Читать книгу Der Herzog und der Wahrsager von London - Michael Stolle - Страница 5

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Ein paar Monate zuvor …

Der junge Herr, der im Vorzimmer des Louvre-Palastes wartete, wäre die Zierde eines jeden vornehmen Gastgebers gewesen. Er war groß und schlank, hatte schulterlanges blondes Haar und war tadellos gekleidet. Sein Hemd, seine Hose waren aus feinstem Leinen, dazu trug er Spitzen aus Flandern und das Wams war aus glänzender chinesischer Seide geschneidert. Seine hohen Schaftstiefel waren von einem wahren Meister angefertigt worden. Das polierte Leder glänzte im Licht der Sonnenstrahlen, schimmernde Knöpfe aus Perlmutt und modische, farbenfrohe Schleifen vervollkommneten seine Erscheinung. Aber sein muskulöser Körper und seine lebhaften, aufmerksamen grauen Augen verrieten, dass François de Toucy auf dem Schlachtfeld genauso zu Hause war wie am königlichen Hof von Frankreich.

Nur ein leichtes Klopfen seiner rechten Hand auf dem Schreibtisch neben ihm verriet, dass er ungeduldig war. Der Schreibtisch war mit Dokumenten, einem Kruzifix, Büchern und einem silbernen Ständer für Federkiele in verschiedenen Größen geradezu überfüllt. Es war der Schreibtisch eines mächtigen Mannes – und eines Mannes, auf den eine erschreckende Menge Arbeit wartete.

François seufzte. Er wartete schon seit mehr als einer Stunde. Der junge Mönch, der als Sekretär des Kardinals diente und akribisch die Akten auf dem Schreibtisch ordnete, lächelte mitfühlend. »Es wird nicht lange dauern, Monsieur, aber Seine Eminenz hat eine Privataudienz bei Ihrer Majestät und wie Sie vielleicht wissen, ist Ihre Majestät immer sehr interessiert an …«

»… sie tratscht gerne, ich weiß«, beendete François den Satz für den jungen Mönch.

Der junge Mönch wirkte schockiert über diese Antwort, verzichtete aber auf einen Kommentar, denn nicht einmal in seinen kühnsten Träumen hätte er sich erlaubt, so über die Königin und Regentin von Frankreich zu sprechen. Aber offensichtlich hatte sein eleganter Besucher keinerlei Skrupel.

Etwa eine halbe Stunde später konnte François endlich das Geräusch wahrnehmen, auf das er gelauert hatte. Draußen, in der Galerie, hörte man die Schritte der schweren Stiefel der Ehrengarde, das Rufen des Herolds, der das Herannahen eines wichtigen Mitglieds des Hofes ankündigte. Der bis dahin stille Flügel des Louvre-Palastes verwandelte sich im Handumdrehen in einen summenden Bienenstock, nur mit dem Unterschied, dass nicht die Königin erwartet wurde, sondern Seine Eminenz, Kardinal Mazarin, der Erste Minister des aller-katholischsten Königreichs Frankreichs.

Die Tür wurde aufgerissen, aber der Kardinal wartete nicht auf die feierliche Bekanntgabe seiner Titel – er betrat den Raum sofort mit wehenden Gewändern und seiner leuchtend roten Kalotte, die allerdings leicht schief auf seinen Haaren saß.

François de Toucy beeilte sich, von seinem Stuhl aufzustehen, und bückte sich tief, um den Amtsring des Kardinals zu küssen, sodass er fast mit dem Kardinal zusammenstieß, der immer noch in voller Fahrt war. Seine Eminenz lachte belustigt.

»Ich entschuldige mich, mein Sohn, ich bin nicht nur zu spät, sondern habe auch nie gelernt, mich mit der Besonnenheit und dem Anstand zu bewegen, die ich der Ehre meines Amtes eigentlich schuldig bin. Ich vermute, das liegt an meinem italienischen Erbe, ich kann einfach nicht genug Geduld aufbringen und war noch nie in der Lage zu warten.«

François de Toucy wunderte sich wieder einmal über den Unterschied zwischen Kardinal Mazarin und seinem Vorgänger, dem Kardinal Richelieu – wie oft hatte er Richelieu lachen gehört? Hatte er jemals gelacht?

