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Kapitel 9

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Schwingenfeld der gepanzerten Streitkräfte, Hondabar, westlich der Siedlung Grünwasser

Karst 4 Harinagar gehörte ursprünglich zu einer der bedeutendsten Gründerfamilien der Hauptstadt Harinagar. Als solcher hätte er eigentlich ein sorgenfreies Leben führen können, denn ihm war schon in jungen Jahren ein Platz im Ältestenrat gewiss. Stattdessen hatte er zum schieren Entsetzen seines Mutterweibs die Rüstung eines Gepanzerten angelegt und war damit den Streitkräften des großen Haldar – mochten die Wolken ihm gewogen sein – beigetreten. Während sein näheres Umfeld diesen Schritt einer geistigen Verwirrung zuschrieb, hatte Karst diesen hingegen sehr wohl überlegt. Der Grund hierfür wäre aber zweifelsohne als endgültiger Beweis seiner Verrücktheit betrachtet worden.

Karst war inzwischen im besten Mannesalter und hatte zielstrebig an seiner Karriere bei den Gepanzerten gearbeitet. Er trug die Schärpe eines Offiziers und stand dicht vor der Beförderung zum Garnisonskommandanten und Doppelschärpenträger. Er galt als ausgesprochen gebildet, weit mehr als man dies bei einem Krieger erwarten würde und suchte immer wieder die Nähe der Wissenden. Manchem war dies rätselhaft, bis Karst seine Versetzung nach Hondabar erbat. Plötzlich ergab alles einen Sinn, obwohl man nun erst recht überzeugt sein konnte, dass Karst 4 – nunmehr Karst 4 Hondabar – ganz offensichtlich verrückt sein musste.

„Wenn die Schöpfung gewollt hätte, dass wir fliegen können, so hätte sie uns Hanari Flügel an Stelle von Beinen verliehen“, musste er sich immer wieder anhören. Doch solche Bemerkungen war er seit langem gewohnt und in Hondabar fand er endlich Gleichgesinnte, die mit ihm den Traum vom Fliegen teilten – einen Traum, der nun nach einigen Jahren mühseliger Versuche und Fehlschläge zur Tatsache geworden war.

Man hatte das Schwingenfeld in weiser Voraussicht fernab jeglicher Siedlung angelegt. Nicht, weil von den Fluggeräten eine Gefahr ausging – mit Ausnahme natürlich für den Schwingenflieger –, sondern weil sich die Verantwortlichen nicht aufgrund von Fehlschlägen, die meist mit dem Totalverlust des Piloten und der Maschine einhergingen, blamieren wollten. Weder das Oberkommando der Gepanzerten noch die Wissenden oder gar der große Haldar selbst – mochten die Wolken ihm gewogen sein – glaubten ernstlich an den Erfolg, dass sich ein von einem Hanari erbautes Objekt in die Luft erheben und vor allem dort oben verbleiben könnte. Andererseits leuchtete es gerade dem Militär ein, wie bedeutsam es sein mochte, über künstliche Vögel zu verfügen, die einen Feind aus der Luft beobachten konnten.

Ja, in den ersten Jahren gab es zahlreiche Fehlschläge mit fatalen Folgen für das Material und jene, die es zu steuern versucht hatten. Aber jeder Fehlschlag führte zu neuem Denken und die Wissenden lernten hinzu. Nach und nach entstand ein Flugobjekt, das diese Bezeichnung tatsächlich verdiente. Karst 4 war schon bei den ersten Versuchen auf das Schwingenfeld aufmerksam geworden, obwohl es ein gut gehütetes Geheimnis war. Aber seine Verbindungen und Ohren reichten weit und die Kontakte zu den Wissenden taten ein Übriges. Karst traf zu jenem Zeitpunkt ein, zu dem es bereits eine Reihe erfolgreicher Flüge gegeben hatte und genug Flieger, die nach der Landung noch in der Lage waren, von ihren Erlebnissen zu berichten.

Karst 4 Hondabar war nur zu gerne als Schwingenflieger angenommen worden. An diesen Männern herrschte Mangel. Es gab nicht viele Freiwillige, und von diesen vertrugen einige die Höhe nicht oder kamen mit der Steuerung nicht zurecht. Karst hingegen war ein Naturtalent und vom ersten Augenblick an in „seine“ Schwinge verliebt.

Eine Schwinge bestand aus einem hölzernen Rahmen, der gut dreimal so lang war wie der gestreckte Leib eines Hanari. Dieser Rahmen war mit Leder bespannt und enthielt eine gut durchdachte technische Konstruktion, die aus dem Auftriebskörper, dem Antrieb und natürlich der Steuerung mit dem Piloten bestand.

