Читать книгу Einfach nur Fußball spielen - Michael Stilson - Страница 10
ОглавлениеErik stand allein unter der Dusche. Er hatte seit dem Tackling kein einziges Wort mit mir gewechselt.
Es war schon ein paar Jahre her, dass ich versucht hatte, mit Erik zu diskutieren, doch er machte stets komplett zu, nannte mich Zwerg und schubste mich, und darauf hatte ich keinen Bock mehr.
Außerdem hatte er nicht mehr dieselbe Macht über mich.
Ich hatte beobachtet, dass Ståle in dieser Saison jeden Montag vor dem Training mit Erik sprach. Er nahm ihn mit nach draußen in den Kabinengang, und wenn Erik wieder zurückkam, ging er geradewegs zu mir und setzte sich. Dann sagte er Sachen wie: »Was ist eigentlich Ståles Problem? Glaubt, er weiß alles. Wirft mir vor, ich wäre unzuverlässig. Ich bin nicht unzuverlässig!«
In der Regel sagte ich nicht viel dazu, aber ab und zu traute ich mich:
»Aber du hast doch am Samstag getrunken, oder nicht?«
Dann sah er mich an, mit Abscheu im Blick, als hätte ich gerade das Schockierendste gesagt, das ihm jemals zu Ohren gekommen war, obwohl wir beide wussten, dass er in der Nacht zum Sonntag kotzend in einem Straßengraben gelegen hatte. Ich hatte genug Snap-Bilder gesehen, um zu wissen, was er so trieb.
»Ist es jetzt etwa verboten, samstags Party zu machen? Es ist noch eine ganze Woche bis zum nächsten Spiel. Das merkt dein Körper gar nicht. Die Jungs von Real und Barça gehen auch feiern, wenn eine ganze Woche zwischen ihren Spielen liegt. Die Jungs saufen sich übelst zu, das ist Fakt. Was geht das Ståle an? Und du, du Abstinenzler? Du lässt mich doch dumm aussehen. Ich bin hier nicht das Problem, sondern du. Du nimmst das alles viel zu ernst, Fredrik.«
Ich hielt die Klappe und zog meine Trainingsklamotten an. Doch Erik gab nie so schnell nach.
»Außerdem ist ihm das alles scheißegal. Mathias ist der Einzige, der bei den Herren trainieren darf. Du und ich? Wir dürfen uns mit B-Jugend zufriedengeben. Wir sind beide in der Nationalmannschaft. Guck dich doch mal um. Samuelsen spielt jedes Wochenende für Brann in der ersten Liga. Wir werden nächstes Jahr siebzehn und dürfen noch nicht mal bei den Profis mittrainieren.«
Er lehnte sich nach vorn und flüsterte:
»Das ist das Problem. Die scheißen auf uns. Warum sollte ich mir ’n Kopf machen, dass die es nicht geil finden, wenn ich trinke? Es ist so beschissen. Wenn wir nächstes Jahr nicht den Sprung in die erste Liga schaffen, dann sind wir fertig. Ernsthaft. Dann kannst du vielleicht noch auf die zweite Liga hoffen. Wer will denn auf Feiern und Sozialleben verzichten, nur um in der zweiten Liga zu kicken?«
Ich starrte dann immer nur auf den Boden und hielt den Mund.
Ich ging in die Dusche. Dort stand Erik mit dem Rücken zu mir, das Gesicht zur Wand, dann drehte er sich um und sah mich an. Er ging hinüber zum Seifenspender an der Wand und pumpte sich verärgert so viel Duschgel in die Handfläche, dass es an der Seite herunterlief und auf den Boden tropfte. Dann klatschte er sich das, was nicht danebengegangen war, auf seinen Oberkörper und in die Haare und massierte sich unter den Achseln, und ging zurück unter die Dusche. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen.
»Was ist der Plan für Samstag?«, fragte er plötzlich.
Ich hatte meine Hände hinter dem Rücken verschränkt und drückte regelmäßig hinter mir auf den Duschknopf, damit das Wasser nicht aufhörte zu laufen. Ich spürte immer noch das Pochen an meiner Wade, dort, wo er mich getroffen hatte.
»Was meinst du? Samstag ist doch das Finale.«
Er lehnte seinen eingeschäumten Kopf nach hinten unter den Strahl, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und spülte sie aus. Dann ließ er den Kopf wieder nach vorne fallen.
»Das weiß ich. Aber nach dem Finale. Was hast du vor?«
»Gibt es nicht einen Empfang im Hotel?«
Er schüttelte den Kopf.