Der Kardinal setzte sich hinter seinen Schreibtisch, schob einige Stapel der fein säuberlich geordneten Dokumente zur Seite, woraufhin sie reihenweise umkippten. Diese unvorsichtige Bewegung musste seinen Sekretär vor seelischen Qualen zusammenzucken lassen, denn sie machte in Sekundenschnelle die sorgfältige Vorbereitung und Sichtung zunichte, für die er sicherlich Stunden gebraucht hatte.

»Du darfst dich setzen, mein Sohn, obwohl ich weiß, dass dieser Stuhl sehr unbequem ist. Ich habe ihn von meinem Vorgänger geerbt, dem Kardinal Richelieu, möge der Herr seine Seele segnen«, schnell machte er das Zeichen des Kreuzes. »Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Stuhl seine heimliche Rache für alle Besucher war, die ihn länger als eine halbe Stunde beschäftigten.«

Das Lächeln des Kardinals veränderte sein Gesicht. Er war keineswegs ein hübscher Mann, aber François verstand jetzt, warum er mit seinem Charme nicht nur das Vertrauen von Königin Anne, der Mutter des jungen Königs, gewonnen hatte, sondern Gerüchten zufolge ihr in Wirklichkeit viel näher stand, als es die Hofetikette oder die Konvention es jemals zulassen würden.

»Ich habe schon auf viel unbequemeren Stühlen gesessen«, erwiderte François de Toucy lächelnd, »aber wenn ich mir erlauben darf, direkt zur Sache zu kommen: Warum haben mich Eure Eminenz eingeladen, in den Louvre zu kommen, und auf einer solchen Dringlichkeit bestanden?«

»Ihr Franzosen seid immer so direkt …«, murmelte der Kardinal und gab seinem Sekretär ein Zeichen, sich zurückzuziehen. Das anschließende Gespräch musste absolut vertraulich bleiben.

»Ich entschuldige mich dafür, dass ich Sie von der Seite Ihrer schönen jungen Frau weggeholt habe, mein Sohn, oder soll ich Sie jetzt mit Marquese ansprechen?«, eröffnete der Kardinal die Diskussion. »Wenn ich mich nicht irre, hat Ihre Frau kürzlich auch den Titel der Marchesa de Castelfranco geerbt?«

»Eure Eminenz irrt sich nie, aber ich benutze den Titel in Frankreich nicht.«

»Das ist sehr weise, die Franzosen sind nicht immer geneigt, ausländische Würdenträger oder Titel zu schätzen. Ich weiß das ja bestens aus eigener Erfahrung.«

Der Kardinal blickte auf seinen Schreibtisch, der mit Dokumenten und Akten übersät war. Er runzelte die Stirn: »Haben meine Diener vergessen, Ihnen ein Glas Wein anzubieten?«

»Ich wurde nicht gefragt«, erwiderte François lächelnd, »aber der Gedanke an ein Glas Wein ist durchaus reizvoll. Ich hätte nichts dagegen.«

»Imbéciles! Warum bezahle ich Diener, wenn sie die Grundregeln der Gastfreundschaft vergessen!«, rief Kardinal Mazarin und läutete die Glocke, kräftig genug, um selbst die schläfrigsten Lakaien zu wecken.

Wenige Minuten später wurde ein Glas mit honigfarbenem Wein vor François de Toucy gestellt, begleitet von Süßigkeiten und kandierten Früchten. François bemerkte, dass die Farbe des Weins des Kardinals wesentlich blasser war, und schloss daraus, dass der Kardinal den Befehl gegeben hatte, seinen Wein zu verdünnen.

»Santé, auf Ihre Gesundheit!« Seine Eminenz stieß an und hob das kostbare Kristallglas.

»Auf die Gesundheit Eurer Eminenz und auf die Gesundheit unserer königlichen Familie!«, antwortete François und er konnte sehen, dass seine Antwort dem Kardinal gefiel, der schnell hinzufügte: »Ja, auf die Gesundheit unserer Souveräne, möge der Herrgott sie beschützen!«

Der Wein war schwer und dick wie Honig. Ich muss vorsichtig sein, dachte François, dieser Wein ist das perfekte Mittel, um die Zunge selbst des schweigsamsten Besuchers zu lockern. Was sind die Absichten des Kardinals?

Währenddessen inspizierte Seine Eminenz sorgfältig die kandierten Früchte, die auf einem Silbertablett serviert wurden, während François geduldig darauf wartete, dass er das Gespräch eröffnete.