Ganz vorne im Rumpf befand sich der Antrieb. Er bestand aus einer hölzernen Luftschraube, die über eine Achse und ein metallenes Getriebe mit zwei Pedalen verbunden war. Diese Pedalen wurden durch die Muskelkraft des Piloten bewegt und trieben die Schwinge durch die Luft. Dass sie aber überhaupt in die Luft gelangte, war der Verdienst des Auftriebskörpers. Er bestand aus drei tonnenförmigen Glasbehältern, die mit einem Gas gefüllt wurden, das erheblich leichter als Luft war. Zur Herstellung des Gases benötigte man Metallspäne und Säure, viel Geduld und große Vorsicht. Da Pilot und Antrieb weitaus mehr Gewicht als die Auftriebskörper aufwiesen, wäre die Schwinge somit kopflastig geworden. Am Heck befand sich daher ein beweglicher Metallkäfig, der mit verschiedenen Gewichten versehen war und dessen Lage justiert werden konnte. Seitlich am Rumpf befanden sich die beiden Objekte, die dem Gerät die Bezeichnung „Schwinge“ eingetragen hatten. Sie wiesen tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit den Flügeln eines Vogels auf, waren proportional allerdings deutlich kleiner. Sie bestanden ebenfalls aus lederbezogenen Holzrahmen. Unmittelbar am Rumpf ragten Hebel auf, die der Pilot zum Steuern nutzen konnte. Mit ihnen war er in der Lage, die Schwingen ein Stück nach vorne oder hinten zu neigen. Auf diese Weise und durch das Neigen seines Oberkörpers konnte ein Pilot die seitliche Flugrichtung bestimmen. Steigflug und Sinkflug wurden durch die Verlagerung des Gewichtskastens und die Bewegung des Piloten herbeigeführt. Die Geschwindigkeit hingegen war eine Sache der Windgeschwindigkeit und der Beinmuskulatur des Fliegers.

Inzwischen gab es drei Dutzend der Schwingen, und es wurden weitere gebaut, denn die Befehlshaber der Gepanzerten waren endgültig vom Nutzen der Fluggeräte überzeugt.

Unmittelbar am Schwingenfeld war die Siedlung Hondabar entstanden. Hier lebten die Wissenden, die Piloten und die Wartungsmannschaften sowie jener Teil der Bevölkerung, der die hier Lebenden mit allem Notwendigen versorgte. Die meisten Häuser waren typische dreistöckige Gebäude, wie sie in jeder kleinen Siedlung zu finden waren, ferner gab es einen Kuppelbau für Bilderwerfer und ein auf Säulen ruhendes Runddach für Marktstände. An Stelle des Ältestenhauses befand sich der typische Rundturm eines Militärgebäudes, denn Hondabar stand natürlich unter dem Befehl eines Doppelschärpenträgers der Gepanzerten.

Das Schwingenfeld bestand aus einem sorgfältig geebneten Platz, an dessen Rändern Hallen und Werkstätten, einige Quartiere und andere Funktionsgebäude standen. Siedlung und Flugfeld lagen in einem kleinen Tal, das ringsum von dichten Wäldern umgeben wurde.

An diesem Morgen sollte Karst 4 Hondabar einen Testflug mit seiner Schwinge durchführen. Der Befehlshaber hatte ein großes Geheimnis daraus gemacht, welche Veränderung an dem Fluggerät vorgenommen worden war und hatte den Mechanikern unter Strafandrohung verboten, etwas verlauten zu lassen. Natürlich war Karst neugierig gewesen, doch selbst ein Krug Brennwasser hatte die Zungen der Monteure nicht gelöst. So war er entsprechend gespannt, welche Überraschung ihn an diesem Morgen erwartete.

Es war kurz nach Sonnenaufgang und Karst bereitete sich in der kleinen Offiziersunterkunft sorgfältig auf seinen Flug vor. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt, die ledernen Fußüberzieher zu tragen. Kein anderer Hanari trug eine Fußbekleidung, aber Karst gestand sich ein, dass ein Schwingenflieger gut beraten war, sie zu nutzen. Die Pedalen des Luftschraubenantriebs waren schmal und verursachten schnell Druckschmerzen an den Füßen, wenn diese nicht geschützt wurden. Zusätzlich zog er sich eine fellgefütterte Lederjacke an und knöpfte ihren Kragen hoch. In den Höhen, in denen eine Schwinge flog, war es empfindlich kalt und ein steifer Nacken war nicht nur schmerzhaft, sondern schränkte auch die Beweglichkeit und somit die Sicht ein.

Er nahm ein kräftiges Frühstück zu sich: mehrere Scheiben Röstbrot und gegrillte Fruchtscheiben, dazu ein paar Nüsse. Das alles spülte er mit heißem Gewürzwasser hinunter. Danach füllte er seine Wasserflasche auf und steckte zwei Pfoten voll der nahrhaften Nüsse in seinen umgehängten Proviantbeutel. Eine Schwinge auf Geschwindigkeit zu bringen und eventuell gegen den Wind voran zu treiben, erforderte viel Kraft. Vor allem erforderte es Beinarbeit und man konnte einen Schwingenflieger angeblich an der ausgeprägten Muskulatur der Schenkel erkennen.

Karst 4 Hondabar verließ die Offiziersunterkunft und trat auf das Flugfeld hinaus. Automatisch blickte er zu dem Mast mit den Farbentuch des großen Haldar. Die Flagge hing schlaff herab, was Karst erleichterte. Wenigstens musste er beim Start nicht mit Wind rechnen. In der Höhe mochte das dann allerdings ganz anders sein. Windströmungen waren oft unberechenbar, es sei denn, die Wolken verrieten ihre Bewegung.

Der nächste Blick schweifte über das Feld. Von seiner Schwinge war noch nichts zu sehen, aber vor der Halle, in der sie vor dem Wetter geschützt stand, war Bewegung. Eine ganze Reihe von Gepanzerten, Schwingenfliegern und Monteuren stand dort und unterhielt sich angeregt. Ein Stück abseits standen zwei Handwagen, auf denen sich Gefäße mit Metallspänen, Säure und einige Schläuche befanden. Unter den Gepanzerten befanden sich gleich mehrere Schärpenträger, was Karst sofort verriet, dass man seinem Flug große Bedeutung beimaß.