»Fredrik. Bist du bescheuert? Ich rede von der Party. Was denkst du?«
In den letzten Wochen hatte ich viele der Jungs über eine Party nach dem Finale sprechen hören. Ich hatte nicht vor, hinzugehen. Warum sollte ich? Erstens fand ich, dass Bier nach Pisse schmeckte, und von Schnaps wurde mir immer schlecht. Außerdem war da noch das Thema Vater und Alkohol.
Aber das Schlimmste war eigentlich, Erik zu beobachten, seit er angefangen hatte, an den Wochenenden feiern zu gehen. Früher hatten er und ich den ganzen Sommer auf dem Bolzplatz verbracht, von morgens bis abends. Er spielte schon in der Nationalmannschaft und ich wollte mich jeden Tag mit ihm messen. Doch seit einem Jahr kam er nicht mehr mit. Wenn ich ihm Sonntagvormittag eine Nachricht schrieb, bekam ich oft erst am Abend eine Antwort.
Sorry, bin voll im Arsch wegen gestern, hab bis jetzt gepennt.
Alkohol bedeutete, einen Tag mit dem Ball zu verplempern. Das war das Letzte, was ich wollte.
Erik ging erneut zum Seifenspender, pumpte sich viel zu viel Duschgel in die Hand, ging zurück unter die Dusche und wusch sich im Schritt, während er meine Antwort abwartete.
»Ähm, ich hab mir über die Party noch keinen Kopf gemacht. Weiß nicht, ob ich hingehe. Hab bisher nur ans Spiel gedacht«, sagte ich und ging ebenfalls zum Seifenspender.
Ich drückte ein Mal leicht, sodass ein kleiner Klecks in meiner Hand landete, ich rieb meine Hände aneinander und schäumte mir die Achseln ein. Ich hatte eigentlich keine Lust, darüber zu sprechen, also wusch ich mich schnell, spülte den Schaum ab, kam unter der Dusche hervor und schnappte mir mein Handtuch.
»Komm schon. Ich hab ’ne Party bei Kamilla Larsen klargemacht.«
Das Bild von Kamilla Larsen, die sich in ihrem Bett rekelte, von ihrem sonnengebräunten Körper tauchte vor mir auf, aber ich tat so, als wüsste ich nicht, wer sie war. Ich grinste ahnungslos und legte mir das Handtuch über den Rücken.
»Alter. Kamilla Larsen? Insta-Kamilla? Weißt du etwa nicht, wer das ist?«
Sein Schritt war voller Schaum und er hatte sich schon so lange eingeseift, dass ich mich fragte, wie schmutzig er da unten eigentlich war. Ich trocknete mir den Oberkörper ab und schüttelte den Kopf. Er lehnte den Kopf wieder in den Nacken und ließ das Wasser übers Gesicht laufen, dann zog er den Kopf mit geschlossenen Augen unter dem Duschstrahl hervor. Ich beeilte mich, mir die Füße, Waden und Oberschenkel abzutrocknen, und wollte gerade gehen, als er die Augen wieder aufmachte und mich direkt anstarrte.
»Okay. Erstens legst du dir jetzt endlich mal ein Konto bei Insta an. Das Thema hatten wir schon. Und zweitens ist Kamilla Larsen übelst heiß und hat über dreißigtausend Follower. Weil sie nämlich extrem geile Fotos postet, auf denen sie gerade mal einen Slip trägt und vielleicht noch einen BH, sogar während sie trainiert. Sie trainiert. Nur. Im. Slip.«
Ich wickelte mir das Handtuch um die Hüfte und wandte mich ab, um Erik zu verstehen zu geben, dass ich zurück in die Kabine wollte. Aber er checkte es nicht.
»Fredrik! Kapierst du eigentlich, was ich da sage? Warum ist dir das so verdammt egal? Kamilla Larsen hat mir geschrieben und gesagt, dass sie am Samstag eine Party schmeißt. Und sie hat uns eingeladen, die ganze Mannschaft, nach dem Finale. Sie und ihre Freundinnen stehen total auf Rosenborg, es ist also nur logisch, dass wir da hingehen, oder etwa nicht?«
Er stand völlig nackt vor mir und hob genervt die Arme, als würde ich nicht verstehen, wovon er redete.
»Mal sehen«, sagte ich, obwohl ich nie im Leben auf diese Party gehen würde. Ich konnte Erik gegenüber nur einfach nicht Nein sagen. Dann gäbe es Stress.
Er ging erneut zum Seifenspender, stellte sich dann vor mich und schäumte sich Schritt und Hintern ein.
