten zwar extreme Temperaturen aus, sind aber gegen mechanische Einflüsse etwas empfindlich. Kleinstmeteoriten oder Beschuss können ihnen ziemlich zusetzen. Daher sind die Dinger auch nur verschraubt, damit man sie schnell austauschen kann.“ Die Stimme gehörte zu einem Mann mit leuchtend rotem Haarschopf, der in der offenen Heckrampe aufgetaucht war. „Und wie Sie sehen, Ma´am, hängen die Flieger ihre Nasen keineswegs zu hoch.“

„War nicht böse gemeint, Paddy“, wiegelte Chief Benstrom ab.

Der mit „Paddy“ Angesprochene nickte Joana Redfeather zu. „Sergeant Patrick O´Harrahan, Ma´am. Keine Sorge, da ist nichts an der 5-27 kaputt. Wir ziehen praktisch nur die Schrauben nach. Die Technik und der Rumpf sind prima in Schuss. Ansonsten mussten wir nur ein bisschen Staub wischen, weil sie ja zwölf Jahre herumstand.“

Sie sprachen kurz miteinander, aber die junge Offizierin begriff sehr schnell, dass sie die Männer nur von der Arbeit abhielt. Joana dankte ihnen und hatte das gute Gefühl, dass „ihr“ FLV in ausgezeichneten Händen war. Sie blickte auf die Uhr. Es war Zeit für eine warme Mahlzeit. Kurz entschlossen tippte sie an das Implant hinter ihrem Ohr. „Hallo Boris, hier Joana: Ich will gerade etwas essen gehen. Was hältst du davon, wenn wir uns in der Kantine treffen? Prima, ich mache mich auf den Weg.“

Ein kurzes Nicken zu dem Chef-Mechaniker, dann begab sich der Lieutenant zu einem der Ausgänge des Hangardecks.

Man musste sich vor Augen führen, dass ein Träger fünf Kilometer lang und anderthalb Kilometer breit war. Seine Höhe, ohne die Zusatzaufbauten, betrug einen Kilometer. Doch dieses enorme Volumen war erforderlich, um einen solchen Riesen in Betrieb zu halten, die Menschen an Bord zu versorgen und entsprechend unterzubringen. Platz wurde dabei nicht verschwendet. Fast zwanzig Prozent des Gesamtraumes wurden von den Energieerzeugern und dem Antriebssystem eingenommen, weitere zehn Prozent von der hydroponischen Anlage, in der Sauerstoff und Nahrungsmittel produziert wurden. Es gab mehr als 12.000 Räume, von der winzigen Aufbewahrungskammer für Reinigungsmittel bis hin zum riesigen Maschinensaal entlang der Längsachse des Trägers. Keinem Menschen wäre es möglich gewesen, sich die Lage aller Räume einzuprägen. Von je her waren Besatzungsmitglieder daher für bestimmte Sektionen eingeteilt. Es gab ein ausgeklügeltes Leitsystem mit Farbkodierungen und selbstverständlich eine Unzahl von Plänen, die in den Gängen angebracht waren. Wirklich hilfreich waren jedoch die Implants, die man jedem Angehörigen der Streitkräfte hinter den Ohren einpflanzte. Zwar hatten ihre winzigen Funkgeräte nur eine Reichweite von wenigen Metern, doch da es überall im Schiff Transmitter gab, waren sie hervorragende Navigationshilfen.

Joana betrat einen der breiten Korridore, die entlang der Längsachse der Trafalgar führten. In seiner Mitte liefen drei Transportbänder entlang, das mittlere davon mit beachtlicher Geschwindigkeit. Geübt wechselte sie die Bänder, verließ sie einen halben Kilometer entfernt und trat in einen der Lifts, deren Kabinen wie die Glieder einer Kette aneinandergereiht waren und die relativ langsam, aber in unendlich scheinender Folge ihren Weg nahmen. Zwanzig Decks höher nutzte sie einen weiteren Korridor. Hier befanden sich Quartiere der Offiziere und eine der diesen vorbehaltenen Kantinen. Diese war zweckmäßig, doch durchaus gemütlich eingerichtet.

Wände und Decke waren mit Holzimitat verkleidet und indirekte Beleuchtung schenkte gedämpftes Licht. Eine Längswand wurde vom Diorama einer Marslandschaft eingenommen. Es zeigte eine Sanddüne, die an der Flanke mit zähem Pfeilgras bewachsen war, und in deren Windschatten einige Kugelbäume aufragten. An den anderen Wänden hingen Bilder oder Tridios, die Direktoratstruppen im Kampf zeigten. Typisch für die Darstellungen war, dass der Feind nicht sichtbar war, die Soldaten aber in sehr heldenhaften und entschlossenen Posen dargestellt wurden.

Die D.C.S. Trafalgar transportierte zwanzigtausend Angehörige der Landungstruppe: zehn Regimenter mit dem entsprechenden Soll an Offizieren, zehn Colonels und Lieutenant-Colonels, dreißig Majors, einhundert Captains und zweihundert Lieutenants. Dazu kamen die Offiziere des Schiffes und des Admiralstabes. Über die Decks verteilt gab es fünf Kantinen und Aufenthaltsräume, die ihnen zur Verfügung standen. Unteroffiziere und Mannschaften mussten hingegen mit den Gemeinschaftsmessen Vorliebe nehmen.