»Ihre Frau hat vor Kurzem große Ländereien geerbt, zusammen mit einer Reihe von Titeln von ihrem Onkel.« Eröffnete Mazarin schließlich die Diskussion.

»Wie immer sind Eure Eminenz bestens informiert. Wir planen, nächsten Sommer nach Venedig zu reisen, um die Details zu klären. Unsere Anwälte haben uns gewarnt, dass es Berge von Papieren zu unterzeichnen gibt, da mindestens fünf verschiedene Länder und Gerichtsbarkeiten betroffen sind.«

»Ich pflege noch einige alte Freundschaften in Venedig«, antwortete der Kardinal fast geistesabwesend, denn er schien sich auf die Auswahl der appetitlichsten kandierten Früchte zu konzentrieren. Schließlich wählte er eine Kirsche und bemerkte: »Das waren die Lieblingssüßigkeiten des verstorbenen Kardinals de Richelieu. Er dachte immer, ich wüsste nicht, wo er sie kaufte, also habe ich ihn in dieser Illusion gelassen. Richelieu hielt sich immer gerne für den Meister des Spiels.«

Sein Blick ging zurück zu François, der sich über das seltsame Thema ihrer Unterhaltung zu wundern begann.

»Zufälligerweise halte ich guten Kontakt zu meinen Freunden in Venedig. Ich weiß zufällig auch, dass zwei charmante, aber nicht sehr loyale Cousins Ihrer Frau ein neues Gesetz beim Rat eingereicht haben – ein Gesetz, das im Wesentlichen darauf abzielt, Frauen zu enterben, die sich die Freiheit genommen haben, außerhalb des geschlossenen Kreises des venezianischen Adels zu heiraten – das Goldene Buch, wie sie es nennen.«

François beherrschte sich und verbeugte sich nur vor dem Kardinal. »Ihre Informationsquellen scheinen wie immer ausgezeichnet zu sein, Eminenz, wenn ich das so sagen darf. Wir haben noch nichts von solch einem Gesetz gehört. Es ist immer gut, seine Feinde zu kennen.«

»Ihr könnt auch nichts davon gehört haben, denn es wurde als geheime Direktive beim Rate der Zehn eingereicht und nicht als formelles Gesetz, über das die Vollversammlung der Republik abstimmen muss. Diese Cousins sind gerissen, sie wissen genau, was sie tun.«

»Was schlägt Eure Eminenz vor?«

»Ich kann meinen Einfluss geltend machen, um die Entscheidung in der Schwebe zu halten – in der Schwebe für immer und ewig, wenn ich es will. Das wird eine Menge Geld kosten, da ich meinen Einfluss nicht nur in Venedig geltend machen muss, sondern auch beim Heiligen Stuhl intervenieren muss. Einer der Cousins kann zum Bischof in einem sehr abgelegenen Teil des Mittelmeers ernannt werden. Am Anfang wird er sehr zufrieden sein. Er wird viele schöne Titel tragen und vielleicht sogar einige Inseln regieren, wie ein echter Fürst. Natürlich gibt es einen Haken – sobald er dort ankommt, wird er seine Schatztruhen öffnen und sie leer vorfinden. Aber das wissen bisher nur wenige Menschen. Wenn er herausfindet, dass er nichts weiter ist als ein armer Bischof, der auf einer verlassenen Insel sitzt, die außer den marodierenden Türken niemand besuchen will, wird es zu spät sein.«

Der Kardinal grinste schelmisch, er genoss sichtlich seine kleine Intrige.

»Ihr müsst mir natürlich jeden einzelnen Sou zurückzahlen, sobald eure Frau ihr Erbe sicher hat; ich kann doch nicht Geld, das mir von unserer Regierung anvertraut wurde, für etwas verwenden, das als reine Privatangelegenheit betrachtet werden muss.«

»Sicherlich werden wir das tun, aber warum sollte Eure Eminenz das für mich tun? Ich nehme an, dass Eure Eminenz neben meiner ewigen Dankbarkeit auch eine winzige Gegenleistung erwartet?«

»Natürlich erwarte ich das. Ich finde es immer angenehm, mit jemandem zu diskutieren, der einen schnellen Verstand hat. Wenn ich Ihnen einen solchen Dienst erweise, erwarte ich natürlich auch eine Gegenleistung, etwas Besonderes.«