Rinz 124 Hondabar machte einen besonders aufgeregten Eindruck. Er war der Hauptmechaniker für Karsts Schwinge und hatte die Umbauten vorgenommen. Jetzt war er sicher ebenso gespannt wie der Pilot, ob alles richtig funktioniert. Allerdings würde Rinz im Gegensatz zu Karst am Boden und in Sicherheit bleiben. Karst hatte jedoch volles Vertrauen in den Mechaniker. Dieser wäre liebend gerne selbst Schwingenflieger geworden, litt aber unter Höhenangst.

Als Karst näher kam, wandten sich ihm die Versammelten zu und er entbot dem Befehlshaber seinen Ehrensalut. Der Doppelschärpenträger war sichtlich bester Laune, strich Karst anerkennend über die Schnauze und deutete dann zum geschlossenen Hallentor, das in diesem Moment von den Arbeitern geöffnet wurde.

„Dies ist ein wirklich bedeutsamer Tag für die Streitkräfte des großen Haldar – mögen die Wolken ihm gewogen sein –“, meinte der Offizier. „Lange hat man daran gezweifelt, dass es möglich wäre, dass sich ein Hanari mit einer Schwinge in die Luft erheben könnte. Es ist geschehen! Tapfere Gepanzerte wie du, Karst 4 Hondabar, haben den Beweis hierfür angetreten und dafür gesorgt, dass uns das Ohr des großen Haldar – mögen die Wolken ihm gewogen sein – sehr zugeneigt ist.“ Karst begriff sehr wohl, was dies bedeutete. Der Befehlshaber der neuen Schwingenflieger konnte zusätzliche Mittel und Krieger einfordern und erhielt wahrscheinlich sogar eine dritte Schärpe, wenn es keine Probleme gab. Der Doppelschärpenträger wippte leicht auf den Beinen und strich sich unter der Schnauze entlang. Offensichtlich war er doch ein wenig beunruhigt, dass nicht alles zur vollsten Zufriedenheit verlaufen könnte. „Dieser Tag wird für uns Hanari von entscheidender Bedeutung sein, mein guter Karst. Zum ersten Mal soll sich eine Schwinge nicht nur in die Luft erheben und beweisen, welch gute Aussicht man von dort oben hat. Nein, an diesem Tag wirst du es sein, der den Beweis dafür antritt, dass man mit einer Schwinge auch kämpfen kann.“

Karst legte unbewusst die Ohren an. Jetzt war es heraus und es war nichts, was ihm sonderlich gut gefiel. Ja, er war ein Gepanzerter und man ging nur zu den Gepanzerten, wenn man ein Krieger war. Er war jedoch zu ihnen gegangen, weil er sich in die Luft erheben wollte. Das war ihm gelungen und nun schien es so, als müsste er den Preis dafür bezahlen. Die Aussicht, dass eine Schwinge dazu genutzt werden könnte Leben zu nehmen, gefiel ihm überhaupt nicht, aber es blieb ihm keine andere Wahl. Er war ein Schwingenflieger und somit ein Gepanzerter, von dem man im Bedarfsfall das Kämpfen erwartete.

Der Doppelschärpenträger hatte das Anlegen von Karsts Ohren bemerkt, verstand aber die Bedeutung falsch. „Sei unbesorgt, Schärpenträger Karst, es wurde äußerste Sorgfalt auf den Umbau deiner Schwinge verwendet. Du bist der beste Schwingenflieger von allen und so wird dieser Tag ein Ehrentag der Gepanzerten. Wahrhaftig, ich glaube gar, die Magier werden von diesem Tag ein Bildereignis werfen. Doch nun sieh dir deine Schwinge an.“

Der Doppelschärpenträger klatschte in die Pfoten, und Rinz und die anderen Mechaniker schoben den Wagen, auf dem die Schwinge ruhte, aus der Halle ins Sonnenlicht.

Karst bemerkte sofort die Veränderungen und diese gefielen ihm noch weit weniger als der Zweck, dem sie dienten. An der rechten Seite der Schwinge, direkt neben dem Pilotensitz, war ein langes Rohr angebracht, auf dem eine Trommel steckte. Ein klobiger Griff ragte seitlich hervor. Darunter war ein zusätzlicher Gasbehälter angebracht. Er konnte sich den Grund hierfür denken und das trug keineswegs zu seiner Beruhigung bei.

Der Doppelschärpenträger legte die Stirn in Falten, denn Karsts Missbilligung war nahezu körperlich spürbar. „Es mag nicht besonders elegant aussehen, Flieger Karst, aber es wird seinen Zweck erfüllen. Die Wissenden haben alles sorgfältig überdacht und Rinz 124 hat die Arbeiten auf das Beste ausgeführt.“ Der hohe Offizier blickte den Mechaniker auffordernd an. „So ist es doch, nicht wahr, Rinz?“

„Alles bestens“, versicherte der Mechaniker hastig und gab Karst ein verborgenes Zeichen, dass sich seine Begeisterung ebenfalls in überschaubaren Grenzen hielt.

„Na also“, brummte der Befehlshaber und deutete auf die modifizierte Schwinge. „Es wird wohl angebracht sein, dass der gute Karst sie nun ausprobiert.“

Da die Auftriebsbehälter des Fluggerätes zunächst noch mit Gas befüllt werden mussten und es sich dabei um einen nicht ungefährlichen Vorgang handelte, ergab sich somit die Gelegenheit für Karst, ungestört mit seinem Mechaniker zu sprechen.