Statt der langen Tische und Bänke der Mannschaften gab es hier eingedeckte Tische und bequeme Stühle. Viele davon waren besetzt und Joana sah sich um, ob sie Boris irgendwo erblickte. Schließlich entdeckte sie ihn, winkte ihm kurz zu und ging dann zum Ausgabeschalter, um sich ihre Mahlzeit auszuwählen.

Sie musterte das Angebot und entschied sich für Eier und Speck, dazu Röstbrot und einen großen Becher Fruchtsaft. Die Eier hatten wahrscheinlich nie ein Huhn gesehen, der Speck niemals ein Rind und der Saft war sicher nur an einer Fruchtbeere vorbeigeschwommen. Aber die entsprechenden Geschmacksverstärker gaukelten den Sinnen immerhin erfolgreich vor, es mit den beschriebenen Nahrungsmitteln zu tun zu haben.

Sie belud ihr Tablett, zog die Kennmarke durch den Kassenschlitz und balancierte ihre Beute zwischen den besetzten Tischen hindurch zu jenem, an dem Boris saß.

Boris Amassov war wie sie Lieutenant und führte den zweiten Zug der C-Kompanie in Joanas Regiment. Er gehörte allerdings zu jenen vielen Freiwilligen, die man in Schnellkursen durch die Ausbildung gepeitscht hatte, um die Sollstärke erfüllen zu können, als man die Linien der Berufssoldaten der Sky-Cav ausdünnte. Offiziell gehörte er zur kämpfenden Elite der Sky-Trooper und versuchte diesem Anspruch gerecht zu werden, trotzdem haftete ihm der „Geruch“ des Zivilisten an.

„Hallo, Boris“, grüßte sie ihn und nahm ihm gegenüber Platz.

Der russischstämmige Offizier blickte kurz auf und stocherte dann in den Fächern seines Tellers herum. „Du bist so ziemlich der einzige Lichtblick in dieser Kantine. Himmel, ist das eine Pampe! Gelber Brei, grüner Brei und dazwischen etwas rosa Brei …“

„Oh, dann hast du dir Püree, Spinat und Fleisch ausgesucht?“

Boris Amassov schnaubte leise. „Ah, das ist es also? Danke für die Info.“ Er sah sie an und deutete mit der Gabel auf sie. „Man sollte uns wirklich etwas Besseres auftischen als diesen gefriergetrockneten und dehydrierten Mist.“

„Was beschwerst du dich?“ Sie lächelte ihn beschwichtigend an. „Warte ab, bis wir unten auf Roald sind. Dann bekommen wir leckere Nahrungsriegel und Pillen.“

„Ich frage mich, was man den Mannschaften vorsetzt“, brummte er und nahm lustlos einen Mund voll.

„Genau dasselbe.“ Sie probierte und fand, dass Boris ein wenig übertrieb. „Du musst einfach sehen, welche Probleme die Versorgung so vieler Menschen hervorruft. Und die Vorräte sind auch sehr begrenzt. Während des Kryo-Schlafes brauchten wir ja nur Nährlösung, aber in den Wochen des Wachseins ist das anders. Hast du eine Vorstellung, welche Menge an Nahrungsmitteln da für uns alle mitgeführt oder in den Hydro-Kulturen gezogen werden muss?“

„Schon klar, dass du das verteidigst.“

Sie sah ihn überrascht an. „Was soll das denn heißen?“

„Na ja, als Tochter des Hoch-Admirals ist es ja klar, dass du auf seiner Seite bist.“

Joana Redfeather spürte, wie Ärger in ihr aufstieg. „Das ist Unsinn und das weißt du auch. Außerdem ist die Hoch-Koordinatorin für die Versorgung zuständig und nicht der Hoch-Admiral. Meine Verwandtschaft mit dem Oberbefehlshaber spielt im Übrigen keinerlei Rolle. Ich bin genauso wie du ein Lieutenant der Sky-Trooper – nicht mehr und auch nicht weniger.“

„Sky-Trooper – ja.“ Er schluckte, spülte mit seinem Getränk nach und schob den Teller von sich. „Vielleicht war es ein Fehler, unsere Truppen zu mischen.“

„Ich weiß, du gehörst zu den Freiwilligen, aber ich dachte immer du wärst stolz darauf, bei den Sky-Troopern zu dienen.“

Boris Amassov lächelte halbherzig. „Manche von den Troopern lassen uns sehr genau spüren, dass sie nicht viel von uns halten. Es heißt, ein Freiwilliger könne niemals einen echten Trooper ersetzen.“

„Du solltest dir das nicht zu Herzen nehmen“, riet sie ihm. „Das sind nur die üblichen Macho-Sprüche unter Soldaten. Die meisten Sky-Trooper haben ja selbst noch keine echte Kampferfahrung“, sie lachte leise, „und mit einer Invasion hat die wohl gar keiner. Mensch Boris, du solltest Stolz empfinden, bei dieser großen Sache dabeizusein.“

Er nickte zögernd. „Verstehe mich nicht falsch, Joana. Ich bin froh, jetzt hier zu sein. Ich denke, jeder von uns ist das wohl. Vielleicht ist es einfach nur die Unsicherheit, die mich so frustriert, und das elende Warten, bis es endlich in die Landungsboote geht.“

„Ja, ein paar Tage dauert es noch“, seufzte sie. „Ich kann es auch kaum erwarten.“

Sky-Troopers

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