»Darf ich dann wissen, was von mir erwartet wird?«

Der Kardinal nahm einen Schluck von seinem Wein und schien das Aroma zu genießen, bevor er ihn trank. »Ausgezeichneter Wein, aus der Region Avignon, das Weingut gehört übrigens dem Heiligen Stuhl. Der Heilige Vater schickt mir jedes Jahr ein paar Fässer.«

François lachte. »Langsam werde ich nervös! Wenn Eure Eminenz sich so viel Zeit nimmt, um mir meinen Teil der Abmachung mitzuteilen, befürchte ich, dass es nicht einfach sein wird.«

»Ihre Majestät ist besorgt über die Lage in England«, antwortete der Kardinal schließlich. »Ich nehme an, Sie wissen, was dort vor sich geht?«

»So viel wie die meisten Menschen. Ich kenne allerdings nicht alle Details, die Situation sieht … sagen wir mal, kompliziert aus. Die Königreiche England und Schottland werden von einem Bürgerkrieg heimgesucht. Ich habe allerdings nie verstanden, warum die Dinge so schlecht stehen. Es scheint, dass König Karl sich mit dem Parlament zerstritten hat – warum hat er es überhaupt jemals zugelassen, dass das Parlament so mächtig wurde?«

»Geld und Religion«, erklärte der Kardinal schlicht. »Die übliche Geschichte. Ein schwacher König, ich erlaube mir, hier offen zu sprechen, mit einem Haufen nutzloser Berater. Das ist keine gute Kombination. Und seine Feinde haben eine Menge Geld.«

»Aber warum sollte Ihre Majestät besorgt sein? Frankreich und England sind seit Jahrhunderten verfeindet, es ist eine gute Nachricht, wenn ein Erbfeind für die nächsten Jahre geschwächt wird. Frankreich kann von dieser Situation doch nur profitieren.«

Der Kardinal schaute sich um, als wolle er sichergehen, dass bei diesem Gespräch keine Zeugen gäbe. »Ich bin geneigt, Ihrer Analyse zuzustimmen, de Toucy. Aber die Königin macht sich Sorgen um ihre Schwägerin, die Königin von England.«

»Königin Henrietta Maria, die Schwester des verstorbenen Königs?«

»Genau, das heißt, sie ist eine ’fille de France’, eine Prinzessin von königlichem Blut aus Frankreich, und Ihre Majestät macht sich Sorgen, dass sie in die Hände dieser verrückten Puritaner fallen könnte, die es auf das Blut der Anhänger des wahren Glaubens abgesehen haben. Sie hat Albträume, was einem Mitglied der französischen Königsfamilie unter diesen Umständen passieren könnte. Ich stimme mit Ihrer Majestät überein, dass wir das verhindern müssen; niemals darf es dazu kommen, dass ein Mitglied der französischen Königsfamilie in die Hände der Kanaille, des Mobs auf der Straße, fällt.«

Der Kardinal machte ein feierliches Kreuzzeichen, als wolle er das Böse abwehren, und hielt einen Moment inne.

»Hat Königin Henrietta vor, England zu verlassen und in Frankreich um Exil zu bitten, oder wird sie sich ihrer Tochter in Holland anschließen?«, fragte François.

»Das ist ein Teil des Problems. Königin Henrietta Maria besteht darauf, in England zu bleiben. Sie glaubt, dass Gott sie auserwählt hat, die Engländer zu bekehren und würde lieber als Märtyrerin sterben.«

François musste diese Information erst einmal verdauen und es entstand ein kurzes, aber beredtes Schweigen.

»Eure Eminenz möchte, dass ich mit der Königin spreche?«, fragte er ungläubig.

»Ja, denn jemand muss ihr erklären, dass sie England verlassen muss, wenn die Lage noch schlimmer wird. Zu allem Übel ist Ihre Majestät auch wieder guter Hoffnung – schon wieder«, fügte der Kardinal hinzu und nippte an seinem Wein. »Man könnte meinen, dass König Karl in einer so schwierigen Zeit vielleicht andere Prioritäten hätte setzen sollen …«

»Wie soll ich eine Königin davon überzeugen, ihre Meinung zu ändern und England zu verlassen, wenn sie ein Kind erwartet und nicht bereit ist, ihr Land und höchstwahrscheinlich auch ihren Mann zu verlassen?«, fragte François in einem höflichen Ton, wobei nur ein leichtes Hochziehen der Augenbrauen seine wahren Gefühle verriet.