Etliche Schritte von den Zuschauenden entfernt, begannen zwei Arbeiter mit der Befüllung. Metallspäne wurden in den Säurebehälter gegeben, in dem es sofort bedrohlich zu brodeln begann. Ein Aufsatz mit Rohren und Schläuchen wurde auf den Behälter gesetzt und der Kontrollpfropfen auf den Befüllstutzen gesteckt. Nur wenig später war der Druck hoch genug und der Pfropfen flog heraus. Vorsichtig verbanden die Arbeiter den Tankschlauch mit den Anschlüssen der Auftriebsbehälter. Es würde eine Weile dauern, bis genug Gas eingefüllt war, um der Schwinge den erforderlichen Auftrieb zu geben. Noch ruhte sie durch Leinen gesichert auf dem Wagen.

Karst nahm die Überprüfung seiner Schwinge vor, so wie es jeder vernünftige Flieger tat, bevor er sich in die Lüfte erhob. Natürlich wurde er dabei von Rinz begleitet.

„Wir haben alle Nähte und jede Pfotenspanne des Leders überprüft“, berichtete der Mechaniker. „Die Verspannungen sind nachgestrafft. Da ist nichts locker, Karst. Alle beweglichen Teile sind sorgsam gefettet worden und ich habe darauf geachtet, dass sich die Luftschraube ganz leicht dreht.“

„Ich weiß, dass ich mich auf dich und die anderen verlassen kann.“ Karst legte dem Freund die Pfote an den Arm. „Aber mich beunruhigen diese Anbauten. Das Ding sieht aus wie eine größere Ausgabe der Sprengpulverrohre unserer Krieger.“

„Das ist es auch.“ Rinz sah kurz zu den Zuschauern und langte dann in eine Tasche seiner Weste. Er holte einen blitzenden Metallgegenstand hervor, der die Dicke einer Daumenklaue aufwies und ein wenig länger war. „Das hier ist eine der Sprengpulverpatronen – ist ein Stück größer als die, die man in den Schießrohren der Gepanzerten verwendet.“ Rinz drehte die Patrone in den Klauen. – „Größer und auch schwerer.“

Karst stieß ein leises Schnauben aus. „Deswegen der zusätzliche Auftriebsbehälter an der Seite, damit die Schwinge keine Schlagseite bekommt.“

„Die Wissenden sagen, sie hätten alles sorgsam berechnet.“

„Ich sehe an deinen Augen, dass du es bezweifelst.“

„Oh, ich bezweifle nicht, dass sie das Gewicht des Schießrohres und der Patronen exakt berechnet haben und der zusätzliche Auftriebsbehälter die Schwinge im Gleichgewicht halten wird.“

„Aber?“ Karsts Augen verengten sich. „Ah, ich verstehe. Wenn ich die Patronen verschieße, dann wird das Gewicht auf der Rohrseite geringer werden, der Auftrieb des Zusatzbehälters bleibt aber gleich. Somit bekomme ich trotzdem Schlagseite.“

„Auch das wurde bedacht. Es gibt da ein Ventil an dem Behälter, das du leicht erreichen kannst, wenn es erforderlich ist.“

„Na, dann scheint doch alles in Ordnung“, meinte Karst ironisch.

Rinz leckte sich über die Schnauze. „Na ja, mit der Gewichtsverteilung und dem Auftrieb schon, aber wir mussten die Steuerung verändern.“

Karsts Pfote strich währenddessen über die Bespannung der Schwinge und seine Blicke prüften jede einzelne Strebe. Nun musterte er seinen Sitz und die Steuerung. „Ja, ich sehe es. Die Hebel der Schwingensteuerung sind verschwunden und stattdessen gibt es einen anderen, der sich beim Treten der Pedalen zwischen meinen Beinen befinden wird.“

„Wir haben die getrennten Hebel der Schwingen in diesem Steuerholz vereinigt“, berichtete Rinz. „Es ging nicht anders, da du doch eine Hand benötigst, um das Schießrohr zu bedienen.“

Karst seufzte. „Wird es funktionieren?“

„Das müsste es. Wir hatten ja noch keine Gelegenheit, es zu erproben.“

„Das ist ausgesprochen ermutigend“, brummte Karst.

„Es ist so weit.“ Rinz spürte, wie sich die Schwinge anhob und an den Leinen zog, die sie am Wagen festhielten. „Du solltest einsteigen, sie kann bald fliegen.“

Karst winkte den Beobachtern zu und sah, wie der Doppelschärpenträger militärisch grüßte. Dann ließ er sich von Rinz und den Arbeitern in die Schwinge helfen. Es erforderte Vorsicht und Geschicklichkeit, denn die Konstruktion war trotz allem zerbrechlich und zudem beengt. Doch schließlich saß Karst richtig. Er legte die Füße an die Pedalhölzer des Schraubenantriebs und bewegte das neue Steuerholz, um die Reaktion der seitlichen Schwingen zu prüfen. Alles schien reibungslos zu arbeiten. Das Gewicht zu verlagern, um die Bewegungen des Fluggerätes zu testen, hatte noch keinen Sinn, da die Leinen hierfür zu straff gespannt waren.

Rinz räusperte sich besorgt. „Wenn du das Schießrohr ausprobierst, solltest du vorsichtig sein. Ich traue diesen Dingern nicht. Das Sprengpulver ist recht stark und manches Rohr ist schon beim Schuss geplatzt.“

„Sei unbesorgt, mein Freund. Außerdem werde ich beim Schießen sehr niedrig fliegen.“ Der Schwingenflieger verzog die Schnauze zu einem Lächeln. „Dann falle ich nicht so tief, wenn etwas schief geht.“

„Klaren Himmel und mögen die Wolken dir gewogen sein“, wünschte Rinz und trat dann zur Seite. Die Arbeiter waren inzwischen mit den Befüllwagen verschwunden und die Schwinge zog immer stärker an den straff gespannten Halteleinen.