»Was ist los? Ist es wegen Line? Du musst sie dir aus dem Kopf schlagen«, sagte er, während er sich weiter einschäumte.
Ich drehte mich zu ihm um.
»Es ist nicht wegen Line. Line ist mir scheißegal.«
Ich konnte ihm ansehen, dass er meine Lüge sofort durchschaute, er legte den Kopf leicht schräg und hob die Augenbrauen, genau wie Mama. Er ging einen Schritt auf mich zu und stand jetzt viel zu dicht vor mir, wenn man mal bedachte, dass er nackt war und sein Ding in der Hand hatte.
»Gut. Ich war nämlich am Samstag mit ihr auf ’ner Party. Wir waren beide voll, also wollte ich mal hören, ob es stimmt, dass sie wirklich nicht auf Fußballer steht. Weißt du noch, wie sie sich immer über uns lustig gemacht hat? Also hab ich mich mal an sie rangemacht, wollte nur mal sehen, ob sie rumknutschen will, aber sie hat mich nicht rangelassen, obwohl sie hackedicht war. Keine Chance, Fredrik«, sagte er, verteilte den Schaum von unten über den Brustkorb und bewegte sich dabei ein wenig zu sexy.
Das gefiel mir überhaupt nicht. Dass er sich an Line rangemacht hatte. Er wusste, dass ich in sie verliebt gewesen war. Das war schon eine Weile her, logisch, aber es war trotzdem kacke von ihm. Ich wollte gehen, doch er packte mich am Arm.
»Fredrik. Das war nur Spaß. Ich hab mich nicht an sie rangemacht, du bist doch mein Kumpel. Aber du musst endlich mal aufhören, in sie verliebt zu sein. Du bist nicht mehr zehn. Sie datet nur ältere Jungs und gibt ’nen Scheiß auf Fußball. Es macht keinen Sinn, an sie zu denken. Line ist der Typ Mädel, mit dem du vielleicht in zehn Jahren zusammen sein wirst.«
Diesmal meinte er es ernst. Und tief drinnen in mir wusste ich, dass er recht hatte. Aber sie suchte dennoch immer den Kontakt zu mir. Ich wünschte, sie würde aufhören, mir zu schreiben, und dass sie aus meinem Leben verschwände. Solange sie damit weitermachte, konnte ich sie nicht loslassen.
Trotzdem nickte ich Erik zu.
»Ich bin nicht in Line verknallt. Echt.«
»Gut. Dann kommst du am Samstag mit auf die Party. Mathias wird nie im Leben dort auftauchen, also werden wir beide die Stars sein. Und wenn wir gegen Brann gewinnen, kann ich dir garantieren, dass du endlich einen Fick klarmachst«, sagte er und schlug mir auf die Schulter.
»Haha, das garantierst du?«
Ich wollte mich nicht von seinen Worten beeinflussen lassen, wollte ganz cool tun, als wäre es mir scheißegal, ob ich endlich vögeln würde oder nicht, doch ich dachte an Kamilla Larsens Fotos. Und an all ihre Freundinnen, die sicher genauso leicht bekleidet und sonnengebräunt waren.
»Da ist es! Dein Lächeln. Klar garantier ich das, Fredrik. Ich geb dir persönlich mein Wort drauf«, sagte er, nahm die Hand von seinem Schwanz und streckte sie mir entgegen.
»Wenn du mir die Hand drauf gibst, dass du zu der Party kommst, dann garantier ich dir, dass du einen versenken wirst.«
Er grinste mich an und wartete darauf, dass ich in seine Hand einschlug, die noch voller Schaum war. Die Party war eine Wahl zwischen Line und den anderen. Am liebsten wollte ich so überhaupt nicht denken, doch eigentlich gab es nichts, worüber man nachgrübeln musste. Line würde nicht mal zum Spiel kommen. Vielleicht war es an der Zeit, sie sausen zu lassen.
»Okay. Wenn wir gewinnen, komm ich mit. Aber nur, wenn wir gewinnen. Und ich werd’ dir nicht die Hand geben, mit der du dir gerade ’ne halbe Stunde lang den Schwanz abgerubbelt hast«, sagte ich und schlug sie weg.
Er lachte laut, drehte sich um und ging zurück unter die Dusche. Er drückte auf den Knopf, das Wasser lief und er lehnte den Kopf zurück, sodass es ihm übers Gesicht und über den Körper rann und die ganze Seife abspülte. Dann sah er mich wieder an.
»Ich schwör dir, Fredrik, dein Leben wird nach der Party nicht mehr dasselbe sein.«
Und ohne es zu wissen, sollte er recht behalten. So verdammt recht.