»Das überlasse ich Ihnen. Vergessen Sie nicht, was für Ihre Frau auf dem Spiel steht, und übrigens, wenn Sie Erfolg haben, werde ich Sie in Frankreich in den Grafenstand erheben lassen, Ihre Majestät hat bereits gnädig zugestimmt. Im Moment scheint Königin Henrietta Maria in Sicherheit zu sein, denn der Hof ist nach Oxford umgezogen, einem viel sichereren Ort als London, das schon fest in der Hand des Parlaments ist. Aber meine Agenten berichten mir, dass die Kräfte des Parlaments jeden Tag stärker werden. In nur wenigen Monaten könnte die Lage ziemlich verzweifelt werden.«

Der Kardinal wählte noch eine kandierte Kirsche und fuhr fort. »Die französische Regierung hat beschlossen, nicht zu intervenieren. Wir wollen die Königin retten, nicht England. Auch der Prinz von Oranien wird sich nicht einmischen, was bedeutet, dass die Niederländer unsere Einstellung teilen. Sie mögen den König bemitleiden, aber sie freuen sich diebisch, wenn England geschwächt wird. Wir wissen sogar, dass ein beträchtlicher Teil des Geldes, das die Gegenpartei unterstützt, von den Niederländern stammt.«

Er spülte die Kirsche mit einem Schluck Wein herunter und fuhr fort. »König Karl könnte natürlich durch ein göttliches Wunder gerettet werden – aber das passiert in unserer modernen Zeit leider sehr selten. Wenn Sie mich fragen, ist er dem Untergang geweiht. Solange ich Premierminister in Frankreich bin, werde ich dafür sorgen, dass das Parlament in Paris niemals an Macht gewinnen wird. Das ist eine Frage der Ressourcen und der Führung. In England haben die Parlamentarier mehr Geld und mehr Männer zur Verfügung als der König. Schlimmer noch, sie scheinen begabte Anführer für ihre Armee gefunden zu haben. Kurz zusammengefasst: Bereiten Sie alles für eine rasche Abreise nach England vor, de Toucy, sobald ich Sie rufe. Das könnte schon morgen passieren – natürlich nur, wenn Sie den Auftrag annehmen, Monsieur le Comte.«

François de Toucy lächelte den Kardinal an, das berühmte Lächeln, das die Herzen aller Hofdamen der Königin höherschlagen ließ. »Wie könnte ich ablehnen, Eure Eminenz? Lasst mich wissen, wann ich die Ehre haben werde, Königin Henrietta Maria in England zu treffen.«

Der Kardinal hatte keine Schwäche für schneidige junge Männer; seine Schwäche galt den jungen, drallen Frauen, die regelmäßig sein Bett wärmten. Deshalb lächelte er nur kurz zurück und blieb streng sachlich.

»Dann ist ja alles geklärt, ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann, mein Vorgänger hatte Sie mir wärmstens für heikle Missionen empfohlen.« Er läutete die Glocke und der junge Mönch trat wieder ein. »Monsieur de Toucy wird dir später sagen, was er braucht, ein Schiff, etwas Gold usw. Er hat freie Hand, sorge dafür, dass seine Wünsche schnell erfüllt werden, und gib mir einen wöchentlichen Bericht. Seine Mission ist streng vertraulich.« Er schickte einen letzten strengen Blick zu François. »Aber keine unnötigen Ausgaben, Sie wissen, dass Sie später über alle Ausgaben Rechenschaft ablegen müssen!«

»Auch das hat sich nicht geändert: auch Kardinal Richelieu hat nie unnötige Ausgaben akzeptiert«, sagte François.

»Deshalb hat er Frankreich zu einer großen Nation gemacht! Und ich werde das Land noch größer machen. Vertrauen Sie mir.«

Der Sekretär trat vor, verbeugte sich ehrfurchtsvoll, und François de Toucy wurde entlassen. Mit dem Jagdinstinkt eines Bluthundes kramte der Kardinal einige Dokumente aus einem der verrutschen Stapel vor ihm hervor und begann zu lesen, scheinbar zufrieden damit, dass er gefunden hatte, was er gesucht hatte.

***

Begleitet von seinem treuen Burschen Michel, ritt François vom Louvre-Palast zurück zu dem neuen Stadtpalais, das er nach seiner Heirat erworben hatte. Obwohl er immer wachsam war – niemand, der bei klarem Verstand war, würde durch die schmutzigen Straßen von Paris reiten, ohne nach versteckten Schlaglöchern oder umherstreifenden Verbrechern Ausschau zu halten – dachte er immer noch an das Gespräch mit Kardinal Mazarin.