Karst nickte und Rinz zog den Hebel, der die Haken löste. Die Leinen rutschten aus den Halteösen an der Schwinge und gaben diese frei. Mit einem sanften Ruck gewann der Auftrieb nun die Oberhand und trug das Gerät überraschend schnell nach oben.

Er flog!

Karst 4 Hondabar fühlte den einsetzenden Rausch, als die Schwinge freikam und nach oben stieg. Das Flugfeld fiel unter ihm zurück, während er überprüfte, ob sich das Fluggerät im Gleichgewicht befand. Die seitliche Ausrichtung war in Ordnung. Die Wissenden hatten tatsächlich alles gut berechnet, aber die Schwinge war ein wenig vorderlastig. Routiniert griff er nach dem Seilzug, der den Gewichtkasten im Heck ein Stück nach hinten zog. Ja, so war es gut. Nun konnte er die Richtung durch die Verlagerung seines Körpergewichtes und die Benutzung des neuen Steuerholzes bestimmen.

Da es nahezu windstill war, befand er sich noch immer über dem Platz. Die anderen Hanari wirkten winzig wie Sechskrabbler und die großen Hallen wie Spielzeuge. Ein glückliches Lächeln zeigte sich auf Karsts Gesicht. Er konnte die Siedlung sehen und die umliegenden Wälder, sogar den großen See, der etliche Tausendschritte entfernt lag. Dort unten war die Straße, die nach Merson und weiter nach Harinagar führte.

Das Gefühl war überwältigend.

Die Gewissheit, nicht an Wege gebunden zu sein und sich völlig frei bewegen zu können.

Wenigstens, solange der Wind nicht zu stark wurde und die Schwinge genug Auftrieb hatte oder ein Gewitter drohte. Kurz nachdem Karst in Hondabar eingetroffen war, hatte der Blitz eines schweren Gewitters eine Schwinge getroffen, die nicht schnell genug hatte landen können. Die Folgen waren spektakulär gewesen.

Karst blickte sich um.

Kein Wölkchen am Himmel, keine starke Luftströmung.

Er trat in die Pedale und die Luftschraube des Antriebs begann, sich zu drehen. Erst langsam, doch dann immer schneller. Karst spürte ihren Luftstrom und wie sie seine Schwinge immer schneller durch die Luft zog. Pedalen, Umsetzung und Achse ließen sich leicht bewegen. Rinz hatte, wie üblich, gute Arbeit geleistet.

Der Schwingenflieger warf einen missmutigen Blick auf das Schießrohr. Es war eine Schande, etwas so Schönes wie eine Schwinge durch ein solches Tötungsinstrument zu missbrauchen. Eine Pfote am Steuerholz, legte er die andere an das Metall der Waffe. Es fühlte sich warm an. Wenn die Sonne erst richtig hoch gestiegen war und eine Weile strahlte, dann würde sie wohl richtig heiß werden, vor allem der metallene Griff. Er würde den Wissenden empfehlen, ihn durch einen hölzernen zu ersetzen.

Karst begann mit einer Reihe vorsichtiger Flugmanöver, um herauszufinden, inwieweit die Umbauten das Flugverhalten verändert hatten. Steigen, sinken, leichte Kurven nach rechts oder links, zunächst mit geringer Drehzahl der Luftschraube. Als alles zu seiner Zufriedenheit verlief, steigerte er das Tempo. Eine Schwinge war ein fragiles Gebilde und nicht für gewagte Manöver geeignet. Abrupte Kurswechsel bei hoher Geschwindigkeit konnten zu Rissen in der Bespannung, einer der Streben oder dem Bruch einer Drahtverspannung führen. Das musste nicht mit einem Absturz enden, solange die Auftriebsbehälter intakt blieben, aber es war in jedem Fall gefährlich.

Karst lauschte dem Singen der gespannten Drähte, das deren Belastung verriet. An das neue Steuerholz gewöhnte er sich rasch. Rinz hatte es geschafft, beide Schwingenteile zuverlässig zu koppeln und das Fluggerät ließ sich sogar etwas bequemer in eine Kurvenlage manövrieren.

Nachdem er am Flugverhalten keine Mängel feststellte, genoss Karst für eine Weile den Gleitflug, bei dem er die Luftschraube nicht antrieb und sich schonen konnte. Abermals sah er auf das neue Schießrohr und überlegte, ob er nur dessen Funktionstüchtigkeit oder auch die Treffsicherheit prüfen solle. Er bezweifelte, dass er überhaupt etwas treffen konnte. Ein Gepanzerter stand still, wenn er ein Objekt zum Ziel nahm. Schon ein leichtes Wackeln konnte das abgefeuerte Geschoss weit vorbeigehen lassen. Die Schwinge war jedoch kein Krieger, der ruhig in der Luft stand.

Karst langte mit der freien Pfote in seinen Proviantbeutel, nahm ein paar Nüsse und begann, sie zu zerkauen.

Vielleicht sollte er die Waffe über dem nahen großen See ausprobieren? Wenn er dicht über dem Wasser dahinglitt, würde er allenfalls nasse Läufe bekommen, falls der Test schief ging. Und wenn die Waffe wie geplant feuerte, so konnte er dem Doppelschärpenträger mit gutem Gewissen berichten, dass er die Fische damit erschreckt habe. Der Schwingenflieger lachte. Fische zu erschrecken gefiel ihm weitaus besser als die tödlichen Geschosse gegen ein denkendes Wesen abzufeuern. Eine fliegende Waffe – wie sollte man sich gegen eine solche Gefahr schützen? Nur gut, dass der große Haldar – mochten die Wolken ihm gewogen sein – dafür gesorgt hatte, dass es keinen Krieg mehr geben konnte. Alle Hanari waren unter seinem Banner vereint. Es war eine entsetzliche Vorstellung für Karst, Schwärme tödlicher Schwingenwaffen könnten ihre Geschosse auf hilflose Hanari am Boden abfeuern.