François ignorierte die aufdringlichen Hausierer, die ihm Gebäck, gefälschten Schmuck oder Reliquien – direkt aus dem Heiligen Land – verkaufen wollten. Letztere sollten garantiert gegen alle möglichen Gebrechen helfen. Er jagte auch die hartnäckigen Bettler wie lästige Fliegen davon, von denen einige so verstümmelt waren, dass er sich nur wundern konnte, wie sie es schafften, sich am Leben zu halten. Sonntags war es üblich, nach dem Gottesdienst Almosen an die wartenden Bettler vor der Kirche zu verteilen, aber heute war nicht Sonntag und François war ein Mann mit Prinzipien – außerdem war er praktisch veranlagt und wusste, dass ihm sofort ein Heer von Bettlern folgen würde, wenn er jetzt anfing, Almosen zu verteilen.

Michel schwang seine Peitsche, als ein dreckiger und besonders dreister Bettler aufdringlich wurde. Dazu ließ er ein paar obszöne sowie fantasievolle Flüche auf den Bettler niederprasseln, bis dieser endlich aufgab.

So kamen sie ohne größere Zwischenfälle in François’ neuem Zuhause an. Sobald sie das Tor erreicht hatten, eilten schon Diener herbei, um sich um ihren Herrn und die Pferde zu kümmern. Noch immer in Gedanken versunken, stieg François ab und die Treppe zum Salon hinauf, wo seine Frau sicher schon auf ihn wartete.

Julia sprang von ihrem Stuhl auf und stürzte in seine Arme, um ihn zu begrüßen. François drückte sie fest an sich und atmete den Duft ihres Parfüms ein, das sie aus Rosenblättern und einer geheimen orientalischen Mischung von Zutaten destilliert hatte, die sie aus Venedig mitgebracht hatte. Freude erfüllte sein Herz; er konnte sein Glück immer noch nicht fassen, Julia in Venedig begegnet zu sein – war das erst zwei Jahre her?

Julias Taille war etwas umfangreicher geworden – sie war schwanger. Eines der wenigen Geheimnisse, die Kardinal Mazarin scheinbar noch nicht kennt, überlegte François, während er seine Frau umarmte.

»Sag mir, was hat der Kardinal gewollt? Er hat dich doch nicht nur auf ein Glas Wein eingeladen?«

»Doch, er hat mir ein Glas Wein angeboten, meine Liebe«, antwortete François ausweichend, während er sich vergewisserte, dass Julia bequem auf seinem Schoß saß, »und zwar einen sehr guten, einen Wein von den Weingütern des Heiligen Vaters in Avignon.«

Julia war nicht sehr beeindruckt. »Der Papst Vater sollte sich mit wichtigeren Dingen beschäftigen, als Wein zu produzieren! Außerdem sind die Weine von unseren eigenen Weingütern viel besser, ich weiß nicht, warum ihr Franzosen immer so ein Aufheben um eure Weine macht. Die Weine aus Norditalien sind besser als alles, was ich in Frankreich je probiert habe. Aber egal, ich hoffe, du hast dem Kardinal gesagt, dass du verheiratet bist und ihm nicht mehr zur Verfügung stehst?«

»Ja, so ähnlich hat unser Gespräch begonnen«, antwortete François vorsichtig.

Julia schaute ihn kritisch an, sie merkte sofort, dass er keine guten Nachrichten mitgebracht hatte.

»Erinnerst du dich an deinen Cousin Giovanni und den anderen Cousin, der stottert und ein Stubenmädchen nach dem anderen schwängert?«, fuhr er fort.