Die Sonne war ein gutes Stück emporgestiegen und würde bald ihren Höchststand erreichen. Karst hob die Pfote und schirmte seine Augen gegen das grelle Licht ab. Dort seitlich, ein paar Tausendschritte entfernt, lag der große See. Er bewegte das Steuerholz und trat wieder in die Pedale. Erneut verschwammen die Konturen der Luftschraube und die Schwinge glitt mit hoher Geschwindigkeit auf das Ziel zu.

Er kannte den Mechanismus des Schießrohres, denn er hatte eine Vorführung einer solchen Waffe erlebt. Sie waren anders als die Rohre der Gepanzerten. Die mussten für jeden Schuss neu laden. Bei dieser Waffe gab es oben eine große Trommel, in der sich die dreihundert Patronen befanden. Karst musste den Hebel nach hinten ziehen und eine Patrone würde in die Abschusskammer fallen. Ließ er den Hebel dann los, würde ein Dorn auf den Hülsenboden treffen und das Sprengpulver würde explodieren. Normalerweise flog dann ein metallener Bolzen aus der Mündung. Über die Ausnahmen wollte Karst jetzt lieber nicht nachdenken. Ein auseinanderplatzendes Schießrohr wirkte verheerend auf den Schützen.

Er neigte sich leicht vor, verlagerte auch den Gewichtkäfig ein wenig und die Schwinge ging in einen raschen Sinkflug, der sie über den See brachte. Nur wenige Schritte über dem Wasser flog Karst dahin und legte dann seufzend die Hand an den Auslösehebel.

Das Resultat erschreckte ihn ebenso wie eine Schar von Buntflügeln, die sich panisch aus dem Schilf erhoben.

Statt eines einzelnen Schusses spürte Karst eine Serie von harten Schlägen. Die Maschine ruckte, braungelber Qualm stand vor der Mündung und verflog rasch im Flugwind, während lange Flammen hervorzüngelten und die Geschosse über das Wasser spuckten. Karst ließ den Hebel los, doch die Waffe donnerte weiter, bis sie endlich verstummte.

Der Schwingenflieger hatte das Fluggerät instinktiv ausgesteuert und bemerkte, dass der Rückstoß der Waffe zwei Dinge bewirkte: Die Schwinge war nahezu zum Stillstand gekommen und der Rumpf war von den harten Schlägen heftig durchgeschüttelt worden.

Bevor er sich um die Waffe kümmerte, betrachtete und betastete Karst jeden Teil der Bespannung und Verdrahtung, den er erreichen konnte. Es waren keine Schäden festzustellen und jetzt nahm er sich die Zeit, seine Gedanken zu ordnen.

Er war davon ausgegangen, dass diese Waffe wie die der Gepanzerten funktionierte. Diese feuerten einen Schuss ab und mussten dann nachladen. Doch dieses Schießrohr hatte eine ganze Reihe von Schüssen abgefeuert, bevor es wieder verstummte.

Karst nickte nachdenklich. Die Wissenden waren wirklich schlaue Leute. Sie hatten berücksichtigt, dass eine Schwinge nicht ruhig in der Luft stand. Daher hatten sie dafür gesorgt, dass sie viele Bolzen abschoss, in der Vermutung, dass dann einer schon ins Ziel treffen werde.

Er prüfte die Trommel mit den Patronen und nickte erneut. Zugleich schalt er sich einen Narren, da er sich nicht vor dem Start nach der genauen Funktion erkundigt hatte. Es war ein Fehler, der ihm niemals hätte unterlaufen dürfen. Er hatte sich viel zu sehr auf die möglichen Auswirkungen der Umbauten auf die Flugeigenschaften konzentriert.

In der Trommel befanden sich zehn senkrechte Schienen, die jeweils dreißig Patronen festhielten. Jene, die sich genau über dem Aufnahmeschlitz des Schießrohrs befand, war leer. Karst wurde nun auch das Prinzip bewusst. Die erste Bewegung des Hebels bewegte eine Schiene in die richtige Position und ließ eine Patrone in die Kammer fallen. Das Vorschnellen des Hebels zündete sie und die Wissenden hatten einen Mechanismus ersonnen, der bewirkte, dass alle dreißig Patronen dieser Schiene in schneller Folge abgefeuert wurden. Dann war die Halterung leer und die Waffe schwieg. Die nächste Hebelbewegung würde die Trommel drehen und eine andere Schiene in Stellung bringen. Also konnte man mit dieser Waffe zehn Mal feuern.

Karst leckte sich über die Schnauze. Man würde wohl erwarten, dass er die Funktion prüfte.

Seufzend zog er den Hebel erneut zurück.

Diesmal war er vorbereitet und ließ das Donnern und Rütteln, den Gestank und den Qualm

über sich ergehen. Er wollte es hinter sich bringen, ließ Schiene um Schiene feuern. Als er die letzte Runde verschoss, hörte er das metallene Peitschen, mit dem sich ein Draht der Verspannung löste. Sofort ließ er den Hebel los, aber die Waffe schoss, bis sie leer war. Eine hölzerne Strebe knackte verdächtig. Es klang übermäßig laut, da das Grollen des Schießrohrs verstummt war.

Karst atmete schwer. Brütende Hitze hüllte ihn ein, er hechelte und hatte den Geschmack des verbrannten Pulvers auf der Zunge. Seine Schwinge hatte tatsächlich ein wenig Schlagseite, da das Gewicht der Patronen fehlte. Er öffnete das Ventil des zusätzlichen Auftriebsbehälters an der Seite und stellte das Gleichgewicht wieder her. Wenn man davon absah, dass die enormen Erschütterungen des Schießens der Konstruktion der Schwinge nicht sonderlich gut bekamen, hatten die Wissenden und die Mechaniker gute Arbeit geleistet. Allerdings würde man den Rumpf des Luftfahrzeuges wesentlich verstärken müssen. Ein paar zusätzliche Streben, und diese mussten die Vibrationen gut aushalten.

Eher unbewusst trat er wieder in die Pedale und lehnte sich zurück. Die Schwinge stieg empor und nahm Fahrt auf. Aber ihr Flieger bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Das Vorderteil des Luftfahrzeuges schien zu vibrieren. So etwas geschah nur, wenn die Welle der Schraube Unwucht hatte.

Karst nahm die Füße von den Pedalen und ließ den Propeller auslaufen. Je langsamer dieser wurde, desto stärker war die Unregelmäßigkeit in seiner Bewegung zu spüren. Schließlich kam er zum Stillstand und der Schwingenpilot stieß einen erbitterten Fluch aus. Eines der drei Blätter war beschädigt. Ein Drittel seiner Länge fehlte und das Holz war an der Bruchkante abgerissen. Ein paar Splitter standen wie anklagende Krallen ab.

Karst fluchte auf die Wissenden, auf Rinz und die Mechaniker und auf den Doppelschärpenträger – doch ganz besonders auf sich. Wie hatte das geschehen können? Er hatte die Ausrichtung des Schießrohrs kontrolliert und es war so montiert, dass es an der Luftschraube vorbeischoss. Wie also hatte dies geschehen können? Er nahm eine Handvoll Nüsse und kaute darauf herum, da ihn das ein wenig beruhigte. Seine Blicke glitten über die Waffe und den Rumpf und schließlich fand er die Ursache. Durch die Erschütterungen hatte sich die Halterung der Waffe ein wenig bewegt. Ganz allmählich hatte sie sich gedreht und wahrscheinlich hatte ihr Lauf erst bei einem der letzten Schüsse in Richtung der Luftschraube gezeigt.

„Mögen die Wolken mir gewogen sein“, knurrte er. „Aber so schlecht sieht es nicht aus. Ich kann die Luftschraube noch bewegen und sie wird mich noch ziehen. Es wird rütteln und unbequem sein, aber sie wird mich heimwärts ziehen. Die Auftriebsbehälter sind alle dicht. Meine brave Schwinge fällt somit nicht vom Himmel und steuern kann ich auch.“

Er würde ein Stück in die Höhe steigen müssen, um zum Flugfeld zurückzukehren. Das ging nur durch Gewichtsverlagerung und die Zugkraft der Schraube, denn es war ja nicht möglich, während des Fluges zusätzliches Gas zu tanken. Er konnte es allenfalls ablassen. Das war für einen Notfall vorgesehen, aber dann würde die Schwinge unabänderlich zu Boden gleiten. Somit blieb ihm keine Wahl. Er musste mit der lädierten Schraube fliegen.

Erneut begann er, langsam zu treten. Angetrieben von Muskelkraft und Flüchen schob sich die beschädigte Schwinge höher in die Luft. Langsam fiel der See unter und hinter ihm zurück. Karst fand eine Geschwindigkeit, bei der die Vibrationen nicht zu stark waren, und empfand zunehmend die Zuversicht, Hondabar zu erreichen.

Zwei oder drei Tausendschritte ging auch alles gut.

Dann geschahen gleich mehrere Dinge gleichzeitig.

Mit vernehmlichem Knacken brach eine der seitlichen Streben, sofort gefolgt von dem typischen Geräusch, mit dem sich ein Stück der Bespannung verabschiedete. Als sei dies nicht genug, war das metallene „Ping“ zu hören, mit dem ein Drahtseil riss.

Karst merkte augenblicklich, dass die seitlichen Schwingen nicht mehr auf das Steuerholz reagierten. Eigentlich galt dies nur für eine von ihnen, was ein noch größeres Problem darstelle. Das Fluggerät legte sich leicht zur Seite, um in die Kurve zu gehen, und Karst blieb keine andere Wahl, als sein Körpergewicht ganz weit zur entgegengesetzten Seite zu verlagern. Nun flog er wieder geradeaus, hatte aber keine Möglichkeit mehr, eine Kurve in die andere Richtung zu fliegen. Er konnte nur noch voraus oder nach links. Karst war erfahren genug und wusste, dass die Andeutung einer Vollkurve nach links ihn letztlich auch nach rechts bringen musste, wenn der Rest der Bespannung dieser Beanspruchung standhielt.

Glücklicherweise konnte er das Flugfeld ausmachen.

Es war nicht mehr weit entfernt und Karst gelang es, die Schwinge behutsam auf den richtigen Kurs zu bringen. Hondabar kam näher und näher.

Er wollte bereits erleichtert aufatmen, als wieder ein Knacken hörbar war. Diesmal war die Auswirkung wesentlich gefährlicher, denn es handelte sich nicht um eine der Streben, vielmehr war einer der Auftriebsbehälter gesprungen. Mit vernehmlichem Zischen und von dem typischen Geruch begleitet, begann das Gas zu entweichen. Die verbliebenen Behälter reichten nicht, um die Schwinge in der Luft zu halten. Langsam – dann schneller – begann sie zu sinken.