»Ich nehme an, du meinst Giacomo, diese Kakerlake. Er hat immer mit Giovanni intrigiert, das sind die Art von Verwandten, die man eigentlich nicht haben möchte … Was ist mit ihnen? Warum erwähnst du sie jetzt? Du hast doch nicht etwa mit dem Kardinal über meine Verwandten gesprochen?«

»Doch, das haben wir. Der Kardinal hat mir im Vertrauen erzählt, dass deine Cousins ein neues Gesetz vorgeschlagen haben, um sich dein Erbe anzueignen. Natürlich haben sie es recht allgemein formuliert: dass venezianische Frauen, die außerhalb des noblen Kreises des Goldenen Buches heiraten, ihr Recht auf das venezianische Erbe verlieren sollen. Da ich nicht im Goldenen Buch eingetragen bin, wärst du die erste, die betroffen wäre, zumindest das Erbe deines Onkels wäre so verloren.«

»Ja, das passt zu Giovanni und Giacomo!« Julia sprang auf und ballte vor Wut die Fäuste. »Was für ein widerliches Paar. Aber die werden das noch bedauern, ich werde mit meiner Tante reden, ich werde sie töten, in Stücke hacken und in den Canal Grande werfen lassen!«

»Haben wir nicht gerade über Wein gesprochen? Es gab Zeiten, in denen mir meine reizende Frau ein Glas Wein angeboten hat, nachdem ich durch die gefährlichen Straßen von Paris galoppiert bin, um so schnell wie möglich zu ihr zu eilen« François wechselte schnell das Thema.

»Wenn du mir erklären kannst, wie jemand durch Paris galoppieren kann, wäre ich vielleicht versucht, dir zu glauben, aber die Straßen in dieser dreckigen Stadt sind so eng und verstopft, dass sich sogar die Königin im Schneckentempo bewegen muss, wenn sie zur Kirche reiten will«, antwortete Julia, nahm aber die Karaffe aus kostbarem Muranoglas und schenkte ihm ein Glas Wein ein. François bedankte sich bei ihr mit einem langen Kuss.

»Es hat keinen Sinn, meine Aufmerksamkeit abzulenken, Monsieur«, flüsterte sie, willigte aber bereitwillig ein, als François die Prozedur wiederholte.

»Der Kardinal hat angeboten, die Mitglieder des Ausschusses zu bestechen. Und er könnte dafür sorgen, dass Giacomo zum Bischof befördert wird und mit ein paar klangvollen Titeln, auf eine abgelegene Insel im Mittelmeer geschickt wird. Das wäre wohl eleganter, als ihn zu töten und im Meer zu versenken.«

»Ich würde ihn lieber tot sehen.« Julia war nicht in versöhnlicher Stimmung. »Aber ich stimme zu, dass das funktionieren könnte. Aber dieser Vorschlag wird eine Menge Geld kosten – und der Kardinal Mazarin ist kein Dummkopf, du wirst jeden Scudo zurückzahlen müssen – und mehr, also – raus mit der Sprache – was will er von dir?«

»Er will, dass ich ihm einen besonderen Dienst erweise, drüben in England. Aber er hat noch eine andere Belohnung parat: Wenn ich tue, was er verlangt, werde ich hier in Frankreich zum Grafen ernannt.

Julia riss erschrocken die Augen auf und schluckte, bevor sie antwortete. »So hat er dich also an den Haken bekommen! Ich könnte dir natürlich sagen, dass es mir egal ist, ob ich das Erbe meines Onkels antrete oder nicht, ich habe mehr als genug Geld. Aber dieser Mazarin ist hinterhältig. Er weiß, dass du alles tun würdest, um selbst ein Graf zu werden. Mein stolzer Mann kann es nicht ertragen, wenn er nur den Titel seiner Frau tragen darf.«

»Bist du böse auf mich?« François schaute sie mit seinen klaren grauen Augen an – keiner Frau war es bisher gelungen, diesem Blick standzuhalten.

»Natürlich bin ich das, und hör auf, mich so anzuschauen! Ich hasse dich, François de Toucy!«

François nahm Julia in seine Arme und jeder weitere Protest wurde durch einen langen Kuss zum Schweigen gebracht.

»Es scheint, dass ich nichts tun kann, außer in einen Wutanfall zu verfallen, aber das wird nicht helfen«, fuhr sie nach einiger Zeit fort und seufzte tief, »und das wäre auch verschwendete Zeit. Ich werde also meine Tante bitten, nach Paris zu reisen und bei mir zu bleiben, solange du in England bist. Ich bin also einverstanden, aber nur unter einer Bedingung!«

»Welche Bedingung?«

»Du musst mir jedes Detail über deine Mission erzählen, auch wenn der Kardinal wahrscheinlich zu dir gesagt hat, dass sie streng geheim ist und du kein Wort erwähnen darfst.«

Und so erzählte François ihr, wie er die Königin von England retten sollte.

Der Herzog und der Wahrsager von London

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