Karsts Erfahrung zeigte ihm, dass er es nicht schaffen würde. Er fluchte erbittert und rief dann alle Götter an, an die er sich aus seiner Jungzeit erinnern konnte. Er hoffte, dabei keinen auszulassen, denn er konnte jeden Beistand gebrauchen. Er verlor Gas, er verlor Höhe, aber er verlor nicht an Gewicht. Er musste Gewicht verlieren, sonst würde er weit vor dem Flugfeld aufsetzen – und das mit einer Geschwindigkeit, die weder ihm noch der Schwinge bekommen würde.

Er löste seinen Proviantbeutel, der ohnehin kaum noch Nüsse enthielt, und warf ihn über Bord. Er hätte auch seine gefütterte Jacke und die Fußbekleidung hinterhergeworfen, aber er musste unentwegt in die Pedale treten und fand in seinem engen Sitz nicht den Platz, die Jacke zu öffnen. Er tastete mit der freien Hand an die Trommel, die die leeren Patronenstreifen enthielt. Sie war aus stabilem Gelbmetall und schwer. Er zerrte und drehte an ihr, bis sie sich löste und ließ sie fallen. Prompt legte sich die Schwinge ein wenig auf die Seite, aber Karst wagte es nicht, Gas aus dem Ausgleichsbehälter entweichen zu lassen. Er brauchte allen Auftrieb, den er noch hatte, und das Zischen hinter ihm verriet, dass er ihn stetig verlor.

Er überlegte, ob er die Waffe loswerden könnte. Karst verfügte über kein Werkzeug, andererseits war das Schießrohr ja irgendwie am Fluggerät befestigt und dieses bestand hauptsächlich aus dem hölzernen Rahmen und der Lederbespannung. Der Flieger fuhr die Krallen seiner freien Pfote aus und begann, am Rahmen zu kratzen – dort, wo sich die Befestigung der Waffe befand. Das dünne Leder gab rasch nach und einer der hölzernen Holme war Karsts verzweifelter Kraft nicht gewachsen. Er brach und die Halterung des Schießrohrs ruckte deutlich zur Seite.

Der Schwingenflieger sah nach vorne. Noch ein guter Tausendschritt zum Flugfeld … Doch der Bug zeigte unzweifelhaft auf ein paar unerfreuliche Baumwipfel.

Emsig die beschädigte Luftschraube antreibend schlug und kratzte Karst, was seine Kräfte hergaben. Dann, unvermittelt, kam der erleichternde Ruck. Begleitet von Splittern und Reißen löste sich die Haltevorrichtung mitsamt der Waffe und fiel in die Tiefe.

Sofort hob sich der Bug der Schwinge ein Stück an – nicht viel, doch es reichte.

Karst spürte ein Rucken und vernahm das Brechen kleiner Äste, als die Schwinge einen Baumwipfel streifte. Einige Nadelblätter schlitzten den Rumpf auf.

Dann hatte er freies Feld unter sich.

Es gab einen brutalen Schlag.

Der Schwingenflieger wurde angehoben und durch die Luft geschleudert, während sich sein Fluggerät überschlug und auseinanderbrach. Trümmer flogen umher. Der Aufprall auf den Boden trieb dem unglücklichen Flieger die Luft aus den Lungen. Für eine Weile war er völlig benommen, doch es gelang ihm, auf die Beine zu kommen.

Immerhin war er in einem Stück am Boden angelangt und damit ging es ihm deutlich besser als seiner Schwinge.

Von den Hallen aus war die unsanfte Landung beobachtet worden und alle rannten nun zur Absturzstelle hinüber. Auf dem Gesicht des Hauptmechanikers Rinz spiegelten sich widerstreitende Gefühle, als er mit anderen herbeieilte: die Erleichterung darüber, dass es seinem Freund Karst offensichtlich gut ging, und das Entsetzen über den Zustand der demolierten Schwinge.

Der Arzt des Flugfeldes drängte alle zur Seite und ließ erst von Karst ab, als er halbwegs überzeugt schien, dass der Schwingenflieger in Ordnung war. „Schön“, knurrte er schließlich, „die von der Natur vorgesehene Anzahl an Gliedmaßen ist wohl noch vorhanden, und über das Vorhandensein von Verstand will ich mich bei einem Flieger nicht äußern.“

Der Doppelschärpenträger nahm nun keine Rücksicht mehr. „Was ist geschehen, Karst?“, bellte er. „War es ein Fehlschlag? Rede schon, verdammt!“

„Alles funktioniert“, ächzte der Angesprochene. „Es müssen noch ein paar Dinge an der Konstruktion nachgebessert werden, aber alles funktioniert.“

Der hohe Offizier schlug erleichtert die Pfoten zusammen. „Ausgezeichnet, Karst, ganz ausgezeichnet. Ich werde sofort einen Boten in die Hauptstadt entsenden, und die Wissenden und Mechaniker sollen sich augenblicklich an die Arbeit machen. Sag ihnen, was zu tun ist, Karst. In drei Tagen will ich die Schwingen in der Luft sehen – allesamt und alle mit den Schießrohren. Ah, kein Zweifel, die dritte Schärpe ist mir gewiss. Der große Haldar – mögen die Wolken ihm gewogen sein – herrscht nun auch über den Himmel.“

Karst 4 Hondabar sah auf die Trümmer seiner Schwinge und hatte da so seine ganz persönlichen Zweifel.

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